Replik zu Gleißner: Aktuelle Entwicklungen im Arbeitszeitrecht (DRdA 2019, 190 )

JOFEFCERNY (WIEN/SALZBURG)

In einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift mit Anspruch auf Objektivität und Meinungsvielfalt sind unterschiedliche Auffassungen in bestimmten Sachfragen immer wieder möglich, ja sogar erwünscht, weil sie die Abwägung der gegenseitigen Argumente erleichtern und so die Diskussion beleben und zugleich vertiefen.

In diesem Sinn halte ich es auch für eine gute Idee, in ein und demselben Heft von DRdA zu einem aktuellen sozialpolitischen Thema zwei Autoren zu Wort bzw Schrift kommen zu lassen, die jeweils in leitender Position einer Interessenvertretung der AN bzw der AG tätig sind. Bei dieser Vorgangsweise ist freilich zu erwarten, dass bei jedem dieser beiden Autoren – bei allem Bemühen um wissenschaftliche Korrektheit – Interessenstandpunkte und Wertungen in die Argumentation einfließen.

Der Beitrag von Rolf Gleissner lässt keine Zweifel daran, dass hier vor allem Positionen aus AG-Sicht vertreten werden, und fordert deshalb in mehrfacher Hinsicht zum Widerspruch heraus. Ich greife davon nur eine Frage heraus, in der mich Gleissner in einer Fußnote zu Unrecht als „Kronzeugen“ für seine Aussagen zitiert.

Es geht um die seltsame Debatte über die Abschaffung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag für Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften (§ 7 Abs 3 ARG alt) und die Einführung eines „persönlichen Feiertages“ (§ 7a Abs 1 ARG neu). Dazu meint Gleissner, dass die Absprache mehrerer AN über den Urlaubsantritt an ein und demselben Tag, um den AG unter Druck zu setzen oder ihm zu schaden, ein Verstoß gegen die Treuepflicht wäre, und dass der BR, wenn er einen „kollektiven Urlaubsantritt“ mit demselben Zweck „organisiert“, „die Friedenspflicht verletzen“ würde (DRdA 2019, 196). Zu letzterer Aussage verweist er in FN 57 auf den Vergleich („Vgl“) mit der OGH-E 9 ObA 125/03b (vom 19.11.2003) und auf meinen Aufsatz „Zur Frage einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht“ in DRdA 2004, 517.

In beiden Fällen geht der Hinweis aber völlig daneben: Die OGH-E hat mit dem Thema „persönlicher Feiertag“ nicht das Geringste zu tun, sondern betrifft eine Flugblatt-Aktion des BR in einem Konflikt über ein Sparprogramm eines Unternehmens, und bei dem mich betreffenden Zitat wird meine Aussage schlicht ins Gegenteil verkehrt. Wie schon aus dem Titel meines Aufsatzes hervorgeht, habe ich nicht über „die Friedenspflicht“, sondern über die „Frage einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht“ geschrieben und diese Frage verneint!

Wörtliches Zitat (DRdA 2004, 522: „Aus all dem folgt, dass es für die Annahme einer betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht bzw eines Arbeitskampfverbotes keine tragfähige Grundlage gibt.“)

Ich möchte Herrn Gleissner nicht die Absicht unterstellen, mich durch ein bewusstes Fehlzitat für seine Meinung „vereinnahmen“ zu wollen – das hätte wenig Aussicht auf Erfolg. Vielmehr gehe ich davon aus, dass das Zitat inhaltlich nicht überprüft wurde – falsch ist es auf jeden Fall.

Im Übrigen muss ich auch dem Inhalt von Gleissners Aussagen widersprechen. Abgesehen davon, dass mir die Annahme eines abgesprochenen „kollektiven Urlaubsantritts“, also einer „Persönlicher-Feiertags-Verschwörung“ ziemlich realitätsfern erscheint, frage ich mich, wie und warum ein BR eine solche Aktion „organisieren“ sollte. Es ist doch gerade von den Erfindern dieser arbeitsrechtlichen Kuriosität besonders hervorgehoben worden, dass es sich bei der Wahl des „Persönlichen Feiertages“ um ein Recht jedes einzelnen AN handelt, und dass dieses Recht auch mehrere AN gleichzeitig in Anspruch nehmen können. Das Schikaneverbot nach § 1295 Abs 2 ABGB gilt für jede Rechtsausübung!