Oerder/WenckebachEntgelttransparenzgesetz – Basiskommentar zum EntgTranspG
Bund Verlag, Frankfurt am Main 2018, 136 Seiten, kartoniert, € 29,90
Oerder/WenckebachEntgelttransparenzgesetz – Basiskommentar zum EntgTranspG
Der von Lena Oerder und Johanna Wenckebach verfasste Kommentar zum Entgelttransparenzgesetz erschien im Jahr 2018 in der ersten Auflage. Alle Neuregelungen dieses Gesetzes werden mit Blick auf die Praxis verständlich erläutert. Berechnungsbeispiele, um Vergleichsgehälter zu ermitteln, und Hinweise für PraktikerInnen sollen die Anwendung des EntgTranspG erleichtern.
Nach einem Inhalts-, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis ist das gesamte EntgTranspG in der aktuellen Fassung abgebildet. Bevor die Kommentierung der einzelnen Bestimmungen erfolgt, werden in einer Einleitung ein rechtspolitischer Rückblick und ein historischer Abriss in Bezug auf die Entstehung dieses Gesetzes gegeben. Das bringt dem Leser die Thematik näher und verdeutlicht die Ziele des EntgTranspG. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert außerdem die Anwendung dieses Kommentars.
Das Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen ist im deutschen Recht in Art 3 Abs 2 Satz 1 des Grundgesetzes verankert. Dieser Gleichheitsgrundsatz gilt natürlich auch für Entgeltfragen. Obwohl diese Forderung in Deutschland bereits seit rund 150 Jahren besteht, werden trotzdem Frauen in Entgeltfragen nicht gleich behandelt wie Männer. Die Gender Pay Gap beträgt immerhin 21 %. Die Autorinnen führen aus, dass es jedoch nicht an gesetzlichen Grundlagen mangle, schließlich gibt es seit den 1950er-Jahren eine Anspruchsgrundlage durch internationale Rechtsquellen. Auch mehrere Kodifizierungen von EU-Richtlinien in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz konnten die Durchsetzungskraft nicht stärken. Obwohl es zahlreiche Initiativen gab, um die faktische Ungleichbehandlung zu beseitigen, wurde kaum eine umgesetzt. Im Jahr 2017 wurde schließlich das EntgTranspG erlassen, das jedoch lediglich bei der Transparenz von Entlohnungssystemen ansetzt. Vielfach wird aber weiter auf die Freiwilligkeit der AG abgestellt werden. Das Gesetz vermag zwar Transparenz zu schaffen, allerdings wurden keine Durchsetzungsinstrumente bei aufgedeckter Ungleichbehandlung normiert. Damit bleibt zu hoffen, dass zumindest eine Sensibilisierung in Entgeltangelegenheiten stattfindet. Immer wieder werden die grundlegenden Schwächen dieses Gesetzes zum Ausdruck gebracht. Wie schon beschrieben, liegt ein zentrales Problem der Gleichbehandlung in der Durchsetzung. Daher werde ich im Folgenden mehrere Stellen des Kommentars herausheben, die diese Problematik aus praktischer Sicht verdeutlichen.
Ziel des Gesetzes ist gem § 1 EntgTranspG „das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen
“. § 3 Abs 1 EntgTranspG normiert ein Verbot, hinsichtlich sämtlicher Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts zu treffen. Das Verbot bezieht sich sowohl auf den Stundenlohn als auch auf mögliche Zulagen oder Prämien. Irrelevant ist weiters, ob es sich dabei um kollektive Entgeltbestimmungen oder individuell vereinbartes Entgelt handelt. Gleiche Arbeit wird in § 4 Abs 1 EntgTranspG definiert und liegt vor, wenn weibliche und männliche AN eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen. Um das festzustellen, ist ein Gesamtvergleich der Tätigkeiten vorzunehmen. Es ist auf die jeweils überwiegende Tätigkeit abzustellen, wobei nur einzelne gleiche Arbeitsvorgänge nicht ausreichen. Können sich die Beschäftigten gegenseitig ersetzen, liegt gleiche Arbeit vor. AN üben gem § 4 Abs 2 EntgTranspG gleichwertige Arbeit aus, „wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können
“. Die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen sind zu diesen Faktoren zu zählen. Bei der Ausgestaltung der Faktoren sei darauf zu achten, dass diese nicht diskriminierend sind. Da es jeder Partei selbst obliegt, die für sie günstigen Tatsachen zu beweisen, trägt der/die benachteiligte AN die Beweislast für das Vorliegen gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Zwar reicht die Darlegung eines ersten Anscheins einer Diskriminierung aus, damit es den AG obliegt, das Gegenteil glaubhaft zu machen. Doch angesichts der unklaren gesetzlichen Anforderungen an gleiche oder gleichwertige Arbeit ist das eine große Hürde für die benachteiligten AN.
Die Beweislast der AN stellt bei der mittelbaren Entgeltbenachteiligung ebenso ein Hindernis dar. Sowohl die mittelbare als auch die unmittelbare Entgeltbenachteiligung sind jeweils im Gesetz definiert und verboten. Durch eine mittelbare Entgeltbenachteiligung wird bei der Ungleichbehandlung nicht direkt an das Geschlecht angeknüpft. Vielmehr sind – genauso wie bei der mittelbaren Diskriminierung – durch eine vermeintlich neutrale Regelung faktisch mehr Personen des einen Geschlechts negativ betroffen. Zum besseren560Verständnis bedienen sich die Autorinnen des Beispiels der Teilzeitbeschäftigten: Knüpft eine auf den ersten Blick unverfängliche Regelung an das Merkmal der Teilzeitbeschäftigung an, so müsste belegt werden, dass dadurch Frauen besonders benachteiligt werden. Um das darzulegen, ist ein statistischer Nachweis über die deutlich höhere Anzahl an Frauen in Teilzeitbeschäftigung hilfreich. Es gibt noch keine Judikatur dazu, ab wann diese deutlich höhere Anzahl erreicht ist. Natürlich ist in prozentualen Teilen zu rechnen, wobei der EuGH eine Differenzierung bei außerordentlichen Pensionserhöhungen – bei der 75 % der Pensionisten im Vergleich zu 43 % der Pensionistinnen begünstigt wurden – als ausreichend bewertete. Die Beweislast liegt auch hier wieder bei den AN. Eines derartigen statistischen Nachweises durch benachteiligte AN bedarf es zwar nicht zwingend. Es ist auch ausreichend, eine hypothetische Betrachtungsweise – über die Eignung vermeintlich neutraler Regelungen ein Geschlecht im Hinblick auf das Entgelt zu benachteiligen – nachzuweisen. Trotzdem wird deutlich, dass auch hier den AN durch die Beweislast sehr viel aufgebürdet wird, was für die Geltendmachung einer Ungleichbehandlung hinderlich sein kann.
Die Problematik der individuellen Durchsetzung erkennen die Autorinnen auch beim „Individuellen Auskunftsanspruch“ nach § 10 EntgTranspG: Der Auskunftsanspruch soll das Kerninstrument des EntgTranspG sein. Dadurch soll den AN eine Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebotes ermöglicht werden. Schließlich ist es Voraussetzung für die Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes, dass die AN die Höhe des Entgelts für eine vergleichbare Tätigkeit einer Person anderen Geschlechts kennen. Doch auch hier liegt es an den AN, die Entgelthöhe einer vergleichbaren Tätigkeit herauszufinden und das nur als ersten Schritt, bevor eine Entgeltdiskriminierung gerichtlich geltend gemacht werden kann. Die Autorinnen berufen sich auf Gesetzesmaterialien und führen aus, dass selbst der Gesetzgeber nicht davon ausgehe, dass der Auskunftsanspruch oft genutzt werde. Sowohl die sozialen, aber auch die prozessualen Hindernisse seien noch viel zu hoch. Als wesentlich effektiver schlagen die Autorinnen ein Verbandsklagerecht vor, das jedoch schon im Gesetzgebungsverfahren keinen Erfolg hatte.
Bei diesem Werk handelt es sich um einen sehr guten Praxiskommentar, mit prägnanten und trotzdem gut verständlichen Formulierungen. An mehreren Stellen enthält er Beispiele oder hilfreiche Hinweise, die dem/der GesetzesanwenderIn die Arbeit erleichtern. Er bietet eine gute Übersicht sowohl über die Ziele des Gesetzes als auch die Schwachstellen, die man bei einer Einführung eines derartigen Gesetzes in Österreich jedenfalls beachten bzw überdenken sollte. Der Kommentar bringt den/die LeserIn außerdem dazu, die Durchsetzung des Gleichbehandlungsrechts grundsätzlich in Frage zu stellen. Daher ist der Basiskommentar zum EntgTranspG nicht nur für PraktikerInnen des deutschen Rechts, sondern auch – aufgrund ständig präsenter Diskussionen zur Gleichbehandlung im österreichischen Recht – für LeserInnen in Österreich sehr zu empfehlen.