Die Berücksichtigung von fiktiven Arbeitszeiten beim Wahl- und Ablehnungsrecht

GEORGGASTEIGER (WIEN)
Durch die Arbeitszeitnovelle 2018 (BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53) wurde bekanntlich sowohl ein Ablehnungsrecht als auch ein Wahlrecht (auf Zeitausgleich oder Bezahlung) für bestimmte Überstunden eingeführt (§§ 10 Abs 4, 7 Abs 6 AZG). Beide setzen voraus, dass „durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird“. Rechnet man nun diverse Fallbeispiele durch, gelangt man schnell zu zwei wesentlichen Fragen: Wie wirken sich geplante Normalarbeitszeiten und bezahlte Abwesenheitszeiten (Urlaube, Krankenstände, Feiertage, etc) aus? Da eine Analyse sämtlicher Entgeltfortzahlungszeiten den Rahmen dieses Beitrages bei weitem übersteigen würde, sollen Feiertage stellvertretend für andere vergleichbare Abwesenheitszeiten näher beleuchtet werden. Diese weisen dabei eine Besonderheit auf, da sich hier die tatsächliche Arbeitsleistung und die „ausgefallene“ Arbeitszeit überschneiden können.
  1. Überstunden und die Bedeutung der Lage der Arbeitszeit

    1. Zur Entstehung von Überstunden anhand der Lage der Arbeitszeit

    2. Zur Wesensgleichheit von Lage und Ausmaß der Arbeitszeit

  2. Auswirkungen der zukünftigen Normalarbeitszeit auf das Wahl-/Ablehnungsrecht

    1. Problemdarstellung und Meinungsstand

    2. Eigener Lösungsansatz – Zur Einrechnung der zukünftigen Normalarbeitszeit

    3. Exkurs: Folgen einer alternativen Überstundendefinition auf die 10/50-Stunden-Grenze

  3. Grundlagen der Feiertagsregelung

    1. Zur „ausgefallenen“ Normalarbeitszeit

    2. Zur Feiertagsarbeit

    3. Exkurs: Die Folgen der fehlenden Wochenebene

  4. Auswirkungen von Feiertagen auf das Wahl- und Ablehnungsrecht

    1. Feiertage ohne ausgefallener Normalarbeitszeit

    2. Feiertage mit ausgefallener Normalarbeitszeit

    3. Tatsächliche Feiertagsarbeit

    4. Exkurs: Sonstige Abwesenheitszeiten

  5. Conclusio

1.
Überstunden und die Bedeutung der Lage der Arbeitszeit
1.1.
Zur Entstehung von Überstunden anhand der Lage der Arbeitszeit

Um sich dem oben dargestellten Thema zu nähern, ist es zunächst erforderlich, sich mit dem Unterschied zwischen Überstunden und Normalarbeitszeit zu befassen. Im Hinblick auf den Umfang dieses Artikels werden dabei lediglich Arbeitsverhältnisse in Vollzeit ohne Vorliegen einer Gleitzeit- oder Durchrechnungsvereinbarung behandelt. Die Einbeziehung von Teilzeitarbeit* oder flexiblen Arbeitszeitmodellen würde mE für das hier behandelte Problem keinen ausreichenden Mehrwert liefern, welcher die erschwerte Leserlichkeit aufwiegt.

Es ist unstrittig,* dass Überstunden jedenfalls dann entstehen, wenn das Ausmaß der Arbeitszeit die Grenze der täglichen oder wöchentlichen Normalarbeitszeit – idR* acht Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche – überschreitet. Dabei ist also ausschließlich die Summe der Arbeitszeit entscheidend.

Die wohl hM* kennt jedoch – neben anderen hier nicht relevanten Möglichkeiten – einen weiteren 492 wesentlichen Fall von Überstundenarbeit: Leisten Vollzeitkräfte Arbeitsleistungen außerhalb der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit, handelt es sich ebenfalls um Überstunden, es sei denn, die Lage der Normalarbeitszeit wurde zuvor rechtskonform verschoben. Wird daher beispielsweise die AN* aufgefordert, ihre Arbeit am Montag statt um 8:00 Uhr schon um 6:00 Uhr zu beginnen, fallen Überstunden bereits vor Beginn der geplanten Normalarbeitszeit an. Dies könnte die AG* nur dadurch verhindern, dass sie die ursprünglich vereinbarte Lage der Normalarbeitszeit (zB 8:00 bis 16:30 Uhr) zuvor rechtswirksam verschiebt (etwa gem § 19c Abs 2 AZG).

Die gegenteilige Interpretation* geht hingegen davon aus, dass es auf die Lage der Arbeitszeit nicht ankomme, sondern ausschließlich auf deren Ausmaß abzustellen sei. Überstunden könnten demnach erst nach vollständiger Leistung der Normalarbeitszeit entstehen. Begründet wird dies etwa mit der Textierung des § 6 Abs 1 AZG („überschritten wird“) und dem Zweck des Überstundenzuschlages. Dieser beabsichtige den Schutz der Gesundheit der AN und wolle die außergewöhnliche Beanspruchung, nicht jedoch die erhöhte Flexibilität abgelten. Diese von der hM abweichende Ansicht überzeugt mE jedoch nicht, wie die nachfolgende Analyse zeigt.

Hält man sich das obige Beispiel vor Augen, hätte diese Auslegung mE wohl zur Folge, dass von 6:00 bis 8:00 Uhr Normalarbeitszeit vorliegen müss te. Überstunden entstünden hingegen von 14:30 bis 16:30 Uhr.*

Hier ist jedoch zu beachten, dass § 19c AZG (bzw § 19d Abs 2 leg cit) eine Verpflichtung zur Festlegung der Lage der Normalarbeitszeit vorsieht und eine einseitige Änderung dieser Lage nur noch unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen möglich ist. Ginge man nun davon aus, dass Überstunden erst nach Überschreiten der jeweiligen Zeitsumme (hier: acht Stunden) entstehen können, müsste es sich am Beginn eines Arbeitstages – so nicht die Wochengrenze überschritten wurde – immer um Normalarbeitszeit handeln. Nimmt man § 19c Abs 2 AZG ernst, könnte die AG einen früheren Arbeitsbeginn daher nur noch unter den dort genannten Voraussetzungen anordnen (es handelt sich hier schließlich von 6:00 bis 8:00 Uhr um Normalarbeitszeit). Dies würde idR eine zweiwöchige Vorankündigungsfrist erfordern.* Aus § 6 AZG jedoch abzuleiten, dass Überstunden nur nach der geplanten Normalarbeitszeit und nicht auch davor angeordnet werden können, entspricht mE nicht der Idee von Überstundenarbeit, welche deutlich kurzfristiger angeordnet werden kann* und gerade einen kurzfristig erhöhten Arbeitsbedarf* abdecken soll. Diese Auslegung ist daher zu restriktiv und findet auch keine ausreichende Grundlage im Gesetzestext (siehe ergänzend den Exkurs in Kapitel 2.3. zu allfälligen Wechselwirkungen mit der Auslegung der 10/50-Stunden-Grenze der §§ 7, 10 AZG).

Nimmt man hingegen an, dass die Vorverlegung der Normalarbeitszeit den gleichen Regeln unterliegt, wie die Anordnung der (erst am Ende des Arbeitstages anfallenden) Überstunden, so entzieht man damit der Verpflichtung zur Festlegung der Lage der Normalarbeitszeit und den Grenzen einseitiger Änderungsmöglichkeiten, wie sie in § 19c AZG festgelegt werden, zur Gänze den Anwendungsbereich. Dies widerspricht jedoch klar der Rsp des OGH:*Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich [bei § 19c AZG] lediglich um eine sanktionslose Ordnungsvorschrift handelt.“ Unabhängig davon, ob bzw wie weit der Überstundenzuschlag die Flexibilität der AN abgelten soll, beabsichtigt daher § 19c AZG (unabhängig von § 10 leg cit) jedenfalls eine bessere Planbarkeit der Freizeit.*

Die Probleme der oben genannten Auslegung werden noch dadurch verschärft, dass die Überstundenzuordnung von Nuancen der Arbeitszeiteinteilung abhängen würde: Erbringt eine AN beispielsweise zwischen zwei geplanten Diensten (etwa in der Nacht) zusätzliche Arbeitsleistungen, so stellt sich die Frage, ob diese Stunden zum Vor- oder zum Folgetag zu zählen sind. Rechnet man die Stunden zum Vortag, fallen Überstunden in der Nacht an, andernfalls am Nachmittag des Folgetages. Ohne sich noch mit den Details der Abgrenzung des Arbeitszeittages* zu beschäftigen, zeigt sich bereits, dass dies zu sehr willkürlichen und mE schwer nachvollziehbaren Ergebnissen führen würde.

Die reine Prüfung von Zeitsummen hätte auch kaum nachvollziehbare Auswirkungen auf die diversen Mehr- und Überstundenablehnungsrechte.*So könnte die AN im obigen Beispiel die Arbeitszeit von 14:30 bis 16:30 Uhr etwa gem § 6 Abs 2 AZG ablehnen, obwohl diese von vornherein geplant und vereinbart war. Für die unerwartete Arbeitsleistung in der Früh (6:00 bis 8:00 Uhr) wäre eine Ablehnung hingegen nur bei Vorliegen eines echten Dienstverhinderungsgrundes (zB § 16 UrlG, § 8 Abs 3 AngG)493 möglich. ME ist es jedoch systematisch beabsichtigt, dass eine Ablehnung bei Mehrleistungen eher möglich ist, als bei Normalarbeitszeit, löst letztere doch idR auch Entgeltfortzahlungsansprüche aus.

Historisch geht die oben zitierte abweichende Interpretation wohl auf die E zu 4 Ob 37/71 zurück.* Dort heißt es: „Für die Beurteilung, ob und wann eine Überstunde geleistet wird, ist somit maßgebend, dass vorher bereits die vereinbarte tägliche Arbeitszeit erschöpft ist. [...] Die Frage, ob eine Überstunde vorliegt, ist [...] im Zusammenhang mit der vorangegangenen normalen Arbeitszeit und nicht der darauffolgenden normalen Arbeitszeit zu sehen.“ Worum ging es also? Dem Fall lag eine vereinbarte Normalarbeitszeit von Montag bis Freitag zugrunde. Wurde der AN nun in der Nacht von Sonntag (ab 20:00 Uhr) auf Montag (bis 5:10 Uhr) eingesetzt, erhielt er von der AG ab Montag 0:00 Uhr einen geringeren Überstundenzuschlag als für die Zeit davor. Die AG begründete dies damit, dass die Stunden ab 0:00 Uhr bereits der Folgewoche zuzurechnen seien und der anzuwendende KollV für die ersten zwei Überstunden pro Tag (und die ersten vier Überstunden pro Woche) einen geringeren Zuschlag vorsehe. Der OGH entschied jedoch, dass die Überstunden (entgeltmäßig) noch der Vorwoche zuzurechnen und damit höher zu bezahlen waren.

Aufgrund des Alters der E sind zunächst diverse historische Aspekte zu beachten. Da damals § 10 AZG idF BGBl 1969/461 kollektivvertragsdispositiv war,* handelt es sich genau genommen „nur“ um eine Auslegung der kollektivvertraglichen Zuschlagsregelung. Auch stellte § 10 AZG aF damals ausdrücklich auf „Arbeitswochen“ (nicht auf Kalenderwochen) ab. Überdies war § 19c AZG zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Kraft.* ME muss auf all das jedoch nicht näher eingegangen werden, da die zitierte E von vornherein nicht geeignet ist, die reine Prüfung von Zeitsummen zu stützen: Der OGH musste nämlich nicht klären, ob es sich um Überstunden oder Normalarbeitszeit handelt. Für alle Beteiligten war dies vollkommen unstrittig, obwohl der AN um 0:00 Uhr eigentlich erst vier Stunden an täglicher Arbeitszeit erbracht hatte.* Die wöchentliche Normalarbeitszeit konnte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht überschritten sein, da sich diese laut OGH auch damals ausdrücklich auf die Kalenderwoche bezog* und diese um 0:00 Uhr gerade erst begonnen hatte. Würden Überstunden daher immer erst nach Erfüllung der (überdies: täglichen) Normalarbeitszeit anfallen, lägen noch keine Überstunden vor. Im Ergebnis stützt diese E daher vielmehr die hM, da sich die Überstundenqualifikation de facto gerade aufgrund der vereinbarten Lage der Arbeitszeit ergibt.

Eine ebenfalls erklärungsbedürftige Formulierung findet sich schließlich noch im obiter dictum zu OGH 19.4.1977, 4 Ob 72/77 (Arb 9582). Dort heißt es: „Die Lage der Arbeitszeit kann allenfalls Anspruch auf Zuschläge wegen Nachtarbeit [...] auslösen, nicht aber darüber entscheiden, ob Überstunden geleistet wurden. [...] Da die geleistete Arbeit die Dauer der Normalarbeitszeit nicht überschreitet, wurde diese mit Recht [...] nicht als Überstunden entlohnt.“ Diese Aussage muss tatsächlich im historischen Kontext gesehen werden: § 19c AZG nF wurde erst durch das BGBl I 1997/46 eingeführt und trat am 1.5.1997 in Kraft. Ziel war es, das bis dahin bestehende Weisungsrecht der AG (auch für Vollzeitkräfte) einzuschränken.* Eine Vereinbarung, die es der AG erlaubte, „die Lage [...] nach Belieben einseitig festzusetzen“, wurde mit dieser Bestimmung erstmals gesetzlich eingeschränkt.* Davor konnte die Lage der Arbeitszeit durch die AG festgelegt werden.* Auf dieser Grundlage ist es auch nachvollziehbar, dass Überstundenarbeit vor der Einführung des § 19c AZG nF – soweit ersichtlich – nur im Hinblick auf das Ausmaß, nicht jedoch die Lage der Arbeitszeit diskutiert wurde.* Die oben zitierte Aussage des OGH ist daher aufgrund der aktuellen Gesetzeslage klar überholt.494

Der Vollständigkeit halber sei hier auch die Einführung des § 4b Abs 5 AZG (BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53) angesprochen. Auf den ersten Blick könnte man diesen als Indiz verstehen, dass der Gesetzgeber Überstunden doch nur anhand des Arbeitszeitausmaßes definiert. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass dies mE nicht der Fall ist.

§ 4b Abs 5 AZG regelt die Frage, wann Überstunden vorliegen, wenn die AG Arbeitsleistungen zu einem konkreten Zeitpunkt anordnet, obwohl Gleitzeit vereinbart wurde. Bis zur Novelle 2018 stellte die nicht unbestrittene,* aber wohl hM* dazu primär auf die Lage der angeordneten Arbeitszeit (idR im Verhältnis zur fiktiven Normalarbeitszeit) ab. Seit der Einführung des § 4b Abs 5 AZG wird hingegen – wenngleich im Detail deutlich variierend – verstärkt vertreten, dass das Ausmaß der Arbeitszeit das entscheidende Kriterium darstelle.*

Auch nach dessen Einführung wird etwa vertreten, dass die Lage der Arbeitszeit weiterhin eines von mehreren Abgrenzungsmerkmalen darstelle* und dass selbst bei Gleitzeit Überstunden schon vor Beginn der Normalarbeitszeit anfallen können.* Eine darüberhinausgehende Analyse von § 4b Abs 5 AZG würde jedoch den Rahmen dieses Beitrages deutlich übersteigen und ist mE für die hier gegenständliche Frage auch nicht erforderlich. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass das Regime der Gleitzeit mit einer „festen“ Verteilung der Arbeitszeit eben nicht vergleichbar ist. Die von § 4b Abs 5 AZG beantwortete Frage stellt sich außerhalb der Gleitzeit schlicht nicht:

Nur bei Gleitzeit kann die genaue Lage der Normalarbeitszeit weitgehend von der AN selbst bestimmt werden und ist daher im Voraus nicht bekannt. Die Bedeutung von § 19c AZG ist dementsprechend deutlich geringer. Darüber hinaus existiert bei Gleitzeit nicht nur eine zusätzliche Zeitart (Gleitstunden), sondern auch noch eine Vielzahl an anderen Möglichkeiten, wie Überstunden unabhängig von § 4b Abs 5 AZG entstehen können.*

Gerade letzteres ist wesentlich, da es klar zeigt, dass § 4b Abs 5 AZG von vornherein keine generelle Regelung für die Abgrenzung von Überstunden und Normalarbeitszeit sein will oder sein kann. Durch § 4b Abs 5 AZG soll – wie die Materialien auch ausdrücklich festhalten* – lediglich klargestellt werden, dass eine Ausdehnung der Normalarbeitszeit nur auf Initiative der AN möglich ist. Außerhalb der Gleitzeit kann die AN ihre Normalarbeitszeit jedoch von vornherein nicht einseitig ausdehnen.

Damit kann zusammengefasst festgehalten werden, dass Überstunden sowohl anhand von Zeitsummen als auch aufgrund der Lage der Arbeitszeit entstehen können. Aus dem Umstand, dass Arbeitsleistungen außerhalb der Lage der Normalarbeitszeit als Überstunden zu qualifizieren sind, folgt auch eindeutig, dass etwaige entgeltpflichtigen Abwesenheitszeiten (Urlaub, Krankenstand, Feiertag, etc) nichts an der Überstundenqualifikation derartiger Arbeitszeiten ändern.

1.2.
Zur Wesensgleichheit von Lage und Ausmaß der Arbeitszeit

Betrachtet man nun die beiden dargestellten Varianten zur Entstehung von Überstunden, so stellt man fest, dass beide derart eng miteinander verknüpft sind, dass man mE von einer Wesensgleichheit sprechen kann. Der wesentliche Aspekt besteht darin, dass durch die Lage der Normalarbeitszeit deren Ausmaß ebenfalls festgelegt wird.* MaW, wenn Beginn- und Endzeitpunkt bekannt sind, ist das Zeitausmaß ebenfalls bestimmt. Daher sind Arbeitsleistungen (von Vollzeitkräften) außerhalb der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit mE sowohl aufgrund der Lage als auch aufgrund der Summe der Arbeitszeit als Überstunden zu qualifizieren. Da die gesamte Normalarbeitszeit bereits verplant ist, gibt es schlicht kein Kontingent an Normalarbeitszeit mehr, dem diese Stunden zugeordnet werden könnten.

Die reine Zusammenrechnung von bereits erbrachten Zeitsummen könnte schließlich nur dann erforderlich sein, wenn die Lage der Arbeitszeit nicht bekannt sein sollte. Dies mag zwar in der Praxis ein gängiges Phänomen sein, juristisch ist es jedoch unzulässig.*

Dieser an sich banal anmutende Aspekt der Wesensgleichheit ist mE entscheidend für das Verständnis der Analyse der von §§ 10 Abs 4 bzw 7 Abs 6 AZG (Wahl- und Ablehnungsrecht) verlangten Zeitsummen.

2.
Auswirkungen der zukünftigen Normalarbeitszeit auf das Wahl-/Ablehnungsrecht
2.1.
Problemdarstellung und Meinungsstand

Die Arbeitszeitnovelle 2018 (BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53) sah eine Ausdehnung der höchstzulässigen Gesamtarbeitszeit samt Erweiterung der Überstundenkontingente vor. Aufgrund der massiven Kritik am Erstentwurf* wurden die Ausgleichsmaßnahmen495nochmals verstärkt. So können AN nun bestimmte Überstunden grundlos ablehnen (§ 7 Abs 6 AZG) oder selbst bestimmen, ob diese in Zeit oder in Geld abgegolten werden sollen (§ 10 Abs 4 AZG). Beide Bestimmungen setzen jedoch voraus, dass „durch [diese Überstunden] die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird“. Es werden also zwei Bedingungen definiert: Die Arbeitszeit muss erstens als Überstunde zu qualifizieren sein und zweitens muss durch diese eine gewisse Zeitsumme überschritten werden. Die erste Voraussetzung wurde soeben (Kapitel 1.1.) ausführlich behandelt. Es wird daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen.

Zur zweiten Voraussetzung – der Zeitsumme – stellen sich nun mE zwei wesentliche Fragen: Muss die Arbeitszeitsumme bereits erbracht worden sein? Und wie sind bezahlte Abwesenheitszeiten (Urlaube, Krankenstände, Feiertage, etc) zu berücksichtigen? Während Letzteres in Kapitel 4. näher behandelt wird, soll an dieser Stelle der Frage nachgegangen werden, ob die vollen 10/50-Stunden an Arbeitszeit in der Vergangenheit liegen müssen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zu dieser konkreten Frage bisher keine Rsp vorliegt. Die Materialien* sprechen davon, dass es sich um „Überstunden über einer Tagesarbeitszeit von zehn bzw. einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden“ handeln müsse.

In der Lehre hat sich – soweit ersichtlich – bisher nur Schrank*ausdrücklich mit dem Thema befasst.* Dieser vertritt, dass nur tatsächlich bereits geleistete Arbeitszeiten, wie sie auch § 9 AZG zugrunde liegen, einzurechnen seien und ein Ablehnungsrecht erst nach zehn Stunden täglicher oder 50 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit entstehen könne. Er stützt sich dabei primär auf Gesetzeszweck und -wortlaut.

2.2.
Eigener Lösungsansatz – Zur Einrechnung der zukünftigen Normalarbeitszeit

Die obigen Ausführungen überzeugen mE bei Mehr- und Überstunden. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass kein Anspruch auf eine Einteilung zu Mehr- und Überstundenarbeit besteht, sind hier nur bereits vergangene Zeiten einzurechnen. Ein anderes Bild zeigt sich hingegen bei der Normalarbeitszeit. Durch die Einführung der §§ 7 Abs 6, 10 Abs 4 AZG kam es zu einer Verknüpfung von Zeitsummen und Überstundenqualifikation. Diese kann nur dadurch stringent gelöst werden, dass ebenso wie beim Entstehen von Überstunden, auch beim Ablehnungs- und Wahlrecht die gesamte, für die Zukunft geplante Normalarbeitszeit des jeweiligen Arbeitstages bzw der Kalenderwoche voll in die Berechnung der 10/50-Stunden-Grenze eingerechnet wird, wie folgende Überlegungen zeigen.

Der aus meiner Sicht wesentlichste Aspekt liegt darin, dass andernfalls häufig gar kein Ablehnungsrecht entstünde, selbst wenn die tatsächlich bereits erbrachte Arbeitszeit 10 bzw 50 Stunden bei Weitem übersteigt.

Beispiel 1:

Man denke etwa an den Fall einer 4-Tage-Woche mit zehn Stunden Normalarbeitszeit pro Tag, beginnend jeweils um 8:00 Uhr. Erbringt die AN nun zwei Überstunden vor Beginn der täglichen Normalarbeitszeit (also von 6:00 bis 8:00 Uhr), liegt bereits Überstundenarbeit vor (vgl Kapitel 1.).

Da jedoch um 6:00 Uhr noch nicht mehr als zehn Stunden an täglicher Arbeitszeit erbracht wurden, bestünde kein Ablehnungsrecht. Nach zehn Arbeitsstunden (zwei Überstunden und acht Normalstunden) sind hingegen noch weitere zwei Normalstunden zu erbringen, welche wiederum mangels Überstundenqualifikation nicht abgelehnt werden könnten. Das Ablehnungsrecht würde damit aus rein formaljuristischen Gründen leerlaufen. Die Missbrauchsanfälligkeit einer derartigen Auslegung liegt auf der Hand. Zu ähnlichen Ergebnissen in Bezug auf die 50-Stunden-Grenze gelangt man auch bei sämtlichen AN, deren Arbeitswoche entweder nicht am Montag beginnt oder sechs Werktage beinhaltet. So wären etwa bei einer 4-Tage-Woche, deren Normalarbeitszeit von Mittwoch bis Samstag liegt,* sogar 60 Stunden Arbeitszeit ohne jeglichem Ablehnungsrecht denkbar.*

Nun trifft es zu, dass der OGH* bei der Prüfung der höchstzulässigen Gesamtarbeitszeit gem § 9 AZG idR* ausschließlich auf tatsächlich geleistete Arbeitszeiten abstellt. Dies kann jedoch nicht 1 : 1 auf das Wahl- und Ablehnungsrecht umgelegt werden. Neben der unterschiedlichen Textierung ergibt sich dies schon aus dem Umstand, dass § 9 AZG eben keine Überstundenqualifikation erfordert. Daher ist auch weder das Ablehnungs- noch das Wahlrecht strafbewehrt. Darüber hinaus ist mE auch der Gesetzeszweck nicht völlig ident, da durch §§ 7 Abs 6, 10 Abs 4 AZG eine „Freiwilligkeitsgarantie“ geschaffen* und auch die496Vereinbarkeit von „Beruf, Familie und Freizeit [gewährleistet]“ werden sollte.* Demgegenüber bezweckt § 9 AZG noch stärker den Gesundheitsschutz der AN.* Dieser soll nicht zuletzt durch eine klarere Berechnung und daraus resultierend eine schnellere Überprüfbarkeit durch die Behörden sichergestellt werden,* was auf §§ 7 Abs 6, 10 Abs 4 nicht zutrifft. Es ist auch wesentlich, sich in diesem Zusammenhang nochmals die Entstehungsgeschichte der §§ 7 und 10 AZG vor Augen zu halten. Hier weist Klein* zutreffend darauf hin, dass diese zur Folge hat, dass das Wahl- und Ablehnungsrecht im Zweifel zugunsten der AN auszulegen ist.

Überdies kam es durch die Novelle 2018 nicht nur zu einer Erweiterung der Überstundenkontingente, sondern auch zu einer Anhebung der Arbeitszeithöchstgrenzen des § 9 AZG („12-Stunden-Tag“). Das Wahl- und Ablehnungsrecht wurde (auch) als Ausgleich dazu geschaffen. Daher ist der Aspekt des Gesundheitsschutzes hier ebenfalls nicht unbeachtlich. Der Telos des Ablehnungsrechtes ist mE dementsprechend auch darin zu sehen, dass jene Arbeitszeitmengen, die vor der Novelle 2018 grundlos abgelehnt werden konnten (wegen Überschreitung der Höchstgrenzen des § 9 AZG aF), weiterhin nur freiwillig geleistet werden müssen. Gerade dies spricht jedoch für die hier vertretene Auslegung: Ob die ersten oder letzten Arbeitsstunden als Überstunden zu qualifizieren sind, ändert an der Belastung durch einen 12-Stunden-Tag oder einer 60-Stunden-Woche nichts.

2.3.
Exkurs: Folgen einer alternativen Überstundendefinition für die 10/50-Stunden-Grenze

An dieser Stelle sei abschließend noch ein kurzer Exkurs erlaubt. In Kapitel 1.1. wurden Überstunden (bei Vollzeitkräften) als Arbeitsleistungen außerhalb der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit definiert. Diese Definition ist ein wesentlicher Aspekt, der mE dazu führt, dass die geplante Normalarbeitszeit – wie soeben in Kapitel 2.2. ausgeführt – in die 10/50-Stunden-Grenze einzurechnen ist. Dieser Interpretation ist mE weiterhin der Vorzug zu geben.

Nimmt man jedoch an, man teilt diese Auslegung der 10/50-Stunden-Grenze nicht, so bestünde das Wahl- und Ablehnungsrecht nur für Überstunden, die nach einer Gesamtarbeitszeit von 10 bzw 50 Stunden geleistet werden. Diese Auslegung müsste nun konsequenterweise auch die soeben zitierte Überstundendefinition ablehnen. Es wäre also zu verlangen, dass Überstunden immer erst nach vollständiger Erbringung der Normalarbeitszeit entstehen können. Dies ergibt sich schon daraus, dass die §§ 6 Abs 1 und 7 Abs 6 bzw 10 Abs 4 AZG die gleiche Wortwahl verwenden („überschritten [...] wird“). Für eine unterschiedliche Auslegung fehlt es damit schlicht an einer gesetzlichen Grundlage.

Man käme damit im obigen Beispiel 1 zu folgendem Ergebnis: Nach der mE zutreffenden Auslegung sind die beiden zusätzlichen Arbeitsstunden (6:00 bis 8:00 Uhr) als Überstunden zu qualifizieren und unterliegen dem Ablehnungs- und Wahlrecht. Nach der Gegenmeinung müsste man verlangen, dass deren einseitige Anordnung (und damit die Vorverlegung des Dienstbeginns von 8:00 auf 6:00 Uhr) nur im Rahmen von § 19c Abs 2 AZG möglich wäre, während die beiden letzten Arbeitsstunden des Tages dem Ablehnungs- und Wahlrecht der §§ 7, 10 AZG unterlägen.

Genau dieser Aspekt erscheint mir wesentlich: Selbst wenn man der in diesem Beitrag vertretenen Interpretation nicht folgt, die Überstundendefinition und die Berechnung der 10/50-Stunden-Grenze können keinesfalls losgelöst voneinander beantwortet werden. Anzunehmen, dass „durch“ den früheren Dienstbeginn zwar die „tägliche Normalarbeitszeit (von zehn Stunden) überschritten wird“ (§ 6 Abs 2 AZG), die „Tagesarbeitszeit von zehn Stunden“ (§ 7 Abs 6 AZG) jedoch nicht, ist mE in sich widersprüchlich. Die kurze Vorankündigungsfrist mit Überstundenarbeit zu begründen, aber gleichzeitig das Ablehnungs- und Wahlrecht leerlaufen zu lassen, ist dementsprechend die mE am wenigsten überzeugendste Auslegungsvariante.

3.
Grundlagen der Feiertagsregelung
3.1.
Zur „ausgefallenen“ Normalarbeitszeit

Zur Klärung der zweiten Frage – also jener zu den Auswirkungen von feiertagsbedingten Abwesenheitszeiten auf die 10/50-Stunden-Grenze – sollen zunächst die entsprechenden Grundlagen dargestellt werden.

Das Arbeitsruhegesetz* sieht vor, dass die Arbeitszeit an gesetzlichen Feiertagen auszufallen hat* (sogenannte Feiertagsruhe gem § 7 ARG), wobei die infolge des Feiertages nicht zu leistende Arbeitszeit dennoch zu bezahlen ist (sogenanntes Feiertagsentgelt gem § 9 Abs 1 ARG). Dabei geht die hM* zutreffend davon aus, dass die Berechnung des Feiertagsentgelts dem Ausfallsprinzip folgt. Daher sind neben dem laufenden Lohn/Gehalt mitunter auch sonstige Entgeltbestandteile (wie etwa Überstunden)* zu berücksichtigen.497Die AN soll durch den Feiertag also keinen finanziellen Nachteil erleiden,* sondern so gestellt werden, also ob sie gearbeitet hätte.* Damit kommt der ursprünglich für den jeweiligen Arbeitstag geplanten und durch den Feiertag ausgefallenen Normalarbeitszeit (in der Folge als ausgefallene Normalarbeitszeit bezeichnet) nach der klar hM* eine wesentliche Bedeutung zu. Ein systematisches Verschieben der geplanten Normalarbeitszeit, weg von den Feiertagen, hin zu anderen Arbeitstagen, ist daher idR unzulässig.* Die ausgefallenen Stunden sind eben gerade nicht einzuarbeiten.* Erbringt somit eine Vollzeitkraft an einem anderen Wochentag Arbeitsleistungen außerhalb der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit, handelt es sich um Überstundenarbeit. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Ausmaß der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit das Ausmaß der Normalarbeitszeit noch nicht überschreite.

Beispiel 2:

Mo (Feiertag)DiMiDoFrSaSo
Soll99994
Ist09995

Hier fällt am Freitag eine Überstunde an, auch wenn erst fünf tägliche bzw 32 wöchentliche Arbeitsstunden tatsächlich erbracht wurden.

Zutreffend hält der OGH* dazu fest, dass die ausgefallene Arbeitszeit bei der „Ermittlung der Normalarbeitszeit für die Berechnung von Überstunden [anzurechnen]“ ist. Es kann somit gesagt werden, dass die in der restlichen Woche tatsächlich noch zu erbringende Normalarbeitszeit um die aufgrund des Feiertages ausgefallene Normalarbeitszeit reduziert wird. Fällt der Feiertag dementsprechend auf einen arbeitsfreien Tag, steht kein Feiertagsentgelt zu und es ergeben sich auch keine Auswirkungen auf die Arbeitszeit der restlichen Woche.

3.2.
Zur Feiertagsarbeit

Unter gewissen Voraussetzungen können AN nun auch an Feiertagen zur Arbeit gerufen werden (vgl §§ 10 ff ARG). Für diesen Fall sieht § 9 Abs 5 ARG vor, dass AN zusätzlich „Anspruch auf das für die geleistete Arbeit gebührende Entgelt“ haben (sogenanntes Feiertagsarbeitsentgelt). Die AN erhalten in diesem Fall also sowohl die ausgefallene als auch die tatsächliche Arbeitszeit bezahlt (oder ein entsprechendes Zeitausgleichsguthaben – dazu sogleich). Es stellt sich daher die Frage, wie die am Feiertag erbrachte Arbeitszeit zu qualifizieren, insb wann diese als Überstundenarbeit zu entlohnen ist. Die hM* geht hier zutreffend davon aus, dass es sich bei Feiertagsarbeit nicht zwingend um Mehr- oder Überstundenarbeit handeln muss. Die rechtsdogmatische Begründung ergibt sich aus § 9 Abs 5 iVm 7 Abs 6 ARG, wonach für Feiertagsarbeit alternativ zur Bezahlung in Geld auch Zeitausgleich vereinbart werden kann. In diesem Fall gilt: „Ist für die Normalarbeitszeit (§ 3 Arbeitszeitgesetz) an Feiertagen Zeitausgleich vereinbart, so muß dieser mindestens einen Kalendertag oder 36 Stunden umfassen.“ Der Gesetzgeber wollte damit gewissermaßen eine Verschiebung des Feiertages ermöglichen.* Diese Bestimmung setzt also voraus, dass es jedenfalls möglich sein muss, an einem Feiertag Normalarbeitszeit zu erbringen. Das Gesetz geht jedoch noch einen Schritt weiter. Es muss nicht nur „gewöhnliche“ Normalarbeitszeit möglich sein, sondern eine Normalarbeitszeit, für welche Zeitausgleich gebührt. Damit handelt es sich freilich um ein Oxymoron, kann doch eigentlich das Erbringen der vertraglich geschuldeten Normalarbeitszeit nicht dazu führen, dass in der Folgewoche weniger Normalarbeitszeit geschuldet wird.* Diese Bestimmung führt so mE zu einem nicht besonders gelungenen Bruch mit dem übrigen System des ARG bzw AZG.

Die wohl hM* löst dieses Problem zutreffend anhand eines Vergleichs zwischen dem ausgefallenen Arbeitstag und der tatsächlichen Feiertagsarbeit. Es ist zu prüfen, ob es sich auch dann um Überstunden handeln würde, wenn der jeweilige Tag kein Feiertag, sondern ein normaler Arbeitstag wäre.

Beispiel 3:

Die vereinbarte Normalarbeitszeit von 8:00 bis 16:30 Uhr (inklusive Pause) fällt feiertagsbedingt aus. Dennoch werden an diesem Tag von 14:30 bis 18:30 Uhr tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht. Daher sind acht Stunden ausgefallene Normalarbeitszeit (Feiertagsentgelt) sowie zwei Normal- und zwei Überstunden für die tatsächliche Arbeitszeit (Feiertagsarbeitsentgelt) abzurechnen.498

Die Abgrenzung von Überstunden und Normalarbeitszeit orientiert sich also auch am Feiertag an der Lage der (ausgefallenen) Normalarbeitszeit und kann nicht allein auf die Summe der erbrachten Arbeitsstunden abstellen,* da für ein so weitreichendes Abgehen von den Grundregeln des AZG auch § 7 Abs 6 ARG keine Grundlage mehr bietet. Dies deckt sich auch mit der Rsp des OGH,* wonach Arbeit „während der für den entsprechenden Wochentag vereinbarten Normalarbeitszeit“ als Normalarbeitszeit gilt. Arbeit, die „auch bei Leistung [...] an dem entsprechenden Werktag als Überstunden zu qualifizieren wäre“, ist hingegen mit Überstundenzuschlag abzurechnen. Dies überzeugt schon deshalb, weil kein Grund ersichtlich ist, gerade am Feiertag nur auf das Ausmaß abzustellen und damit auch sämtliche kollektivvertraglichen oder gesetzlichen Grenzen für die Lage der Normalarbeitszeit auszuhebeln.* Dennoch wird davon abweichend mitunter ausschließlich auf das Ausmaß der ausgefallenen Arbeitszeit abgestellt.* Diese Interpretation geht mE auf eine E des OGH aus 1977 zurück.* Darin wurde entschieden, dass Feiertagsarbeit „erst dann als Überstundenarbeit zu beurteilen ist, wenn sie hinsichtlich ihrer Dauer über das Maß der täglichen Normalarbeitszeit hinausgeht“. In dem zu beurteilenden Fall lag die übliche Normalarbeitszeit von 7:00 bis 15:30 Uhr. Der AN wurde jedoch aufgrund des Feiertages nur von 17:00 bis 18:40 Uhr eingesetzt. Der OGH entschied, dass es sich dabei nicht um Überstunden gehandelt habe. Hier ist jedoch zu beachten, dass § 19c AZG im Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Kraft war und damit die Verteilung der Normalarbeitszeit rein der AG oblag (vgl die Ausführungen zu § 19c AZG in Kapitel 1.1.). Darüber hinaus sah sogar der KollV selbst im zu beurteilenden Fall eine Verschiebung der Lage der Arbeitszeit vor, andernfalls dem AN ein weiterer freier Tag zustand. Die E erklärt sich daher aus dem historischen Kontext und kann auf die aktuelle Rechtslage nicht umgelegt werden.

Im Ergebnis ändert auch die Einführung des § 7a ARG nichts an den obigen Erläuterungen. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass es sich auch bei § 7a ARG um dasselbe Konzept wie bei § 9 Abs 1, Abs 5 leg cit handelt.* Dementsprechend war mit der Einführung von § 7a ARG von vornherein kein Abgehen von den bisherigen Grundsätzen beabsichtigt. Völlig undifferenziert immer „das doppelte Entgelt“ zuzusprechen, würde mE auch jede Vereinbarung über die Verteilung der Normalarbeitszeit endgültig ad absurdum führen. Zusammenarbeit ist daher weiterhin der hM der Vorzug zu geben.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass selbstverständlich die Lage der ausgefallenen Normalarbeitszeit nicht immer gleich sein muss und nach den allgemeinen Grundregeln (insb § 19c AZG) verschoben werden kann, soweit dies nicht in sittenwidriger Umgehung der Feiertagsruhe erfolgt.* So wäre es beispielsweise möglich, dass der „Grunddienstplan“ für gewisse AN am Montag keinen Dienst vorsieht, auch wenn auf diesen Montag zufällig ein Feiertag fallen sollte. Hier zeigt sich jedoch ein interessanter Effekt des § 7 Abs 6 ARG: Er „sperrt“ mE die Möglichkeit, die tatsächliche Normalarbeitszeit am Feiertag unabhängig von der ausgefallenen Normalarbeitszeit zu verschieben. Anders ausgedrückt: Es besteht keine Möglichkeit, jene Stunden tatsächlicher Feiertagsarbeit, welche als Normalarbeitszeit abzurechnen sind, zu verschieben, ohne den dahinterliegenden Grunddienstplan (also die Lage der ausgefallenen Normalarbeitszeit) ebenfalls zu verändern. Die Lage der ausgefallenen und tatsächlichen Normalarbeitszeit müssen daher immer deckungsgleich sein, andernfalls handelt es sich – wie oben dargestellt – nicht mehr um Normalarbeitszeit, sondern um Überstundenarbeit.

3.3.
Exkurs: Die Folgen der fehlenden Wochenebene

Hier seien kurz die Widersprüche dargestellt, welche § 7 Abs 6 ARG und dessen „Zeitausgleich für Normalarbeitszeit“ aufwerfen. Der aufgrund dieser Bestimmung erforderliche Vergleich Feiertag – Werktag erzwingt weitestgehend das Ausblenden der übrigen Wochenarbeitszeit, obwohl die Beurteilung eines einzelnen Arbeitstages ohne Berücksichtigung der übrigen Wochentage eigentlich nicht vollständig sein kann.*

Beispiel 4:

MoDiMiDoFr (Feiertag)SaSo
Soll88888
Ist88888

499In diesem Beispiel handelt es sich am Samstag unstrittig um Überstunden. Erbringt die AN hingegen dieselben Arbeitsleistungen am Freitag, müssen wegen § 7 Abs 6 ARG bis zu acht Stunden Normalarbeitszeit möglich sein. Wie dies mit der Feststellung des OGH,* die AG „soll keinen Vorteil daraus ziehen, wenn [sie eine AN] trotz Arbeitsruhe am Feiertag beschäftigt“ in Einklang zu bringen ist, erschließt sich nicht leicht. Ironischer Weise ist nämlich der einzige Zeitraum, in welchem noch Normalstunden geleistet werden können, genau jener, welcher aufgrund der Feiertagsruhe gem § 7 Abs 1 ARG eigentlich frei bleiben sollte. Die überhaupt nur in bestimmten Fällen zulässige Feiertagsarbeit ist damit im Endeffekt geringer entlohnt als die unstrittig zulässige Arbeitszeit am Samstag,* weshalb es rein wirtschaftlich auch nicht sinnvoll wäre, die Feiertagsruhe – so dies zulässig ist – tatsächlich zu gewähren.

4.
Auswirkungen von Feiertagen auf das Wahl- und Ablehnungsrecht
4.1.
Feiertage ohne ausgefallener Normalarbeitszeit

Auf Basis der obigen Grundzüge muss nun zur Berechnung der 10/50-Stunden-Grenze der §§ 7, 10 AZG auch bei Feiertagen ohne tatsächlicher Feiertagsarbeit zwischen jenen mit und ohne ausgefallener Arbeitszeit unterschieden werden.

War für den vom Feiertag verdrängten Arbeitstag keine Normalarbeitszeit vorgesehen, hat der arbeitsfreie Feiertag auch keine Auswirkungen auf den Rest der Woche. Sind beispielsweise Samstage von vornherein immer arbeitsfrei, haben auch Feiertage, die auf einen Samstag fallen weder Einfluss auf das Entgelt, noch auf ein etwaiges Ablehnungs- oder Wahlrecht nach §§ 7, 10 AZG.

4.2.
Feiertage mit ausgefallener Normalarbeitszeit

Der zweite Fall betrifft jene Tage, an denen die ursprünglich geplante Normalarbeitszeit feiertagsbedingt ausfällt und an denen auch tatsächlich keine Feiertagsarbeit erbracht wird.

Wie schon zur Frage, ob die zukünftige Normalarbeitszeit in die 10/50-Stunden-Grenze einzurechnen ist (siehe Kapitel 2.), findet sich auch zur Einrechnung feiertagsbedingt ausgefallener Normalarbeitszeit keine Rsp. Dementsprechend wird hinsichtlich der Literatur ebenfalls auf die obigen Ausführungen verwiesen (insb FN 38) und auch hier ist hervorzuheben, dass Schrank*die Einrechnung von Entgeltfortzahlungszeiten näher behandelt und ausdrücklich ablehnt.

Wie bereits in Kapitel 2. ausführlich dargelegt, ist dagegen mE die geplante Normalarbeitszeit der restlichen Woche, auch wenn diese noch nicht tatsächlich geleistet wurde, in die Berechnung der 10/50-Stunden-Grenze des Wahl- bzw Ablehnungsrechtes einzurechnen. Folgt man diesen Überlegungen, kann man nicht umhin, auch die ausgefallene Normalarbeitszeit eines Feiertages mitzurechnen. Es wird daher auf die bereits in Kapitel 2. dargestellten Argumente verwiesen.

An dieser Stelle soll lediglich nochmals anhand eines Beispiels auf die Folgen einer aA hingewiesen werden:

Beispiel 5:

MoDiMiDoFrSa (Feiertag)So
Soll10101010
Ist101010101010

In diesem Beispiel werden insgesamt 60 Wochenstunden geleistet, es kommen 20 Überstunden und 50 Normalstunden zur Auszahlung* und dennoch bestünde bei abweichender Auslegung für keine einzige Stunde ein Ablehnungs- oder Wahlrecht* nach §§ 7 Abs 6 bzw 10 Abs 4 AZG.

Es ist auch an gewöhnlichen Arbeitstagen keinesfalls sicher, dass die geplante Normalarbeitszeit tatsächlich erbracht werden wird. Ein krankheitsbedingter* Ausfall (oder gar eine Dienstfreistellung) am Ende der Woche kann jedoch keinesfalls dazu führen, dass aus einer ursprünglich berechtigten Ablehnung eine unberechtigte Abwesenheit (womöglich sogar ein Entlassungsgrund) wird. Dieses Ergebnis würde dem Gesetzeszweck einer „Freiwilligkeitsgarantie“ klar widersprechen. Dieser Aspekt wiegt mE auch schwerer als der Umstand, dass es sich bei der ausgefallenen Normalarbeitszeit nicht mehr um Arbeitszeit ieS handelt, sondern lediglich um entgeltpflichtige Nichtleistungszeiten.*

ME ist somit auch die ausgefallene Normalarbeitszeit in die Berechnung der erforderlichen Zeitsumme (10/50-Stunden) des Wahl- bzw Ablehnungsrechtes gem §§ 7, 10 AZG einzubeziehen. Im Ergebnis vermeidet man damit nur, dass der Feiertag zu einer Schwächung des Wahl- bzw Ablehnungsrechtes* führt.500

4.3.
Tatsächliche Feiertagsarbeit

Hier ist zunächst wohl unstrittig, dass tatsächlich erbrachte Arbeitszeit und dementsprechend auch Feiertagsarbeit bei der Ermittlung der 10/50- Stunden-Grenze zu berücksichtigen ist. Das Ausklammern realer Arbeitszeiten wäre mit dem vom AZG (bzw ARG) bezweckten Gesundheitsschutz* der AN unvereinbar.

Wie soeben (Kapitel 4.2.) dargestellt, ist mE jedoch auch die ausgefallene Normalarbeitszeit in die 10/50-Stunden-Grenze einzurechnen. Dies beruht im Wesentlichen auf der Überlegung, Wertungswidersprüche mit der sonstigen geplanten Normalarbeitszeit zu vermeiden. Ebenso wie die Normalarbeitszeit am Arbeitstag darf jedoch auch die Normalarbeitszeit am Feiertag nicht doppelt gezählt werden. Soweit daher die tatsächlich geleistete und die ausgefallene Normalarbeitszeit einander überlappen, kann diese Zeit nur einmal in die 10/50-Stunden-Grenze einfließen. Die „doppelte“ Entlohnung solcher Zeiteinheiten kann daran nichts ändern. Werden hingegen Arbeitsleistungen außerhalb der Lage der (ausgefallenen) Normalarbeitszeit erbracht, sind diese – wie auch an Arbeitstagen – zusätzlich zur Normalarbeitszeit zu berücksichtigen.

In Beispiel 5 zeigt sich damit folgendes Ergebnis: Da die Arbeitszeit am Samstag nicht doppelt zu werten ist, unterliegen nur die Überstunden am Dienstag dem Wahl- und Ablehnungsrecht. Der Feiertag führt damit weder zu einer Besser- noch zu einer Schlechterstellung der AN.

Variiert man nun das Beispiel 5 dahingehend, dass sich Feiertagsarbeit und ausgefallene Normalarbeitszeit nur für sechs Stunden überlappen, zeigt sich folgendes Bild:

Es sind auch hier weiterhin 40 Stunden Normalarbeitszeit anzurechnen.* Damit unterliegen die vier Überstunden am Feiertag (18:30 – 22:30 Uhr) und die zehn am Dienstag dem Wahl- und Ablehnungsrecht, da nach Leistung der zehn Überstunden am Montag die 50-Stunden-Grenze überschritten ist.

4.4.
Exkurs: Sonstige Abwesenheitszeiten

Wie bereits angesprochen, würde eine detaillierte Analyse anderer bezahlter Abwesenheitszeiten (zB Urlaube, Dienstverhinderungen, udgl) den Rahmen dieses Beitrages sprengen. ME wäre es durchaus schlüssig, diese ident zu beurteilen, gerade im Anwendungsbereich des Ausfallsprinzips. Wenn überhaupt, so spricht einiges dafür, die solcherart ausgefallene Normalarbeitszeit selbst dann in die 10/50-Stunden-Grenze einzurechnen, wenn man dies beim Feiertag ablehnt, wird sich doch in der Regel weder das Problem der Überlappung von ausgefallener und tatsächlicher Arbeitszeit, noch jenes der weitreichenden Vorhersehbarkeit des Ausfallszeitpunktes stellen.

Eine Unterscheidung zwischen vorhersehbaren und nicht vorhersehbaren Entgeltfortzahlungszeiten wäre zwar grundsätzlich denkbar, erscheint mE jedoch ebenfalls nicht zweckmäßig, da eine solche Unterscheidung in der Praxis nur schwer umsetzbar wäre (zB ist die genaue Dauer eines Krankenstandes – selbst wenn es sich um einen geplanten Operationstermin handeln sollte – selten genau abschätzbar, umso weniger noch bei Dienstverhinderungen, Pflege- oder Dienstfreistellungen) und wohl auch keine Grundlage im Gesetzestext findet.

5.
Conclusio

Zusammengefasst zeigt sich also, dass Überstundenarbeit immer dann vorliegt, wenn Arbeitszeiten außerhalb der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit erbracht werden.

Ist es nun im Zeitpunkt der Überstundenleistung klar, dass diese unter Berücksichtigung der geplanten Normalarbeitszeit zu einer Überschreitung von zehn Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche führen wird, unterliegen diese Überstunden dem Ablehnungs- und Wahlrecht gem §§ 7 Abs 6 und 10 Abs 4 AZG. Dies ist eine Folge der Verknüpfung von Zeitsumme und Überstundenqualifikation und vermeidet eine kaum nachvollziehbare Unterscheidung zwischen Überstunden vor und nach der Normalarbeitszeit. Würde man dieser Überlegung nicht folgen, müsste man mE verlangen, dass auch Überstunden erst nach Erbringung der Normalarbeitszeit anfallen. Damit könnte ein früherer Dienstbeginn jedoch idR nur noch gem § 19c AZG (samt entsprechender Vorankündigungsfrist) angeordnet werden.

Die geplante Normalarbeitszeit ist auch dann anzurechnen, wenn diese feiertagsbedingt ausfällt bzw ausfallen wird. Erbringt die AN zusätzlich dazu noch tatsächliche Arbeitsleistungen am Feiertag, so sind diese jedoch nur soweit in die 10/50-Stunden-Grenze einzurechnen, als sie außerhalb der Lage der ursprünglich geplanten („ausgefallenen“) Normalarbeitszeit liegen.501