MeyerUmqualifizierung von Tätigkeitsverhältnissen
Linde Verlag, Wien 2018, 184 Seiten, kartoniert, € 38,–
MeyerUmqualifizierung von Tätigkeitsverhältnissen
Das vorliegende Werk beschäftigt sich mit einem Thema, welches die letzten Jahre des Öfteren in der juristischen Diskussion wiederkehrte: die Umqualifizierung von Tätigkeitsverhältnissen. Gerade durch die Erlassung des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes (SV-ZG) wurde die Umqualifizierung wieder neu betrachtet.
Das Buch selbst verspricht laut dem Untertitel die Behandlung der steuer-, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Aspekte und die Auswirkungen des SV-ZG. Der Schwerpunkt liegt jedoch eindeutig auf den Rechtsfolgen des Sozialversicherungsrechts. Das zeigt sich auch an der Gliederung. Die Abhandlung ist in zwei Teile gegliedert.
Zu Beginn beschäftigt sich die Autorin mit der Abgrenzung zwischen einer unselbständigen und einer selbständigen Beschäftigung, wobei eindeutig die Abgrenzung zum sozialversicherungsrechtlichen DN-Begriff im Vordergrund steht, die Unterschiede zum arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen AN- bzw DN-Begriff jedoch punktuell aufgezeigt werden. Alice Meyer weist auf den geltenden Grundsatz hin, dass in diesem Zusammenhang die tatsächlich gelebten Verhältnisse und nicht die vertragliche Vereinbarung ausschlaggebend sind. Sie bezieht sich wohl auf die entsprechende gesetzliche Anordnung im Sozialversicherungsrecht in § 539a ASVG. In weiterer Folge werden die bekannten von der Judikatur bestimmten Unterscheidungsmerkmale dargestellt und abschließend noch einige Spezialfälle wie zB Gesellschafter-Geschäftsführer oder Vortragende angeführt.
Im Verlauf der nächsten Kapitel wird sich den Rechtsfolgen der Fehlqualifikation von MitarbeiterInnen angenommen. Besonders der großen Bedeutung wegen hervorzuheben sind jene, die aufgrund der rückwirkenden Umqualifizierung selbständiger GSVG-Tätigkeit zu echten DN iSd § 4 Abs 2 ASVG entstehen. So spricht sich die Autorin für ein generelles Recht zur rückwirkenden Anpassung des Entgelts zugunsten des AG aus. Die höhere Entgeltleistung verliere durch die rückwirkende Umqualifizierung ihre Begründung. Der AG wäre durch arbeitsrechtliche Ansprüche und Sozialversicherungsbeiträge doppelt belastet. Dieser These ist allerdings nicht zuzustimmen. Die Parteien des ursprünglich auf eine selbständige Tätigkeit gerichteten Vertrages haben die (höhere) Entgeltleistung für die Erbringung einer bestimmten Tätigkeit vereinbart. Das höhere Entgelt steht also für die vereinbarte Tätigkeit zu. Nicht bedacht – eine versuchte Umgehung des Arbeitsrechts wird hier nicht unterstellt – wurde von den Parteien, dass in Wahrheit ein Arbeitsvertrag vorliegt und dem AN sohin auch arbeitsrechtliche Ansprüche, wie zB Urlaub, Überstundenentgelt usw, zustehen. Es liegt kein Irrtum über das vereinbarte Honorar vor, sondern ein Irrtum über die Rechtsfolgen – der Anwendung von Arbeitsrecht – des Vertragsverhältnisses vor. Dieser Rechtsfolgenirrtum erlaubt grundsätzlich keine irrtumsrechtliche Anfechtung bzw Anpassung des Vertrages bzw der Entgeltabrede. Auch eine Anpassung mittels ergänzender Vertragsauslegung scheidet aus, da keine Lücke hinsichtlich des vereinbarten laufenden Entgeltes erkennbar ist. Dem Argument der Doppelbelastung des AG ist einerseits entgegenzuhalten, dass die arbeitsrechtlichen Ansprüche von Beginn an zustanden, es somit nur jene Kosten sind, die bei rechtskonformen Verhalten sowieso angefallen wären, andererseits die Sozialversicherungsbeiträge nach der neuen durch das SV-ZG eingeführten Rechtslage gem § 41 Abs 3 GSVG von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) an die Gebietskrankenkasse (GKK) zu überweisen sind und auf die gesamte Beitragsschuld angerechnet werden. Der AN erbringt nicht nur seinen eigenen Anteil (DN-Anteil), sondern auch den Anteil des AG (DG-Anteil) der Beitragsschuld. Von einer Doppelbelastung kann keine Rede sein, ebenso wenig von einem Wegfall der Begründung des erhöhten Entgelts. Entschärft wird die Situation des AG hinsichtlich der Mehrkosten durch die Umqualifizierung durch den Einwand des Verfalls arbeitsrechtlicher Ansprüche. Die Praxis bei der Beschäftigung von MitarbeiterInnen vereinbart grundsätzlich in jedem Vertragsverhältnis – unabhängig von dessen Qualifikation – eine Verfallsklausel, wonach die Ansprüche aus dem Vertrag binnen einer bestimmten Zeit bei Nichtgeltendmachung verfallen. Ob eine Verfallsklausel aus dem Werkvertrag oder freien Dienstvertrag nach einer Umqualifizierung auch im Arbeitsvertrag und der arbeitsrechtlichen Ansprüche gilt, ist umstritten. Der OGH (8 ObA 86/11xDRdA 2013/22, 243 [Eypeltauer]) bejaht eine Wirksamkeit und lässt sie sogar gegenüber zwingenden arbeitsrechtlichen Ansprüchen zu. Da Verfallsfristen objektiv zu laufen beginnen, sind oftmals die Ansprüche, die dem AN nun aufgrund der Umqualifizierung zustehen, schon verfallen. Entgegen dem Bild, welches ein bisschen durch das Werk hervorgerufen wird, führt eine Umqualifizierung nicht zur übermäßigen finanziellen Belastung des AG. Ganz im Gegenteil: Durch die Verwendung der Verfallsklauseln handelt ein AG, der rechtswidriges Verhalten an den Tag legt (Abschluss Werkvertrag oder freier Dienstvertrag), betriebswirtschaftlich gesehen wirtschaftlicher, als wenn er sich rechtskonform (von Beginn an Abschluss Arbeitsvertrag) verhalten hätte.
Die rückwirkende sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Umqualifizierung wird im zweiten Teil des Buches, der das SV-ZG zum Gegenstand hat, besprochen. Nach der alten Rechtslage hatte der DG die ASVG-Beiträge als Schuldner der gesamten ASVG-Beitragslast im Falle der Umqualifizierung nachzuzahlen, während der DN die an die SVA geleisteten GSVG-Beiträge wegen ihrer ungebührlichen Entrichtung zurückfordern konnte. Durch die Neuerungen in § 41 Abs 3 GSVG wurde dieses Rückforderungsrecht durch ein Überweisungsrecht im Innenverhältnis der Sozialversicherungsträger ersetzt. Sohin hat nun die SVA die an sie geleisteten Beiträge an die zuständige GKK zu überweisen. Strittig ist jedoch der Umfang der Überweisung. Betrifft diese die gesamte Beitragsschuld (DG- und DN-Anteil) oder kommt es nur zu einer Anrechnung auf einen Teil der Beitragsschuld? Die Autorin stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „bei isolierter Betrachtung des Gesetzeswortlauts [...] wohl eine Anrechnung der Dienstnehmer- und Dienstgeberanteile in Betracht
“ komme. Da der DG aber Schuldner 564der Beitragslast ist und ihm uU ein zivilrechtliches Regressrecht für den Fall des Verlusts seines Abzugsrechts gem § 60 ASVG zukommt, scheine eine Anrechnung auch auf DG-Anteile als zweifelhaft. Dem ist nicht zuzustimmen. Grund hierfür ist mE nach der Wortlaut des § 41 Abs 3 GSVG, der eindeutig besagt, dass die überwiesenen Beiträge auf die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge anzurechnen sind. Es geht nicht um einen Teil, sondern um die gesamte Schuld. Hätte der Gesetzgeber eine Anrechnung nur auf einen bestimmten Anteil der Beiträge gewollt, hätte er dies auch normiert. Ein mögliches zivilrechtliches Regressrecht durch den DG hinsichtlich der DN-Anteile steht dem nicht entgegen. Ebenso wenig, dass der DG eigentlich Schuldner der ASVG-Beitragslast ist. Diese gesetzlich festgelegte Schuldnereigenschaft des DG führt mich eher zu dem Gedanken, ein zivilrechtliches Regressrecht des DN gegen den DG anzunehmen, wenn die vom DN geleisteten GSVG-Beiträge auf die gesamte ASVG-Beitragsschuld (auch auf den DG-Anteil) angerechnet werden. Denn dadurch trägt der DN eine Last, die eigentlich nach dem Gesetz der DG zu tragen hätte. Der DN tätigt somit einen Aufwand für einen anderen (DG). Insofern könnte man diesbezüglich auf § 1042 ABGB zurückgreifen, um den DN einen Aufwandersatz gegen den DG zu gewähren. Es lässt sich diskutieren, ob das Zivilrecht in dieser Form regulierend bzw ausgleichend in das Sozialrecht eingreifen soll.
Es zeigt sich daher, dass die Thematik der Umqualifizierungen weiterhin ein spannendes Betätigungsfeld für JuristInnen darstellt. Das vorliegende Werk liefert hierfür einen guten Einstieg.