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Rechtsnatur von Urlaubszuschlägen nach dem BUAG

CHRISTOPHWIESINGER (WIEN)
Art 1 VO (EU) Nr 1215/2012
EuGH 28.2.2019 C-579/17BUAK/Gradbeništvo Korana d.o.o.
  1. Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, können zwar bestimmte Rechtsstreitigkeiten, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen, in den Anwendungsbereich der VO Nr 1215/2012 fallen, doch verhält es sich anders, wenn die Behörde in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig wird. Für den vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Eigenschaft der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) als Körperschaft öffentlichen Rechts für sich genommen keine Auswirkung auf die Natur der Rechtsbeziehungen hat.

  2. Da die Pflicht des AG zur Entrichtung der Zuschläge untrennbar mit den zivilrechtlichen Ansprüchen der AN auf Urlaubsentgelt verknüpft ist, steht eine Prüfung der Grundlage der Klage dem Schluss nicht entgegen, dass die Forderung der BUAK und somit eine Klage auf ihre Begleichung ebenfalls dieselbe zivilrechtliche Natur aufweisen.

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art 1 der VO (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl 2012, L 351, S 1).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines von der BUAK eingeleiteten Verfahrens auf Ausstellung einer Bescheinigung gem Art 53 der VO zur Vollstreckung eines gegen die Gradbeništvo Korana d.o.o. (im Folgenden: Korana) mit Sitz in Slowenien ergangenen rechtskräftigen Versäumungsurteils.

[...]

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

[...]

22 Korana, eine Gesellschaft nach slowenischem Recht, entsandte im Rahmen von Bauarbeiten AN nach Österreich.

23 Am 18.10.2016 erhob die BUAK beim ASG Wien Klage gegen Korana auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 38.447,50 € samt Zinsen und Kosten an von dieser Gesellschaft geschuldeten Zuschlägen nach Abschnitt VIb BUAG für die Arbeitstage, die von den von ihr nach Österreich entsandten AN während des Zeitraums von Februar bis Juni 2016 geleistet worden waren.

24 Zur Stützung ihrer Klage machte die BUAK geltend, sie sei als Urlaubskasse auf der Grundlage des BUAG berechtigt, für jeden Beschäftigungstag, den ein Arbeiter aus der Bauwirtschaft in Österreich tätig sei, vom AG einen nach einer gesetzlich fixierten Berechnungsmethode errechneten Zuschlag einzufordern, der sich insb aus dem Urlaubsentgelt und den Verwaltungskosten zusammensetze.

25 Mit in Abwesenheit von Korana ergangenem Urteil vom 28.4.2017 gab das ASG Wien der Klage der BUAK zur Gänze statt. Da Korana keinen Rechtsbehelf einlegte, erwuchs dieses ihr am 21.6.2017 zugestellte Versäumungsurteil in Rechtskraft. Im Zuge des Verfahrens zur Erlassung dieses Urteils hat das Gericht seine Zuständigkeit nach der VO Nr 1215/2012 anscheinend nicht geprüft.

26 Am 31.7.2017 beantragte die BUAK bei demselben Gericht zwecks Vollstreckung des Urteils die Ausstellung einer Bescheinigung nach Art 53 dieser VO.

27 Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Ausstellung einer solchen Bescheinigung nach Art 53 der VO Nr 1215/2012 voraussetze, dass es sich bei dem Verfahren zur Erlassung des Urteils vom507 28.4.2017 um eine Zivil- oder Handelssache iS von Art 1 Abs 1 dieser VO handle, was aus den Umständen der Ausgangsrechtssache nicht eindeutig hervorgehe.

28 Dazu legt das vorlegende Gericht dar, dass die BUAK – anders als in den binnen-österreichischen Fällen, in denen sie durch § 25 Abs 3 BUAG ermächtigt sei, selbst einen Rückstandsausweis über die geschuldeten Zuschläge auszustellen, der einen Exekutionstitel und damit eine Grundlage für ein mögliches Vollstreckungsverfahren bilde – für Rückstände in Bezug auf entsandte AN, die ihren gewöhnlichen Arbeitsort nicht in Österreich hätten, über keine solche Befugnis verfüge, da sie das ASG Wien anrufen müsse, um die Zahlung dieser Zuschläge zu erwirken.

29 Weiters könnten bestimmte Umstände des Verfahrens, das zum Erlass des Urteils vom 28.4.2017 geführt habe, diesem Verfahren öffentlich-rechtliche Züge verleihen.

30 So mache im Rahmen einer Klage auf Begleichung einer Forderung betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt nicht der AN unmittelbar seine Ansprüche geltend, und die Klage werde gegen den AG zur Einhebung der Zuschläge betrieben, deren durch VO des zuständigen BM festgelegter Betrag auch die Verwaltungskosten der BUAK abdecke. Darüber hinaus verfüge die BUAK über Ermittlungsbefugnisse, wenn der AG die ihm obliegende Mitteilungspflicht missachte, und könne daneben auch Vereinbarungen mit anderen Sozialversicherungsträgern abschließen.

31 Im Fall der Nichteinhaltung der Mitteilungspflichten durch den AG sei die BUAK gem § 33h Abs 2b BUAG berechtigt, die von ihm geschuldeten Zuschläge auf der Grundlage ihrer eigenen Ermittlungen zu berechnen. Diesfalls beschränke sich die Zuständigkeit des mit einer Klage auf Begleichung einer Forderung betreffend Zuschläge für Urlaubsentgelt befassten Gerichts auf eine bloße Überprüfung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung unter Ausschluss jeglicher Prüfung der Begründetheit dieser Forderung.

32 Unter diesen Umständen hat das ASG Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art 1 der VO Nr 1215/2012 dahin auszulegen, dass Verfahren, die die Geltendmachung von Ansprüchen der BUAK auf Zuschläge gegen AG aus Anlass der Entsendung von AN ohne gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich zur Arbeitsleistung oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich oder gegen AG mit Sitz außerhalb Österreichs aus Anlass der Beschäftigung von AN mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich zum Gegenstand haben, „Zivil- und Handelssachen“ sind, in denen die genannte VO anzuwenden ist, auch wenn diese Ansprüche der BUAK auf Zuschläge zwar auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse bezogen sind und der Abdeckung der privatrechtlichen, aus den Arbeitsverhältnissen mit den AG herrührenden Ansprüchen der AN auf Urlaub und Urlaubsentgelt dienen, jedoch

  • sowohl die Höhe der Ansprüche der AN auf Urlaubsentgelt gegenüber der BUAK als auch die Höhe der Ansprüche der BUAK auf Zuschläge gegenüber den AG nicht durch Vertrag oder KollV, sondern durch eine VO eines BM bestimmt werden,

  • die von den AG gegenüber der BUAK geschuldeten Zuschläge neben der Deckung des Aufwands für die an die AN zu leistenden Urlaubsentgelte auch der Deckung des Aufwands an Verwaltungskosten der BUAK dienen und

  • der BUAK im Zusammenhang mit der Verfolgung und Durchsetzung ihrer Ansprüche auf solche Zuschläge kraft gesetzlicher Anordnung weiter gehende Befugnisse als einer Privatperson zukommen, indem

  • die AG bei sonstiger Geldstrafe zur Erstattung von anlassbezogenen wie auch monatlich wiederkehrenden laufenden Meldungen an die BUAK unter Verwendung der von der BUAK eingerichteten Kommunikationswege, zur Mitwirkung an und Duldung von Kontrollmaßnahmen der BUAK, zur Gewährung von Einsicht in Lohn-, Geschäfts- und sonstige Unterlagen und zur Erteilung von Auskünften an die BUAK verpflichtet sind und

  • die BUAK im Fall der Verletzung von Meldepflichten durch die AG das Recht zur Errechnung der von den AG geschuldeten Zuschläge aufgrund eigener Ermittlungen hat, wobei diesfalls der Anspruch der BUAK auf Zuschläge unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen der Entsendung beziehungsweise Beschäftigung in der von der BUAK errechneten Höhe besteht? [...]

Zur Beantwortung der Frage

43 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art 1 der VO Nr 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass eine Klage auf Begleichung einer Forderung einer Körperschaft öffentlichen Rechts gegen einen AG betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt aus Anlass der Entsendung von AN in einen Mitgliedstaat, in dem die AN keinen gewöhnlichen Arbeitsort haben, oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung in diesem Mitgliedstaat oder gegen einen AG mit Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats aus Anlass der Beschäftigung von AN, die dort ihren gewöhnlichen Arbeitsort haben, in den Anwendungsbereich dieser VO fällt.

44 Zunächst ist angesichts des Umstands, dass sich die Vorlagefrage auf den gesamten Art 1 der VO Nr 1215/2012 bezieht, erstens zu prüfen, ob ein Urteil wie das am 28.4.2017 von dem vorlegenden Gericht auf Antrag der BUAK erlassene, für dessen Vollstreckung diese die Ausstellung der Bescheinigung nach Art 53 dieser VO begehrt, eine Zivil- bzw Handelssache iS von Art 1 Abs 1 dieser VO darstellt, und, bejahendenfalls, zweitens zu klären, ob ein solches Urteil in den Anwendungsbereich der in Art 1 Abs 2 Buchst c der VO vorgesehenen Ausschlussbestimmung für Angelegenheiten der sozialen Sicherheit fällt. [...]

Zum Begriff „Zivil- und Handelssachen“ iS von Art 1 Abs 1 der VO Nr 1215/2012:

46 Nach stRsp des Gerichtshofs kann der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ in Art 1 Abs 1 der VO Nr 1215/2012508 nicht als bloße Verweisung auf das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats verstanden werden, da sichergestellt werden muss, dass sich aus dieser VO für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Personen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben. Er ist als autonomer Begriff anzusehen, bei dessen Auslegung die Zielsetzungen und die Systematik der genannten VO sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden müssen (Urteil vom 9.3.2017, Pula Parking, C-551/15, Rn 33 und die dort angeführte Rsp).

47 Des Weiteren verlangen die Erfordernisse, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und es im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege zu vermeiden, dass in den Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen, eine weite Auslegung des genannten Begriffs der „Zivil- und Handelssachen“ (vgl in diesem Sinne Urteil vom 10.9.2009, German Graphics Graphische Maschinen, C-292/08, Rn 22 und 23).

48 Um festzustellen, ob eine Sache in den Anwendungsbereich der VO Nr 1215/2012 fällt, ist die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehende Rechtsbeziehung zu ermitteln und sind die Grundlage der Klage und die Modalitäten ihrer Erhebung zu prüfen (vgl in diesem Sinne Urteile vom 11.4.2013, Sapir ua, C-645/11, Rn 32 und 34, sowie vom 12.9.2013, Sunico ua, C-49/12, Rn 35).

49 Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, können zwar bestimmte Rechtsstreitigkeiten, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen, in den Anwendungsbereich der VO Nr 1215/2012 fallen, doch verhält es sich anders, wenn die Behörde in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig wird (vgl in diesem Sinne Urteil vom 12.9.2013, Sunico ua, C-49/12, Rn 34 und die dort angeführte Rsp). Die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine der Parteien des Rechtsstreits schließt einen solchen Rechtsstreit nämlich von den Zivil- und Handelssachen iS von Art 1 Abs 1 der VO Nr 1215/2012 aus, da diese Partei Befugnisse ausübt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen (vgl entsprechend Urteil vom 23.10.2014, flyLAL-Lithuanian Airlines, C-302/13, Rn 31).

50 Für den vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass angesichts der in der vorstehenden Rn angeführten Rsp die Eigenschaft der BUAK als Körperschaft öffentlichen Rechts für sich genommen keine Auswirkung auf die Natur der Rechtsbeziehungen zwischen ihr und Korana hat.

51 Was erstens die Rechtsgrundlage der Klage angeht, die zu dem Urteil geführt hat, für dessen Vollstreckung die BUAK die Ausstellung der Bescheinigung nach Art 53 der VO Nr 1215/2012 beantragt hat, lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass gem § 21 BUAG der von der BUAK geleistete Aufwand an Urlaubsentgelten aus Zuschlägen zum Lohn bestritten wird, die der AG zu entrichten hat. Die Höhe dieser Zuschläge wird zwar durch VO des BMASK festgesetzt, doch geht aus den Erklärungen der BUAK sowie der österreichischen Regierung hervor, dass diese Verordnung lediglich die Berechnungsmodalitäten für diese Zuschläge auf der Grundlage des in dem jeweiligen KollV festgelegten Lohnes regelt.

52 Im Übrigen entsteht der Anspruch der entsandten AN gegenüber der BUAK auf Urlaubsentgelt gem § 33f Abs 2 BUAG im Ausmaß jener Anwartschaften, für die der AG die festgesetzten Zuschläge entrichtet.

53 Weiters führt das vorlegende Gericht selbst aus, dass dieses aus den Zuschlägen, deren Entrichtung im vorliegenden Fall begehrt wird, finanzierte Urlaubsentgelt einen Teil des vom AG nach dem Arbeitsvertrag für die vom AN geleistete Tätigkeit geschuldeten Entgelts bildet.

54 Folglich steht, da die Pflicht des AG zur Entrichtung der Zuschläge untrennbar mit den zivilrechtlichen Ansprüchen der AN auf Urlaubsentgelt verknüpft ist, eine Prüfung der Grundlage der Klage, die zu dem Urteil vom 28.4.2017 geführt hat, entsprechend der in Rn 48 des vorliegenden Urteils zitierten Rsp dem Schluss nicht entgegen, dass die Forderung der BUAK und somit eine Klage auf ihre Begleichung ebenfalls dieselbe zivilrechtliche Natur aufweisen. [...]

57 Hinsichtlich des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle im Fall einer Klage auf Begleichung einer Forderung betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt, deren Höhe von der BUAK auf der Grundlage eigener Ermittlungen selbst errechnet wurde, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass diese Berechnung eine anspruchsbegründende Wirkung habe und die Befugnisse der BUAK diese von einer einfachen Privatperson unterschieden. Daraus sei zu schließen, dass § 33h Abs 2b BUAG angesichts seines Wortlauts dahin gehend ausgelegt werden könne, dass sich die Befugnisse des Gerichts bei Rückständen in Bezug auf entsandte AN ohne gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich auf eine bloße Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung beschränkten, so dass das Gericht, wenn sie erfüllt seien, keine materielle Prüfung der Richtigkeit des von der BUAK geltend gemachten Anspruchs vornehmen könne.

58 Dieser Auslegung der innerstaatlichen Regelung treten sowohl die BUAK als auch die österreichische Regierung entgegen, die die Auffassung vertreten, dass das österreichische Gericht im Rahmen eines Verfahrens über die Begleichung einer Forderung betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt für entsandte AN eine volle Kontrolle über sämtliche Anspruchsmerkmale ausübe.

59 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen eines Verfahrens nach Art 267 AEUV nicht Sache des Gerichtshofs ist, über die Auslegung nationaler Vorschriften zu befinden, da diese Auslegung in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte fällt (Urteil vom 27.10.2009, CEZ, C-115/08, Rn 57 und die dort angeführte Rsp).

60 Folglich ist festzuhalten, dass die BUAK, soweit ihr § 33h Abs 2b BUAG eine gegenüber den allgemeinen Regelungen über die Modalitäten der Erhebung einer Zahlungsklage erweiterte Rechtsposition 509einräumt, indem er ihrer Bestimmung der Höhe des geltend gemachten Anspruchs anspruchsbegründende Wirkung verleiht und – nach der Darstellung des vorlegenden Gerichts – auch dem mit dieser Klage befassten Gericht die Möglichkeit nimmt, die Richtigkeit der dieser Bestimmung zugrunde liegenden Daten zu prüfen, in einer solchen Konstellation mit einem gesetzlich eingeräumten öffentlich-rechtlichen Vorrecht aufträte.

61 Wenn dies im Ausgangsrechtsstreit der Fall sein sollte, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat, könnte die Stellung der BUAK in diesem speziellen Zusammenhang nicht als die einer einfachen Körperschaft öffentlichen Rechts charakterisiert werden, die für die Einhebung der Mittel für die Zahlung der Urlaubsentgelte nach dem BUAG zuständig ist. In diesem Fall müsste die BUAK nämlich im Rahmen eines Rechtsstreits, wie er dem Urteil vom 28.4.2017 zugrunde lag, als in Ausübung von Hoheitsgewalt handelnd angesehen werden, was bedeutende Auswirkungen auf die Modalitäten und damit auf die Rechtsnatur dieses Verfahrens hätte, so dass dieser Rechtsstreit nicht mehr unter den Begriff „Zivil- und Handelssache“ und folglich auch nicht mehr in den Anwendungsbereich der VO Nr 1215/2012 fallen würde.

62 Die von dem vorlegenden Gericht dargestellten weiteren spezifischen Vorrechte der BUAK wie ihre Einbehaltung von Verwaltungskosten in Höhe von 1 % bis 2 % der Zuschläge oder die für sie bestehende Möglichkeit, Vereinbarungen mit anderen Sozialversicherungsträgern abzuschließen, können nicht dazu führen, dass das Verfahren, das zu einem Urteil wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden geführt hat, von den Zivil- und Handelssachen iS von Art 1 Abs 1 der VO Nr 1215/2012 ausgeschlossen ist. Denn das erstgenannte Vorrecht erscheint vernachlässigbar und die zweitgenannte Möglichkeit beruht nach den diesbezüglichen Erklärungen der österreichischen Regierung in der mündlichen Verhandlung anscheinend auf dem Abschluss privatrechtlicher Verträge.

63 Betreffend die Ermittlungsbefugnisse der BUAK im Fall der Nichteinhaltung der Mitteilungspflicht des AG ist festzuhalten, dass auch diese für sich genommen nicht geeignet sind, einem Verfahren wie dem Urteil vom 28.4.2017 zugrunde liegenden einen öffentlich-rechtlichen Charakter zu verleihen.

64 Die in den beiden vorstehenden Randnummern angeführten Vorrechte haben nämlich keine Auswirkungen auf die Eigenschaft, in der die BUAK in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren auftritt, und ändern weder dessen Rechtsnatur noch bestimmen sie seinen Verlauf. [...]

69 Im vorliegenden Fall entsteht nach dem Vorabentscheidungsersuchen der Anspruch auf die Zuschläge für das Urlaubsentgelt im Ausmaß jener Urlaubsentgeltanwartschaften, für die der AG die Zuschläge entrichtet. Somit hat nach den Angaben des vorlegenden Gerichts der AG dieses Urlaubsentgelt aufgrund der von dem entsandten AN geleisteten Arbeit zu leisten, auch wenn die Zahlung über die BUAK erfolgt.

70 Ein solches Entgelt unterliegt demnach nicht dem Begriff „soziale Sicherheit“ nach Art 1 Abs 2 Buchst c der VO Nr 1215/2012.

71 Im Hinblick auf die gesamten vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art 1 der VO Nr 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass eine Klage auf Begleichung einer Forderung einer Körperschaft öffentlichen Rechts gegen einen AG betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt aus Anlass der Entsendung von AN in einen Mitgliedstaat, in dem die AN keinen gewöhnlichen Arbeitsort haben, oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung in diesem Mitgliedstaat oder gegen einen AG mit Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats aus Anlass der Beschäftigung von AN, die ihren gewöhnlichem Arbeitsort in diesem Mitgliedstaat haben, in den Anwendungsbereich dieser VO fällt, soweit die Modalitäten der Erhebung dieser Klage nicht von den allgemeinen Regelungen abweichen und es dem angerufenen Gericht dadurch insb nicht verwehrt wird, die Richtigkeit der Daten, auf denen die Bestimmung dieser Forderung beruht, zu prüfen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen. [...]

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art 1 der VO (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage auf Begleichung einer Forderung einer Körperschaft öffentlichen Rechts gegen einen AG betreffend Zuschläge für das Urlaubsentgelt aus Anlass der Entsendung von AN in einen Mitgliedstaat, in dem die AN keinen gewöhnlichen Arbeitsort haben, oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung in diesem Mitgliedstaat oder gegen einen AG mit Sitz außerhalb des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats aus Anlass der Beschäftigung von AN, die ihren gewöhnlichem Arbeitsort in diesem Mitgliedstaat haben, in den Anwendungsbereich dieser VO fällt, soweit die Modalitäten der Erhebung dieser Klage nicht von den allgemeinen Regelungen abweichen und es dem angerufenen Gericht dadurch insb nicht verwehrt wird, die Richtigkeit der Daten, auf denen die Bestimmung dieser Forderung beruht, zu prüfen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu überprüfen.

ANMERKUNG

Die E löst – was Aufgabe des EuGH war – die unionsrechtlichen Fragen, jedoch sind zur endgültigen Lösung des Falles auch Rechtsfragen aus dem nationalen Recht zu lösen. Diese werden am Ende der Besprechung behandelt.

1.
Das Ausgangsverfahren

Im vorliegenden Fall ging es im weiteren Sinn um die Ansprüche entsandter AN, wobei alle Aussagen auch für die grenzüberschreitende Überlassung510 gleichermaßen einschlägig sind. Die Besonderheit dieses Falls lag darin, dass dem Verfahren nicht eine Klage des AN gegen den AG zugrunde lag, sondern eine der BUAK gegen den AG. Grund dafür ist, dass – vereinfachend – BauarbeiterInnen nach österreichischem Recht den Anspruch auf das Urlaubsentgelt (bestehend zur Hälfte aus dem Urlaubsgeld – also einem Entgeltfortzahlungsanspruch – und zur anderen Hälfte aus dem Urlaubszuschuss) nicht gegenüber dem AG, sondern gegenüber der BUAK erwerben (§ 8 Abs 1 BUAG). Die Mittel dafür werden durch Zuschläge (so der terminus technicus des BUAG) des AG, die dieser an die BUAK zu leisten hat, aufgebracht (§ 21 BUAG).

Diese Regelung ist materiell auch für entsandte BauarbeiterInnen anzuwenden, Rechtsgrundlage ist allerdings § 33f Abs 1 BUAG. Dh also, dass sich der Gesetzgeber dazu entschieden hat, Urlaubsansprüche von BauarbeiterInnen (soweit es um das Entgelt geht, der Anspruch auf Gewährung von Freizeit besteht gegenüber dem jeweiligen AG) auch im Falle der Entsendung über die BUAK abzuwickeln und keinen direkten Anspruch des AN gegen den AG zu schaffen. Daher muss der AG bei einer Entsendung nach Österreich entsprechende Zuschläge leisten (§ 33h BUAG). Ausdrücklich ist dabei festzuhalten, dass die genannten Ansprüche des AN arbeitsrechtlicher Natur sind und somit auch die Entsende-RL die entsprechende Rechtsgrundlage ist. Die Koordinierungs-VO (883/2004) spielt daher für die von der BUAK geltend gemachten Ansprüche keine Rolle, weil es eben um arbeitsrechtliche und nicht um sozialversicherungsrechtliche Fragen geht.

Zur grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit der Einbeziehung von Ansprüchen entsandter (oder grenzüberschreitend überlassener) AN in entsprechende „Sozialkassen“ gibt es bereits seit langem entsprechende EuGH-Judikatur (die für der BUAK vergleichbare Institutionen in anderen Staaten den Terminus „Sozialkassen“ verwendet hat). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine solche Einbeziehung unionsrechtlich dann zulässig ist, wenn sie dem AN materiell auch einen Vorteil bringt (EuGH 25.10.2001, C-49/98Finalarte, ). Andernfalls – also wenn der AN nach dem Recht des Herkunftsstaats bereits vergleichbare Ansprüche hat – ist eine Einbeziehung unzulässig (EuGH 28.3.1996, C-272/94, Guiot; EuGH 23.11.1999, C-369/96, Arblade).

Angesichts der Tatsache, dass es einschlägige Judikatur zu dieser Problematik gibt, könnte man nun fragen, warum der EuGH nunmehr mit einer entsprechenden Frage befasst wurde. Das erklärt sich daraus, dass der Anlassfall nicht das streitige Verfahren zwischen der BUAK und dem AG zur Geltendmachung von Zuschlägen war; ein solches Verfahren war vielmehr durch Versäumungsurteil bereits zugunsten der BUAK entschieden. Im Anlassfall ging es vielmehr um die Frage der Vollstreckbarkeit dieses Versäumungsurteils und damit um die Frage, welche Rechtsnatur der Anspruch der BUAK auf die Zuschlagsleistung nach dem BUAG hat. Die Urteile österreichischer Gerichte (nach § 33h Abs 3 BUAG ist stets das ASG Wien in erster Instanz zuständig) sind nämlich international nur dann vollstreckbar, wenn der Anspruch als ein privatrechtlicher zu qualifizieren ist. Genau diese Frage hat das Gericht dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

2.
Rechtsnatur des Zuschlags

Die Frage, welcher Rechtsnatur der BUAG-Zuschlag ist, wurde in der Vergangenheit von den österreichischen Gerichten nicht einheitlich gelöst. Das Bauarbeiter-UrlaubsG 1946 (als Vorläufer des BUAG) sah vor, dass die BUAK nicht entrichtete Zuschläge aus dem Titel des Schadenersatzes einzuklagen hatte (OGH3 Ob 106/51 Arb 5262). Da dies aber sehr kostenintensiv war, entschloss sich der Gesetzgeber bereits 1956 dazu, die Betreibung auf den Verwaltungsweg zu verlegen (ErläutRV 134 BlgNR 8. GP 6). Dabei ist es bis heute – jedenfalls bei Inlandssachverhalten – geblieben. Aufgrund dieser Konstruktion hat der VwGH den Zuschlag als öffentlich-rechtlicher Natur gewertet (VwGH82/11/0148 Arb 10.426). Der OGH wertete ihn hingegen mehrfach als Teil des Entgelts und damit als privatrechtlicher Natur (OGH4 Ob 158/82 Arb 10.292; OGH4 Ob 43/85 Arb 10.435; OGH9 ObA 26/90 Arb 10.853 = SZ 63/17).

Diese Entscheidungen sind aber für die Frage der Entsendung ohne Bedeutung, denn hier sieht das Gesetz abweichend von Inlandssachverhalten die gerichtliche Geltendmachung und nicht die Betreibung im Verwaltungsweg vor. Grund für diese Regelung war, dass die im nationalen Verfahren vorgesehenen Rückstandsausweise im Ausland nicht vollstreckbar sind und daher der Zuschlagsanspruch der BUAK am Zivilrechtsweg geltend zu machen ist (ErläutRV 972 BlgNR 22. GP 8). Die österreichischen Gerichte mussten sich aber in ihren Fällen gerade wegen der Betreibung des Zuschlags im Verwaltungsweg mit dessen Rechtsnatur auseinandersetzen. Aus den genannten Gründen spielen diese früheren österreichischen Entscheidungen für die Lösung der Frage nach der Rechtsnatur des Zuschlags bei Entsendungen eben keine Rolle. Die Frage ist vielmehr nach der VO 1215/2012 autonom zu lösen.

Der EuGH war im Übrigen nicht das erste Höchstgericht, das sich mit der Rechtsnatur des Zuschlags nach dem BUAG beschäftigen musste. Vor wenigen Jahren hat sich das Schweizerische Bundesgericht damit bereits befasst (BGer 19.11.2014, 5A_249/2014, BGE 141 III 28 = IPRAX 2016/36, 393). Es hatte zwar das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) anzuwenden, doch ist die zentrale Rechtsfrage nach jener Bestimmung ident wie bei Anwendung der VO 1215/2012. Streckenweise liest sich das Urteil des schweizerischen Höchstgerichts wie die E des EuGH, doch ist das Bundesgericht genau zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Anders als der EuGH sah es das Verhältnis zwischen BUAK und AG eben nicht als gleichwertig an, weil aus den Zuschlägen auch öffentlich-rechtliche Forderungen finanziert werden würden (namentlich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge), andererseits den AG Meldepflichten treffen und die BUAK auch bestimmte Kontrollrechte habe. Da zudem die Zuschlagshöhe durch Verordnung des BMASGK511 festgesetzt wird, wertete das Bundesgericht den Anspruch insgesamt als öffentlich-rechtlichen und ließ die Vollstreckung des Urteils nicht zu.

Die E stieß in der Literatur auf Kritik. Kohler wies – wie nunmehr auch aus der E des EuGH hervorgeht – darauf hin, dass die Rechtsnatur eines Anspruchs nach dessen Inhalt und nicht nach seiner formalen Einkleidung zu beurteilen ist (accessorium sequitur principale). So hatte der EuGH etwa ein Ordnungsgeld, das ein deutsches Gericht zur Durchsetzung der Untersagung wegen einer Patentverletzung verhängt hatte, als privatrechtlichen Anspruch qualifiziert. Entscheidend ist nämlich nicht, dass das Ordnungsgeld strafrechtlichen Charakter hat und an den deutschen Staat geleistet wird, sondern, dass die Ursache, warum es verhängt wurde, eine Patentverletzung war und diese dem Zivilrecht zuzuordnen ist (EuGH 18.10.2011, C-406/09, Realchemie). Daher ist auch der BUAG-Zuschlag letztlich privatrechtlicher Natur, weil er dem Grunde nach der Bedeckung des Anspruchs des AN auf das Urlaubsentgelt dient und dieser ursprüngliche Anspruch aus dem Arbeitsvertrag entspringt und damit privatrechtlicher Natur ist (Kohler, Erhebung von Lohnzuschläge durch staatliche Urlaubskasse: Zivilsache oder öffentlichrechtliche Angelegenheit, IPRAX 2016, 398).

In der hier vorliegenden E argumentiert der EuGH ebenfalls ausführlich in diese Richtung. Entscheidend ist die Tatsache, dass der Anspruch auf das Urlaubsentgelt privatrechtlicher Natur ist. Dass daneben auch Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Verwaltungskosten vom Zuschlag bedeckt werden, schadet nach Ansicht des EuGH nicht (ergänzend sei lediglich angemerkt, dass Steuern im Rahmen der „Nebenleistungen“ nach § 26 BUAG nicht bedeckt werden, sondern lediglich Sozialversicherungsbeiträge, was aber an der Lösung nichts ändert).

Eine andere Lösung würde auch mit der bisherigen Rsp zur Zulässigkeit der Einbeziehung eines entsandten AN in eine Sozialkasse (EuGH Rs Finalarte) in Widerspruch stehen. Wenn die Einhebung von Zuschlägen durch Sozialkassen nach der Entsende-RL zulässig ist, wäre es sinnwidrig, die konkreten Zuschläge dann nicht betreiben zu können. Würde man eine solche Lösung vertreten, wäre die Entsende-RL partiell eine lex imperfecta, weil sie wohl einen Anspruch schafft, dieser aber nicht (oder nur sehr umständlich im Wege des Schadenersatzes) durchsetzbar wäre.

Allerdings ist dies – wie auch der EuGH festgestellt hat – kein Freibrief für den nationalen Gesetzgeber, das Parteiengehör zu beseitigen oder spezielle Beweisregeln für das Gericht aufzustellen. Ob dies der Fall ist, ist nach dem jeweiligen nationalen Recht zu beurteilen. Dies ist Aufgabe des nationalen Gerichts und diese vom EuGH nicht zu lösende Frage soll nun im Folgenden näher untersucht werden.

3.
Lösung der Vorfragen nach österreichischem Recht

Die endgültige Entscheidung über die Rechtsnatur der Zuschläge nach dem BUAG ist aus der Konstruktion des Anspruchs nach österreichischem Recht zu beurteilen, wobei das entscheidende Merkmal die Reichweite der Bindung des Gerichts an das Vorbringen der BUAK ist. Einschlägig dafür ist § 33h Abs 2b BUAG (so auch der EuGH, vgl Rn 57), der wie folgt lautet: „Hat die [BUAK] die Zuschlagsleistung wegen der Nichteinhaltung der Meldepflicht auf Grund eigener Ermittlungen nach § 22 Abs 5 zweiter Satz [BUAG] errechnet, so schuldet der Arbeitgeber die so errechneten Zuschläge.“ Die hier zitierte Errechnung der Zuschläge durch die BUAK erfolgt dann, wenn der AG keine Meldung abgibt, wozu er eigentlich verpflichtet ist. In diesem Fall muss die BUAK selbst die Parameter zur Zuschlagsberechnung ermitteln (dh betroffene AN, kollektivvertraglicher Lohnanspruch, Beschäftigungsdauer).

Man kann diese Bestimmung in zwei Richtungen interpretieren. Sieht man ihre Reichweite geringer an, dann ist sie eine Vorschrift nur für die BUAK darüber, welchen Betrag sie ihrer Klage zugrunde legen soll. Sieht man sie weiter, dann handelt es sich um eine Fiktion, die auch das Gericht bindet. Folgt man der zweiten Variante, würde dies der Behandlung des Zuschlags als privatrechtlichem Anspruch im Wege stehen.

Auf den ersten Blick scheint die Bestimmung so auszulegen sein, dass der Richter an das Vorbringen der BUAK gebunden wäre. Allerdings würde eine solche Auslegung zum einen in Widerspruch zu Art 6 MRK stehen, denn das Recht auf ein unabhängiges Gericht steht jedermann auch im Hinblick auf privatrechtliche Verpflichtungen zu. Zum anderen fällt auf, dass im innerstaatlichen Bereich die BUAK ihre eigenen Berechnungen der Vorschreibung der Zuschlagsleistung zugrunde zu legen hat (§ 22 Abs 5 BUAG), doch sieht § 25 BUAG dann ein Rechtsmittelverfahren vor. Konkret kann der AG gegen den Rückstandsausweis Einspruch erheben. Zuständig dafür ist die Bezirksverwaltungsbehörde und das Gesetz lässt Rechtsmittel an das LVwG und schließlich an den VwGH zu. In der Tat gibt es keine Rechtfertigung, einem AG mit Sitz in Österreich einen umfassenden Rechtsschutz zuzugestehen, während ein solcher einem AG ohne Sitz in Österreich nicht zustehen sollte. Eine solche Auslegung wäre daher iSd Art 7 B-VG gleichheitswidrig.

Richtigerweise kann sie daher nur eine Vorschrift für die BUAK sein, welchen Betrag sie ihrer Klage zugrunde legen soll. Diese Auslegung passt auch mit der sonstigen Konzeption der Bestimmungen zur Zuschlagsbetreibung überein. Weder das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) noch die Exekutionsordnung (EO) enthalten allgemeine Bestimmungen für die Bekämpfung eines Rückstandsausweises. Daher musste der Gesetzgeber im BUAG eine entsprechende Regelung verankern. Im Entsendebereich enthält § 33h BUAG nur eine Bestimmung für die Zuständigkeit des Gerichts (§ 33h Abs 3 BUAG). Das hat seinen Grund darin, dass mit der ZPO und dem ASGG ausreichend verfahrensrechtliche Regeln bestehen, die das rechtliche Gehör des AG schützen. Insofern passen die Bestimmungen zueinander, wiewohl eine weniger zweideutige Formulierung im BUAG durchaus wünschenswert wäre, zumal – wie der Anlassfall zeigt – § 33h Abs 2 BUAG in der Praxis offenbar für Verwirrung gesorgt hat. Zusammenfassend512 ist daher festzuhalten, dass § 33h Abs 2 BUAG verfassungs- und unionsrechtskonform nur so ausgelegt werden kann, dass er eine Vorschrift für die BUAK selbst ist, das Gericht aber nicht bindet.

Zur hier nicht unwesentlichen Frage des Parteigehörs sei zuletzt noch eine Anmerkung zum Versäumungsurteil gestattet, nicht zuletzt auch, weil dem Anlassfall ein solches zugrunde lag. Versäumungsurteile sind dem Grunde nach auch in arbeitsgerichtlichen Verfahren zulässig (vgl etwa § 59 Abs 1 Z 4 ASGG). Wird ein solches zulässigerweise beantragt, hat das Gericht das Vorbringen des Kl (hier der BUAK) für wahr zu halten (§ 396 Abs 1 ZPO). In einem solchen Fall ist das Gericht in seiner rechtlichen Beurteilung weiterhin frei. Es kann also durchaus die Berechnung der Zuschlagshöhe kontrollieren. Das betrifft in gewisser Weise auch die Parameter, die der Zuschlagsberechnung zugrunde liegen. In praktischer Hinsicht könnte am ehesten die Frage der Einstufung eines AN in die Lohnordnung eines KollV Probleme bereiten (weil der kollektivvertragliche Stundenlohn eines der Parameter ist, der der Zuschlagsberechnung zugrunde liegt). Dies ist in der Tat eine Rechtsfrage, doch ist das Gericht an entsprechendes Vorbringen der BUAK über den Inhalt der Tätigkeit gebunden, weil dies wiederum eine Tatsachenfrage ist. Auch die Frage, ob das BUAG überhaupt zur Anwendung kommt, ist eine Rechtsfrage, die der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.