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Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigung

JULIAEICHINGER (WIEN)
  1. Gem § 115 Abs 1 ArbVG ist das Mandat des Betriebsratsmitglieds ein Ehrenamt. Aus der Ehrenamtlichkeit folgt, dass das Mandat unentgeltlich und grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen ist.

  2. Gem § 116 ArbVG ist Betriebsratsmitgliedern die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten (Mandatsausübungshandlungen) erforderliche Freizeit unter Entgeltfortzahlung zu gewähren. Diese Sonderregelung berücksichtigt, dass die Mandatsausübung nicht stets außerhalb der Arbeitszeit möglich ist, und begründet einen Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Freistellung von der Arbeitspflicht während der Arbeitszeit, wenn und soweit dies für Mandatsausübungshandlungen erforderlich ist (zweckgebundener Freizeitanspruch). Der Freistellungsanspruch besteht bei der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben, die außerhalb der Arbeitszeit unmöglich oder nur unverhältnismäßig erschwert ausgeübt werden können. Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs ist nach dem Ausfallsprinzip zu ermitteln.

  3. Das ArbVG – insb § 116 leg cit – normiert für außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeiten wie im Fall der teilzeitbeschäftigten Kl keinen Ausgleichs- bzw Entgelt(fortzahlungs)anspruch.

  4. Die österreichische Rechtslage sieht keinen Anspruch auf entgeltpflichtigen Freizeitausgleich für in der Freizeit erbrachte Betriebsratstätigkeiten vor.

  5. Bloß allgemeine Behauptungen einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – wenn auch unter Zitierung einer E des EuGH(Rs Bötel) – reichen nicht aus, wenn von der Kl nicht einmal ansatzweise vorgebracht wird, worin die Vergleichbarkeit ihres Falles mit der entschiedenen Rechtssache bestehen soll.

Die Kl war vom 2.11.2010 bis 28.2.2017 beim bekl Verein als Pflegehelferin in Teilzeit beschäftigt. Ihre Arbeitszeit betrug im Jahr 2016 30 Stunden pro Woche, ihr monatliches Entgelt 1.744,50 € brutto. Die Kl war Mitglied des BR des Bekl.

Die Kl begehrte [...] die Zahlung von 391,23 € sA und brachte [...] vor, sie habe [...] 27 Arbeitsstunden für Betriebsratstätigkeiten während ihrer Dienstzeit aufgewendet, die vom Bekl zu Unrecht nicht entlohnt worden seien. [...]

Der Bekl wandte ein, die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied erfolge ehrenamtlich, sodass dafür kein Entgelt zustehe. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl teilweise Folge. [...] Es sei fraglich, ob das Ehrenamtlichkeitsprinzip eine ausreichende Basis sei, die Benachteiligung von Teilzeitkräften zu tragen. Damit verhindere man eine adäquate Repräsentation der Teilzeitbeschäftigten und damit gerade der Frauen im BR. [...]

In seinem [...] Rekurs beantragte der Bekl die [...] gänzliche Klagsabweisung [...].

Die Kl beantragte, den Rekurs zurückzuweisen [...].

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Bekl ist zulässig und berechtigt.

1. Gem § 115 Abs 1 ArbVG ist das Mandat des Betriebsratsmitglieds ein Ehrenamt, das, soweit nicht anderes bestimmt wird, neben den Berufspflichten auszuüben ist. Für erwachsene Barauslagen gebührt den Mitgliedern des BR Ersatz aus dem Betriebsratsfonds.

Die Ehrenamtlichkeit des Mandats iSd § 115 ArbVG bedeutet, dass das Mandat grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen ist. Die vertragliche Arbeitspflicht wird nicht suspendiert oder eingeschränkt518

(Mosler in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 115 Rz 10, § 116 Rz 1). Zugleich ist klargestellt, dass die Ausübung der Betriebsratstätigkeit unentgeltlich zu erfolgen hat und eine gesonderte (über die Lohnfortzahlung für eine erforderliche Freistellung hinausgehende) Entlohnung für die Betriebsratstätigkeit weder vorgesehen noch gewollt ist. Was über den Lohnfortzahlungsanspruch hinausgeht, ist eine verbotene Bevorzugung (Resch in Jabornegg/Strasser, ArbVG § 115 Rz 11). Vorrangiger Schutzzweck der Bestimmung ist die Wahrung der Objektivität der Interessenvertretung bzw der Gegnerunabhängigkeit. Die Unentgeltlichkeit des Ehrenamts wird damit als entscheidender Wert der repräsentantiven Mitbestimmung angesehen (Resch aaO § 115 ArbVG Rz 11 ff; Mosler aaO § 115 ArbVG Rz 11; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arb-VerfR5 § 115 Rz 5).

2. Eine besondere Regelung enthält § 116 ArbVG, wonach den Mitgliedern des BR [...] die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren ist.

Die Bestimmung berücksichtigt, dass eine Mandatsausübung nicht stets außerhalb der Arbeitszeit möglich ist und gewährt daher einen Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Freistellung von der Arbeitspflicht während der Arbeitszeit, wenn und soweit dies für die Erfüllung der Obliegenheiten erforderlich ist. Der Anspruch auf Arbeitsfreistellung unter Entgeltfortzahlung setzt voraus, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die zu den Aufgaben des BR zählt und deren Ausübung während der Arbeitszeit erfolgen muss (zweckgebundener Freizeitanspruch). Erfasst sind nur jene Betriebsratstätigkeiten (Mandatsausübungshandlungen), die außerhalb der Arbeitszeit unmöglich oder nur unverhältnismäßig erschwert ausgeübt werden können. Ob dies der Fall ist, dh für die Frage, ob Tätigkeiten der Belegschaftsorgane während der Arbeitszeit erfolgen können, ist eine Interessenabwägung erforderlich (Mosler aaO § 116 ArbVG Rz 2 ua). Nach der Rsp ist es etwa auch für fraktionelle Tätigkeiten grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass Betriebsratsmitglieder dafür Anspruch auf Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts haben. Dem Gedanken des § 39 Abs 3 ArbVG folgend, der eine Interessenabwägung vorsieht, ist aber zu verlangen, dass fraktionelle Tätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, wenn sie bei entsprechender Einteilung ohne weiteres nach Arbeitsschluss oder vor Arbeitsbeginn erledigt werden können (RIS-Justiz RS0051292). Ähnlich ist nach Resch für die Anberaumung eines Sitzungstermins bei unterschiedlich gelagerten Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder zu beachten, dass der Termin für die meisten Betriebsratsmitglieder außerhalb ihrer gewöhnlichen Arbeitszeit liegt. Allgemein gilt auch hier der Grundsatz, dass die Belegschaftsorgane ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebs zu vollziehen haben (Resch aaO § 116 Rz 20).

3. Für den die Zeit der Freistellung betreffenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist das Ausfallsprinzip maßgeblich. Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts richtet sich danach, was das Betriebsratsmitglied verdienen hätte können, wenn es während der Freistellung in vollem Umfang gearbeitet hätte. Die Regelung verwirklicht damit einerseits das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot, andererseits das Privilegierungsverbot (s Mosler aaO § 116 Rz 14, 19).

4. Damit unterscheidet sich die österreichische auch von der deutschen Rechtslage: Auch nach § 37 dt BetrVG ist das Betriebsratsamt ein Ehrenamt und begründet für die Mitglieder des BR nur dann einen Freistellungsanspruch von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist (Abs 1 und 2). Nach § 37 Abs 3 dt BetrVG hat das Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, jedoch Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Einen solchen Ausgleich für außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Mandatstätigkeiten sieht das österreichische ArbVG jedoch nicht vor, womit der Grundsatz der Ehrenamtlichkeit noch mehr in den Vordergrund tritt. Die Freistellung bleibt daneben die Ausnahme (s auch Rauch, Mandatsausübung eines Mitglieds des BR neben den Berufspflichten, ASoK 2016, 210).

5. [...] Die Kl nimmt nicht für sich in Anspruch, dass ihr nicht ausreichend freie Zeit zur Mandatsausübung während ihrer Arbeitszeit gewährt worden wäre oder sie dafür keine Lohnfortzahlung erhalten hätte. Vielmehr ist unstrittig, dass sie ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche vollumfänglich nachgekommen ist, sie im Ausmaß einer 30 Stunden-Woche zur Gänze bezahlt wurde und die Mandatsarbeit von ihr daneben, dh in ihrer arbeitsfreien Zeit, geleistet wurde. Aus § 116 ArbVG lässt sich dafür kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ableiten.

6. Die Kl verweist für ihr Begehren auf die E des EuGH Rs C-360/90Bötel und behauptet eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Frauen.

In dieser E war zu beurteilen, ob eine gesetzliche Regelung mit dem EG-rechtlichen Verbot der Entgeltdiskriminierung von Männern und Frauen [...] vereinbar ist, wenn sie zwar Betriebsratsmitgliedern für Arbeitszeit, die wegen der Teilnahme an Schulungen (welche für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermitteln) ausfällt, Vergütung sichert (Lohnausfallprinzip), jedoch teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern, die für die Schulung über ihre individuelle Arbeitszeit hinaus Zeit aufwenden müssen, einen Ausgleich in Freizeit und/oder Geld für diesen zusätzlichen Zeitaufwand auch bis zur Höhe der betrieblichen Vollarbeitszeit verweigert, obwohl der Anteil der Frauen, die von dieser Regelung betroffen werden, wesentlich höher ist als der Anteil der Männer. Der EuGH bejahte [...] eine mittelbare Diskriminierung [...].

In der Folge hielt der EuGH in der Rs C-457/93Lewark fest, dass der Wille des deutschen Gesetzgebers, durch das Prinzip der Unentgeltlichkeit des Betriebsratsamts die Unabhängigkeit des BR höher zu bewerten als wirtschaftliche Anreize für 519die Ausübung des Betriebsratsamts ein legitimes sozialpolitisches Ziel darstelle, das für sich genommen nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun habe. Die Ungleichbehandlung könne aber nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie sich als zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich erweisen sollte [...].

Die Eignung und Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung wurde [...] vom BAG [...] zu [...] 7 AZR 581/92, bejaht.

Im vorliegenden Fall hat die Kl für ihr Begehren neben § 116 ArbVG zwar auch die E Bötel nominell angeführt, darüber hinaus aber nicht einmal ansatzweise vorgebracht, warum ihre Situation mit der Ausgangslage in jener Rechtssache vergleichbar wäre. Wie dargelegt, sieht die österreichische Rechtslage keinen dem § 37 Abs 3 dt BetrVG vergleichbaren Anspruch auf entgeltpflichtigen Freizeitausgleich für in der Freizeit erbrachte Betriebsratstätigkeiten vor. Ungeachtet dessen hat die Kl aber auch nicht behauptet, dass die von ihr aufgelisteten Betriebsratstätigkeiten, für die sie Entgelt begehrt, solche gewesen wären, die bei vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern sehr wohl zu einer Lohnfortzahlung geführt hätten. [...] Auf ihre allgemeinen Überlegungen zu einer mittelbaren Diskriminierung ist danach nicht weiter einzugehen [...].

7. Dem Rekurs war danach Folge zu geben [...].

ANMERKUNG
1.
Sachverhalt und Problemstellung

Die Kl im Anlassfall war eine im Ausmaß von 30 Wochenstunden teilzeitbeschäftigte mobile Pflegehelferin, die sich ihre Arbeitszeit in einem täglichen Zeitrahmen (Montag bis Freitag jeweils zwischen 07:00 Uhr und 18:00 Uhr) frei einteilen konnte. Sie nahm ein Betriebsratsmandat wahr und übte die anfallenden Betriebsratstätigkeiten (zB persönliche von und telefonische Beratung von AN, Verhandlungen mit dem AG, notwendige Recherchen, Vorbereitung von und Teilnahme an Betriebsratssitzungen) neben ihrer Arbeitstätigkeit, regelmäßig innerhalb des angeführten Zeitrahmens, aus. Für zur Betriebsratsarbeit aufgewendete Zeiten begehrte die Kl vom Bekl die Zahlung von 391,23 € sA. Sie verwies auf ihre Teilzeitbeschäftigung ohne fix vorgesehene Arbeitszeiten und brachte vor, sie werde dadurch „in Bezug auf die Anwendung des § 116 ArbVG gegenüber einem vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglied [...] strukturell benachteiligt“. Außerdem machte die Kl unter Bezugnahme auf einschlägige EuGH-Judikatur eine unzulässige mittelbare Frauendiskriminierung geltend, weil teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder in der Regel Frauen seien. „Es sei daher eine zusätzliche Entgeltpflicht des Betriebsinhabers für jene Fälle anzunehmen, in denen ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied unvermeidliche Betriebsratstätigkeiten in der Freizeit ausüben müsse.

Es war daher zu prüfen, ob der von der Kl geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 116 ArbVG ableitbar war oder ihr aufgrund einer mittelbaren Frauendiskriminierung beim Entgelt zustand. Der OGH verneinte eine Zahlungsverpflichtung des AG gem § 116 ArbVG und konnte auch keine mittelbare Diskriminierung feststellen. Dieser rechtlichen Beurteilung ist beizupflichten.

2.
Zur Entscheidungsbegründung des OGH
2.1.
Betriebsratsmandat als Ehrenamt

Gem § 115 Abs 1 ArbVG ist das Mandat des Betriebsratsmitglieds ein Ehrenamt, das – soweit das Gesetz nicht anderes bestimmt – „neben den Berufspflichten auszuüben ist“. Aus der Ehrenamtlichkeit des Betriebsratsmandats folgt nach hA, dass Betriebsratstätigkeiten unentgeltlich und grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds vorzunehmen sind (siehe Mosler in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 [2018] § 115 ArbVG Rz 10 f; Resch in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2007, 19. Lfg] § 115 ArbVG Rz 11 ff; Schneller in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht Bd 35 [2015] § 115 ArbVG Rz 4 ff; Winkler in Tomandl [Hrsg], Arbeitsverfassungsgesetz [2005; 8. Lfg] § 115 ArbVG Rz 1 ff). Dieses Grundkonzept des Gesetzgebers, das insb dem Prinzip der Gegnerunabhängigkeit dient, historisch aber auch eine Entfremdung des Betriebsratsmitglieds von der Belegschaft verhindern sollte (Resch, ArbVG-Komm § 115 ArbVG Rz 5 ff, 11 ff; Mathy, Die „Professionalisierung“ der Betriebsratstätigkeit – Verrat oder Verwirklichung des ursprünglichen Ideals? DRdA 2019, 306 [307 f]), rückte der OGH zutreffend in den Mittelpunkt der Entscheidungsbegründung.

Im ArbVG ist dieses Konzept aber nicht uneingeschränkt umgesetzt (siehe die Sonderregelungen in den §§ 116 bis 118 ArbVG). Die effektive Ausübung des Betriebsratsmandats kann nämlich in der Praxis fallweise auch ein Tätigwerden des Betriebsratsmitglieds während seiner Arbeitszeit notwendig machen. Solchen Fallkonstellationen trägt der mit „Freizeitgewährung“ betitelte § 116 ArbVG Rechnung, wonach Betriebsratsmitgliedern „die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgeltes zu gewähren“ ist (weiterführend Mosler in ZellKomm3 § 116 ArbVG Rz 1 ff). Mit diesen Obliegenheiten sind Mandatsausübungshandlungen gemeint (Resch in ArbVG-Komm § 116 ArbVG Rz 10), es liegt also eine zweckgebundene Arbeitsfreistellung für betriebsratsbezogene Angelegenheiten vor (Mosler in ZellKomm3 § 116 ArbVG Rz 5).

Aus dem systematischen Zusammenhang von § 115 Abs 1 mit § 116 ArbVG ergibt sich somit, dass die unentgeltliche Ausübung von Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers der Regelfall sein soll. Betriebsratstätigkeiten während der Arbeitszeit sind als Ausnahmefälle konzipiert (Rauch, Mandatsausübung eines Mitglieds des Betriebsrats neben den Berufspflichten, ASoK 2016, 210 ff [211]). Wenn aber die Ausübung von Betriebsratstätigkeiten während der Arbeitszeit520 zur Erfüllung des Betriebsratsmandats erforderlich ist, soll das Betriebsratsmitglied von der Arbeitspflicht freigestellt werden und während der Freistellung einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem AG haben. Diese bewusste Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen dem Regelfall der Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ohne Entgeltanspruch (gem § 115 Abs 1 ArbVG) und dem Ausnahmefall der Betriebsratstätigkeit während einer zweckgebundenen Freistellung von der Arbeitspflicht mit Entgeltfortzahlungsanspruch des Betriebsratsmitglieds gegenüber dem AG (gem § 116 ArbVG) ist entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Anlassfalls.

Wegen der Eigenart ihrer Tätigkeit als mobile Pflegehelferin (Erbringung persönlicher Betreuungs- und Pflegeleistungen für KlientInnen ihres AG) konnte die Kl während ihrer Arbeitszeit keine Betriebsratstätigkeiten durchführen (siehe Näheres dazu in der kritischen Entscheidungsbesprechung von Stadler, Entgelt für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit? ÖZPR 2019/58, 100 [102]). Sie erledigte die Betriebsratsarbeit daher in ihrer arbeitsfreien Zeit und zwar regelmäßig während des täglichen Arbeitszeitrahmens (zwischen 7:00 Uhr und 18:00 Uhr). Dieser Zeitrahmen muss von der während dieses Zeitraums liegenden konkreten Arbeitszeit der Kl strikt unterschieden werden. Die in diesem Zeitrahmen liegenden arbeitsfreien Zeiten sind in Bezug auf die Anwendung des § 116 ArbVG nicht anders zu behandeln als sonstige Freizeitphasen der Kl (wie Wochenenden, Feiertage, Zeiten vor 7:00 Uhr und nach 18:00 Uhr an Arbeitstagen, Urlaub). Der in § 116 ArbVG festgelegte Freizeitgewährungsanspruch setzt nämlich Zeiten voraus, in denen Arbeitspflicht besteht. Im Anlassfall hätte § 116 ArbVG daher nur dann zur Anwendung kommen können, wenn die Kl Betriebsratstätigkeiten in Zeiträumen ausgeübt hätte, in denen sie sonst zur Arbeit verpflichtet gewesen wäre – mit anderen Worten während ihrer Arbeitszeit. Das war aber gerade nicht der Fall.

Der OGH ging daher zutreffend von der Ausübung der Betriebsratstätigkeiten in der arbeitsfreien Zeit der Kl aus. Das ist allerdings der in § 115 Abs 1 ArbVG normierte Regelfall der ehrenamtlichen Mandatsausübung „neben den Berufspflichten“. Für solche Fallkonstellationen gilt § 116 ArbVG nicht. Außerdem hielt der OGH fest, dass beide Vertragsparteien ihre vertraglichen Pflichten korrekt erfüllt hatten: Die Kl war ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht im Ausmaß von 30 Wochenstunden „vollumfänglich nachgekommen“ und der AG hatte das geschuldete Entgelt „zur Gänze bezahlt“. Die Kl erlitt daher wegen der Betriebsratsarbeit keine Einbußen bei der Entlohnung. Im Ergebnis entschied der OGH somit richtig, dass der von der Kl gegenüber ihrem AG erhobene Zahlungsanspruch nicht auf § 116 ArbVG gestützt werden konnte.

2.2.
Benachteiligung wegen Teilzeitbeschäftigung?

Die Kl fühlte sich aber wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung ohne fix vorgesehene Arbeitszeiten in Bezug auf die Anwendung des § 116 ArbVG gegenüber einem vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglied „strukturell benachteiligt“ und ging zudem – weil teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder in der Regel Frauen seien – von einer unzulässigen mittelbaren Frauendiskriminierung beim Entgelt aus. Ob dies im Anlassfall zutrifft, wird im Folgenden anhand der Annahme geprüft, dass die Kl – bei sonst unverändertem Sachverhalt – nicht im Ausmaß von 30 Wochenstunden teilzeit-, sondern im Ausmaß von 40 Wochenstunden vollzeitbeschäftigt gewesen wäre. Der Einfachheit halber wird, umgelegt auf eine Fünf-Tage-Woche und einen Arbeitstag, von einem Sechs-Stunden-Tag bei Teilzeitbeschäftigung und einem Acht-Stunden-Tag bei Vollzeitbeschäftigung ausgegangen. Hätte sich bei Vollzeitbeschäftigung der Kl etwas geändert?

Entscheidend ist im Anlassfall mE, dass die Eigenart der Tätigkeit der Kl als mobile Pflegehelferin wohl auch bei Vollzeitbeschäftigung keine Betriebsratstätigkeiten während ihrer Arbeitszeit ermöglicht hätte. Der einzige ersichtliche Unterschied wäre daher gewesen, dass der arbeitsfreie Zeitraum im täglichen Arbeitszeitrahmen wegen der längeren Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung um zwei Stunden kürzer gewesen wäre. Die Betriebsratstätigkeit hätte somit auch bei einer Vollzeitbeschäftigung der Kl außerhalb ihrer Arbeitszeit durchgeführt werden „müssen“. Daher hätte § 116 ArbVG auch im Falle einer Vollzeitbeschäftigung der Kl keine Anwendung finden können. Das Ausmaß der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds war im Anlassfall also – ebenso wie die Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeiteinteilung – nicht der Grund für die Ausübung der Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit.

Die Sachlage war allerdings im vorliegenden Fall wegen der Tätigkeitsart der Kl außergewöhnlich. Es gibt jedoch auch andere Tätigkeiten, die ihrer Art nach die Ausübung von Betriebsratstätigkeiten während der Arbeitszeit erschweren (zB Nachtarbeit und Fließbandarbeiten) oder sogar unmöglich (zB Arbeit am Hochofen) machen können. Auch sonst sind viele Aspekte denkbar, die für die zeitliche Lage der Betriebsratsarbeit in- oder außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds maßgeblich sind. Diese können ihre Ursache entweder im Arbeitsumfeld (zB Überlappungszeiten mit den Arbeitszeiten anderer AN, Möglichkeiten zum Kontaktieren des AG während der Betriebszeiten) oder im Privatleben des Betriebsratsmitglieds (zB familiäre Verpflichtungen, Gesundheitszustand, Belastbarkeit) haben.

Zu solchen Aspekten gehören unleugbar auch die Lage (zB Nachtarbeit) und das Ausmaß der Arbeitszeit (zB Teilzeitarbeit) des Betriebsratsmitglieds. Abstrakt betrachtet kann schlicht und einfach die kürzere Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigung die Möglichkeiten zur Ausübung von Betriebsratstätigkeiten während der Arbeitszeit (zB persönliche Beratungsgespräche mit ArbeitskollegInnen, Verhandlungen mit dem AG) verringern. Daher kann die Wahrscheinlichkeit, dass § 116 ArbVG zur Anwendung kommt, durchaus auch (!) davon abhängen, ob und in welchem 521Umfang Betriebsratsmitglieder teilzeitbeschäftigt sind. Insofern ist die Teilzeitbeschäftigung für die Anwendbarkeit des § 116 ArbVG nicht irrelevant. Meistens wird in der Praxis jedoch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren entscheidend dafür sein, ob Betriebsratsarbeit in- oder außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds geleistet wird. Das ist aber von den Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass man mE nicht verallgemeinernd sagen kann, teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder seien hinsichtlich der Anwendung des § 116 ArbVG gegenüber vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern strukturell benachteiligt. Außerdem darf bei all dem nicht vergessen werden, dass Betriebsratsarbeit außerhalb der Arbeitszeit nach dem Konzept des ArbVG der Regelfall und Betriebsratsarbeit während der Arbeitszeit ein Ausnahmefall ist (siehe Pkt 2.1.). Das scheint die Kl bei ihrer Argumentation und Sichtweise nicht ausreichend zu berücksichtigen. Nach dem klaren Regelungskonzept des Gesetzgebers ist auch zu bezweifeln, ob eine von Stadler (ÖZPR 2019/58, 102) in § 116 ArbVG geortete Gesetzeslücke in Bezug auf Tätigkeiten im mobilen und stationären Krankenversorgungs- und Pflegebereich, die keine Betriebsratsarbeit während der Arbeitszeit zulassen, vorliegt.

Im Anlassfall war die Teilzeitbeschäftigung der Kl jedenfalls nicht ausschlaggebend für die Erbringung der Betriebsratsarbeit in ihrer arbeitsfreien Zeit und die daraus resultierende Unanwendbarkeit des § 116 ArbVG. Es lag daher mE keine Benachteiligung wegen der Teilzeitbeschäftigung vor (vgl auch das Benachteiligungsverbot gem § 19d Abs 6 AZG, das teilzeitbeschäftigte AN nicht schlechthin, sondern vor einer Benachteiligung „wegen der Teilzeitarbeit“ gegenüber vollzeitbeschäftigten AN schützt).

2.3.
Mittelbare Frauendiskriminierung?

Das Fehlen einer Benachteiligung wegen (!) der Teilzeitbeschäftigung hat im Anlassfall auch Auswirkungen auf die Beurteilung des Arguments der Kl, es liege eine mittelbare Frauendiskriminierung beim Entgelt (siehe § 3 Z 2 GlBG) vor. Nach der Legaldefinition in § 5 Abs 2 GlBG besteht eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dann, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich“. Die anscheinend (?) neutrale Vorschrift ist hier § 116 ArbVG. Zu prüfen ist daher zunächst, ob diese Regelung Frauen in besonderer Weise gegenüber Männern benachteiligen kann. Es genügt also die Möglichkeit einer Benachteiligung. Nach der Einschätzung der Kl besteht diese Möglichkeit bei teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern wegen des von ihr behaupteten hohen Frauenanteils in dieser Gruppe. Eine mittelbare Diskriminierung von Frauen hätte im Anlassfall daher auf eine Benachteiligung wegen (!) Teilzeitbeschäftigung bei der Anwendung des § 116 ArbVG (für Betriebsratstätigkeiten zweckgebundene Arbeitsfreistellung mit Entgeltfortzahlungsanspruch) zurückführbar gewesen sein müssen. Das war aber, wie in Pkt 2.2. aufgezeigt, gerade nicht der Fall. Im Anlassfall lag daher mE keine mittelbare Diskriminierung der Kl beim Entgelt vor.

Auch der OGH sah im Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts keine Anspruchsgrundlage für das Leistungsbegehren der Kl und führte dies nicht zuletzt darauf zurück, dass sie nicht einmal ansatzweise vorgebracht habe, warum ihre Situation mit der Ausgangslage in der Rs Bötel( EuGH 4.6.1992, C-360/90, Slg 1992, I-3589) vergleichbar wäre. Daher noch ein kurzer Seitenblick auf den Aspekt der Vergleichbarkeit des Anlassfalls mit den Sachverhalten und Rechtsgrundlagen, die den beiden maßgebenden Entscheidungen des EuGH (siehe auch das Urteil vom 6.2.1996, C-457/93, Lewark, Slg 1996, I-243) zugrunde lagen. Die Rs Bötel und Lewark betrafen jeweils die Teilnahme an ganztägigen Betriebsratsschulungen. Vollzeitbeschäftigte TeilnehmerInnen erhielten nach § 37 dt BVerfG für ihre wegen der Schulung entfallende Arbeitszeit eine Vergütung nach dem Lohnausfallsprinzip, teilzeitbeschäftigte TeilnehmerInnen – deutlich überwiegend Frauen – bekamen für über ihre individuelle Arbeitszeit hinaus aufgewendete Zeiten (bis zur betrieblichen Vollarbeitszeit) hingegen keinen Ausgleich in Freizeit oder Geld. Der EuGH beurteilte dies nach dem unionsrechtlichen Lohngleichheitsgrundsatz (ex-Art 119 EWG-V, Art 1 RL 75/117/EWG, jetzt Art 157 AEUV, Art 4 RL 2006/54/EG) als mittelbare Frauendiskriminierung.

Der erste wesentliche Unterschied in den Sachverhalten besteht darin, dass es in den Rs Bötel und Lewark um zeitlich klar begrenzte Betriebsratsschulungen ging, die einen exakten Vergleich der von vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten TeilnehmerInnen aufgewendeten Zeiten und ihrer Lage und damit auch der Auswirkungen auf die Entgeltsituation der betroffenen Betriebsratsmitglieder ermöglichten. Im Anlassfall ging es hingegen um verschiedene laufende Betriebsratsarbeiten während längerer Zeiträume, bei denen allfällige Benachteiligungen eines Betriebsratsmitglieds wegen (!) der Teilzeitbeschäftigung mE ungleich schwerer feststellbar sein dürften (siehe Pkt 2.2.).

Der zweite wesentliche Unterschied betrifft eine Divergenz der deutschen und der österreichischen Rechtslage. Während § 37 Abs 3 dt BetrVG Betriebsratsmitgliedern als Ausgleich für Betriebsratsarbeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, eine Arbeitsbefreiung unter Entgeltfortzahlung einräumt, sieht das ArbVG gerade keinen Ausgleichsanspruch für Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit vor. Letzteres ist vielmehr nach österreichischem Recht der Regelfall (siehe Pkt 2.1.). Damit tritt nach der zutreffenden Einschätzung des OGH der Grundsatz der Ehrenamtlichkeit des Betriebsratsmandats522noch mehr in den Vordergrund als im deutschen Betriebsverfassungsrecht. In den §§ 115, 116 ArbVG macht der österreichische Gesetzgeber von seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum Gebrauch, der grundsätzlich auch bei der Beurteilung der Unionsrechtskonformität der nationalen Rechtslage zu beachten ist. Solchen Gestaltungsspielräumen der Mitgliedstaaten bei der Regelung sozialpolitischer Ziele trägt auch die EuGH-Judikatur zur mittelbaren Diskriminierung Rechnung (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG [2009] § 5 Rz 130 ff, Rz 137 f). Dementsprechend blieb Deutschland nach den Urteilen Bötel und Lewark der Nachweis unbenommen, dass die Regelungen im dt BVerfG durch objektive Faktoren gerechtfertigt sind, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Vor diesem Hintergrund ist es mit Mosler (in ZellKomm3 § 116 ArbVG Rz 21 unter Bezugnahme auf BAG 7 AZR 581/92 SAE 1999, 59 [Henssler/Dedek]) daher vertretbar, die Ausgestaltung des Betriebsratsmandats im ArbVGals unentgeltliches Ehrenamt und die damit bezweckte Unabhängigkeit der Amtsführung als legitime sozialpolitische Zielsetzung zu beurteilen, die nicht mit einer Geschlechterdiskriminierung in Zusammenhang steht“.

3.
Schlussbemerkung

Das Regelungskonzept des ArbVG – das Betriebsratsmandat als Ehrenamt, das unentgeltlich grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit (Regelfall gem § 115 Abs 1) und nur erforderlichenfalls während der Arbeitszeit (Ausnahmefall der Freizeitgewährung gem § 116 ArbVG) wahrzunehmen ist – hat gute Gründe (siehe Pkt 2.1.). Es verlangt jedoch den AN, die ein Betriebsratsmandat ausüben, sehr viel ab. Sie werden dadurch nicht nur physisch und psychisch gefordert, sondern müssen auch einen Teil ihrer ohnehin meist knappen Freizeit ohne einen Ausgleich in Geld oder Zeit für die Interessenvertretungsfunktion aufwenden. Das könnte durchaus mit ein Grund sein, dass in Österreich in so manchen Betrieben, die nach dem Gesetz betriebsratspflichtig wären, tatsächlich kein BR besteht.