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Schwerarbeit quo vadis?

MAXIMILIANBELL (SALZBURG)
  1. Ein Schwerarbeitsmonat nach § 4 SchwerarbeitsV kann nicht nur durch Ausübung „einer“ Tätigkeit iS von § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV erworben werden.

  2. Unselbständige sowie selbständige Tätigkeiten, die zeitlich hintereinander oder gleichzeitig ausgeübt werden, sind bei der Ermittlung eines Schwerarbeitsmonats grundsätzlich zu berücksichtigen.

  3. Liegen mehrere zeitlich hintereinander oder gleichzeitig ausgeübte Tätigkeiten vor, sind nur jene für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats relevant, die für sich alleine Schwerarbeit iSd SchwerarbeitsV darstellen.

I. Sachverhalt

[...]

Das Erstgericht stellte fest, dass der Kl im Zeitraum 1.2.1998 bis 31.3.2016 durchgehend Schwerarbeitszeiten erworben habe. Es ging dabei zusammengefasst von folgenden Feststellungen aus:

Im Zeitraum 1.2.1998 bis 31.3.2016 war der Kl immer als Bäcker unselbständig erwerbstätig. Zusätzlich war der Kl auch noch ab 1.1.1991 im Rahmen eines Lebensmittelhandels als Einzelunternehmer selbständig erwerbstätig. Außerdem war er von 22.12.2007 bis 30.11.2008 und von 1.12.2008 bis 31.8.2009 als Taxilenker [...] und von 9.4. bis 31.5.2011 sowie von 22.6. bis 31.7.2011 in einem geringfügigen Beschäftigungsausmaß als Taxilenker [...] beschäftigt.

Die zentrale und für die Existenzsicherung wesentliche Erwerbstätigkeit übte der Kl in seinem Hauptberuf als Bäcker aus. [...]

[...] Die Gesamtwochenarbeitszeit des Kl betrug somit 60 bis 70 Stunden. Durch seine „Mischtätigkeiten“ als Bäcker, Lebensmittelhändler und Taxilenker betrug seine tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden und mehr.

Bei einem siebenstündigen Arbeitstag als Bäcker erreichte die Arbeitsbelastung des Kl rund 1.900 Arbeitskilokalorien.

Unter Berücksichtigung der zusätzlich vom Kl ausgeübten Aktivitäten als selbständiger Einzelunternehmer und als Taxifahrer erhöht sich dieser Wert proportional. In diesem Fall ist „bei einer Addition“ der siebenstündigen Tätigkeit als Bäcker und den zusätzlich noch täglich ausgeübten – der Pflichtversicherung unterliegenden – (Neben-)Tätigkeiten der Grenzwert von 2.000 Arbeitskilokalorien deutlich überschritten.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV durch die Tätigkeit als Bäcker allein nicht erfüllt sei, weil keine unregelmäßige Nachtarbeit vorgelegen sei. [...] Auch für die Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV würde die Tätigkeit des Kl als Bäcker allein nicht genügen, weil der erforderliche Verbrauch von Arbeitskilokalorien nicht gegeben gewesen sei. Der Kl habe daneben aber als selbständiger Einzelunternehmer und als Taxilenker 20-25 Stunden pro Woche gearbeitet. Unter Berücksichtigung dieser selbständigen Erwerbstätigkeit habe der Kl mehr als die erforderlichen 2.000 Arbeitskilokalorien verbraucht, sodass der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV erfüllt sei. Da der Kl laufend als Bäcker in der Nacht und als selbständiger Einzelunternehmer am Tag gearbeitet habe, sei auch der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV erfüllt.

Das Berufungsgericht gab der von der Bekl gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge.

Für die Feststellung des Vorliegens von Schwerarbeit seien nicht nur Tätigkeiten innerhalb eines Zweigs der PV zu berücksichtigen, sondern auch am selben Kalendertag ausgeübte (nach ASVG versicherungspflichtige) unselbständige Erwerbstätigkeiten und (nach GSVG oder BSVG versicherungspflichtige) selbständige Erwerbstätigkeiten. [...] Die SchwerarbeitsV differenziere nicht danach, ob Schwerarbeit in unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit erbracht werde.

Aus § 4 SchwerarbeitsV ergebe sich, dass ein Schwerarbeitsmonat nicht nur dann vorliegt, wenn in einem Monat nur eine Tätigkeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 bis 6 SchwerarbeitsV ausgeübt werde; vielmehr könne auch durch die Ausübung verschiedener besonders belastender Tätigkeiten im entsprechenden Ausmaß ein Schwerarbeitsmonat erworben werden. Maßgeblich für das Vorliegen von Schwerarbeit sei die tatsächliche Beanspruchung durch die Tätigkeit. Keine Rolle spiele die Anzahl der Versicherungsverhältnisse, sodass eine das Versicherungsverhältnis übergreifende Zusammenrechnung möglich sei. Sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung je nachdem, ob dieselbe (Gesamt-)Tätigkeit in (einer oder) mehreren unselbständigen Erwerbstätigkeiten oder in einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, seien nicht ersichtlich. Es seien daher die von einem Versicherten ausgeübten unselbständigen und selbständigen Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit der Beurteilung der Frage zugrunde zu legen, ob diese als Schwerarbeit zu werten seien.

Dies sei auf Grundlage der Feststellungen zu bejahen. Addiere man die Tätigkeit des Kl als Bäcker mit seinen Nebentätigkeiten, werde der Grenzwert von 2.000 Arbeitskilokalorien deutlich überschritten. Selbst wenn der Kl bei seinen übrigen Tätigkeiten nur 2,75 Arbeitskilojoule pro Minute bei leichter Handarbeit im Sitzen verbraucht hätte, ergebe sich nach dem Schwerarbeitsrechner ein (zusätzlicher) Verbrauch von 165 Arbeitskilojoule bzw 39,41 Arbeitskilokalorien pro Stunde. Bereits nach etwas mehr als 2,5 Stunden der Ausübung der Nebentätigkeiten des Kl würde sein Energieverbrauch daher den relevanten Grenzwert auch bei dieser leichtesten Tätigkeit erreichen. Ob der Kl durch seine Tätigkeiten auch Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV geleistet habe, müsse daher nicht beantwortet werden.527

Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig [...].

Die Revision ist [...] zulässig. Sie ist [...] auch berechtigt.

Die Revisionswerberin hält der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entgegen, dass es nicht die Intention des Verordnungsgebers gewesen sei, die Erhöhung des Richtwerts von acht Stunden in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV – etwa durch selbständige Erwerbstätigkeiten – unbegrenzt zuzulassen. [...] Stelle man keinen Gleichklang zwischen selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeiten in Bezug auf die Tätigkeitsdauer her, hätte dies zur Folge, dass die in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV definierte Kaloriengrenze bei selbständigen Tätigkeiten allein durch die Ausdehnung der Arbeitszeit überschritten werden könnte, obgleich die verrichtete Tätigkeit für sich gesehen nur eine leichte Arbeitsbelastung beinhalte. Es fehle an Feststellungen, wie viele Arbeitskilokalorien der Kl bei der Ausübung der Nebentätigkeiten tatsächlich verbraucht habe und an wie vielen Tagen im Monat diese Nebentätigkeiten tatsächlich ausgeübt worden seien.

Diese Argumente sind im Ergebnis berechtigt:

1.1 Durch die gleichzeitige Beschäftigung als DN und selbständig Erwerbstätiger kommt es zur Mehrfachversicherung ua auch in der PV. Der Versicherte erwirbt dennoch nur eine einheitliche Pension (Drs, Rechtsprobleme der Mehrfachversicherung, DRdA 2003, 461 [466]; zum System der Wanderversicherung auch Windisch Graetz, Probleme der Mehrfachversicherung, DRdA 2004, 523 [529]).

1.2 Es ist im Verfahren nicht strittig, dass die Bekl (in Bezug auf den hier relevanten Stichtag 1.4.2016) der gem § 251a ASVG für den Kl leis tungszuständige Pensionsversicherungsträger ist. Die Leistungen bestimmen sich nach den Regelungen, die im Bereich jener PV bestehen, die der zuständige Träger zu administrieren hat. Bei Feststellung der Leistungsansprüche hat dieser nur eigenes Recht anzuwenden und nur Versicherungsfälle zu berücksichtigen, die nach dem für ihn maßgeblichen System vorgesehen sind (RIS-Justiz RS0085021; Sonntag in Sonntag, ASVG9 § 251a ASVG Rz 2).

1.3 Im konkreten Fall sind daher die Bestimmungen der §§ 607 Abs 14 ASVG und 4 Abs 3 APG maßgeblich [...].

2.1 Der OGH hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung, ob ein Schwerarbeitsmonat vorliegt, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ausschlaggebend ist (10 ObS 117/16b, SSV NF 30/82 = DRdA 2017/43, 400 [Bell]; RIS-Justiz RS0130802 [T2]). Dies entspricht dem Zweck der Regelungen des § 607 Abs 14 ASVG und der §§ 1 Abs 1 und 4 SchwerarbeitsV, wonach die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten jenen Versicherten offen stehen soll, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit tatsächlich besonders belastenden Formen von Schwerarbeit ausgesetzt waren (ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 9).

2.2 Eine Differenzierung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 SchwerarbeitsV für selbständige oder unselbständige Erwerbstätige besteht im Hinblick auf die für einen selbständig Erwerbstätigen bestehende Möglichkeit einer freieren Arbeitseinteilung nicht: entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung der vom Versicherten im maßgebenden Zeitraum tatsächlich verrichteten Tätigkeit (10 ObS 103/10k, SSV NF 24/58).

2.3 Nach der Rsp stellt die Angabe von acht Stunden in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV lediglich einen Richtwert dar. Die Versicherten können nachweisen, dass sie täglich aufgrund längerer Arbeitszeiten oder aufgrund der besonderen Schwere der Tätigkeit auch bei kürzeren Arbeitszeiten den geforderten Arbeitskilokalorienverbrauch erreichen (10 ObS 95/14i, SSV NF 28/52; RIS-Justiz RS0129751). Liegen daher tatsächlich längere Arbeitszeiten vor, so sind diese bei der Berechnung des Energieumsatzes entsprechend zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0129750 [T1]; 10 ObS 4/15h, SSV NF 29/9). Dies ist jedoch beim Kl, der als Bäcker (lediglich) sieben Stunden täglich gearbeitet hat, nicht der Fall.

3.1 Dass auch mehrere Tätigkeiten die Ausübung von Schwerarbeit begründen können, ergibt sich bereits aus der in der Mehrzahl gehaltenen Formulierung in § 607 Abs 14 ASVG („Tätigkeiten“), aber auch aus der vom Berufungsgericht zitierten Bestimmung des § 4 SchwerarbeitsV: „Ein Schwerarbeitsmonat ist jeder Kalendermonat, in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 zumindest in jenem Ausmaß ausgeübt wurden, das einen Versicherungsmonat im Sinne des § 231 Z 1 lit a ASVG begründet. Arbeitsunterbrechungen bleiben dabei außer Betracht, solange die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung weiter besteht.“ Daher ist die Vorgangsweise, sämtliche vom Kl in den hier zu beurteilenden Monaten ausgeübten unselbständigen und selbständigen Erwerbstätigkeiten für die Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob ein Schwerarbeitsmonat erworben wurde, grundsätzlich zutreffend.

3.2 Allerdings folgt aus dem Wortlaut des § 4 SchwerarbeitsV, dass mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV ausgeübt werden müssen, um ein Schwerarbeitsmonat zu erwerben. Ein Schwerarbeitsmonat gem § 4 SchwerarbeitsV wird nach der Rsp dann erworben, wenn eine oder mehrere besonders belastende Tätigkeiten iSd § 1 SchwerarbeitsV mindestens in der Dauer von 15 Tagen in einem Kalendermonat ausgeübt wurden (10 ObS 103/10k, SSV NF 24/58; 10 ObS 39/17h, SSV NF 31/27; Rainer/Pöltner in SV Komm [166. Lfg] § 4 APG Rz 192; Milisits, Schwerarbeitsverordnung [2007] 41; Pöltner/Pacic, ASVG [APG; 96. ErgLfg], Anhang SchwerarbeitsV Anm 15, nennt als Beispiel für den Erwerb eines Versicherungsmonats 5 Tage Arbeit bei Hitze, [§ 1 Abs 1 Z 2 SchwerarbeitsV] zuzüglich 11 Tage körperliche Schwerarbeit [§ 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV]). Aus der Wendung („in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 zumindest in jenem Ausmaß ausgeübt wurden“) ist erkennbar, dass bei Vorliegen mehrerer unter § 1 Abs 1 Z 1 bis Z 6 SchwerarbeitsV fallender (unterschiedlicher) Tätigkeiten die Gleichbehandlung vorausgesetzt wird (10 ObS 23/16d, SSV NF 30/30 = DRdA 2017/4, 37 [De Brito]).528

3.3 Dass jede ausgeübte Tätigkeit jeweils für sich eine besonders belastende Berufstätigkeit sein muss, lässt sich etwa auch aus der auf der Grundlage von § 15b Abs 2 BDG 1979 (§ 2e Abs 2 BThPG; § 2a Abs 2 BB-PG) erlassenen Verordnung der Bundesregierung über besonders belastende Berufstätigkeiten (BGBl II 2006/105BGBl II 2006/105) erkennen, die die Anwendung von Bestimmungen der Schwerarbeitsverordnung auf Beamte und Bundestheaterbedienstete anordnet. Diese sieht in ihrem § 1 Z 2 vor, dass ein Schwerarbeitsmonat dann vorliegt, „wenn eine oder mehrere besonders belastende Tätigkeiten iSd § 1 Abs 1 der Schwerarbeitsverordnung mindestens in der Dauer von 15 Kalendertagen in einem Kalendermonat ausgeübt wurden. ...“ (10 ObS 118/15y, SSV NF 30/16). Ungeachtet des von § 4 SchwerarbeitsV abweichenden Wortlauts der Verordnung BGBl II 2006/105BGBl II 2006/105 ist im gegebenen Zusammenhang eine parallele Interpretation geboten. Denn durch die Formulierung „körperlich oder psychisch besonders belastende Bedingungen“ in § 4 Abs 4 APG und § 607 Abs 14 ASVG hat der Gesetzgeber seine Absicht zum Ausdruck gebracht, dass nur die Formen von besonders belastender Schwerarbeit und nicht jede schwere Arbeit schlechthin in diesem Bereich berücksichtigt werden (ErläutRV 635 BlgNR 22. GP 9; 10 ObS 103/10k ua).

3.4 Der Erwerb eines Schwerarbeitsmonats gem § 4 SchwerarbeitsV ist daher nicht nur durch Ausübung einer Tätigkeit gem § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV möglich, sondern auch durch Ausübung mehrerer, zeitlich hintereinander oder gleichzeitig ausgeübter Tätigkeiten gem § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV. Dies wäre etwa bei Teilzeittätigkeit denkbar (vgl dazu das oben genannte Beispiel bei Pöltner/Pacic, ASVG [APG; 96. ErgLfg], Anhang SchwerarbeitsV Anm 15): Dass Teilzeitkräfte nicht von vornherein vom Anwendungsbereich der SchwerarbeitsV ausgeschlossen sind, hat der OGH bereits entschieden (10 ObS 23/16d, SSV NF 30/30 = DRdA 2017/4, 37 [De Brito]; 10 ObS 30/16h).

3.5 Ergebnis: Bei überschneidender Ausübung mehrerer selbständiger oder unselbständiger Tätigkeiten sind für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats iSd § 4 SchwerarbeitsV nur jene Tätigkeiten zu berücksichtigen, die (für sich) besonders belastende Tätigkeiten gem § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV sind.

4.1 Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen steht fest, dass die vom Kl ausgeübte unselbständige Tätigkeit als Bäcker keine Schwerarbeit gem § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV begründet, weil der Kl den erforderlichen Verbrauch an Arbeitskilokalorien nicht erreichte. Ebenso wenig liegt diesbezüglich Schwerarbeit gem § 4 Abs 1 Z 2 SchwerarbeitsV vor, weil die Voraussetzungen des Art VII Abs 2 Z 2 NSchG – wie bereits vom Erstgericht dargestellt –, nicht erfüllt sind.

4.2 Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ist das Vorliegen unregelmäßiger Nachtarbeit. Die SchwerarbeitsV berücksichtigt nur Nachtarbeit im Wechsel zwischen Tag- und Nachtarbeit als besonders belastende Tätigkeit (RIS-Justiz RS0126106). Nachtdienste sind einheitlich als ein Arbeitstag zu werten und nicht im Hinblick auf den Datumswechsel als zwei Arbeitstage (RIS-Justiz RS0130646). Dass diese Voraussetzungen nach den Feststellungen im vorliegenden Fall durch die Tätigkeit des Kl als Bäcker nicht erfüllt sind, hat bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt. Eine „Zusammensicht“ der bei Nacht ausgeübten Tätigkeit des Kl als Bäcker und der während des Tages ausgeübten weiteren Nebentätigkeiten kommt aus den oben dargestellten Gründen nicht in Frage.

5. Ob die vom Kl selbständig und unselbständig im Beobachtungszeitraum neben seinem Hauptberuf als Bäcker ausgeübten Tätigkeiten für sich genommen Schwerarbeit darstellen, wurde – ausgehend von dem vom OGH nicht geteilten Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen – im Verfahren bisher noch nicht erörtert. [...] Dazu wird es insb erforderlich sein, Feststellungen zu treffen, an wie vielen Tagen im Monat (und in welchen Monaten, insb betreffend die nicht durchgehend ausgeübten Tätigkeiten des Kl als Taxilenker) die Nebentätigkeiten ausgeübt wurden und – sofern der Kl sich diesbezüglich allenfalls auf § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV stützen will – wie viele Arbeitskilokalorien der Kl dabei tatsächlich verbraucht hat. [...]

ANMERKUNG

Mit dieser E des OGH wurde erneut ausgesprochen, dass es für die Inanspruchnahme der Schwerarbeitspension iSd SchwerarbeitsV nicht darauf ankomme, ob das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz (GSVG), das Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz (FSVG) oder das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) zur Anwendung gelange (ebenso OGH 27.7.2010, 10 ObS 103/10k; Milisits, Schwerarbeitsverordnung [2007] 15; MatSchwerarbeitsVO, 1). Die Kriterien zur Beurteilung, ob Schwerarbeit geleistet wurde, sind für das ASVG oder dessen Parallelrecht in der SchwerarbeitsV einheitlich geregelt (vgl LG Leoben21 Cgs 101/15y SVSlg 66.408; Sonntag in Sonntag, ASVG9 § 607 Rz 13a). Diese Rechtsansicht ist mE nach schlüssig, zumal die einschlägigen Bestimmungen des ASVG, des GSVG, des BSVG, des FSVG und des APG auch keine Definition des Begriffes „Schwerarbeit“ enthalten (vgl Milisits/Wolff, Handbuch zur gesetzlichen Pensionsversicherung in Österreich [2007] 174). Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, wird der Begriff „Schwerarbeit“ daher ausschließlich in der SchwerarbeitsV determiniert (vgl ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 9). Liegen wie im gegenständlichen Fall sohin Tätigkeiten vor, die eine Versicherungspflicht nach dem ASVG sowie dem GSVG begründen, sind diese gleichwertig zur Beurteilung heranzuziehen.

Ebenso ist der Rechtsansicht des OGH in der vorliegenden E zu folgen, wonach die Ausübung von mehreren Tätigkeiten Schwerarbeit iSd SchwerarbeitsV begründen kann. Bereits in einer vorangegangenen E begründete der OGH dies damit, dass § 4 SchwerarbeitsV in seinem Wortlaut keine529 Unterscheidung hinsichtlich der in § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV enthaltenen Ziffern treffe (vgl OGH 13.4.2016, 10 ObS 23/16d). Zutreffend führt Milisits mE nach aus, dass es ausschließlich auf die konkrete Beanspruchung durch Schwerarbeit im jeweiligen Kalendermonat ankomme, weshalb die Anzahl der Versicherungsverhältnisse in der Beurteilung keine Rolle spielten (Milisits, Schwerarbeitsverordnung 31).

Die zentrale rechtliche Fragestellung der E lautet daher, ob bei mehreren zeitlich hintereinander oder gleichzeitig ausgeübten Tätigkeiten nur jene für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats relevant sind, die für sich alleine Schwerarbeit iSd SchwerarbeitsV darstellen. Die Antwort des OGH war unmissverständlich:

Ergebnis: Bei überschneidender Ausübung mehrerer selbständiger oder unselbständiger Tätigkeiten sind für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats im Sinn des § 4 SchwerarbeitsV nur jene Tätigkeiten zu berücksichtigen, die (für sich) besonders belastende Tätigkeiten gemäß § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV sind.

Das „Ergebnis“ des Höchstgerichtes überzeugt bei eingehender Betrachtung des Verordnungstextes sowie der Materialien zur Verordnung in Bezug auf § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV jedoch nicht.

Gemäß dem festgestellten Sachverhalt betrug die tägliche Arbeitszeit des Kl zwölf Stunden und mehr. Bei einer Addition der siebenstündigen Tätigkeit als Bäcker und den zusätzlich noch täglich ausgeübten – der Pflichtversicherung unterliegenden – (Neben-)Tätigkeiten wurde der Grenzwert von 2.000 Arbeitskilokalorien deutlich überschritten.

In der gegenständlichen E hatte der OGH ua die Voraussetzungen des Vorliegens von Schwerarbeit iS von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV zu beurteilen. Schwere körperliche Arbeit iS von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV liegt vor, wenn bei einem achtstündigen Arbeitstag Männer mindestens 2.000 Arbeitskilokalorien und Frauen mindestens 1.400 Arbeitskilokalorien verbrauchen (OGH 21.12.2010, 10 ObS 140/10a; OGH10 ObS 88/18s ARD 6637/18/2019; vgl Milisits, Schwerarbeitsverordnung 25). Den Materialien zur SchwerarbeitsV ist zu entnehmen, dass § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV iVm § 3 SchwerarbeitsV an die Bestimmung des Art VII Abs 2 Z 10 Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG) anknüpfe. Demnach liege schwere körperliche Arbeit iSd historischen Verordnungsgebers vor, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit mindestens 2.000 Arbeitskilokalorien verbraucht werden (MatSchwerarbeitsVO, 2). Art VII Abs 2 Z 10 NSchG trat mit der Novelle BGBl 1992/473 in Kraft. Die Gesetzesmaterialien zu Art VII Abs 2 Z 10 NSchG führen aus, dass gemäß den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ab dem Schwellenwert von rund 2.000 Arbeitskilokalorien je acht Arbeitsstunden = 8360 kJ pro acht Arbeitsstunden eine Arbeitstätigkeit als körperliche Schwerarbeit bezeichnet wird (597 der Blg 18. GP 9).

Durch die Aufnahme des Tatbestandes von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV wurde – wie von Milisits zutreffend dargestellt – die eigentliche Konzeption der SchwerarbeitsV, nämlich das Hauptaugenmerk auf berufliche Tätigkeiten zu legen, verlassen (Milisits, Berücksichtigung von besonders belastenden Erwerbstätigkeiten in der Pensionsversicherung [2010] 46). Zur Feststellung, ob schwere körperliche Arbeit iSd SchwerarbeitsV vorliegt, verweist § 3 SchwerarbeitsV auf die in der Anlage zur SchwerarbeitsV festgeschriebenen Grundsätze. Nach der Anlage zur SchwerarbeitsV ergibt sich der Arbeitsenergieumsatz aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag abzüglich des Grundenergieumsatzes (differiert vor allem in Abhängigkeit vom Körpergewicht), dem Freizeitenergieumsatz (der je nach Freizeit-Aktivität unterschiedlich ist) und einem kleinen Anteil für Energieverluste. Die in der Anlage festgeschriebenen Grundsätze für die Feststellung von Schwerarbeit iS von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV richten sich in erster Linie an Sachverständige, die aufgrund ihres arbeitsmedizinischen sowie berufskundlichen Fachwissens befähigt sind, den Arbeitskilokalorienverbrauch, der mit bestimmten Berufstätigkeiten verbunden ist, festzustellen (vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 4 APG Rz 166). Bereits aus dem Wortlaut der Anlage zur SchwerarbeitsV geht hervor, dass sich der Arbeitsenergieumsatz aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag ergibt. Es ist daher die Berücksichtigung des Energieumsatzes des ganzen Arbeitstages vom Gesetzgeber vorgesehen. Zwar wurde in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV bei der Festlegung der Energieumsatzgrenze der Bezug auf acht Stunden pro Arbeitstag als gesetzliche Normalarbeitszeit gewählt, jedoch darf bei einer tatsächlich längeren Arbeitszeit diese bei der Berechnung des Energieumsatzes nicht unberücksichtigt bleiben (vgl OGH 30.9.2014, 10 ObS 95/14i; OGH 24.2.2015, 10 ObS 1/15t; idS auch sOGH 20.11.2018, 10 ObS 88/18; Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 4 APG Rz 172).

Aufgrund der dargelegten Systematik der Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 4 iVm § 3 SchwerarbeitsV ist der Rechtsansicht des OGH nicht zu folgen, wonach zu beurteilende Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV, die nacheinander oder nebeneinander ausgeführt werden, jeweils für sich eine besonders belastende Berufstätigkeit sein müssen. Nicht nur, dass diese Auslegung – wie dargestellt – keine Deckung im Wortlaut von § 1 Abs 1 Z 4 iVm § 3 SchwerarbeitsV sowie der zugehörigen Anlage findet, ist der vorgenommene Verweis auf die gem § 15b Abs 2 BDG 1979 (§ 2e Abs 2 Bundestheaterpensionsgesetz [BThPG]; § 2a Abs 2 Bundesbahn-Pensionsgesetz [BB-PG]) erlassenen Verordnung der Bundesregierung über besonders belastende Berufstätigkeiten (BGBl II 2006/105BGBl II 2006/105) nicht überzeugend. Die Verordnung BGBl II 2006/105BGBl II 2006/105 sieht in ihrem § 1 Z 2 insofern eine Abweichung von der SchwerarbeitsV vor, als ein Schwerarbeitsmonat dann vorliegt, „wenn eine oder mehrere besonders belastende Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs 1 der Schwerarbeitsverordnung mindestens in der Dauer von 15 Kalendertagen in einem Kalendermonat ausgeübt wurden“. Eine weitere spezifische Abweichung gegenüber dem APG liegt im reduzierten Erfordernis von 504 Monaten ruhegenussfähiger Gesamtdienstzeit (vgl ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 25). 530Die in dieser Verordnung angeführten Abweichungen vom ASVG-/APG-System sind im Wesentlichen der Struktur des Beamtenrechts geschuldet (vgl OGH 22.2.2016, 10 ObS 118/15y; mVa Milisits, Schwerarbeitsverordnung 46). Die seitens des OGH vorgenommene Begründung unter Verweis auf § 1 Z 2 VO BGBl II 2006/105BGBl II 2006/105 ist daher mA nach nicht geeignet und sachlich nicht zu rechtfertigen. Die Begründung des OGH für dessen Rechtsansicht basiert auf einer lex specialis, die für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig ist. Es besteht für diesen Verweis auch kein Raum, zumal § 4 SchwerarbeitsV eine klare, ausdrückliche Regelung enthält, wonach die Qualifikation als Schwerarbeitsmonat erfordert, dass an mindestens 15 Arbeitstagen Schwerarbeit geleistet werden muss (OGH10 ObS 103/10k SSV-NF 24/58; OGH 30.9.2014, 10 ObS 95/14i; OGH 24.2.2015, 10 ObS 2/15i; OGH 22.2.2016, 10 ObS 118/15y). Die vom OGH vorgenommene „parallele Interpretation“ ist weder historisch, noch systematisch, noch teleologisch geboten.

Weiters ist der Argumentation des OGH, wonach es die Absicht des Gesetzgebers war, nur bestimmte Formen von besonders belastender Schwerarbeit und nicht jede schwere Arbeit schlechthin in diesem Bereich zu berücksichtigen, entgegenzuhalten, dass Schwerarbeit auch immer in Relation von Belastungs- und Erholungsphasen zu betrachten ist (vgl OGH 13.4.2016, 10 ObS 23/16d). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Maßnahme Personen, die unter psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen Versicherungszeiten erworben haben, ermöglichen, die Alterspension früher in Anspruch zu nehmen (vgl ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 9). Die besonders belastende physische Arbeitsbedingung liegt im Fall von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV im Überschreiten der kritischen Arbeitskilokaloriengrenze. Eine Kopplung der Überschreitung dieser Arbeitskilokaloriengrenze an bestimmte Tätigkeitsbilder (Maurer, Pflasterer etc) wurde vom Verordnungsgeber nicht vorgenommen.

Auch bei konsequenter Fortführung der gefestigten Judikatur des OGH, wonach es zu keiner „Einkürzung“ der tatsächlichen Arbeitszeit bei der Berechnung der relevanten Arbeitskilokalorienschwelle kommen darf (vgl OGH 30.9.2014, 10 ObS 95/14i; OGH 24.3.2015, 10 ObS 151/14z; OGH 24.2.2015, 10 ObS 2/15i, 10 ObS 1/15t, 10 ObS 4/15h), führt die nun dargelegte Rechtsansicht des Höchstgerichtes zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Differenzierung zwischen AN, die lediglich einer Tätigkeit nachgehen und jenen, die mehrere Tätigkeiten iS von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV ausführen. Für das Erreichen der relevanten Arbeitskilokaloriengrenze gem § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV darf es keinen Unterschied machen, ob diese bei Ausübung einer Tätigkeit im Zeitausmaß von beispielhaft neun Stunden pro Arbeitstag oder bei Verrichtung von mehreren Tätigkeiten in derselben Arbeitszeit erreicht wird.

Der Ansatz des OGH, wonach die ausgeübten Tätigkeiten für sich jeweils Schwerarbeit iSd SchwerarbeitsV sein müssen, trifft lediglich für die Kombination verschiedener Formen der Schwerarbeit iS von § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV zu, kann aber für das Erreichen der kritischen Arbeitskilokaloriengrenze nach § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV nicht überzeugen.