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Keine Essensbons für PensionistInnen

WOLFGANGKOZAK (WIEN)
  1. Die Ausnützung von Essensbons hängt bei PensionistInnen in der Regel von persönlichen Lebensumständen und Gegebenheiten ab, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang stehen.

  2. Der fehlende Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis führt zu einem Funktionswandel der Essensbons für PensionistInnen, der sowohl bei der Belegschaft als auch bei den PensionistInnen als bekannt angenommen werden kann.

Dem Rekurs der Bekl wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird. [...]

Der Kl war vom 1.10.1971 bis zu seiner Pensionierung am 31.7.2016 im nunmehrigen Betrieb der Bekl am Standort * beschäftigt.

Er begehrt von der Bekl die Zahlung von 789 € sA als „Nachzahlungsanspruch“ („Schaden“) für den Zeitraum 1.11.2016 bis 17.11.2017 für Essensbons, die ihm die Bekl als Pensionist verweigere, sowie die „Feststellung“, die Bekl sei schuldig, ihm eine Restaurant Pass Card der Firma S* zur Verfügung zu stellen, ihm mit dieser Karte die Einnahme einer um 3 € vergünstigten Mahlzeit einmal pro Arbeitstag, jeweils von Montag bis Freitag, in jenen Gastgewerbebetrieben zu ermöglichen, mit welchen die Bekl eine S*-Vereinbarung unterhalte, sowie zu Gunsten des Kl den Differenzbetrag von 3 € pro Essenseinnahme an den jeweiligen Vertragsbetrieb zu bezahlen. Es habe auch gegenüber ausgeschiedenen Mitarbeitern eine langjährige betriebliche Übung zur Ausgabe der Essensbons bestanden. Die Praxis sei Inhalt der Einzelarbeitsverträge geworden. Um eine Einrichtung iSd § 95 ArbVG handle es sich nicht. Die BV könne nach dem Ausscheiden des Kl aus dem Aktivstand für diesen nicht wirksam werden und bestehende Anspruchsgrundlagen verändern. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusammengefasst fest:

Bereits 1971, als der Kl als Lehrling bei einer Rechtsvorgängerin der Bekl zu arbeiten angefangen hatte, existierte das E*-Casino, ein im Eigentum der Rechtsvorgängerin stehendes Gasthaus, in dem nicht nur die aktiven Mitarbeiter, sondern auch Pensionisten mittels Essensbons eine vergünstigte Mahlzeit einnehmen konnten. Das Gasthaus wurde in weiterer Folge verkauft. In den 1980er-Jahren wurde am Werksgelände eine Kantine eröffnet. Als sie für sämtliche Mitarbeiter des Standorts zu klein wurde, wurden in den 1990er-Jahren Verträge mit 12 bis 13 umliegenden Gasthäusern und dem Pächter der Kantine geschlossen, aufgrund derer sämtliche Mitarbeiter mittels Essensbons vergünstigte Mahlzeiten einnehmen konnten. Diese Essensbons wurden sowohl an aktive als auch an pensionierte Mitarbeiter ausgegeben. Ein Schriftstück, das das System der Essensbons geregelt hätte, gab es nicht. Da es die Essensbons nahezu „ewig“ („Jahrzehnte vor 1985“) gab, gingen alle Mitarbeiter – auch der Kl – davon aus, dass es die Essensbons immer und für alle, auch für die Pensionisten, geben wird. Besprochen oder auch nur thematisiert wurde diese Frage weder innerhalb der Bekl noch im BR.

Die Essensbons waren zuletzt mit der Unterschrift des jeweiligen AN und dessen Personalnummer versehen, sie unterschieden sich farblich nach aktiven und pensionierten Mitarbeitern. Die Essensbons konnten bei den teilnehmenden Gaststätten eingelöst und zuvor mit einem Wert von 4 € zu einem Preis von 1 € – sowohl von aktiven als auch von pensionierten Mitarbeitern – in den Räumlichkeiten des Betriebsrats bezogen werden. [...] Von den Pensionisten nahm nur eine geringe Anzahl, ca 10-20 Personen, Essensbons in Anspruch.

Für die Verwaltung, die Ausgabe und den Verkauf der Essensbons war schon zur Zeit des E*-Casinos der BR zuständig. [...]

Als der BR im Zusammenhang mit den Essensbons von der Bekl überprüft wurde, traten Malversationen zu Tage; ein Geldbetrag in Höhe von ca 300.000 € fehlte. Diese Malversationen waren letztlich ausschlaggebend dafür, dass die Bekl ein elektronisches System einführte, wobei dieses Thema schon zuvor im Hinblick auf von den Medien aufgegriffene Schwarzgeldvorwürfe seitens der Bekl aufgegriffen worden war. Dazu kam, dass Essensbons insoweit von Mitarbeitern missbraucht worden waren, als diese kein Mittagessen, sondern Zigaretten damit finanzierten. [...]

Der Dienstleister S*, der die elektronischen Karten vertreibt und für die ordnungsgemäße Abrechnung verantwortlich ist, weigerte sich aus steuerlichen Gründen, die Pensionisten in das System aufzunehmen. Zudem wird für die Verrechnung eine Personalnummer benötigt, über welche die Pensionisten nicht verfügen. In die Auswahl dieses Dienstleisters war der BR ebenfalls eingebunden. Anlässlich der Einführung des elektronischen Wertkartensystems wurde zwischen dem Vorstand der Bekl und dem Zentralbetriebsrat (ZBR) eine BV (gültig ab 1.1.2017) darüber abgeschlossen, in der festgehalten ist, dass diese nur für Arbeiter, Angestellte und Lehrlinge der Bekl im Betrieb T* gilt. Zudem ist die Verpflichtung festgehalten, bei Beendigung des Dienstverhältnisses die elektronische Karte direkt an die Vorgesetzten zu retournieren. Die Verwendung der Karte wird in dieser BV konkret geregelt.

Am 10.10.2016 verfasste die Bekl ein Schreiben an die Pensionisten, in dem sie mitteilte, dass der Prozess der Essensbonvergabe umgestellt werden muss und es nicht möglich ist, Essensbons an Pensionisten zu vergeben. Da nicht sämtliche Adressen der Pensionisten bekannt waren, wurde dieses Schreiben an die Pensionisten ausgehändigt, wenn sie vor Ort Essensbons holen wollten. 156

[...] Solange der Kl aktiv war, suchte er zwei bis drei Mal in der Woche Gasthäuser auf, um Essensbons einzulösen. Am 31.7.2016 endete das Dienstverhältnis des Kl wegen des Pensionsantritts. [...]

Seit der Kl in Pension ist, nutzt er die Essensbons im unterschiedlichen, nur geringen Ausmaß. So geht er manchmal ein- bis zweimal in der Woche mit diesen essen, manchmal nie in der Woche, manchmal auch monatelang nicht. Über Intervention seines Rechtsvertreters vom 22.3.2017 wurde dem Kl mit Schreiben vom 19.4.2017 das Schreiben der Bekl vom 10.10.2016 ausgehändigt, wonach es keine Essensmarken für Pensionisten mehr gibt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die von der Bekl finanzierten Essensbons mit Kantinen gleichzusetzen seien und daher von einer betrieblichen Wohlfahrteinrichtung iSd § 95 ArbVG auszugehen sei. Da das Essensbonsystem durch den BR verwaltet worden sei und die Bekl lediglich die Finanzierung übernommen habe, könne sich dieses nicht auf ein einzelnes Arbeitsverhältnis beziehen und auch keine arbeitsvertragliche Verpflichtung entstehen lassen. Leistungen im Rahmen einer solchen Einrichtung seien bei entgeltfernen Begünstigungen, die nicht im engen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stünden, nicht Teil eines individuellen Leistungsanspruchs. Bei Pensionisten fehle der erforderliche enge Zusammenhang mit der Arbeitsleistung, sie hätten auch keinen Entgeltanspruch gegenüber ihrem ehemaligen AG. Bei der Ausgabe von Essensbons handle es sich nicht um einen Entgeltbestandteil, da er nicht um die Gegenleistung der Zurverfügungstellung von Arbeitskraft erfolgen könne. Der Bekl sei daher zuzubilligen, dass sie im Hinblick auf die Malversationen sowie die steuerrechtlichen und organisatorischen Problematiken ihre Wohlfahrtsmaßnahmen gegenüber Pensionisten zurückgezogen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Zusammengefasst bejahte es eine betriebliche Übung zur Gewährung der Essensbons, die Eingang in die Individualverträge gefunden habe. Es fehle auch nicht am Entgeltcharakter, weil es sich bei Leistungen, die erst in der Pension gewährt würden, um ein aufgespartes, „thesauriertes“ Entgelt handle, das einem AN nur wegen der zuvor erbrachten Arbeitsleistung versprochen werde. Die Handlungen des BR bei der Verwaltung des Essensbonsystems stünden einem der Bekl zurechenbaren Verhalten der Bekl nicht entgegen. Dass dem Kl Entgelt vorenthalten worden sei, treffe aber nur dann zu, wenn ein entsprechendes Verlangen von der Bekl abschlägig beschieden worden sei und der Kl überdies konkret auch die jeweiligen Gutscheine verwendet hätte, wofür es für den Leistungszeitraum November 2016 bis November 2017 weiterer Feststellungen bedürfe. Der zweite Teil des Klagebegehrens sei unschlüssig, weil er als Feststellungsanspruch behauptet, jedoch als Leistungsbegehren formuliert worden sei. Essenszuschüsse in der Form des neuen „S*-Systems“ stünden dem Kl schon nach seinem Vorbringen und mangels Einverständnis von S*, Pensionisten in die Vereinbarung mit der Bekl miteinzubeziehen, nicht zu. Insoweit erweise sich der aus der betrieblichen Übung erwachsene Anspruch des Kl auf Weitergewährung von Essensbons als ein „aliud“, was bisher aber weder vorgebracht noch berücksichtigt worden sei. Die Frage der Entgeltnähe von Essensbons bzw Zuschüssen zu einem Mittagessen sei zwar geklärt. Der Rekurs sei aber zur Frage zulässig, ob sich nicht durch die hier festgestellte Form der Gewährung der Zuschüsse eine andere Beurteilung ergebe.

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Bekl, den Aufhebungsbeschluss iS einer Klagsabweisung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Bekl bringt auch in ihrem Rekurs vor, dass dem Kl kein individualrechtlicher Anspruch auf die Essensbons entstanden sei.

1. Auch wenn man bei den streitgegenständlichen Essensbons von einer Wohlfahrtseinrichtung iSd § 95 ArbVG ausgeht, ist damit nach neuerer Rsp und überwiegender Literatur nicht von vornherein ausgeschlossen, dass in diesem Zusammenhang gewährte Leistungen auch zu einzelvertraglichen Ansprüchen werden können (vgl RS0108744; 9 ObA 105/97z; 8 ObA 4/07g; Reissner in Zellkomm2 § 95 Rz 17; Rebhahn in Zellkomm2 § 864a Rz 92; Binder in Tomandl, Arbeitsverfassungsgesetz § 95 ArbVG Rz 25 f; Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 95 ArbVG Rz 24, 25; Eypeltauer, Die Mitwirkung des Betriebsrats an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen,

 ff, Pkt IX.5.). Voraussetzung ist, dass es sich um entgeltwerte Leistungen handelt, die keinen eindeutigen kollektiven Charakter haben und dass die einzelnen AN aufgrund der gegebenen Umstände auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen des AG vertrauen können und daher die Voraussetzungen des § 863 ABGB verwirklicht sind (vgl etwa 9 ObA 105/97z, 8 ObA 4/07g). Es kommt also darauf an, ob im konkreten Fall aus Sicht des redlichen Erklärungsempfängers ein Verpflichtungswille des AG erkennbar ist, den individuellen Vorteil jedem einzelnen AN auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen.

2. Es entspricht auch der Rsp, dass eine vom AG durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die AN begründete betriebliche Übung, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der AN zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen führen kann (RS0014539, RS0014543). Entscheidend ist, was der Partner bei sorgfältiger Würdigung dem Erklärungsverhalten entnehmen kann, welchen Eindruck die AN von dem schlüssigen Verhalten des AG haben mussten, nicht aber das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des AG (RS0014154). Für das Vorliegen einer allgemein verbindlichen betrieblichen Übung ist nicht wesentlich, ob alle durch diese begünstigten DN 157 die Begünstigung beanspruchten, sondern ob sie jenen DN, die darum ansuchten, auch tatsächlich gewährt wurde, sodass der sich auf die jahrelange betriebliche Übung berufende DN – selbst wenn er noch nie davon Gebrauch machte – damit rechnen konnte, in der gleichen Situation die Begünstigung unter den gleichen Voraussetzungen wie seine Kollegen zu erhalten (RS0014491). Grundsätzlich kann auch eine AG-Leistung, die als Betriebsübung Eingang in den Arbeitsvertrag gefunden hat, an Voraussetzungen gebunden sein, bei deren Wegfall auch die Einstellung der Leistung möglich wird (9 ObA 1/18i mwN).

3. Für die Frage, welche Leistungen durch schlüssiges Verhalten des AG individuelle Ansprüche der AN begründen, kann es dabei auch eine Rolle spielen, ob und inwieweit die Leistungen mit den Arbeitsleistungen zusammenhängen oder vorrangig andere Ziele verfolgen. Ist nur letzteres der Fall, wird hier in der Regel keine schlüssige Verpflichtung des AG zu einer dauerhaften, nicht einseitig widerruflichen Leistung aus dem Arbeitsverhältnis angenommen (zB 9 ObA 354/93: verbilligte Nutzung städtischer Einrichtungen [Bäder, Sauna]; 8 ObA 270/95: Zuschüsse zu Konzert- und Theaterkarten; 8 ObA 391/97a= RS0018033 [T1]: Ermäßigung der Besuchsgebühr für städtische Kindergärten; 8 ObA 11/07m: Parkplatz; s dazu auch Mosler, Entgeltferne Leistungen – eine gesamtheitliche Analyse, in Brodil, Entgeltliches im Arbeitsrecht, Rechtsprobleme von Entgeltgestaltung und -abwicklung [2013] 57 ff, sowie die weiteren Bsp bei Auer-Mayer, aaO Rz 26; Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 101). Ähnliches gilt für Fälle, in denen sich die Wohlfahrtseinrichtung von vornherein als objektiv ungeeignet für den Eingang in Einzelarbeitsverträge erweist, da die bloße Benützungsmöglichkeit für die AN nur den Schluss auf einen Verpflichtungswillen gegenüber der gesamten Belegschaft zulasse (vgl 9 ObA 238/90: Betriebszahnarzt; 8 ObA 219/97g: Personalkantine). Ein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt ist in solchen Fällen nicht zu fordern. Dagegen wurde für den Bezug eines verbilligten Mittagessens ein Individualanspruch bejaht (8 ObA 219/97g [aktive AN]), wobei festgehalten wurde, dass die Leistung vom AG nicht nur durch bloße Gewährung, sondern auch durch ausdrücklichen Hinweis durch den Betriebsleiter bei Begründung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses Vertragsinhalt geworden sei.

4. In der E 9 ObA 121/10z(Eypeltauer, ecolex 2011, 844; ZAS 2012/33 [Drs]; DRdA 2012/35 [Mosler]) wurde der Zweck von Essensbons – dort im Hinblick auf ihre Entgeltfortzahlungs- und Abfertigungswirksamkeit – näher beleuchtet und ausgeführt, dass solche Sachleistungen von der Entgeltfortzahlung auszunehmen sind, die ihrer Natur nach derart eng und untrennbar mit der Erbringung der aktiven Arbeitsleistung am Arbeitsplatz verbunden sind, dass sie ohne Arbeitsleis tung nicht widmungsgemäß konsumiert werden könnten und ihre Weitergewährung während einer Arbeitsverhinderung des AN nach dem mit ihnen verbundenen Zweck ins Leere ginge. Der Zweck der Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten am Arbeitsplatz ist primär in den arbeitsökonomischen Vorteilen einer solchen Verköstigung während des Arbeitstages zu sehen, weil sie im Interesse von AG und AN eine Konzentration der Arbeitszeit ermöglicht (keine Notwendigkeit von Heimfahrten zur Nahrungsaufnahme). Daraus ergibt sich der unmittelbare Zusammenhang der Zuwendung dieser Leistung mit der konkreten Arbeitsleistung des AN. In dieselbe Richtung weist auch die Erwägung, dass mit dieser Zuwendung auch der sonst typischerweise höhere finanzielle Aufwand eines AN für arbeitsbedingt außer Haus konsumierte Mahlzeiten verringert oder vermieden werden kann.

Nach dieser Entscheidung sind Essensbons sohin selbst im aufrechten Dienstverhältnis in so hohem Maß mit der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung verknüpft, dass ein darauf basierender (Entgeltfortzahlungs- und Abfertigungs-)Anspruch für leistungsfreie Zeiten verneint wurde.

5. Soweit die Bekl im vorliegenden Fall zunächst überhaupt bestreitet, dass ihr die Verwaltung und Abwicklung der Essensbons durch den BR zurechenbar sei, ist auf die – diesen Standpunkt widerlegenden – Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (Berufungsurteil S 15).

6. Ob ein in einer betrieblichen Übung begründeter einzelvertraglicher Anspruch der aktiven AN auf die Essensbons begründet wurde, ist hier nicht entscheidungsrelevant. Auch wenn man das bejaht, ist für die Frage, ob aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers angenommen werden durfte, dass sich die Bekl auch gegenüber ihren Pensionisten dauerhaft und in einseitig nicht veränderbarer Weise zur Gewährung von Essensbons verpflichten wollte, Folgendes zu bedenken:

Anders als das Berufungsgericht meint, muss die Bejahung einer in einem individualvertraglichen Anspruch mündenden betrieblichen Übung keinesfalls zwingend bedeuten, dass eine (Sach-)Leistung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch als Entgelt iS einer synallagmatischen Gegenleistung aus dem Arbeitsverhältnis anzusehen ist. Gerade weil das Arbeitsverhältnis beendet ist, bedürfte es vielmehr eines besonderen Grundes für die Annahme, dass sich ein AG als Gegenleistung für die bereits erbrachte Arbeitsleistung eines AN zumindest konkludent zu einer dauerhaften, einseitig nicht widerrufbaren Leistung verpflichten wollte und nicht nur aus sozialen Erwägungen auch seinen Pensionisten eine vergünstigte Leistung gewährt. Ob ausreichende Gründe vorliegen, die auf einen solchen Verpflichtungswillen schließen lassen, kann grundsätzlich nur nach den Umständen des Falles bestimmt werden. Sie sind hier aber nicht iS einer Bejahung ersichtlich.

Zum einen unterlagen die Vergünstigungen als solche bestimmten Veränderungen. Das unternehmenseigene Gasthaus wurde verkauft und zunächst von einer Kantine am Werksgelände abgelöst, diese sodann vom Essensbonsystem mit Vertragsgasthäusern und dem Kantinenpächter. Die AN der (Rechtsvorgängerin der) Bekl mussten daher davon ausgehen, dass die Möglichkeit zum Essensbezug betrieblich-organisatorischen Anpassungen unterliegen konnte. 158

Hinsichtlich des bezugsberechtigten Personenkreises ist für die Absicht des DG auch der Zweck von Essensbons beachtlich. Wie schon zu 9 ObA 121/10zdargelegt, liegt dieser im aufrechten Dienstverhältnis in der arbeitsökonomischen Essensversorgung der Mitarbeiter und der Verringerung ihres typischerweise höheren finanziellen Aufwands für arbeitsbedingt außer Haus konsumierte Mahlzeiten. Dieser Zweck geht nach der genannten Entscheidung schon bei einer Arbeitsverhinderung im aufrechten Dienstverhältnis ins Leere. Umso mehr gilt das aber im Fall von pensionierten AN, weil hier weder arbeitsökonomische Erwägungen zur Einnahme von Mahlzeiten in der Nähe des Arbeitsplatzes noch eine arbeitsbedingte Mehrbelastung von einem außer Haus konsumierten Essen noch eine Rolle spielen. Die Ausnützung von Essensbons hängt bei dieser Personengruppe in der Regel von persönlichen Lebensumständen und Gegebenheiten ab, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang mehr stehen (zB zufällige Nähe des Wohnorts zu den Vertrags-Gaststätten, Wunsch nach sozialem Kontakt mit ehemaligen Kollegen, geringes Pensionseinkommen ua). Das führt zu einem Funktionswandel der Essensbons für Pensionisten, der sowohl bei der Belegschaft als auch bei den Pensionisten als bekannt angenommen werden kann. Im konkreten Fall zeigte er sich auch darin, dass nur noch ein kleiner Teil von ca 10 bis 20 Pensionisten die Essensbons in Anspruch nahm und auch der Kl sie seit seiner Pensionierung nur in geringem Ausmaß, manchmal „nie in der Woche, manchmal auch monatelang nicht“, nachgefragt und genutzt hat. Auch die ehemaligen Mitarbeiter hatten danach überwiegend keine von einem wirtschaftlichen Interesse geprägte Erwartungshaltung mehr, die darauf hindeuten würde, dass die Essensbons nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter als Teil des vertraglichen Austauschverhältnisses von Leistung und Vergütung verstanden wurden.

All das spricht hier aber dafür, dass die Essensbons aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers mit der Pensionierung eines Mitarbeiters zwar noch als Sozialleistung für ehemalige Mitarbeiter, nicht aber als vertraglich geschuldete Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung iS eines aufgesparten, „thesaurierten“ Entgelts aufgefasst werden konnten. Dementsprechend fehlt es aber an Umständen, die auf einen Willen der Bekl dahin schließen ließen, sich auch gegenüber ehemaligen Mitarbeitern aufgrund des früheren Arbeitsverhältnisses vertraglich zur lebenslangen Ausgabe der Essensbons verpflichtet zu haben.

7. Auf die Frage, ob die Leistung der Essensbons für die Bekl wegen der für sie nicht vorhersehbaren Nachfrage ausreichend bestimmbar war, kommt es danach nicht weiter an.

8. Stand danach insoweit der soziale Charakter der Gewährung von Essensbons im Vordergrund, ist ein individualvertraglicher Anspruch bereits in Pension befindlicher AN darauf zu verneinen. Die Einstellung der Leistung hält hier auch Billigkeitserwägungen stand, weil der Bekl zuzugestehen ist, auf ein weniger missbrauchsanfälliges Bezugssystem umzusteigen.

9. Da der Kl keinen klagbaren Anspruch auf Essensbons hat, ist Pkt 1. des Klagebegehrens abzuweisen. [...]

10. Daraus folgt weiter, dass der Kl entgegen Pkt 2. des Klagebegehrens auch keinen Anspruch auf Herausgabe einer S* Restaurant Pass Card hat, die ihm die um 3 € vergünstigte Mahlzeit pro Tag ermöglichen würde. Wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt, ließe sich ein solcher Anspruch aber schon aus dem Klagevorbringen nicht ableiten, weil Pensionisten eine Teilnahme an diesem System stets verwehrt wurde und insofern keinesfalls eine betriebliche Übung begründet werden konnte. Die über die Einführung des „S*-Systems“ abgeschlossene BV erstreckt sich mangels entsprechender Vertretungsbefugnis des BR von vornherein nicht auf Pensionisten. Auch dieser Anspruch besteht danach nicht zu Recht.

[...]

ANMERKUNGEN

Gegenständliche E betrifft sicherlich nur eine Randproblematik des Arbeitsrechts. Bei näherer Betrachtung des Sachverhalts gewinnt man den Eindruck, dass hier der Prozess nicht wegen des wirtschaftlichen, sondern wegen des emotionalen Wertes geführt wurde. Ebenso gewinnt man den Eindruck, dass das Höchstgericht den Fall – auch im Rahmen der Einzelfallgerechtigkeit – endgültig erledigen wollte.

1.
Keine für den Fall relevante Anwendung der Betriebsverfassung

Da in der mittlerweile als ständig zu bezeichnenden Judikatur zwischen der Wohlfahrtseinrichtung als solche und den gewährten Leistungen differenziert wird, wird das Entstehen einer einzelvertraglichen Verpflichtung des AG aufgrund der Erfüllung der Voraussetzung des § 863 ABGB zB im Rahmen einer betrieblichen Übung im Rahmen einer Wohlfahrtseinrichtung als rechtlich möglich angesehen (vgl etwa Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht5 [2015] § 95 Rz 24). Diese differenzierte Sichtweise führt dazu, dass man aus der betriebsverfassungsrechtlichen Sicht der Wohlfahrtseinrichtung aber davon ausgehen muss, dass der einzelne AN keinen Anspruch auf Weiterführung einer Wohlfahrtseinrichtung hat (vgl Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 5 [Stand 1.12.2007, rdb.at]; Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht5 [2015] § 95 Rz 24). Haben aber bereits aktive AN keinen Anspruch auf Weiterführung, dann wird dies erst recht für ausgeschiedene MitarbeiterInnen gelten. Eine BV hinsichtlich Verwaltung und Ausgabe der Essensbons wurde nach den Feststellungen nicht getroffen. Die BV, welche das aktuelle System regelt, wurde nach Ausscheiden des Kl abgeschlossen, sodass diese für ihn keine Wirkung entfalten konnte. Einen Anspruch des Kl, welcher sich auf diese gegenständliche BV stützt, hat das Gericht daher zu Recht verneint. Näher betrachtet werden 159 soll daher nur die Frage, ob dauerhaft gewährte Vergünstigungen von Mahlzeiten für PensionistInnen, die ehemalige AN des Unternehmens waren, einfach so eingestellt werden können.

2.
Von der Irrelevanz von Feststellungen

An den wiedergegebenen Feststellungen im Urteil des OGH überrascht doch, dass diese mE für eine rechtliche Beurteilung des Falles weniger bis gar nicht bedeutend sind, sondern eher Informationen darstellen, die eine Zustimmung bei den Rechtsunterworfenen aufgrund der Schaffung von Einzelfallgerechtigkeit erzeugen sollen. So können die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Malversationen des BR bei der Verwaltung der Essensbons bzw dessen spätere Einbindung in die Schaffung des neuen Systems höchstens als Nachweis dafür herangezogen werden, dass der AG nicht willkürlich gehandelt hat, sondern berücksichtigungswürdige Gründe für einen Systemwechsel vorlagen. Diese Thematik hätte aber allenfalls dann eine Rolle gespielt, wenn bei einem (im Rahmen der Betriebsübung) vereinbarten Widerrufsvorbehalt die sachgerechte Ausübung zu prüfen gewesen wäre. Mangels eines solchen Sachverhaltselementes waren aber diese Informationen für eine rechtliche Beurteilung wertlos.

Ebenso kann die Feststellung, dass die vergüns tigten Essensbons nur von einer Minderzahl der PensionistInnen (10 bis 20 Personen) in unregelmäßigen Abständen genützt wurde, irgendeinen eindeutigen Erklärungswert für die Ausgestaltung eines Anspruches auf eine betriebliche Übung liefern.

3.
Zuschuss zum Mittagessen

Durch den AG finanziertes Essen am Dienstort, unabhängig davon, ob das Essen in natura oder in Form von Gutscheinen oder lediglich durch Zuschüsse verbilligt abgegeben wird, ist als Entgelt zu qualifizieren (vgl mwN Mosler, Entgeltferne Leis tungen – eine gesamtheitliche Analyse in Brodil, Entgeltliches im Arbeitsrecht [2013] 63).

Das Vorliegen einer entgeltfernen Leistung kann daher für die Zeiten des aufrechten Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen werden. Folgerichtig hat sich der OGH mit dieser Frage auch nicht weiter aufgehalten (siehe Pkt 6 erster Satz der E). Relevant ist die Ausgestaltung der betrieblichen Übung hinsichtlich von ausgeschiedenen Personen. Eine Differenzierung zwischen der betroffenen Personengruppe der PensionistInnen, die das Arbeitsverhältnis beim AG aufgrund Antritts der Pension beendet haben, und der Gruppe jener AN, die vor Pensionsantritt das Unternehmen durch Kündigung des AG oder Eigenkündigung verlassen haben, findet sich weder in den Feststellungen noch in der rechtlichen Argumentation des Höchstgerichts. Diese Differenzierung ist aber mE für die Auslegung der betrieblichen Übung unerlässlich. War Teil der betrieblichen Übung, dass man keinen Anspruch auf Essensbons erwirbt, wenn man nicht beim AG „in Pension geht“, wäre das ein klares Indiz dafür, dass der Anspruch der Vergünstigungsgewährung auf den Pensionsantritt aus dem Arbeitsverhältnis bedingt war und mit dessen Erfüllung jedenfalls gewährt wurde. Hier wäre daher auch die Argumentation, die Weitergewährung des Essenszuschusses als Sonderform einer Treueprämie, nicht leichtfertig von der Hand zu weisen. In diesem Fall ist dann aber ein enger und kontinuierlicher Zusammenhang mit der Arbeitsleistung jedenfalls weiterhin gegeben, der auch gleichzeitig höchstpersönlich ausgestaltet ist, und keiner Rechtsnachfolge nach dem Ableben unterliegt.

In ähnlicher Argumentationsrichtung nahm ja bereits das OLG Graz einen Rückgriff auf die Figur des thesaurierten Entgelts vor, den Eypeltauer mit dem Hinweis auf verpflichtende Zusagen von Betriebspensionsleistungen verstärkte (Eypeltauer, Kein Rechtsanspruch auf Essensmarken für Pensionisten trotz betrieblicher Übung? ecolex 2019, 795 f [792]).

Inwieweit die ehemaligen AN diese Leistung dann in Anspruch nehmen, ist aber für die weitere Betrachtung ebenfalls irrelevant, weil die ledigliche Eröffnung einer Möglichkeit eines vermögenswerten Vorteils als bedingtes Entgelt zu werten ist (siehe Mosler, Entgeltferne Leistungen – eine gesamtheitliche Analyse, in Brodil, Entgeltliches im Arbeitsrecht 66). Dieser Rechtsansicht folgend sind für das Bestehen des Anspruches die Feststellungen hinsichtlich der Häufigkeit der Inanspruchnahme der Vergünstigung durch den Kl als Pensionist nicht bedeutend und notwendig, wie dies auch bei der Anzahl der PensionistInnen, die Essensbons überhaupt in Anspruch nehmen, der Fall ist.

4.
Relevanz des Zwecks und Funktionswandel

Mit der Motivation von AG, den AN vergünstigtes Essen zukommen zu lassen, beschäftigt sich der OGH in einem formelhaften Rückgriff auf die „arbeitsökonomischen Vorteile“ von verbilligten Mahlzeiten am Arbeitsplatz. Aus den Feststellungen geht aber bereits hervor, dass diese Vorteile der engen (örtlichen) Arbeitsplatzbindung bei Einnahme der Mahlzeiten zugunsten der Betriebsorganisation räumlich immer mehr erweitert wurden. Dieser besondere Vorteil lag im gegenständlichen Fall also gar nicht mehr typisch vor, da aus der in den Feststellungen genannten Anzahl von 12 bis 13 Gasthäusern geschlossen werden kann, dass diese nicht direkt alle neben dem Betriebsgelände angesiedelt waren bzw sind (weitere Feststellungen wurden nicht getroffen).

Vom Ausgangspunkt, dass die Weitergewährung der Vergünstigung in der Pension von sich aus keiner Kontinuität unterliegt (so waren die Essensbons für Aktive und PensionistInnen farblich eindeutig unterscheidbar), kann geschlossen werden, dass durch die „nahezu ewig[e]“ Gewährung der Vergünstigung nach Pensionsantritt ohne entsprechende einschränkende Erklärungen ein Anspruch auf eine dauerhafte Leistung entstanden ist. Gegen eine solche Ansicht spricht auch nicht das Argument des OGH, dass die AN aufgrund der Organisationsveränderungen der Essensvergünstigung mit betrieblich-organisatorischen Anpassungen rechnen 160 mussten: Anpassungen ja, Einstellung aber gerade nicht! Das Argument ist also keine taugliche Grundlage für die rechtskonforme einseitige Einstellung der Zuschussgewährung, sondern geradezu ein gewichtiges Fakt gegen diese Rechtsansicht.

Weiters bedingt die Einschätzung begünstigter Personen, ob eine Vergünstigung für sie ökonomisch sinnvoll nutzbar ist, nicht die rechtliche Qualifikation, ob ein Anspruch auf diese Begünstigung besteht. Der vom Höchstgericht angesprochene Funktionswandel ist mE in den Bereichen der Motivation der Durchführung/Zusage der Leistung zu verorten. Die Leistungsmotivation ist aber außer in den Fällen der Aufnahme in den Vertragsinhalt selbst bei Irrtumsanfechtungen nicht relevant (vgl Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 901 ABGB Rz 3 [Stand 1.11.2014, rdb.at]). Da bei der Weitergewährung für PensionistInnen also kein Widerufsvorbehalt in ausreichender Deutlichkeit erklärt wurde – vielmehr wurde ja jahrzehntelang vorbehaltlos gewährt –, kann also auch ein etwaiger Funktionswandel, aufgrund dessen die Leistung erbracht wurde, unabhängig davon, ob man von einer Gewährungsstufe (aktive AN und Pensionis tInnen) oder zwei Gewährungsstufen (jeweils für AN und PensionistInnen) ausgeht, keine rechtliche Bedeutung entfalten.

5.
Fazit

Aufgrund des wiedergegebenen Gesamtsachverhaltes ist es verständlich, dass der OGH anscheinend unter Berücksichtigung notwendiger Sanierung der Vorgehensweise des BR in Zusammenhang mit der Ausgabe und Verrechnung der Essensbons für das Unternehmen versucht hat, eine einzelfallgerechte Lösung dafür zu finden, dass das Unternehmen seine Organisation der vergünstigten Mahlzeiten ändern musste, aber grundsätzlich die Vergünstigungen für aktive AN beibehielt. Juristisch überzeugt diese Lösung im Hinblick auf den Anspruch der alten Vergünstigung von PensionistInnen aber dennoch nicht.