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Zur Aufrechterhaltung überschießend formulierter Konkurrenzklauseln

ELIASFELTEN (LINZ)
  1. Auch die Auslegung einer Konkurrenzklausel ist mangels besonderer Interpretationsregeln nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB vorzunehmen. Es ist damit auch bei einer Konkurrenzklausel gem § 914 ABGB nicht „an dem buchstäblichen Sinne“ zu haften, sondern es kommt auf die Parteienabsicht an.

  2. Eine Kundenschutzklausel ist grundsätzlich zulässig, stellt eine besondere Art einer Konkurrenzklausel dar und geht weniger weit als eine generelle Konkurrenzklausel.

  3. Mag nun das (ausdrückliche) Verbot, sich überhaupt konkurrenzierend zu verhalten, im Einzelfall aufgrund der Umstände unbillig und damit unwirksam sein, so verbleibt es aufgrund des Vertragswillens doch bei dem mitvereinbarten, weniger weitgehenden Verbot, dem AG ein Jahr lang keine Kunden abzuwerben.

Spruch,1

Die außerordentliche Revision wird gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Dienstvertrag des bekl AN enthielt eine Konkurrenzklausel, nach der der AN im Ereignisfall dem kl AG „eine Konventionalstrafe im gleichen Ausmaß [schuldet], als der Arbeitgeber bei einem von ihm verschuldeten Anlass an den Arbeitnehmer an Kündigungsentschädigung bezahlen müss te, jedoch höchstens drei Monatsentgelte (drei Gehälter und anteilige Sonderzahlungen)“.

Die Vorinstanzen vertraten die Ansicht, die Höhe der Konventionalstrafe sei hinreichend bestimmbar, weil sie an die abstrakte (hypothetische) Kündigungsentschädigung anknüpfe. Sie hänge ausschließlich davon ab, wann das Dienstverhältnis ende. Die Kündigungsfrist für die Kl habe hier gem § 20 Abs 2 AngG drei Monate betragen, sodass der Bekl im Fall eines berechtigten Austritts gem § 29 AngG Anspruch auf Kündigungsentschädigung für mindestens drei Monate hätte. Weil der Vertrag die Konventionalstrafe mit höchstens drei Monatsentgelten begrenze, sehe er im vorliegenden Fall eine Konventionalstrafe in Höhe einer dreimonatigen Kündigungsentschädigung vor. Gegen eine konkrete Berechnung der Kündigungsentschädigung spreche, dass es diesfalls der AN durch Erklärung eines – wenn auch unberechtigten – Austritts am Tag vor Ablauf der Kündigungsfrist in der Hand hätte, die Konventionalstrafe auf ein einziges Tages entgelt zu reduzieren.

Ob eine Vereinbarung im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nach stRsp keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) dar, wenn sich die Entscheidung im Rahmen der Grundsätze der Rsp zur Vertragsauslegung bewegt (RIS-Justiz RS0044298). Dies ist hier der Fall. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung entspricht dem Grundsatz, dass im Zweifel die Auslegung den Vorzug hat, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmung ermöglicht (; RS0017787).

2. Nach der vereinbarten Konkurrenzklausel hatte der AN für die Dauer seiner Tätigkeit beim AG und für die Zeit von einem Jahr nach einer etwaigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses „1. in keinem Konkurrenzunternehmen des Arbeitgebers tätig zu sein, und zwar weder mittelbar noch unmittelbar, 2. ein solches Unternehmen weder zu errichten noch zu erwerben, 3. weder mittelbar noch unmittelbar an der Gründung oder dem Betrieb eines solchen Unternehmens mitzuwirken, 4. sich an einem solchen Unternehmen – ganz gleich in welcher Rechtsform – nicht finanziell zu161beteiligen“. Diese Bestimmung bezog sich nach der Vereinbarung „auf Wettbewerbsunternehmen, die gleichartige oder ähnliche Erzeugnisse herstellen oder vertreiben sowie auf Tätigkeiten im Arbeitsgebiet des Arbeitgebers“, und galt ausdrücklich „ohne räumliche Beschränkung“.

Das Erstgericht vertrat mit Billigung des Berufungsgerichts die Ansicht, die Konkurrenzklausel enthalte aufgrund der konkreten Umstände eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Bekl iSd § 36 Abs 1 Z 3 AngG, sodass von ihrer Unwirksamkeit auszugehen wäre. Der Bekl habe aber nicht bloß seine bei der Kl erworbenen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten konkurrenzierend eingesetzt, sondern aufgrund der konkreten Kenntnisse über die Kundenbeziehungen der Kl gezielt Kunden abgeworben. Eben solche Geschäftspraktiken zu verhindern, sei aber der jedenfalls berechtigte Kern einer Konkurrenzklausel. Eine solche Art von konkurrenzierender Tätigkeit sei auch dann nicht zu billigen, wenn anderenfalls das Fortkommen des DN stark erschwert wäre. Dieser Verstoß führe zur Konventionalstrafe.

Auch die Auslegung einer Konkurrenzklausel ist mangels besonderer Interpretationsregeln nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB vorzunehmen (RS0111387 [T1]; Reissner in Reissner/Neumayr, ZellKomm3 § 36 AngG Rz 58). Es ist damit auch bei einer Konkurrenzklausel gem § 914 ABGB nicht „an dem buchstäblichen Sinne“ zu haften, sondern es kommt auf die Parteienabsicht an (vgl ; Reissner in Reissner/Neumayr, ZellHB AV-Klauseln Besonderer Teil 6 2. Klausel Rz 62.26). Vereinbaren Parteien, dass der AN ein Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses kein konkurrenzierendes Unternehmen eröffnen oder sich daran beteiligen darf, so gehen sie auch davon aus, dass er während dieser Zeit auch keine Kunden des AG abwerben darf. Es liegt insoweit eine – mitvereinbarte – sogenannte Kundenschutzklausel vor (vgl ). Eine Kundenschutzklausel ist grundsätzlich zulässig (= RS0118907 [T3]), stellt eine besondere Art einer Konkurrenzklausel dar (Pkt 2.1; Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 36 Rz 55 f; ders in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 36 AngG Rz 42 f) und geht weniger weit als eine generelle Konkurrenzklausel (J. Reich-Rohrwig/Winkler in Artmann/Karollus, AktG II6 § 79 Rz 111). Mag nun das (ausdrückliche) Verbot, sich überhaupt konkurrenzierend zu verhalten, im Einzelfall aufgrund der Umstände unbillig und damit unwirksam sein, so verbleibt es aufgrund des Vertragswillens doch bei dem mitvereinbarten, weniger weitgehenden Verbot, dem AG ein Jahr lang keine Kunden abzuwerben. Insoweit ist kein Grund ersichtlich, dies für eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Angestellten zu halten. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung ist nicht korrekturbedürftig.

3. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0101811 [T1]) ist die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

ANMERKUNGEN
1.
Einleitung

Konkurrenzklauseln erfreuen sich in der Praxis großer Beliebtheit. Der Grund dafür ist nachvollziehbar. AG wollen sich davor schützen, dass AN das bei ihnen erworbene Knowhow gegen sie einsetzen, indem sie es Konkurrenzunternehmen zur Verfügung stellen oder selbst unternehmerisch verwerten. Produktionsabläufe zu optimieren, neue Strategien zu entwickeln und neue Märkte zu identifizieren, sind zentral, um im Wettbewerb bestehen und reüssieren zu können. Damit verbunden sind freilich Kosten und Zeit. Nicht jede innovative Idee erweist sich in der Umsetzung sofort als sinnvoll und erfolgreich. Sich derartige Irrwege ersparen zu können, bringt daher zweifelsfrei einen Wettbewerbsvorteil. Für Unternehmungen ist es daher von großem Interesse, nicht „von Null“ anzufangen, sondern auf bereits vorhandenem Wissen aufzubauen. Über derartiges Wissen verfügen regelmäßig die MitarbeiterInnen eines Betriebes. Sie haben im Zuge ihrer Tätigkeit Kontakt zu Lieferanten und KundInnen, erhalten Kenntnis über Preiskalkulationen oder sind unmittelbar an der Entwicklung einer erfolgreichen Unternehmensstrategie beteiligt. Dieses Knowhow fruchtbar zu machen, kann – im wahrsten Sinne des Wortes – „Gold“ wert sein. Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass qualifizierte MitarbeiterInnen, die über solches Knowhow verfügen, am Markt gefragt sind bzw selbst den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Dass das aber nicht im Interesse des ehemaligen AG ist, liegt auf der Hand. Es ist nachvollziehbar, dass AG danach trachten, sicherzustellen, dass Knowhow nicht zur Konkurrenz abwandert. Dies geschieht in der Praxis durch die Vereinbarung von Konkurrenzierungsverboten.

Für AN wiederum ist die Möglichkeit, ihre in der Praxis erworbenen Kenntnisse, Erfahrungen und Qualifikationen zu verwerten und anderen am Markt anzubieten, essentiell, um sich im Wettbewerb durchsetzen zu können. Da AN in der Regel über keine eigenen Produktionsmittel verfügen, ist ihr Wissen zusammen mit ihrer Arbeitskraft das einzige, was sie verwerten und zu Kapital machen können. Schneidet man diese Möglichkeit ab, ist das mit einer Beschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit gleichzusetzen. Letztere ist aber gem Art 6 StGG sogar verfassungsrechtlich abgesichert, freilich nur nach den „gesetzlichen Bedingungen“.

Die Frage, wie und ob AN ihre bisher erworbenen Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten am Markt einsetzen dürfen, ist also eine neuralgische für ein wettbewerbsorientiertes Wirtschaftssystem. Dass sich hier widerstreitende Interessen auf AN- und AG-Seite gegenüberstehen, liegt auf der Hand. Der Gesetzgeber hat dieses Spannungsverhältnis mit Hilfe der §§ 36-38 AngG bzw § 2c AVRAG aufzulösen versucht. Diese Regelungen sind von dem Bestreben des Gesetzgebers geprägt, einen gerechten Ausgleich zwischen den AN- und AG-Interessen vorzunehmen.

Ob die gesetzlichen Regelungen dafür tatsächlich geeignet sind, darf allerdings bezweifelt werden. 162 Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Konkurrenzklauseln sind unklar, zum Teil widersprüchlich und damit im Ergebnis unbefriedigend. Wie problematisch die Rechtslage ist, bezeugt die vorliegende E des OGH, die als Zurückweisung einer außerordentlichen Revision auf den ersten Blick wenig spektakulär anmutet.

2.
Zur Entscheidung des OGH im konkreten Fall

Im konkreten Fall ging es um eine Konkurrenzklausel, mit welcher dem AN für die Dauer seiner Tätigkeit und für die Zeit von einem Jahr nach einer etwaigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagt worden war, 1. unmittelbar oder mittelbar in einem Konkurrenzunternehmen des AG tätig zu sein, 2. ein solches Unternehmen zu errichten oder zu erwerben, 3. an der Gründung eines solchen Unternehmens mittelbar oder unmittelbar mitzuwirken und sich 4. finanziell an einem solchen Unternehmen zu beteiligen. Diese Verbote bezogen sich ausdrücklich auf „Wettbewerbsunternehmen, die gleichartige oder ähnliche Erzeugnisse herstellen oder vertreiben sowie auf Tätigkeiten im Arbeitsgebiet des Arbeitgebers“ und zwar „ohne räumliche Beschränkung“ und waren durch eine Konventionalstrafe abgesichert.

Alle drei Instanzen bestätigten, dass diese Klausel auf Grund ihrer überschießenden Formulierung eine „unbillige Erschwerung des Fortkommens“ des betroffenen AN bewirke. Die logische Rechtsfolge wäre also gewesen, wenn die Klausel für rechtsunwirksam erklärt worden wäre. Dennoch wurde der ehemaligen AG die Konventionalstrafe zugesprochen und zwar deshalb, weil der betreffende AN gezielt Kunden der ehemaligen AG abgeworben hatte. Das überrascht insofern, als nach der vereinbarten Konkurrenzklausel das Abwerben von Kunden – zumindest nicht explizit – erfasst war. Der OGH hielt freilich fest, dass Konkurrenzklauseln mangels besonderer Interpretationsregeln nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB auszulegen seien. Dh, es ist nicht allein am Wortlaut zu haften. Vielmehr ist der Wille der Parteien maßgeblich. Haben nun die Parteien vereinbart, dass der AN innerhalb eines Jahres kein konkurrenzierendes Unternehmen eröffnen oder sich an einem solchen nicht beteiligen darf, so ist – nach Ansicht des OGH – davon auszugehen, dass gleichsam mitvereinbart wurde, dass er auch keine Kunden abwerben darf. MaW: Der OGH ging davon aus, dass eine Kundenschutzklausel mitintendiert war. Das hat zur Konsequenz, dass es auch, wenn die Konkurrenzklausel als solche überschießend und diesbezüglich rechtsunwirksam ist, dennoch bei dem mitvereinbarten Verbot bleibt, dass der AN innerhalb eines Jahres keine Kunden des AG abwerben darf. Da er gegen dieses Verbot verstoßen hatte, durfte die ehemalige AG die vereinbarte Konventionalstrafe zu Recht fordern. Der OGH hat also zunächst über den Wortlaut der Klausel hinaus auch eine Kundenschutzklausel mit hineingelesen, um die gesamte Konkurrenzklausel in einem weiteren Schritt dann wieder auf diese Kundenschutzklausel geltungserhaltend zu reduzieren.

3.
Zur Auslegung von Konkurrenzklauseln

Damit folgt der OGH seiner stRsp. Er behandelt Konkurrenzklauseln, wie jede andere Vertragsklausel: Nicht der Wortlaut ist entscheidend, sondern gem § 914 ABGB der Wille der Parteien (grundlegend OGH9 ObA 209/98w

[Egger]), was zur Folge hat, dass auch im Falle einer überschießend formulierten Klausel, dieselbe geltungserhaltend zu reduzieren ist (siehe Kietaibl in Brodil [Hrsg], Civiles im Arbeitsrecht [2012] 86). Darin folgt ihm auch die hL. Dh, die Klausel ist nicht zur Gänze nichtig bzw totalnichtig, sondern nur in jenem Teil, der überschießend ist. So sind Vereinbarungen, die eine längere Bindung als ein Jahr vorsehen, nicht zur Gänze rechtsunwirksam, sondern lediglich in dem den Einjahreszeitraum übersteigenden Teil (Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 36 AngG Rz 71). Eine Ausnahme wird nur in jenen Fällen gemacht, in denen entweder mit einem Minderjährigen eine Konkurrenzklausel vereinbart (Reissner in ZellKomm3 § 36 AngG Rz 61; Resch in Löschnigg10, § 36 AngG Rz 31) oder die Entgeltgrenzen nicht beachtet wurden. In allen anderen Fällen bleibt hingegen die Klausel als solche bestehen und wird lediglich auf das Maß reduziert, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht (Resch in Löschnigg10, § 36 AngG Rz 65; Kohlegger in Reissner, § 36 AngG Rz 5). Begründet wird die Maßgeblichkeit der geltungserhaltenden Reduktion wiederum mit dem Wortlaut des § 36 Abs 1 AngG. Dort ist die Rede davon, dass Konkurrenzklauseln, nur „insoweit“ wirksam sind, als sie den Vorgaben der Z 1-3 entsprechen (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 36 AngG Rz 79). „Insoweit“ wird also mit „in dem Ausmaß“ gleichgesetzt. Das Problem dieser Lesart liegt freilich auf der Hand. Auch eindeutig rechtswidrig formulierte Klauseln können wirksam sein und zur Zahlung einer Konventionalstrafe verpflichten. Hält man sich vor Augen, wie viele unbestimmte Rechtsbegriffe der Gesetzgeber zur Determinierung des gesetzlichen Rahmens für Konkurrenzklauseln verwendet hat, so wird deutlich, wie wenig transparent letztlich die Bedingungen für den AN sind. Das für sich gesehen ist bereits problematisch genug. Bedenkt man allerdings, wie stark Konkurrenzklauseln berechtigten Interessen des AN zuwiderlaufen und wie drastisch die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes sein können, so erscheint es durchaus fraglich, ob noch von einem ausgewogenen Interessenausgleich die Rede sein kann. Zweifel scheinen angebracht, wenn man das rechtliche Umfeld berücksichtigt.

4.
Vertragliche versus nachvertragliche Konkurrenzierungsverbote

Zunächst erscheint es durchaus bemerkenswert, dass der Gesetzgeber offenkundig bewusst davon Abstand genommen hat, dem AG einen gesetzlichen Schutz vor einer Konkurrenzierung durch ehemalige AN zukommen zu lassen – anders als im aufrechten Arbeitsverhältnis. Gem § 7 AngG 163 unterliegen Angestellte einem ausdrücklichen Konkurrenzverbot, das im Falle der Zuwiderhandlung nicht nur schadenersatzrechtliche Konsequenzen, sondern vor allem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung zur Folge (§ 27 Z 4 AngG) haben kann. Ähnlich verhält es sich mit dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Nach § 11 UWG macht sich zwar strafbar, wer als Bediensteter eines Unternehmens Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, unbefugt anderen zu Zwecken des Wettbewerbes mitteilt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes muss sich dieser Geheimnisverrat aber „während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses“ ereignet haben. Deshalb kann § 11 UWG dann nicht mehr zur Anwendung gebracht werden, wenn das Dienstverhältnis bereits beendet wurde (Wiltschek/Hora, UWG § 11 E37). Diese Fokussierung auf den Schutz des AG vor Konkurrenzierungen bzw Geheimnisverrat während des aufrechten Arbeitsverhältnisses bringt gleichzeitig zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber ein vergleichbares Schutzbedürfnis nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses offenkundig nicht mehr sieht. Damit anerkennt der Gesetzgeber im Ergebnis das berechtigte Interesse auf Seiten des AN, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst uneingeschränkt verwerten zu dürfen.

Das heißt nicht, dass in Ermangelung eines ausdrücklichen nachvertraglichen Konkurrenzverbots, ein solches per se unzulässig wäre. Es gilt vielmehr weiterhin, dass im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. MaW: Solange nachvertragliche Konkurrenzverbote nicht ausdrücklich verboten sind, können sie auf vertraglicher Ebene durchaus vereinbart werden. Die Grenze der Privatautonomie der Vertragsparteien ist dort erreicht, wo ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt. Diesen Schutz des AN vor sittenwidrigen Vertragsklauseln hat der Gesetzgeber aber im Fall der nachvertraglichen Konkurrenzverbote offenkundig nicht als ausreichend angesehen.

5.
Zur geschichtlichen Entwicklung des Konkurrenzklauselrechts

Bereits im HandlungsgehilfenG aus 1910 (BGBl I 1910/20) fanden sich konkrete Regelungen (§§ 36 ff), mit denen Rahmenbedingungen für die Vereinbarung nachvertraglicher Konkurrenzverbote aufgestellt wurden. Zwar konnte sich die AN-Seite mit ihrer Forderung eines gänzlichen Verbots von Konkurrenzklauseln nicht durchsetzen, der Gesetzgeber knüpfte jedoch deren Zulässigkeit an konkrete Vorgaben und entzog damit diese Vertragsklausel einer wenig greifbaren „Sittenwidrigkeitsprüfung“. Der Grund, weshalb von einem gänzlichen Verbot abgesehen wurde, war, dass der AG-Seite ein berechtigtes Interesse an der Vereinbarungsmöglichkeit nachvertraglicher Konkurrenzverbote attestiert wurde, zumal es zum damaligen Zeitpunkt noch keine gesetzlichen Regelungen zum unlauteren Wettbewerb gab (ausführlich Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 36 AngG Rz 5). Im Jahr 1921 wurden die Regelungen des HandlungsgehilfenG nahezu wortwörtlich ins AngG übernommen, nachdem erneut die Notwendigkeit eines gänzlichen Verbots nachvertraglicher Konkurrenzklauseln diskutiert wurde. Kurz darauf wurde das BG gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, BGBl 1923/531) erlassen, dessen Fehlen ja ursprünglich als Rechtfertigung für die Zulässigkeit nachvertraglicher Konkurrenzklauseln diente (Resch in Löschnigg10, AngG § 36 Rz 1). Auch wenn im Zuge der Erlassung des UWG § 36 AngG nicht außer Kraft gesetzt wurde, kann dies dennoch nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass der Gesetzgeber seine Zurückhaltung gegenüber nachvertraglichen Beschränkungen aufgegeben hätte. Ganz im Gegenteil! In den Materialien zu § 11 UWG, der den Geheimnisverrat durch Bedienstete unter Strafe stellt, findet sich die Klarstellung, dass der Anwendungsbereich dieser Bestimmung bewusst auf das aufrechte Arbeitsverhältnis beschränkt wurde, weil „der Bedienstete auf die Verwertung der in seiner beruflichen Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse angewiesen ist und er in seinem Fortkommen schwer beeinträchtigt wäre, wenn er bei der Verwertung seiner Kenntnisse stets eine strenge Scheidung hinsichtlich der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die er im Laufe der Zeit in früheren Stellungen kennengelernt hat, einhalten müsste“ (ErläutRV 1354 BlgNR 8. GP 12; siehe auch Krejci, ÖZW 1975, 3). Damit hat der Gesetzgeber im Übrigen selbst anerkannt, dass nachvertragliche Verschwiegenheitspflichten AN in ihrem beruflichen Fortkommen beschränken können. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überzeugend, wenn der OGH die Zulässigkeit nachvertraglicher Verschwiegenheitsklauseln nicht am Maßstab des § 36 AngG prüft und zwar mit dem Argument, diese würden AN nicht in ihrer Erwerbstätigkeit beschränken (grundlegend OGH8 ObA 225/95

[Ch. Klein] = ZAS 1996/7, 54 [krit Holzer]).

In dieses Gesamtbild, das eine grundlegende Skepsis gegenüber nachvertraglicher Konkurrenzierungsklauseln zum Ausdruck bringt, passt auch, dass der Gesetzgeber – nach einer vorübergehenden Aufhebung der Entgeltgrenze – diese im Jahr 2006 (BGBl I 2006/35BGBl I 2006/35) wieder eingeführt und zuletzt im Jahr 2015 (BGBl I 2015/152BGBl I 2015/152) nochmals verschärft hat. Auch die Einführung des § 2c AVRAG, mit dem die Diskussion um eine analoge Anwendung des § 36 AngG auf Arbeiter endgültig beendet wurde, fügt sich hier nahtlos ein. Dasselbe gilt für das generelle Verbot der Vereinbarung von Konkurrenzklauseln mit überlassenen Arbeitskräften gem § 11 Abs 2 Z 6 AÜG.

Die Entstehungsgeschichte des § 36 AngG belegt demnach eindeutig, dass der Gesetzgeber Konkurrenzklauseln nur innerhalb enger Grenzen zulassen wollte. Die Ansicht der hL sowie die stRsp, dass Konkurrenzklauseln im Zweifel geltungserhaltend zu reduzieren sind, steht dazu in einem Spannungsverhältnis. Dieses Spannungsverhältnis wird ungleich größer, wenn man sich den Umgang 164 des Gesetzgebers mit anderen Klauseln ansieht, mit denen ebenfalls vermieden werden soll, dass im Rahmen eines Dienstverhältnisses erworbenes Knowhow bei der Konkurrenz verwertet wird. Genau diesem Zweck dienen die sogenannten „Ausbildungskostenrückersatzklauseln“.

6.
Ausbildungskostenrückersatz- versus Konkurrenzklausel

Auch Ausbildungskostenrückersatzklauseln sollen ua sicherstellen, dass Investitionen in die eigenen MitarbeiterInnen nicht dadurch frustriert werden, dass diese das neu erworbene und vom AG finanzierte Wissen bei einem Konkurrenten einsetzen. Das ergibt sich klar aus der Definition der Ausbildungskosten gem § 2d Abs 1 AVRAG. Darunter sind die tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung zu verstehen, „die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann“. Deshalb erlaubt es der Gesetzgeber, dass die Vertragsparteien vereinbaren können, dass Ausbildungskosten nur dann vom AG übernommen werden, wenn sich der AN für eine gewisse Zeit bindet, widrigenfalls er die Ausbildungskosten zurückzahlen muss. Diese Rückzahlungsverpflichtung kann, abhängig von ihrer Höhe, freilich AN davon abhalten, zu einem anderen Unternehmen zu wechseln. Sie schränken also nicht nur die Kündigungsfreiheit, sondern im Ergebnis auch die Erwerbsfreiheit des AN ein. Sie haben demnach einen durchaus vergleichbaren Effekt wie Konkurrenzklauseln.

Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus konsequent, dass sich der Gesetzgeber dazu entschlossen hat, derartige Klauseln nicht mehr bloß dem Guten-Sitten-Korrektiv zu unterwerfen, sondern mit § 2d AVRAG konkrete Vorgaben zu machen, an denen solche Ausbildungskostenrückersatzklauseln zu messen sind. Auch darin besteht eine Parallele zu § 36 AngG. Die Parameter, an denen Ausbildungskostenrückersatzklauseln zu messen sind, sind hinlänglich bekannt. Neben der Volljährigkeit des AN – wiederum eine Voraussetzung, die mit § 36 AngG gemein ist – ist insb die Vorgabe einer maximalen Bindungsdauer von vier bzw acht Jahren sowie das Aliquotierungsgebot maßgeblich. Wurde keine Aliquotierung zwischen den Parteien vereinbart, so ist die gesamte Klausel nichtig. Das wird – zu Recht – von der überwiegenden Lehre (Reissner in ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 25; Wagnest, ASoK 2009, 326; Radner in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellHB AV-Klauseln Rz 34.46; aA Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, § 2d AVRAG Rz 42) sowie von der Rsp (OGH9 ObA 126/08gDRdA 2011, 144 [Schindler] = ZAS 2010, 275 [Gerlach]) auch für den Fall der Überschreitung der maximal zulässigen Bindungsdauer vertreten. MaW: Überschießende Ausbildungskostenrückersatzklauseln sind nicht geltungserhaltend zu reduzieren, sie fallen ersatzlos weg (Reissner in ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 27). In den Materialien wird das mit der „mobilitätshemmenden“ Wirkung solcher Klauseln und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit argumentiert (605/A BlgNR 22. GP 5). Vor diesem Hintergrund kommt auch der OGH (9 ObA 126/08gDRdA 2011, 144 [Schindler] = ZAS 2010, 275 [Gerlach]) zu dem Ergebnis, dass Ausbildungskostenrückersatzklauseln, die keine Aliquotierung vorsehen, rechtsunwirksam sind und begründet dies damit, dass „sich doch viele Arbeitnehmer durch die unvermindert dargestellte gesetzwidrige Rückersatzverpflichtung und die damit bewirkte Rechtsunsicherheit abhalten lassen könnten, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln“. Das muss freilich umso mehr für Konkurrenzklauseln gelten, die durch eine Konventionalstrafe abgesichert sind. Ihre mobilitätshemmende Wirkung ist ungleich größer als jene von Ausbildungskostenrückersatzklauseln. Darüber hinaus zeigt die Entstehungsgeschichte der §§ 36 ff AngG klar, dass der Gesetzgeber Konkurrenzklauseln auf Grund ihrer beschränkenden Wirkung nur in sehr engen Grenzen zulassen wollte. Es ist schwer argumentierbar, weshalb in dem einen Fall die Klausel, sollte sie überschießend formuliert sein, zur Gänze als rechtsunwirksam wegfallen soll, im anderen Fall hingegen der Wille der Parteien die Richtschnur ist, der im Zweifelsfall zu einer geltungserhaltenden Reduktion verpflichtet.

7.
Schlussfolgerungen

Dieses Spannungsverhältnis ließe sich wohl bereits de lege lata auflösen. Dass im Zweifel von einer bloßen Teilnichtigkeit der Klausel auszugehen ist, wird ja aus der Verwendung des Wortes „insoweit“ in § 36 Abs 1 AngG abgeleitet. Der Wortlaut des § 36 Abs 1 AngG ließe sich aber ohne weiteres teleologisch reduzieren. Folgt man diesem Ansatz nicht, wäre es jedenfalls am Gesetzgeber, diesen widersprüchlichen Rechtszustand zu ändern. Bis dahin hätten aber die Gerichte eine weitere Option: In der Ausübung des richterlichen Mäßigungsrechts könnte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der AG die Klausel rechtswidrig (vor-)formuliert hat. Das scheint bis dato eher nur vereinzelt zu passieren (vgl insb OGH9 ObA 120/92

[Reissner]). Man könnte freilich mit guten Gründen diesem Umstand im Rahmen der Mäßigung vereinbarter Konventionalstrafen stärkeres Gewicht beimessen. Denn die geltende Rechtslage schafft für die Gerichte einen bemerkenswert großen Spielraum, um auf die Besonderheiten des Einzelfalls Rücksicht nehmen zu können. Das ist zweifelsfrei ein Vorteil, der auch im beschriebenen Sinne von den Gerichten genutzt werden sollte. Ob dieser aber die mangelnde Intransparenz aufzuwiegen vermag, darf bezweifelt werden. Denn sowohl AG als auch AN haben bei einer solch heiklen Frage, wie der nachvertraglichen Beschränkung der Erwerbsfreiheit, ein berechtigtes Interesse daran, dass klare Verhältnisse herrschen. 165