PeterArbeitsrecht in Familienunternehmen

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2018 286 Seiten, € 89,90

PETER C.SCHÖFFMANN (WIEN)

Familienunternehmen sind für die österreichische Wirtschaft von überragender Bedeutung. Mehr als die Hälfte der Unternehmen sind Familienunternehmen, stehen also unter dem bestimmenden Einfluss einer Familie. Sie beschäftigen fast zwei Drittel aller AN. Dabei ist das Familienunternehmen kein gesetzlich definierter Begriff. Familienunternehmen unterscheiden sich aber von anderen durch besondere Interessen. Sie dienen vorrangig der Versorgung der Familie und dies generationenübergreifend (Kalss/Probst, GesRZ 2013, 115). Diese besonderen Interessen führen zwar nicht zu anderen Rechtsproblemen, verlangen aber nach anderen Lösungen. Diese werden schon seit einiger Zeit rechtlich untersucht. Im Vordergrund stehen dabei zivil- und gesellschaftsrechtliche Fragen, wie etwa die Finanzierung oder die Vermögensnachfolge. Herausstechend ist dabei das Handbuch von Kalss/Probst (Familienunternehmen [2013]).

Arbeitsrechtlich wurde das Familienunternehmen in Österreich bisher gar nicht beleuchtet. Die Rolle von Familienangehörigen als AN war hingegen schon häufig Thema. Ausgehend von zwei VfGH-Erkenntnissen (1979/VfSlg 8485; 1979/VfSlg 8539) befassten sich zahlreiche AutorInnen intensiv mit der Frage, ob Familienangehörige von arbeitsrechtlichen Vorschriften (etwa ArbVG) ausgenommen werden könnten. Hervorzuheben sind dabei die Beiträge von Floretta (

) und Firlei (in FS Strasser [1983] 387).

Denise Peter geht es aber um besondere arbeitsrechtliche Probleme, die sich im Familienunternehmen (auch) gegenüber AN stellen, die keine Familienangehörigen sind. Die Arbeit behandelt dabei die deutsche Rechtslage. Es bestünden spezifische Familieninteressen, wie die Fortführung des Unternehmens als Familienunternehmen, die Wahrung einer spezifischen Familienkultur oder die Erhaltung und Fortentwicklung des Familienvermögens. Diese besonderen Interessen erfordern nach Peter die „Herausbildung eines Sonderarbeitsrechts für Familienunternehmen“ (S 229).

Zunächst befasst sich die Autorin aber auf mehr als 100 Seiten (S 44-146) mit dem Begriff des Familienunternehmens. Das Arbeitsrecht spielt dabei keine wesentliche Rolle. Das zweite Kapitel versucht das Familienunternehmen empirisch zu fassen. So führt etwa die besondere paternalistische Unternehmenskultur zu einer gesteigerten „Loyalität“ der AN gegenüber der Unternehmensleitung (S 155 ff). Als Kehrseite der Medaille sind die AN seltener in einer Gewerkschaft oder Belegschaftsvertretung organisiert (S 172 ff). Im dritten Kapitel versucht Peter zu klären, ob eine Berücksichtigung der Familieninteressen auch rechtlich legitim ist. Dabei stützt sie sich vor allem auf den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Familienlebens (Art 6 GG) und der Berufsfreiheit (Art 12 GG). Dieses Ergebnis könnte aufgrund ähnlicher Bestimmungen – wie Art 8 EMRK oder Art 6 StGG – auch auf Österreich übertragen werden.

Für das Arbeitsrecht am spannendsten ist dann das abschließende vierte Kapitel. In diesem befasst sich Peter mit möglichen konkreten Folgen. Zunächst geht sie auf die Sozialauswahl (§ 1 Abs 3 Satz 2 dt KSchG) ein; vergleichbar mit dem österreichischen Sozialvergleich (§ 105 Abs 3c ArbVG). In die Sozialauswahl sind nach deutschem Recht jene AN nicht einzubeziehen, „deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt“ (Satz 2 leg cit). Eine solche ausdrückliche Bestimmung fehlt im österreichischen Recht. Diese Erwägungen sind aber bei der Auswahl der Vergleichspersonen miteinzubeziehen. Nach Peter wäre es denkbar, dass Familienangehörige daher nicht bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden müssen. Sie weist aber selbst darauf hin, dass die verwandtschaftliche Beziehung ein „rein außerbetriebliche[r] und damit nicht zu beachtende[r] Umstand“ ist (S 230). Zu berücksichtigen sei aber Art 6 GG, der auch den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie schütze (S 231). Dabei übersieht sie jedoch, dass die Sozialauswahl ja nicht zur Kündigung des Verwandten verpflichtet; die Fortführung als Familienunternehmen also kaum beeinträchtigt sein kann.

Im empirischen Teil ihrer Arbeit stützt sich die Autorin auf eine (!) französische Studie, wonach das Entgelt in Familienunternehmen durchschnittlich geringer ist. In Deutschland gebührt den AN eine „übliche Vergütung“, sofern nichts anderes vereinbart wurde (§ 612 Abs 2 BGB). Die Bestimmung ist also mit § 1152 ABGB vergleichbar, der ein „angemessenes Entgelt“ verlangt. Peter stützt sich nun auf die „analysierten empirischen Untersuchungen“ und geht bei Familienunternehmen von einem geringeren üblichen Entgelt aus (S 234). Zunächst ist unklar, wie sich die eine französische Untersuchung wundersam vermehrt hat. Zudem ist das übliche Entgelt tatsächlich anhand des Marktwerts der Tätigkeit zu ermitteln (vgl Rebhahn in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 1152 Rz 67; Preis in ErfK19 § 612 BGB Rz 37). Der Wert ist also unabhängig vom einzelnen AG. Im Regelfall wird in Österreich und Deutschland das im KollV (oder Tarifvertrag) festgelegt Entgelt herangezogen (RIS-Justiz RS0021636). Abzustellen ist letztlich auf das angemessene Entgelt und nicht das bloß faktisch übliche.

Zuletzt verweist Peter nochmals auf den Paternalismus in Familienunternehmen. Daraus ergebe sich ein „intensivere[s] Vertrauensverhältnis“, dessen Verletzung eher (als in anderen Unternehmen) eine Beendigung der Beschäftigung rechtfertige (S 235). Das überzeugt aber nicht. Genauso gut könnte man auch vertreten, dass ein 186 intensiveres Vertrauensverhältnis schwerer erschüttert werden kann, AG Verletzungen daher eher hinnehmen müssen. Der Systematisierungsversuch von Peter scheitert damit an sich selbst. Auch hier wird man die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen. Spezifische Familieninteressen können eine Rolle spielen, aber nicht zu einem vorgefertigten Ergebnis führen.

Interessant wären Gedanken, wie die schwache Vertretung von AN-Interessen gegenüber Familienunternehmen kompensiert werden könnten. Diese fehlen aber bedauerlicherweise. Letztlich hält sich die Arbeit zu lange mit allgemeinen Begriffsdefinitionen und empirischem Beiwerk auf, um im Endspurt arbeitsrechtlich handfeste Lösungen hervorzubringen zu können.