DornbergerSchutzmöglichkeiten gegen die Behinderung von Betriebsratswahlen seitens des Arbeitgebers

Nomos Verlag, Baden-Baden 2018, 364 Seiten, kartoniert, € 94,–

ALEXANDRAHOLZER (LINZ)

„Union Busting“ – ein aktueller Begriff von ständig wachsender Bedeutung! Es handelt sich dabei um die Erarbeitung von Strategien zur gezielten Verhinderung einer arbeitgeberunabhängigen Interessenvertretung (vgl Binder, Nicht zuletzt: Stärke durch Betriebsrat, Arbeit & Wirtschaft 3/19, 34). Dieses insb im amerikanischen Raum auftretende Phänomen erfreut sich auch 187 im deutschsprachigen Raum immer wachsender Beliebtheit. Anders als die wörtliche Übersetzung vielleicht vermuten ließe, ist hiermit nicht das Bestreben der Verhinderung überbetrieblicher, sondern betrieblicher Interessenvertretungen gemeint; kurz: die Strategien von AG, Betriebsratsbildungen zu verhindern. Daraus hat sich ein weiterer – wenn auch nicht so geläufiger – Begriff, nämlich das sogenannte „Betriebsrats-Bashing“entwickelt. Die tatsächliche Häufung derartiger Fälle hat die Autorin zum Anlass für die vorliegende Forschungsarbeit genommen, welche an der Universität Göttingen als Dissertation vorgelegt worden ist. Im Mittelpunkt der Arbeit steht – bezogen auf die Rechtslage in Deutschland – die Frage, welche Schutzmechanismen AN zur Verfügung stehen, um effektiv die Einrichtung von Belegschaftsorganen durchzusetzen, ohne dabei die Auflösung des eigenen Arbeitsverhältnisses zu riskieren. Ausgegangen wird freilich von der umgekehrten Überlegung: Welche Strategien kann der AG verfolgen, um die Organisation zu verhindern? Auch in Österreich (vgl Leitsmüller/Schindler/Schneller, Veränderte Wirtschaftsund Arbeitsbedingungen: Herausforderungen für die betriebliche Mitbestimmung, DRdA 2014, 488 [495 f]) stellt es kein Novum mehr dar, wenn auch vereinzelter als in Deutschland, dass von Seiten des Betriebsinhabers Betriebsratsgründungen eher als Kampfansage verstanden werden und nicht als Kooperationsangebot, was ursprünglich die Intention des Gesetzgebers war (vgl dazu zB § 39 ArbVG: „Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Inte ressenausgleiches zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes.“).

Ungeachtet der Betrachtung der Rechtslage im Detail ist vorweg festzuhalten, dass dieser Zugang einer Gratwanderung gleicht, wird doch einerseits AG quasi eine Anleitung geboten, die Bildung von Betriebsräten trickreich zu verhindern, während andererseits der Anschein erweckt wird, man wolle die Ausprägung des Schutzes der AN vor (rechtswidrigen) Kündigungen aus diesem Grund untersuchen und detailliert darstellen.

Lisa Dornbergers Ausführungen liegt die These zu Grunde, dass es juristische Möglichkeiten gibt oder zumindest künftig geben kann, um entsprechende Handlungen der AG zu verhindern. Es wird davon ausgegangen, dass die aktuell gültigen Rechtsnormen, welche die Betriebsratswahl und ihre Durchsetzung ausgestalten, die Möglichkeit der Behinderung begünstigen (S 42).

Für LeserInnen mit österreichischem arbeitsrechtlichen Hintergrund ist voranzuschicken, dass die Rechtslage im Hinblick auf den Kündigungsschutz gerade auch in diesem Punkt in Deutschland eine völlig andere ist. Angesprochen ist hier nicht so sehr der Umstand, dass in Deutschland zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen unterschieden wird – es ist diese Trennung nämlich jener in Kündigung und Entlassung in Österreich vergleichbar. Der hier besonders relevante Unterschied liegt aber darin, dass jener Schutz, welchen man in Österreich als „besonderen Kündigungsschutz“ bezeichnet, was das Vorfeld von Betriebsratsbildungen betrifft, erst im Stadium des Wahlvorstandsmitglieds bzw des Wahlwerbers (KandidatIn) einsetzt, während nach dem deutschen Kündigungsschutzrecht gewisse AN bereits im Falle der Einberufung von Betriebsversammlungen zur Wahl den besonderen Schutz genießen. Genau für diese Phase gilt in Österreich der besondere Schutz noch nicht, Kündigungen (Entlassungen) sind aber im Nachhinein im Zuge der Anwendung des allgemeinen (Motiv-)Kündigungsschutzes anfechtbar.

Diese grundlegenden Unterschiede hat man ua im Auge zu behalten, wenn man nun die Forschungsergebnisse Dornbergers im Detail betrachtet. Einen großen Teil ihrer Arbeit widmet sie dem Kündigungsschutz und erörtert dabei ua mögliche Lösungsansätze betreffend die Ausweitung des besonderen Kündigungsschutzes (S 282 ff). In diesem Zusammenhang wird insb jenem Personenkreis Beachtung geschenkt, der nicht vom besonderen Kündigungsschutz erfasst ist und auch rechtliche Möglichkeiten und die Notwendigkeit der Ausdehnung werden thematisiert. Diesbezüglich nimmt sie eine Differenzierung zwischen SympathisantInnen, WahlinitiatorInnen und WahlvorstandskandidatInnen vor. Zu Recht betont sie, dass eine Ausweitung des Kündigungsschutzes auf weite Teile der mit der Wahl in Zusammenhang stehenden Arbeitnehmerschaft auch einen Grundrechtseingriff in die unternehmerische Freiheit des AG iSd Art 16 GRC darstellt und negiert konsequentermaßen die Ausdehnung des besonderen Kündigungsschutzes auf SympathisantInnen. Sie zieht daraus den Schluss, dass es nicht zielführend ist, beinahe die gesamte Belegschaft faktisch kündigungsrechtlich zu privilegieren, was insb im Hinblick auf Art 16 GRC auch nicht rechtfertigbar ist (S 283).

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang insb die Auseinandersetzung mit der Thematik der Erstwahl eines BR. Die Erstwahl stellt sich vor allem in Bezug auf den Kündigungsschutz der betroffenen AN heikler dar, da diesen noch keiner den Wahlvorständen, WahlwerberInnen udgl vergleichbarer besonderer Kündigungsschutz zukommt. Speziell in der Planungsphase laufen AN besonders Gefahr, von AG-Strategien zur Verhinderung von Betriebsratsbildung erfasst zu werden, ihnen stehen jedoch dabei lediglich die „normalen“ Kündigungsschutzmöglichkeiten zu. Besonders die Initiierung eines BR birgt im Gegensatz zur Weiterführung eines bereits bestehenden BR durch Neuwahl ein erhöhtes Risiko einer ungerechtfertigten Kündigung.

Der deutsche Gesetzgeber hat darauf reagiert und fügte in § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Abs 3a hinzu, der sich genau mit dieser Thematik befasst. Von § 15 Abs 3a KSchG (vgl § 15 Abs 3a KSchG: „[...] der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer [...]“) sind diejenigen AN erfasst, die die Bestellung des Wahlvorstandes vornehmen oder initiativ zu einer Betriebsversammlung einladen. Dieser Schutz ist jedoch lediglich auf die ersten drei InitiatorInnen beschränkt, was zunächst willkürlich erscheint, jedoch mit Verweis auf die Zugrundelegung derselben Anzahl in den §§ 17 Abs 3 und 17a Nr 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erklärt wird. Die Anzahl ist auf die betriebsverfassungsrechtlich erforderliche Mindestanzahl begrenzt (Linck in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht5, KSchG § 15 Rn 52). Überdies sollte mit der Beschränkung auf drei Personen eine Ausuferung des besonderen Kündigungsschutzes vermieden werden. Auch wenn die Begründung logisch erscheint, ist dies mE insb dann problematisch, wenn mehr als drei InitiatorInnen aufscheinen – welchen InitiatorInnen wird dann der besondere Kündigungsschutz zu Teil? Mittels Auslegung der Einladung und der begleitenden Umstände sollte 188 festgestellt werden, wer die ersten drei InitiatorInnen sind, was mE wiederum ein Einfallstor für Willkür darstellt (Linck in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht5, KSchG § 15 Rn 52). Der besondere Schutz erstreckt sich auf drei Monate, sofern die Wahl nicht zustande kommt; bei Zustandekommen bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Voraussetzung für den besonderen Schutz ist, dass eine Einladung/Antragstellung ordnungsgemäß erfolgt. Diese muss dafür Zeitpunkt, Ort und Thema der Betriebsversammlung sowie die Namen der InitiatorInnen enthalten und für alle AN im Betrieb muss die Möglichkeit der Kenntnisnahme und Teilnahme bestehen (Kiel, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht19 § 15 KSchG Rn 13 mit Verweis auf Eylert, Der besondere Kündigungsschutz für Wahlvorstandsmitglieder, Wahlbewerber und Wahlinitiatoren bei der Betriebsratswahl, Arbeit und Recht 2014, 300 [302]).

Telos der Norm ist einerseits die Wahl des BR zu sichern, wenn in betriebsratslosen Betrieben oder in Betrieben, in denen der BR zur Bestellung des Wahlvorstands nicht tätig wird. Andererseits sind auch jene einzelnen AN zu schützen, die den Anstoß zur Durchführung einer erstmaligen Betriebsratswahl geben (Linck in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht5, KSchG § 15 Rn 52). Die zur Wahl des Wahlvorstands einladenden AN sowie die zur Bestellung eines Wahlvorstands beim Arbeitsgericht antragstellenden AN sind im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte mit dem AG für die Zeit der Wahl in ähnlicher Weise schutzbedürftig wie die Mitglieder des Wahlvorstands und die Wahlbewerber (Linck in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht5, KSchG § 15 Rn 51 mit Verweis auf Eylert, AuR 2014, 300 [302]). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung insb in betriebsratslosen Betrieben die Bereitschaft der AN fördern, die Initiative für die Wahl von Betriebsräten zu ergreifen (BT-Drs 14/5741, 55).

Demgegenüber besteht in Österreich im Vorfeld einer Betriebsratswahl keiner der deutschen Rechtslage vergleichbarer, besonderer Kündigungsschutz aus dem Arbeitsverfassungsgesetz. Lediglich im Anschluss an den Kündigungs-/Entlassungsausspruch hat ein AN, der aufgrund des Ergreifens der Initiative in einem betriebsratspflichtigen Betrieb gekündigt/entlassen wurde, in dem bisher noch kein BR eingerichtet wurde, unter der Prämisse, dass noch keine Betriebsversammlung einberufen wurde, die Möglichkeit der Anfechtung der Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG. Der Motivschutz des § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG ist dem besonderen Schutz nach den §§ 120 ff ArbVG zeitlich vorgelagert. Voraussetzung für eine erfolgreiche Kündigungs-/Entlassungsanfechtung ist, dass der AN „wegen“ der Bewerbung gekündigt oder entlassen wurde. Das Wissen des AG von der tatsächlichen Bewerbungsabsicht des AN wird dafür vorausgesetzt (Trost in Jabornegg/Resch, ArbVG § 120 Rz 70 [Stand 1.3.2018, rdb.at]). Auch wenn die Initiierung der Wahl nicht explizit vom Wortlaut der Bestimmung erfasst ist, spricht sich sowohl die Literatur (Trost in Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 78 ff [Stand 1.3.2018, rdb.at]) als auch dieser zwischenzeitlich folgend die Judikatur (OLG Wien 27.2.2018, 8 Ra 46/17v) zumindest für eine analoge Anwendung der Bestimmungen des § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG aus

Begründet wird eine Analogie unter Zugrundelegung des § 37 Abs 1 ArbVG, der allgemein bestimmt, dass die AN in der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse nicht beschränkt und aus diesem Grund nicht benachteiligt werden dürfen. Das OLG (27.2.2018, 8 Ra 46/17v) folgt den Ausführungen Trost (in Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 78 ff [Stand 1.3.2018, rdb.at]), die in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG eine lückenhafte Liste sieht und die Erweiterung der Motivschutztatbestände per analogiam um jene Angelegenheiten anregt, welche gesetz- und sittenwidrig sind und kollektiven Bezug aufweisen (VfGHB 610/81 VfSlg 9647). Das OLG spricht sich demzufolge für eine Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG aus, wenn es sich um einen Tatbestand handelt, der gleichzuhalten ist mit jenen der verpönten Motivkündigung gem § 105 Abs 3 Z 1 lit e bzw lit c ArbVG (OLG Wien 27.2.2018, 8 Ra 46/17v)

Wenn man sich grundsätzlich – was ich für richtig halte – darauf verständigt, dass Betriebsratsbildungen sowohl in Österreich als auch in Deutschland vom Gesetz intendiert und (auch) aus betrieblicher Perspektive erwünscht sind, kann selbstredend auch die Absicherung von AN, die sich dafür einsetzen, nicht in Frage gestellt werden. Dieses Verständnis kann aus dem vorliegenden Werk nur zum Teil herausgelesen werden. Hervorzuheben ist insb der logische und gut strukturierte Aufbau des Werks, mit dem es Dornberger durchaus gelungen ist, die Problematik der Materie darzustellen und diese aus unterschiedlichen rechtlichen Perspektiven zu beleuchten. Unter Zugrundelegung der bestehenden deutschen Rechtslage wurden auch adäquate Lösungsvorschläge und Anregungen bzw Änderungsvorschläge betreffend zukünftiger Problemlösung geboten.