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Kinderbetreuungsgeld für getrennt lebende Eltern – gemeinsamer Haushalt nach KBGG und Familienbeihilfe nach FLAG

VERAKMENTA-SPALOFSKY (WIEN)
§ 2 Abs 1, 6 und 8, § 2 Abs 1 Z 1, § 5 Abs 3 und 4, § 24 ff, § 50 Abs 19 KBGG; § 2a Abs 1, § 10 Abs 2 FLAG
  1. Ein „gemeinsamer Haushalt“ gem § 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53iSd nunmehr seit der Novellierung ab 1.1.2017 notwendigen „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ an derselben Wohnadresse bei derselben hauptwohnsitzlichen Meldung des Kindes und des Leistungsbeziehers liegt – nach systematisch-historischer Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes „dauerhaft“ durch den OGH – bei getrennt lebenden Elternteilen auch während einer lediglich zweimonatigen (mindestens 61-tägigen) Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes vor. 61 Tage sind sohin eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft.

  2. Eine zweimonatige (61-tägige) Dauer der – seit der Änderung bzw Ergänzung des Gesetzestextes im BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53– gem § 2 Abs 6 KBGG seit 1.1.2017 notwendigen „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ von Kind und Elternteil ist bei Bezugswechsel zwischen getrennt lebenden Elternteilen für einen Leistungsanspruch auf Kinderbetreuungsgeld ausreichend.

  3. Bei getrennt lebenden Elternteilen gebührt das Kinderbetreuungsgeld auch dann, wenn (für einige Tage) keine Personenidentität von Familienbeihilfebezieher und Kinderbetreuungsgeldwerber besteht, wenn für das Kind ein genereller Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist, sohin der andere Elternteil bis zum Monatsende die Familienbeihilfe vor dem Bezugswechsel zum anderen Kinderbetreuungsgeldwerber bezogen hat.

Die am 25.9.2016 geborene E* ist das gemeinsame Kind des Kl und seiner Ehefrau. Beide Eltern haben die Obsorge für E*. Sie leben aber nicht zusammen, sondern haben ihre Hauptwohnsitze an verschiedenen Orten. [...] Am 18.10.2017 beantragte der Kl das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 25.9.2017 bis 24.11.2017.

Mit Bescheid vom 18.11.2017 wies die Bekl den Antrag des Kl ab.

Dagegen erhob der Kl Klage auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 25.9.2017 bis 24.11.2017. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende weitere Feststellungen:

Die Mutter ist mit ihrem Hauptwohnsitz seit 23.7.2015 in * gemeldet und hat dort ihren Lebensmittelpunkt. Der Vater (Kl) ist mit seinem Hauptwohnsitz seit 7.7.2011 in * gemeldet und hat dort seinen Lebensmittelpunkt. Das Kind war von 26.9.2016 bis 25.9.2017 mit Hauptwohnsitz an der Adresse der Mutter und von 26.9.2017 bis 5.12.2017 an der Adresse des Vaters gemeldet. Seit 6.12.2017 liegt wiederum eine Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der Adresse der Mutter vor. Die Mutter bezog die Familienbeihilfe von 1.9.2016 bis 30.9.2017. Daran anschließend, und zwar von 1.10.2017 bis 30.11.2017, bezog der Vater die Familienbeihilfe. Ab 1.12.2017 bis laufend bezieht wieder die Mutter die Familienbeihilfe.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass ein gemeinsamer Haushalt iSd KBGG nur dann vorliege, wenn der antragstellende Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet seien. Der gemeinsame Haushalt gelte bei mehr als 91-tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst. Daraus sei im Wege eines Umkehrschlusses abzuleiten, dass ein gemeinsamer Haushalt nur dann vorliege, wenn er eine Dauer von mindestens 91 Tagen habe. Da der Vater gemeinsam mit seinem Kind lediglich für 72 Tage an der Adresse in * gemeldet gewesen sei und das Kind danach wieder an die Adresse der Mutter umgemeldet worden sei, liege keine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Vater und Kind vor. Ein weiterer Grund für die Klageabweisung liege darin, dass die Mindestbezugsdauer von zwei Monaten nicht erfüllt sei. Der Kl habe von 25.9.2017 bis 30.9.2017 weder Anspruch auf Familienbeihilfe gehabt noch diese tatsächlich bezogen, weil in diesem Zeitraum noch die Mutter Bezieherin der Familienbeihilfe gewesen sei. Da der Kl das Kinderbetreuungsgeld bis zum 24.11.2017 beantragt habe und ihm die Familienbeihilfe erst ab 1.10.2017 zuerkannt wor-144 den sei, ergebe sich ein zwei Monate unterschreitender Anspruchszeitraum. Infolge der Bezugslücke von 25.9.2017 bis 30.9.2017 lägen zudem keine zeitlich unmittelbar aneinander anknüpfenden Bezugszeiträume beider Elternteile vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Der Begriff der „dauerhaften Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft“ in § 2 Abs 6 erster Satz KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53sei ein unbestimmter Gesetzesbegriff, dessen Inhalt im Wege der Auslegung nach § 6 ABGB zu ermitteln sei. Nach der Wortinterpretation falle eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in der Dauer von nur 72 Tagen schon begrifflich nicht in den Begriffskern einer „dauerhaften“ Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Auch die systematische Auslegung bestätige dieses Ergebnis. Der Gesetzgeber gehe von der gesetzlichen Fiktion aus, dass der gemeinsame Haushalt bei mehr als 91-tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst gelte, was darauf hinweise, dass eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in der Dauer von (wie im vorliegenden Fall) nur 72 Tagen nicht als „dauerhaft“ anzusehen sei. [...]

Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rsp zur Auslegung des § 2 Abs 6 erster Satz KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53(„dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“) zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese E erhobene Revision des Kl ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist iSd Abänderungsantrags auch berechtigt.

1. Erfordernis eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kind

[...]

1.2 Für getrennt lebende Elternteile normiert § 2 Abs 8 KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53, dass der antragstellende Elternteil, der mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, darüber hinaus obsorgeberechtigt sein muss und die Anspruchsvoraussetzungen nach Abs 1 Z 1 (Anspruch auf Familienbeihilfe und tatsächlicher Bezug der Familienbeihilfe) in eigener Person erfüllen muss.

[...]

1.4 § 2 Abs 6 und 8 idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53traten mit 1.1.2017 in Kraft und gelten für Bezugszeiträume ab 1.1.2017 (§ 50 Abs 19 KBGG), sind also im vorliegenden Fall bereits anwendbar.

2. Zum Erfordernis des gemeinsamen Haushalts bei Bezug des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes durch getrennt lebende Elternteile in der „Variante 12+2“ für den Verlängerungszeitraum

2.1 Die historische Entwicklung der relevanten Gesetzesstellen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Nach dem dem § 2 KBGG mit der Novelle BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116angefügten Abs 6 lag ein gemeinsamer Haushalt iS dieses Gesetzes nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind auch an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet waren. Der gemeinsame Haushalt galt bei mehr als dreimonatiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer der Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst.

2.2 Die Gesetzesmaterialien zur damaligen Fassung des § 2 Abs 6 KBGG führten aus, dass durch die Klarstellung, wonach ein gemeinsamer Haushalt eine auf längere Zeit gerichtete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit entsprechenden Hauptwohnsitzmeldungen des Elternteils und des Kindes an derselben Adresse voraussetze, eine Entlastung der Eltern und der Krankenversicherungsträger erreicht werde. [...]

2.3 Zugleich wurde mit der Novelle BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116– zusätzlich zu den pauschalen Bezugsvarianten – in Abschnitt 5 des KBGG das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld geschaffen. Damit wurde es erwerbstätigen Eltern ermöglicht, 80 % ihrer früheren Einkünfte (mit einer Deckelung) längstens bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes als Kinderbetreuungsgeld zu erhalten, wobei zwei Monate davon dem zweiten Elternteil vorbehalten sind (§ 24b KBGG; ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 4). Der gemeinsame Haushalt ist – neben den weiteren Voraussetzungen – Anspruchsvoraussetzung auch für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld in der Variante 12+2 (§§ 24 ff KBGG idF der Novelle BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116; ErläutRV 320 BlgNR 24. GP 16). 2.4 Mit der Novelle zum KBGG BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53wurde in Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen der Begriff des gemeinsamen Haushalts in § 2 Abs 6 KBGG nunmehr dahin umschrieben, dass eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Elternteil und Kind an derselben Wohnadresse sowie (kumulativ) eine hauptwohnsitzliche Meldung an dieser Adresse gegeben sein muss (siehe oben Pkt 1.3).

2.5 Die für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld vorgesehene Bezugsvariante „12+2“ blieb aufrecht (nunmehr 365 Tage + 61 Tage = 426 Tage).

3.1 Rsp zum Begriff des gemeinsamen Haushalts besteht lediglich zu § 2 Abs 6 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53.

[...]

Nach Weißenböck (in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz [2017] § 2 KBGG 36 f) werde man aus der Regelung des § 2 Abs 6 KBGG, nach der der gemeinsame Haushalt bei mehr als 91-tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst gelte, im Wege eines Umkehrschlusses ableiten müssen, dass hierunter eine Dauer von mindestens 91 Tagen zu verstehen sei.

3.5 Unter Berufung auf diese Ansicht verneint die Bekl auch im Revisionsverfahren die Berechtigung des Klageanspruchs.

4. Dem ist nicht zu folgen:

4.1 Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 6 KBGG und den Gesetzesmaterialien ergibt, ist das Fehlen einer ziffernmäßigen Eingrenzung des Begriffs „dauerhaft“ nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers iS einer planwidrigen Unvollständigkeit zurückzuführen. Vielmehr handelt es sich um 145 einen unbestimmten Gesetzesbegriff, dessen Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.

4.2 Die Rechtsansicht des Revisionswerbers, dass eine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ jedenfalls bei einem Bezugswechsel zwischen getrennt lebenden Elternteilen in der „Variante 12+2“ auch während der zweimonatigen Bezugsdauer im Verlängerungszeitraum vorliegen könne, ist zutreffend. Wenngleich die reine Wortinterpretation darauf hindeuten könnte, dass eine bloß zweimonatige Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft nur „vorübergehend“ und nicht „dauerhaft“ iSd § 2 Abs 6 idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53KBGG ist, stünde diese Auslegung bei Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhangs in Widerspruch zu § 5 Abs 3 und 4 KBGG sowie § 24b KBGG idF BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116:

4.3 Mit der KBGG-Novelle BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116wurde nicht nur das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld in der Variante 12+2 neu geschaffen, sondern generell die Mindestbezugsdauer pro Bezugsblock von (zuvor) drei Monate auf zwei Monate herabgesetzt (§ 5 Abs 3 und 4; § 24b). In den Gesetzesmaterialien wird dazu dargelegt, dass die kürzere Mindestbezugsdauer zur Erleichterung der Inanspruchnahme vor allem für Väter diene.

[...]

4.4 Diese Ziele würden jedoch unterlaufen werden, wenn bei getrennt lebenden Elternteilen ein gemeinsamer Haushalt während der auf zwei Monate reduzierten Mindestdauer zur Begründung einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ nicht ausreichen sollte.

[...]

4.5 Dem Argument der Revisionswerberin, ein oftmaliges Hin- und Herwechseln eines Kleinkindes zwischen den beiden Elternteilen werde in der Regel nicht dessen Wohl entsprechen, ist entgegenzuhalten, dass es in der Disposition der Eltern steht. [...]

5. Zwischenergebnis:

Die systematische Auslegung und die historische Auslegung ergeben somit, dass bei getrennt lebenden Elternteilen, die sich für die Inanspruchnahme der Bezugsvariante 12+2 entschieden haben, eine „dauerhafte“ Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft iSd § 2 Abs 6 KBGG an derselben Wohnadresse auch dann als erfüllt anzusehen ist, wenn diese im Verlängerungszeitraum nur von zweimonatiger Dauer ist und das Kind anschließend wieder in den Haushalt der Mutter zurückkehrt.

6. Zur Voraussetzung des Anspruchs auf Familienbeihilfe und deren tatsächlichen Bezug:

6.1 In ihrer Revisionsbeantwortung geht die Bekl nicht mehr darauf ein, dass der Kl ab 25.9.2017 Kinderbetreuungsgeld beantragt, allerdings erst ab 1.10.2017 Familienbeihilfe bezogen hat. Im Hinblick auf den in erster Instanz erhobenen Einwand, dieser Umstand führe zum Unterschreiten des zweimonatigen Mindestbezugszeitraums, ist dazu wie folgt Stellung zu nehmen:

6.2 Nach § 5 Abs 4 bzw § 24b KBGG idF BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116kann das Kinderbetreuungsgeld jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden. [...]

6.3 Nach § 2 Abs 1 Z 1 KBGG hat ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind, sofern für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) besteht und Familienbeihilfe für dieses Kind tatsächlich bezogen wird. Demnach muss der antragstellende Elternteil grundsätzlich nicht (selbst) Bezieher der Familienbeihilfe sein, sondern es genügt, wenn der andere Elternteil diese bezieht. [...]

6.4 Nach § 10 Abs 2 FLAG ist der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe jeweils der ganze Monat (VwGH2006/15/0228, 2009/16/0082). Nach dem in § 2a Abs 1 Satz 1 FLAG normierten „Überwiegensprinzip“ steht im Fall eines Haushaltswechsels des Kindes während eines Kalendermonats die Familienbeihilfe jenem Elternteil zu, der für den längeren Zeitraum den mit dem Kind gemeinsamen Haushalt geführt hat [...]. Ein Wechsel im Bezug des Kinderbetreuungsgeldes zwischen den Elternteilen ist nicht nur am Monatsersten bzw Monatsletzten möglich, sondern kann von den Eltern (innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen) dem Datum nach frei gewählt werden.

[...] Dem Kl als getrennt lebendem Elternteil war es [...] infolge § 2a Abs 1 FLAG und des dort geregelten „Überwiegensprinzips“ rechtlich nicht möglich, ab dem am 25.9.2017 vorgenommenen Haushaltswechsel des Kindes bis 30.9.2017 einen Anspruch auf Familienbeihilfe „in eigener Person“ (§ 2 Abs 8 KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) zu erwerben, diese Leistung tatsächlich ausgezahlt zu erhalten und so den von ihm angestrebten Mindestbezugszeitraum von zwei Monaten zu erreichen.

6.7 Da in § 2 Abs 8 KBGG idF BGBl I 53/2016BGBl I 53/2016der systematische Unterschied zwischen der Bezugsdauer der Familienbeihilfe nach dem FLAG und dem Erfordernis des tatsächlichen Bezugs der Familienbeihilfe nach dem KBGG nicht ausreichend Berücksichtigung findet, ist diese Regelung bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden – gemessen an ihrem Zweck – überschießend. [...]

7. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:

Der Umstand, dass der Kl im Zeitraum von 25.9.2017 bis 30.9.2017 nicht die vom Wortlaut des § 2 Abs 8 KBGG geforderte Voraussetzung des Bezugs von Familienbeihilfe in eigener Person erfüllt hat, ist allein auf die Auswirkungen des im Bereich der Familienbeihilfe geltenden Überwiegensprinzips nach § 2a Abs 1 FLAG iVm § 10 Abs 2 FLAG zurückzuführen. Da der Kl in diesem Zeitraum die weiteren Anspruchsvoraussetzungen (gemeinsamer Haushalt und Obsorge) erfüllt, hindert das Fehlen eines Familienbeihilfeanspruchs bzw das Fehlen des tatsächlichen Bezugs dieser Leistung seinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht.

ANMERKUNGEN

Der OGH hatte sich im gegenständlichen Fall de facto mit drei Themenkomplexen auseinanderzusetzen, welche vor allem auf die laufenden und vor allem unzureichend-punktuellen Novellierungen des KBGG seit 2009 zurückzuführen waren: 146

  1. einerseits der Definition des „gemeinsamen Haushaltes“ iS einer zeitlichen Einordnung;

  2. damit in Verbindung stehend war auch die mögliche Mindestbezugsdauer beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld von 61 Tagen/vormals zwei Monaten zu prüfen sowie

  3. die damit einhergehende Rechtsfrage der – bei getrennt lebenden Eltern häufig auftretende – Konstellation zeitlich nicht völlig deckungsgleicher Familienbeihilfebezüge des Anspruchswerbers mit dem Anspruchszeitraum des Kinderbetreuungsgeldes, welche in der Praxis bei Leistungsansprüchen von getrennt lebenden Kindeseltern in den letzten Jahren immer wieder zu Auslegungsschwierigkeiten führten (vgl dazu auch OGH 28.5.2019, 10 ObS 51/19a).

1.
Der gemeinsame Haushalt

1.1. Um die historische Entstehung der – laufend abgeänderten – Definition der Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushaltes bzw der „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ nachvollziehen zu können, muss vorerst darauf hingewiesen werden, dass bei Inkrafttreten des KBGG (BGBl I 2001/103) mit 1.1.2002 die Anspruchsvoraussetzung des „gemeinsamen Haushaltes“ in § 2 Abs 1 Z 2 KBGG anfangs überhaupt nicht (detailliert) definiert wurde.

1.2. § 2 KBGG, welcher die Anspruchsvoraussetzungen für den Kinderbetreuungsgeldbezug regelt, ist jedoch in weiterer Folge seit dessen Inkrafttreten mit 1.1.2002 bereits mehrfach novelliert, ergänzt und immer wieder an auftretende scheinbar unberücksichtigte Sachverhalte „angepasst“ worden, was jedoch durch lediglich partielle Neuregelungen im Gesamtsystem zu Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten führte. Insb standen hier die gem § 3 Abs 5 KBGG möglichen mindestens 61-tägigen Bezugsblöcke im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber in § 2 Abs 6 geregelten Fiktion der Haushaltsauflösung bei mehr als 91-tägiger Abwesenheit des Elternteiles oder des Kindes, aus welcher die bekl Krankenkassen im Rahmen eines Umkehrschlusses in der Praxis eine „neue“ Anspruchsvoraussetzung eines mindestens 91-tägigen gemeinsamen Haushaltes – wie sich nunmehr herausstellte – völlig unrichtig ableiteten.

1.3. Einerseits wurde von der Politik die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung durch die Möglichkeit eines zeitlich verlängerten Kinderbetreuungsgeldbezuges bei Betreuung des Kindes durch beide Elternteile forciert, medial gefordert und eine vermehrte Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung offiziell präferiert, andererseits sind (und waren) die gesetzlich korrespondierenden Normierungen im KBGG unzureichend und – neben der ohnehin arbeitsrechtlich im Unternehmen oftmals in der Praxis schwer durchzusetzenden Väterkarenz – größtenteils unklar bzw unzureichend formuliert. Daher traten in der Praxis oftmals beim Bezug der betreuenden Väter Sachverhalte auf, welche nach Meinung der Bekl unter den Gesetzestext des KBGG nicht oder nur unvollständig subsumiert werden konnten und zu ablehnenden Leistungsbescheiden führten. Vor allem die Auslegung der Begriffe „gemeinsamer Haushalt“ gem § 2 Abs 6 KBGG oder „obsorgeberechtigt“ gem § 2 Abs 8 leg cit oder Fragen zum Familienbeihilfebezug waren wegen der punktuellen und unsystematischen Novellierungen seit 2009 daher laufend Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen. In der Praxis wurden sohin von den bekl Krankenkassen idR derartige Leistungsanträge vorerst bescheidmäßig abgelehnt, um diese Auslegungsfragen zum KBGG laufend einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

1.4. Mit BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116 wurde – sicher auch aufgrund des Auftretens zahlreicher Auslegungsschwierigkeiten in der Praxis zum Begriff des „gemeinsamen Haushalts“ – in § 2 der neue Abs 6 eingefügt, welcher den gemeinsamen Haushalt erstmals näher definierte: Demzufolge lag ein solcher dann vor, „wenn Kind und Elternteil an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Bei mehr als dreimonatiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer der Abwesenheit des Elternteiles oder des Kindes galt der gemeinsame Haushalt jedenfalls als aufgelöst“.

Bereits in den Gesetzesmaterialien wurde einerseits für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes eine „auf längere Zeit gerichtete Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft mit entsprechender Hauptwohnsitzmeldung“ als erforderlich erachtet. Diese Überlegung wurde 2009 in den Gesetzestext des § 2 Abs 6 KBGG übernommen. Ein gemeinsamer Haushalt könne bereits ab dem ersten Tag der Abwesenheit des Elternteils bzw des Kindes aufgelöst sein. Daher wurde in Entsprechung dieser ursprünglichen Überlegung in den Gesetzesmaterialien aus 2001 nunmehr klärend legistisch ausdrücklich in § 2 Abs 6 (neu) KBGG festgehalten, dass bei „mehr als dreimonatiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer der Abwesenheit des Elternteiles oder des Kindes der gemeinsame Haushalt jedenfalls als aufgelöst gilt“.

Ein Bezugsblock musste – bei dem gewünschten Wechsel zwischen den Elternteilen iS einer vermehrten Väterbeteiligung an der Betreuung – anfangs noch mindestens drei Monate betragen (§5 Abs 4 KBGG). Das Thema getrennt lebender Eltern wurde 2009 legistisch noch nicht thematisiert.

Mit der Novelle BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116wurde in Abschnitt 5 – neben der Neudefinition des gemeinsamen Haushaltes – nach der bereits davor eingeführten vorhandenen Kurzvariante des Kinderbetreuungsgeldes „12+2“ in § 5c KBGG (€ 33,88 täglich) auch die neue Möglichkeit des „einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes“ geschaffen, welches maximal € 66,– täglich betragen kann. Der gemeinsame Haushalt des Beziehers mit dem Kind wurde neben den weiteren Anspruchsvoraussetzungen auch für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld in der Variante „12+2“ als Anspruchsvoraussetzung normiert, da gem § 24 Abs 1 Z 1 KBGG für den Bezug des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes „... die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 erfüllt sein müssen ...“. In dieser Phase 147 trat die erste Widersprüchlichkeit der von den bekl Versicherungsanstalten nach Weißenböck (in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG [2017] § 2 KBGG 36 ff) vertretenen Rechtsauffassung, dass ein gemeinsamer Haushalt möglicherweise erst nach 91 Tagen vorliegen könne, zur Mindestbezugsmöglichkeit von 61 Tagen auf.

1.5. Mit BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 wurde Abs 6 leg cit neuerlich ergänzt und trat mit 1.1.2017 für Bezugszeiträume ab 1.1.2017 gem § 50 Abs 19 KBGG in Kraft. Es wurde eingefügt, dass ein gemeinsamer Haushalt iS dieses Gesetzes nur dann vorliege, „wenn der Elternteil und das Kind auch an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet waren“. Im Rahmen einer Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen wurde zum Begriff des „gemeinsamen Haushaltes“ im § 2 Abs 6 KBGG nunmehr dahingehend im KBGG klargestellt, dass ein gemeinsamer Haushalt dann vorliegt, wenn „... eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und eine hauptwohnsitzliche Meldung an diese Adresse vorliegt...“.

„Dauerhaft“ stellt einen unbestimmten Gesetzesbegriff dar, der auszulegen war.

1.6. Da von der Bekl die von Weißenböck und dem dahinter stehenden Bundesministerium (in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG § 2 KBGG 36 ff) vertretene Rechtsauffassung, dass ein gemeinsamer Haushalt erst nach 91 Tagen vorliegen könne, vertreten wurde, hat die Bekl diesbezügliche Leistungsanträge vor allem von betreuenden Vätern bescheidmäßig abgelehnt, was in den Familien aufgrund der Karenzierung des – meist besserverdienenden – Vaters oftmals zu finanziell prekären Situationen geführt hat. Die gewünschte Väterbeteiligung wurde dadurch teilweise bereits ad absurdum geführt.

1.7. Der OGH befasst sich in der gegenständlichen E leider kaum mit der Wortinterpretation von „dauerhaft“. Dies hätte allenfalls (nur) zum Ergebnis geführt, das „dauerhaft“ ua mit „konstant, laufend, pausenlos“ etc begrifflich gleichgehalten wird. Auch kann ein Ereignis von langer Dauer oder von kurzer Dauer sein, sodass idZ im Rahmen der Rechtssicherheit legistisch generell davon abgesehen werden sollte, derartige unbestimmte Gesetzesbegriffe in Gesetze einfließen zu lassen, da hier die Auslegungsprobleme bereits vorprogrammiert erscheinen. Es musste daher systematisch- historisch ausgelegt werden.

1.8. Obwohl die reine Wortinterpretation zwar darauf hindeuten könnte, dass eine lediglich zweimonatige Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft „vorübergehend“ sein könnte, stellt der OGH zutreffend fest, dass eine derartige Auslegung vor allem bei Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhanges im Widerspruch zu § 5 Abs 3 und 4 KBGG sowie § 24 KBGG (Mindestbezugsblöcke von 61 Tagen) idF BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116steht.

1.9. Es ist die Auslegung der Bekl auch wenig überzeugend, dass bei identen Leistungsansprüchen (Kinderbetreuungsgeld) eine unterschiedliche Wertung hinsichtlich der persönlichen Lebensverhältnisse von nicht-getrennt und getrennt lebenden Eltern durch Heranziehung von Konstruktionen wie „Umkehrschlüssen“ entgegen dem relativ klaren Gesetzeswortlaut und dem Gesamtsystem des KBGG durchgeführt wird, welche im Gesetzestext auch keinerlei Niederschlag findet.

2.
61-tägige Mindestbezugsdauer – gemeinsamer Haushalt

2.1. Der Zusammenhang bzw die nach der Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 auftretende Widersprüchlichkeit der Regelung zum gemeinsamen Haushalt zur möglichen normierten Mindestbezugsdauer von 61 Tagen ist jedenfalls auch historisch gewachsen und konnte die Lösung der Rechtsfrage vom OGH daher auch im Rahmen der Auslegung nur systematisch und historisch erfolgen:

Die anfängliche (einzige) Grundvariante des Kinderbetreuungsgeldes „30+6“ (Bezugsmöglichkeit bis zum dritten Geburtstag des Kindes bei Betreuung durch beide Eltern) stellte sich nach einigen Jahren des Bestandes des KBGG in der Praxis als oftmals wenig praktikabel heraus, da hier keine Anpassung an den – lediglich bis zum zweiten Geburtstag des Kindes bestehenden – arbeitsrechtlichen Karenzanspruch von Mutter und Vater nach dem MSchG bzw VKG erfolgte. Eine gesetzliche Regelung zur abfedernden Elternteilzeit wurde erstmals mit BGBl I 2004/ 64BGBl I 2004/ 64geschaffen. Bezugsblöcke waren – ebenso wie die Karenzblöcke im MSchG und VKG! – mit mindestens drei Monaten beschränkt. Daraus ist klar ersichtlich, dass hier anfangs jedenfalls noch eine Übereinstimmung der Bezugsvariante, der Mindestbezugsdauer von drei Monaten und der Mindestkarenzdauer vorlag und mangels näherer Definition des gemeinsamen Haushaltes auch völlig unproblematisch in der Antragserledigung der Bekl war.

2.2. In der Folge wurden jedoch laufend noch zusätzliche Kinderbetreuungsgeldvarianten eingeführt: Seit der Novelle BGBl I 2007/76BGBl I 2007/76bestanden für Eltern drei Wahlmöglichkeiten hinsichtlich Dauer und Höhe des Kinderbetreuungsgeldbezuges: Immer abhängig vom Lebensalter des Kindes waren neben der anfänglichen Grundvariante „30+6“ (€ 14,53 täglich) auch die zwei Kurzvarianten von, „15+3“ (€ 26,60 täglich) oder „20+4“ (€ 26,60 täglich) möglich. Auch hier waren die „Drei-Monats-Blöcke“ (Bezugsdauer – Variante – Mindestkarenzdauer) noch im Einklang, da es auch bei der kürzesten Variante „15+3“ zu keinen Widersprüchlichkeiten kam. In der Anfangszeit des KBGG traten daher noch kaum bzw eine vernachlässigbare Zahl an ausjudizierten Auslegungsfragen zum gemeinsamen Haushalt auf.

Es kann sohin davon ausgegangen werden, dass erst ab Einführung der aktuellsten Kurzvariante „12+2“ (€ 33,88 täglich) und des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens (maximal € 66,– täglich) und deren Novellierung zum „Kinderbetreuungsgeld-Konto“ mit BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53(für Geburten ab 1.3.2017) mit einer möglichen Mindestbezugsdauer von zwei Monaten/61 Tagen und der gleichzeitigen Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen bei getrennt lebenden Eltern durch Einführung des148 § 2 Abs 8 KBGG ein Großteil der idZ bestehenden Rechtsstreitigkeiten zum gemeinsamen Haushalt auftrat.

2.3. Diese Widersprüchlichkeit wäre natürlich bei einer legistisch eindeutigen Formulierung und/ oder einer systemerhaltenden Novellierung vermeidbar gewesen.

2.4. Der OGH hat auch in einem Urteil zum gemeinsamen Haushalt bei Krisenpflegeeltern (30.7.2019, 10 ObS 65/19k) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hier die Systeme nicht (mehr) aufeinander abgestimmt sind: „Wie sich die Neuregelung einer Mindestdauer von 91 Tagen (Anm: bei Krisenpflegeeltern) mit der nach wie vor aufrechten Mindestbezugsdauer von 61 Tagen (§ 3 Abs 5 KBGG) vereinen lässt, erklären die Gesetzesmaterialien nicht. Ungelöst bleibt auch das Problem, inwieweit ein nicht mit dem anderen im gemeinsamen Haushalt lebender Elternteil (einkommensabhängiges) Kinderbetreuungsgeld nur für die Mindestbezugsdauer von 61 Tagen in Anspruch nehmen soll.“ – Hier bezog sich der OGH im letzten Halbsatz möglicherweise auf das gegenständliche Judikat.

2.5. Nur im Wege einer systematischen und historischen Auslegung des Begriffes des „gemeinsamen Haushaltes“ und der damit zusammenhängenden Mindestbezugsblöcke konnte man bei Bezugsvarianten „12+2“ auch bei getrennt lebenden Eltern zu dem sinnvollen, praktikablen, die Väterbeteiligung forcierenden – und vom Gesetzgeber ursprünglich auch gewollten – richtigen Ergebnis gelangen.

2.6. Bei einem von der Bekl geforderten gemeinsamen Haushalt von mindestens 91 Tagen (Umkehrschluss zur Fiktion der Haushaltsauflösung nach 91 Tagen) steht dies natürlich auch eindeutig der Intention des KBGG entgegen, die Flexibilität bei der Wahl der Bezugsdauer und die generelle Väterbeteiligung zu forcieren, weswegen diese Auslegung auch abzulehnen ist.

3.
Familienbeihilfe

3.1. Obwohl das Kind im gegenständlichen Fall bereits ab 25.9.2017 im Haushalt des Kl gemeldet war und die Familienbeihilfe erst formal ab 1.10.2017 ausbezahlt wurde, sohin der Kl im Zeitraum von 25.9. bis 30.9.2017 nicht die vom Wortlaut des § 2 Abs 8 KBGG geforderte Voraussetzung des Bezugs von Familienbeihilfe „in eigener Person“ erfüllt hat, bejaht der OGH auch in dieser Hinsicht den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld.

3.2. Eltern, die einen Betreuungswechsel nicht exakt am ersten eines Kalendermonates durchführen (was die Regel ist!) und die getrennt leben, wären daher vom Kinderbetreuungsgeldbezug nahezu ausgeschlossen. Die Vermutung liegt auf der Hand, dass seitens der Regierung/des Bundesministeriums durch die Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 und der Einfügung des § 2 Abs 8 KBGG möglicherweise de facto die „Vater-Mutter-Kind-Regelbeziehung“ in einem gemeinsamen Haushalt belohnt, andere Lebensformen hingegen bestraft bzw sanktioniert werden sollten. Dies stellte jedoch jedenfalls eine Diskriminierung bzw Schlechterstellung aufgrund des Familienstandes iS einer Diskriminierung getrennt lebender Paare im Vergleich zur „Regelfamilie“ dar, was abzulehnen ist.

3.3. Da gem § 10 Abs 2 FLAG der Anspruch auf Familienbeihilfe immer (erst) an einem Monatsers ten auf den anderen Elternteil übergeht bzw der Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ferner der ganze Kalendermonat ist, wäre es für den Kl faktisch gar nicht möglich gewesen, die Familienbeihilfe bereits ab 25.9.2017 „in eigener Person“ zu beziehen. Nach dem in § 2a Abs 1 Satz 1 FLAG normierten „Überwiegensprinzip“ steht ferner bei Haushaltswechsel des Kindes während eines Kalendermonats die Familienbeihilfe jenem Elternteil zu, der für den längeren Zeitraum den mit dem Kind gemeinsamen Haushalt geführt hat (VwGH 28.11.2007, 2007/15/0058). Ein Wechsel zwischen den Eltern in Bezug der Familienbeihilfe mit Wirksamkeit während eines laufenden Kalendermonats ist somit im FLAG überhaupt nicht vorgesehen.

3.4. Um auch diesen Normenkonflikt zwischen den Regelungen des KBGG und des FLAG zu vermeiden bzw aufzulösen und den Leistungsbezug bei getrennt lebenden Elternteilen nicht zu verunmöglichen, spricht der OGH vollkommen nachvollziehbar aus, dass das Fehlen der Personenidentität von Familienbeihilfebezieher und Kinderbetreuungsgeldwerber dem Erfordernis der zweimonatigen Mindestbezugsdauer somit nicht entgegensteht. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Fehlen der Personenidentität nur darauf zurückzuführen ist, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe auf den anderen Elternteil jeweils nur mit dem Monatsersten übergehen kann (§ 10 Abs 2 FLAG iVm § 2a Abs 1 FLAG).

3.5. Im § 2 Abs 8 KBGG wurde für getrennt lebende Eltern/Väter de facto eine strengere Anforderung für den Kinderbetreuungsgeldbezug festgelegt („Familienbeihilfebezug in eigener Person“) als für nicht-getrennt lebende Eltern, da bei diesen lediglich „für das Kind“ Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen und die Familienbeihilfe auch tatsächlich bezogen werden muss. Eine derartige Schlechterstellung stellt jedoch de facto auch eine Diskriminierung dar, welche unzulässig wäre. Der OGH hat letztendlich durch eine systematische Auslegung diese hintangehalten.

3.6. Da der Kl im klagsgegenständlichen Zeitraum die weiteren Anspruchsvoraussetzungen (gemeinsamer Haushalt und Obsorge) erfüllt, kann das Fehlen eines Familienbeihilfeanspruchs bzw das tageweise Fehlen des tatsächlichen Bezugs dieser Leistung seinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht hindern.

3.7. Auch hier kam es erneut durch eine punktuelle und nicht auf andere Normen abgestimmte Novellierung des KBGG (§ 2 Abs 8 neu) mit dem BGBl 2016/53BGBl 2016/53zu vorprogrammierten Auslegungsschwierigkeiten, welche vom OGH im Rahmen einer teleologischen Reduktion zur Vermeidung eines Normenkonfliktes des KBGG mit dem FLAG völlig richtig gelöst wurden.

Zwischenzeitig wurde im Übrigen § 2 Abs 6 KBGG erneut mit BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 novelliert und umfasst nunmehr auch kasuistische Konstellationen wie 149 mögliche Krankenhausaufenthalte und Krisenpflege, die neuerlich mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten. Eine weitere Befassung des OGH aufgrund des nach wie vor bestehenden Widerspruches von 61-tägigen Bezugsblöcken gegenüber der beispielsweise nunmehr für Kriseneltern normierten Anspruchsvoraussetzung von einer mindestens 91-tägigen Betreuung ist daher wohl nur eine Frage der Zeit.

Es wäre daher auch für die Rechtsanwendung in der Zukunft wünschenswert, dass die vom Gesetzgeber wohl ursprünglich intendierte Väterbeteiligung im Rahmen von mindestens 61-tägigen Bezugsblöcken auch bei getrennt lebenden Vätern derartig klar im KBGG und unter harmonischer Einbeziehung von korrespondierenden Normen (wie beispielsweise dem FLAG, dem MSchG und dem VKG) geregelt wird, damit es in der Praxis auch für die Antragswerber nicht (mehr) zu finanziell prekären Situationen durch langwierige gerichtliche Klärungen von Anspruchsvoraussetzungen wegen bestehenden punktuellen und wenig durchdachten Novellierungen kommen muss.

Der Gedanke, dass das Kinderbetreuungsgeld nicht an der Person des betreuenden (Pflege-) Elternteiles selbst, sondern am zu betreuenden Kind „festgemacht“ wird, möge in den zukünftigen Novellierungen des KBGG Beachtung finden.