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Sperrrecht durch ausdrücklichen Widerspruch?

BARBARATROST (LINZ)
  1. Schutzzweck der Regelung, die ein Verlangen des AN für das Anfechtungsrecht des BR voraussetzt, ist auch, dass dem AN nicht gegen seinen Willen ein Kündigungsschutzverfahren aufgezwungen werden soll.

  2. Nach der Konzeption des kollektivrechtlich konstruierten Kündigungsschutzes kommt das Anfechtungsrecht im Falle eines Widerspruchs des BR zur Kündigung primär und ausschließlich dem BR zu. Zusätzlich setzt das Recht auf Kündigungsanfechtung durch den BR ein „Verlangen“ des AN voraus, da das Kündigungsschutzverfahren nicht gegen den Willen des AN eingeleitet werden soll. Dies setzt aber voraus, dass dem BR in irgendeiner Form während der ihm für die Anfechtung zur Verfügung stehenden Frist bekannt wird, dass der AN eine Anfechtung wünscht oder zumindest mit einer solchen einverstanden ist. Nur so kann ein Anfechtungsanspruch des BR entstehen, der dann auf den AN übergehen kann.

  3. Im Nachhinein hypothetisch nachzuvollziehen, ob der AN mit einer Anfechtung einverstanden gewesen wäre bzw ob der BR im Fall eines ihm bekannt gewordenen Einverständnisses selbst eine Kündigungsanfechtung vorgenommen hätte, entspricht nicht dem Gesetz.

Der Kl war ab 1.10.2013 Angestellter der Bekl. Auf das Dienstverhältnis findet der KollV für Mitarbeiter/ innen der Ö* AG Anwendung. Das Dienstverhältnis wurde am 14.5.2018 zum 31.7.2018 gekündigt. [...] Bei diesem Gespräch wurde dem Kl auch mitgeteilt, dass der BR der Kündigung widersprochen habe und er sich an die Vorsitzende des BR wenden könne. Diese wurde am 17.5.2018 per E-Mail von der Kündigung in Kenntnis gesetzt.

Der Kl wollte die Kündigung jedenfalls anfechten. Ihm war nicht bekannt, dass bei einem Widerspruch des BR vorerst ein ausschließliches Anfechtungsrecht des BR besteht. Er versuchte mehrfach, die Vorsitzende des BR telefonisch zu erreichen, da er hoffte, von ihr Gründe für die Kündigung zu erfahren. Hätte er sie erreicht, hätte er ihr mitgeteilt, dass er die Kündigung selbst anfechten möchte. In der Folge wandte er sich an den Klagevertreter, dem er am 22.5.2018 beim ersten Besprechungstermin den Auftrag zur Kündigungsanfechtung erteilte. Kontakt zum BR bestand zu keiner Zeit. Erst während des Verfahrens nahm der Klagevertreter Kontakt zur Vorsitzenden des BR auf, die ihm mitteilte, dass der BR nur Anfechtungen für AN vornehme, wenn diese Gewerkschaftsmitglieder seien, was auf den Kl nicht zutrifft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Kl nicht möglich gewesen wäre, allfällige weitere Betriebsratsmitglieder ausfindig zu machen oder ein E-Mail an die Vorsitzende des BR zu schreiben.

Der Kl ficht die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an. Die Einzelheiten des arbeitsverfassungsrechtlichen Kündigungsanfechtungsverfahrens seien ihm nicht bekannt gewesen. Zwischen ihm und dem BR sei es weder vor Ausspruch der Kündigung noch innerhalb der Wochenfrist nach Zugang der Kündigungserklärung zu einer Kontaktaufnahme gekommen. Er habe nicht gewusst, dass er bei einem Widerspruch des BR gegen die Kündigung innerhalb einer Frist von einer Woche ein Verlangen gegenüber dem BR aussprechen müsse, die Kündigung anzufechten. Hätte er dies gewusst, hätte er den BR zur Anfechtung aufgefordert. Hätte dieser mit ihm erörtert, dass der Kl selbst die Kündigung anfechten könne, hätte er sich für eine individuelle Anfechtung entschieden, da er über eine Rechtsschutzversicherung verfüge.

Dass die Kontaktaufnahme mit dem BR innerhalb der Wochenfrist gescheitert sei, sei für die aktive Klagslegitimation letztlich irrelevant. Die Betriebsratsvorsitzende habe während des Verfahrens ausdrücklich erklärt, dass sie bei erfolgter Kontaktaufnahme den Kl, da er kein Gewerkschaftsmitglied sei, an die Arbeiterkammer (AK) oder einen Rechtsanwalt weiterverwiesen hätte.

Die Bekl bestritt. Da der BR nicht zur Anfechtung der Kündigung aufgefordert worden sei, sei der Kl nicht zur Klage legitimiert.

Das Erstgericht wies die Klage ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Erstgericht. Bei der Beurteilung, ob ein „Verlangen“ des AN iSd § 105 Abs 4 ArbVG vorliege, lege die Rsp einen großzügigen Maßstab an. Schutzzweck des „Verlangens“ des AN sei, dass ihm ein Kündigungsschutzverfahren nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werde. Durch die Einbindung des BR solle sichergestellt werden, dass dieser auf sein primäres Anfechtungsrecht bestehen könne. Da nach den Feststellungen der BR einem Anfechtungsverlangen des Kl, weil dieser nicht Gewerkschaftsmitglied sei, jedenfalls nicht entsprochen hätte, werde durch die Klage keiner dieser Gesetzeszwecke verletzt. Dass der BR kein Interesse an einer Anfechtung habe, sei schon daraus erkennbar, dass von Seiten des BR niemand mit dem Kl Kontakt aufgenommen habe, um die weitere Vorgangsweise abzuklären. Dem Zweck der Regelung entspreche es daher, das Anfechtungsrecht auch dann übergehen zu lassen, wenn dem AN der Beweis gelinge, dass der BR einem Verlangen auf Anfechtung jedenfalls nicht entsprochen hätte.

Den Rekurs an den OGH ließ das Berufungsgericht zu, weil keine höchstgerichtliche Rsp zur Frage vorliege, ob das Recht auf Kündigungsanfechtung auf den AN auch dann übergehe, wenn er im Verfahren unter Beweis stelle, dass der BR einem (nicht gestellten) Verlangen auf Anfechtung der Kündigung jedenfalls nicht entsprochen hätte.

[...]

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt. 469Nach § 105 Abs 4 ArbVG kann der BR auf Verlangen des gekündigten AN binnen einer Woche nach Verständigung vom Ausspruch der Kündigung diese beim Gericht anfechten, wenn er der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen hat. Kommt der BR dem Verlangen des AN nicht nach, so kann dieser innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der für den BR geltenden Frist die Kündigung selbst beim Gericht anfechten.

In der E 8 ObA 177/01i wurde ausgeführt, dass diese Bestimmung deutlich mache, dass das Recht, die Anfechtungsklage zu erheben, im Fall eines Widerspruchs des BR gegen die Kündigung primär dem BR, und diesem nur dann zusteht, wenn der AN von ihm die Anfechtung verlangt habe. Da aber im Fall eines Widerspruchs des BR gegen die Kündigungsabsicht der AN selbst nur zur Klage berechtigt sei, wenn der BR dem Verlangen auf Anfechtung der Kündigung nicht nachkomme, setze auch das Anfechtungsrecht des AN voraus, dass der AN den primär anfechtungsberechtigten BR zunächst aufgefordert habe, die Anfechtung vorzunehmen.

An das „Verlangen“ des AN iSd § 105 Abs 4 ArbVG an den BR, die Kündigung anzufechten, sind nach der Rsp keine besonderen formellen Ansprüche zu stellen. Wesentlich ist, dass aus den Erklärungen des AN insgesamt hervorgeht, dass er möchte, dass seine Kündigung durch Ausübung des Anfechtungsrechts nach § 105 ArbVG wieder aufgehoben wird (9 ObA 216/00y). Dieser „Wunsch“ kann sich insb in (auch vor ausgesprochener Kündigung erfolgten) Erklärungen und Verhaltensweisen, wie etwa Gesprächen mit dem BR und Befassung eines Vertreters der AK, manifestieren (Wolligger in Zell-Komm Arbeitsrecht3, § 105 ArbVG Rz 68).

Schutzzweck der Regelung, die ein Verlangen des AN für das Anfechtungsrecht des BR voraussetzt, ist nach hA auch, dass dem AN nicht gegen seinen Willen ein Kündigungsschutzverfahren aufgezwungen werden soll (vgl Cerny in DRdA 2002/18; Trost in DRdA 2002/4).

In der zuvor zitierten E 8 ObA 177/01ihat der OGH aber auch klargestellt, dass im Fall eines Widerspruchs des BR gegen die Kündigungsabsicht mangels eines Anfechtungsverlangens des AN der BR zur Erhebung der Anfechtungsklage gar nicht berechtigt ist und daher das Klagerecht auch durch Zeitablauf nicht auf den AN übergehen kann. Andernfalls hätte es der AN in der Hand, das primäre Anfechtungsrecht des BR durch Unterlassung eines Verlangens auf Anfechtung zu umgehen und in jeden Fall selbst die Klage einzubringen. Dies sei mit dem klaren Konzept des Gesetzgebers nicht vereinbar. Fehle es an einem wie immer gearteten Verhalten des AN, das als ein Anfechtungsverlangen interpretiert werden könne, habe der BR überhaupt erst nach der Einbringung der Klage von dieser erfahren, sei das Klagerecht des AN zu verneinen.

In einer Glosse zu dieser E hat Firlei (ZAS 2002/15) unter Hinweis auf die Funktion des Anfechtungsverlangens, dem AN nicht gegen seinen Willen ein Kündigungsschutzverfahren aufzuzwingen, vertreten, dass eine Anfechtung auch dann zugelassen werden sollte, wenn eine in plausibler Weise zu vermutende „stille“ Zustimmung des DN zur Anfechtung schlicht aus den vorliegenden Umständen zu erschließen sei. Diese könne sich aus dem hypothetischen Willen des AN unter Berücksichtigung der gesamten vorliegenden Umstände ergeben, also nicht nur aus Erklärungen und (schlüssigen) Verhaltensweisen. Auch eine bloß aus den Umständen zu vermutende Einwilligung des AN in die Bekämpfung der Kündigung löse das formelle Anfechtungsrecht des BR, subsidiär das des AN, aus. Wolligger (in ZellKomm, Arbeitsrecht3, § 105 ArbVG Rz 68) pflichtet dem bei: Nur eine Interpretation des Begriffs „Verlangen“ als „Vorliegen eines Einvernehmens“ könne dem von der Rsp immer wieder betonten Postulat der Einzelfallgerechtigkeit gerecht werden.

Dem kann angesichts der klaren gesetzlichen Regelung nicht beigepflichtet werden. Der allgemeine Kündigungsschutz ist im Rahmen der Betriebsverfassung, eingebunden in die Mitwirkungsbefugnisse der Arbeitnehmerschaft, geregelt. Es handelt sich also um einen kollektivrechtlich geprägten Kündigungsschutz mit dem vorrangigen Ziel der Wahrnehmung der Gesamtinteressen der Arbeitnehmerschaft, wobei jedoch diese Regelung auch stark individualrechtliche Komponenten enthält (Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 105 Rz 9, 162). Nach der Konzeption des Gesetzes kommt das Anfechtungsrecht im Falle eines Widerspruchs des BR zur Kündigung primär und ausschließlich dem BR zu. Zusätzlich setzt das Recht auf Kündigungsanfechtung durch den BR ein „Verlangen“ des AN voraus, da das Kündigungsschutzverfahren nicht gegen den Willen des AN eingeleitet werden soll. Dies setzt aber voraus, dass dem BR in irgendeiner Form während der ihm für die Anfechtung zur Verfügung stehenden Frist bekannt wird, dass der AN eine Anfechtung wünscht oder zumindest mit einer solchen einverstanden ist. Wie bereits in der E 8 ObA 177/01idargelegt, kann nur so ein Anfechtungsanspruch des BR entstehen und nur dann ein solcher Anspruch auf den AN übergehen.

Die vom Berufungsgericht angenommene Möglichkeit, im Nachhinein hypothetisch nachzuvollziehen, ob der AN mit einer Anfechtung einverstanden gewesen wäre bzw ob der BR im Fall eines ihm bekannt gewordenen Einverständnisses selbst eine Kündigungsanfechtung vorgenommen hätte, entspricht damit nicht dem Gesetz.

Für den konkreten Fall bedeutet das, da der Kl weder vor der Kündigung noch nach Ausspruch der Kündigung innerhalb der dem BR zur Klagseinbringung zur Verfügung stehenden Frist Kontakt mit einem Mitglied des BR hatte und daher kein dem BR bekannt gewordenes Verhalten setzte, aus dem auf ein „Verlangen“ der Anfechtung geschlossen werden hätte können, dass weder der BR noch in der Folge der Kl ein Recht auf Anfechtung der Kündigung hatte.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben, der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und aufgrund Spruchreife das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen. [...]470

ANMERKUNG

Nach zahlreichen durchaus vernünftigen und dem Zweck des § 105 Abs 4 ArbVG gerechten Vorentscheidungen (vgl bereits VwGH86/01/0037

= [Trost] = RdW 1987, 268 = ÖJZ 1987/264 A; vgl dazu auch Löffler/Trost, DRdA 1987, 353; insb aber auch OGH 8 ObA 216/00yDRdA 2002/4 [Trost]) trifft hier das Höchstgericht eine ausschließlich am Gesetzeswortlaut orientierte Fehlentscheidung. Der AG (!) – in dem hier im Vorfeld gescheiterten Dialoggeschehen zwischen AN und dessen betrieblicher Vertretung sozusagen ein „Dritter“ – profitiert durch Abweisung der Anfechtungsklage! Es ist dies ein bedauerliches Ergebnis, das bei Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden und nach allgemeinen Grundsätzen gebotenen Interpretationsmethoden (§§ 6, 7 ABGB; vgl nur zB Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6 [1991] 320 ff) durchaus vermeidbar gewesen wäre (vgl im Übrigen auch bereits Strasser, Rechtsdogmatik, Rechtstheorie und juristische Methodologie, DRdA 1983, 240 [244]: „Eine Berechtigung zur Unterlassung weiterer interpretativer Bemühungen wegen des Eindrucks, der sprachliche Ausdruck für sich allein lasse bereits klar Sinn und Bedeutung des Gedachten erkennen, besteht aber niemals.“).

1.
§ 105 Abs 4 ArbVG – die grammatikalische Interpretation

Der OGH spricht mit Blick auf den Wortlaut des § 105 Abs 4 ArbVG von der „klaren gesetzlichen Regelung“. In diesem kommt das „Verlangen“ des gekündigten AN zwei Mal vor: Der BR kann „auf Verlangen ...“ die Kündigung anfechten; kommt er „dem Verlangen ... nicht nach“, so kann der AN selbst anfechten. Formal hat der BR eine einwöchige Frist, um dem Verlangen nachzukommen. Tut er dies nicht, so kann der AN selbst die Anfechtung vornehmen. Wortlautgemäß könnte demnach auch der AN die Anfechtung erst vornehmen, nachdem die Frist für den BR verstrichen wäre (was ohnehin mit Recht von der Rsp abgelehnt wird; vgl nur OGH8 ObA 216/00yDRdA 2002/4 [Trost]). Genau an diesem Wortlaut orientiert, könnte man in der Tat zu dem Ergebnis kommen, ohne „Verlangen“ des AN entstünde kein Anfechtungsrecht des BR, und es könne ein solches damit auch nicht auf den AN übergehen.

Aus dem reinen Wortlaut Ergebnisse zu gewinnen, verbietet sich grundsätzlich (vgl nur Strasser,

), besonders aber stets dann, wenn der Wortlaut nicht hinreichend klar ist. Dass diese Unsicherheit auf den Fall des § 105 Abs 4 ArbVG zutrifft, wurde in der zit Rsp, begleitet von einer mittlerweile hL (vgl nur zB Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] §105 Rz 9, 162; Wolligger in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm, Arbeitsrecht3 § 105 ArbVG Rz 68; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG [Loseblatt 2012] § 105 Rz 20, Rz 332 ff mwN) umfassend belegt.

Es gebietet also die allgemeine juristische Methodentreue die Heranziehung weiterer Interpretationsmethoden.

2.
§ 105 Abs 4 ArbVG – die systematischlogische Interpretation

In systematischer Hinsicht wird zur Charakterisierung des allgemeinen Kündigungsschutzes an sich regelmäßig dessen prinzipiell kollektivrechtliche Konstruktion ins Treffen geführt (zu dieser historisch und im Wandel vgl ausführlich Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG [2012] § 105 Rz 6 ff und 15 ff; sowie dies, Das Lebensalter als „soziale Komponente“ im österreichischen Kündigungsschutz – von den Anfängen bis zum ARÄG 2000, in FS Cerny [2001] 353 ff [354 ff]; und dies, Wurzeln und Wandel des Kollektivismus am Beispiel des Kündigungsschutzes, DRdA 2019, 301 ff). Eine Detailbetrachtung derselben verlangt nicht nur den Vergleich mit verwandten Normen, sondern auch eine gedankliche Trennung in die Frage nach der materiell-rechtlichen und der (hier ausschließlich relevanten) verfahrensrechtlichen Konstruktion.

Inhaltlich eingebettet ist der allgemeine Kündigungs- und Entlassungsschutz in den Abschnitt 3 des 3. Hauptstückes des II. Teils des ArbVG, jenen Abschnitt, der mit „Mitwirkung in personellen Angelegenheiten“ übertitelt ist, wobei in qualitativer Hinsicht, also was die mögliche Ingerenz des BR in die Angelegenheiten zwischen AG und AN anbelangt, der Kontext jener der „zwingenden Mitbestimmung“ ist. Die Tatbestände der zwingenden Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten umfassen die §§ 100 bis 102 sowie §§ 105 bis 107 ArbVG, wobei nur in den Fällen der §§ 101 sowie 105 bis 107 ArbVG Rechtskontrolle (bei Versetzungen gemäß Zustimmungsprinzips, bei Kündigungen und Entlassungen gemäß Einspruchsprinzips) vorgesehen ist. Eine korrekte systematische Betrachtung des kollektiven Aspekts des Klagerechts verlangt daher einen Vergleich der §§ 100 bis 102 sowie 105 bis 107 ArbVG.

So erweist sich etwa, dass hinsichtlich der den Belegschaften materiell zugewiesenen Befugnissen in Angelegenheiten der individuellen Leistungslohnfestsetzung gem § 100 ArbVG nicht nur kein Klagerecht des BR, sondern vielmehr sogar die Mitbestimmung an sich nur „bedingt“ durch das Nichtvorliegen einer einzelvertraglichen Einigung besteht. Es kann daher dort schon materiell-rechtlich richtigerweise gar nicht von einem kollektivrechtlichen Anspruch ausgegangen werden. Ähnlich stellt sich aber auch die Konstruktion des § 102 ArbVG dar. Soweit nämlich die arbeitsvertragliche Seite bei Disziplinarmaßnahmen angesprochen ist, wird besonders deutlich, dass die Zustimmung des BR hier nur eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die nachfolgende einzelvertragliche Maßnahme darstellt (vgl bereits Strasser im ArbVG-HK [1975] 579), der BR aber schon materiell kein Recht hat, zB gestaltend auf den Vertrag einzuwirken. Umso weniger besteht ein selbstständiges Klagerecht des BR im Falle der Verletzung seiner Befugnis; die allfällige 471 Rechtsunwirksamkeit der Maßnahme kann auch hier nur vom AN selbst bekämpft werden (vgl Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG [Loseblatt 2013] § 102 Rz 50).

Besonderes Augenmerk verdient, was die Parallele der Materien an sich anbelangt, der Vergleich zwischen Versetzungsschutz und allgemeinem Bestandschutz. In beiden Fällen ist die Mitbestimmung als zwingende mit Rechtskontrolle konstruiert; in beiden Fällen geht es um substantielle Eingriffe in die vertragsrechtliche Position von AN, nämlich einmal um die tiefgreifende Änderung der Arbeitsbedingungen und im anderen Fall um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses überhaupt. Nun hat – wie bereits an anderer Stelle ausführlich ausgeführt (vgl

ff [118]
zu OGH 9.4.1997, 9 ObA 2291/96v) – der Gesetzgeber trotz materiell großer Bedeutung der kollektivrechtlichen Komponente bei verschlechternden Versetzungen ein arbeitsvertragsrechtlich relevantes Klagerecht des BR selbst für den Fall nicht vorgesehen, dass der BR völlig übergangen worden wäre.

Als erster systematischer Schluss ist daher festzuhalten: Im Kontext der übrigen Bestimmungen im Rahmen der zwingenden Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten stellt in verfahrensrechtlicher Hinsicht § 105 Abs 4 ArbVG eine Ausnahme dar. Von einer Einbettung in ein Umfeld kollektivrechtlicher Klagebefugnisse kann keine Rede sein! In keinem einzigen anderen Fall ist in arbeitsvertraglich relevanter Hinsicht ein Klagerecht des BR vorgesehen, uzw – wie anhand der Befugnis bei verschlechternden Versetzungen zu zeigen war – nicht einmal dann, wenn die arbeitsvertragliche Folge wegen einer (vielleicht sogar böswilligen) Missachtung der materiell-kollektivrechtlichen Befugnisse des BR eintritt!

Nach dieser Betrachtung des Normenumfeldes soll noch ein Blick auf § 105 ArbVG selbst ein Systemproblem offenbaren, das man im Auge haben sollte, ehe man die kollektivrechtliche Konstruktion verselbstständigt und zum Dogma erhebt. Mindestens für die hier gegenständliche verfahrensrechtliche Komponente muss man zur Kenntnis nehmen, dass das „kollektivistische Prinzip“ von Beginn an hinkt: Während nämlich im Kontext mit der rein vertragsrechtlichen Seite, also was die Anfechtung der wirksam erfolgten Vertragsauflösung anbelangt, ein (primäres) kollektivrechtliches Klagerecht in § 105 Abs 4 ArbVG enthalten ist, existiert seit jeher – wie an anderer Stelle bereits angemerkt (Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG [Loseblatt 2012] § 105 Rz 132) – genau dort keinerlei kollektives Rechtsdurchsetzungsinstrument, wo die materielle Befugnis der Belegschaft, vertreten durch den BR, am stärksten ausgeprägt ist, nämlich hinsichtlich allfälliger Verletzungen der Abs 1 und 2 des § 105 ArbVG. Wurde das Vorverfahren (uU sogar gröblichst, etwa durch völlige Umgehung des BR) verletzt, fehlt es nicht nur an einer kollektiven Sanktion – es kann sich in diesem Fall der AN nicht einmal verfahrensrechtliche Unterstützung durch den BR holen! Dass materiell-rechtlich der allgemeine Bestandschutz kollektivrechtlich konstruiert war (und mit dem im Wesentlichen dem Missbrauchsschutz geschuldeten Einschränkungen noch ist), wird hier nicht in Frage gestellt. Von einer kollektivrechtlichen Konstruktion des Klagerechts zu sprechen, verbietet aber mit Blick auf diesen systematischen Kontext die Logik.

3.
§ 105 Abs 4 ArbVG – die subjektiv-historische Interpretation

Sinn des Blickes auf die historische Entwicklung der Norm ist es, zu ergründen, ob auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht die kollektivistische Konstruktion bereits ab ovo beabsichtigt war, und aber auch danach in den Etappen der Weiterentwicklung in einem Maß erhalten geblieben ist, welches eine Grundlegung dieses Prinzips als Interpretationsmaxime für das „Verlangen“ gem § 105 Abs 4 ArbVG rechtfertigen könnte.

Die Rückschau auf die Wurzeln des allgemeinen Bestandschutzes erweist eine kollektivistische Gestaltung unter allen Aspekten. § 3 Abs 2 Z 9 BRG 1919 (zu dessen Entstehung und Wandel vom ursprünglich reinen Entlassungsschutz in der RV [164 Blg KNV 3] zum Kündigungs- und Entlassungsschutz vgl zuletzt Trost, DRdA 2019, 301 ff; vgl im Übrigen auch dies, in FS Cerny [354 ff]) kennt als materielles Schutzobjekt ausschließlich die Interessen des Kollektivs (nämlich den Schutz der Koalitionsfreiheit iwS) und weist folgerichtig die formelle Durchsetzung ausschließlich dem BR zu. Das bedeutet – wenigstens dem Wortlaut nach – zweierlei: AN hatten kein Selbstanfechtungsrecht und AN konnten sich gegen die Anfechtung durch den BR nicht wehren (vgl bereits Floretta/Strasser, Kommentar zum BRG [1961] 357; außerdem jüngst Trost, DRdA 2019, 301 ff [303]). Dass der AN durch die Anfechtung „überrollt“ werden konnte, war wegen der eindeutigen Zuordnung der Gesamtthematik zum Betriebsverfassungsrecht nicht wirklich Thema gewesen (vgl Floretta/Strasser, Kommentar zum BRG 357 f), wohl aber die Frage nach einem allfälligen Selbstanfechtungsrecht. Ein solches wurde nämlich, wenigstens für den Fall des Scheiterns einer Betriebsratswahl (etwa dem entsprechend, was heute in § 107 ArbVG geregelt ist) schon in den ersten Jahren der Geltung gegen den Wortlaut, jedoch dem intendierten Zweck folgend vom Obereinigungsamt (OEA) im Wege der Analogie angenommen (vgl OEA 3.10.1922, Zl 59, Arb 3053).

Der im hier relevanten Punkt vom individuell geprägten dt BetrVG 1920 (von welchem wiederum Ansätze mit dem Arbeitsordnungsgesetz [AOG] ins österreichische Recht transportiert worden waren) beeinflusste § 25 BRG 1947 lässt das Anfechtungsrecht im Wesentlichen in der auch heute aktuellen Weise vom BR (in den EB zur RV ist unscharf vom Recht der „Betriebsversammlung“ die Rede; vgl EB zur RV 320 BlgNR 5. GP 13) auf den AN übergehen. Deutlich wird im Ausschuss die Intention: „Die ... Bestimmungen beinhalten einen weitgehenden Schutz der Dienstnehmer vor unberechtigten Kündigungen und ist dem Betriebsrat472hierbei ein maßgebender Einfluß und ein ebensolches Mitbestimmungsrecht eingeräumt worden“ (AB 344 BlgNR 5. GP 7). Nicht das Recht des BR noch das der Belegschaft und schon gar nicht allfällige Rechte des AG zu schützen, war in dieser Etappe der Entwicklung beabsichtigt; an erster Stelle steht der Schutz des AN vor ungerechtfertigten Kündigungen.

Was die Frage betrifft, wer schließlich im ArbVG „Herr des Anfechtungsverfahrens“ (vgl Floretta im ArbVG-HK 673) ist, schweigt zwar der AB (993 BlgNR 13. GP); die EB zur RV sprechen aber eine umso deutlichere Sprache: Der dritte Satz des § 105 Abs 5 (idF der RV; später § 105 Abs 4 ArbVG) solle verhindern, „daß der Betriebsrat das subsidiäre Anfechtungsrecht des gekündigten Arbeitnehmers durch eine ‚Scheinanfechtung‘ unterläuft“ (EB zur RV 840 BlgNR 13. GP 87), womit – auch ohne Ausführungen zum Anfechtungsverlangen an sich – zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht wird, dass der Wahrung des Anfechtungsrechts des AN ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Dem entspricht auch, dass der Gesetzgeber, was das Verfahren anbelangt, die Vormacht des Kollektivs schon in der ursprünglichen Version des ArbVG nur auf einen einzigen Sachverhalt reduziert hat: Ausschließlich bei ausdrücklicher Zustimmung des BR sollte der AN des Anfechtungsrechts verlustig gehen (Sperrrecht).

Dieses ursprüngliche Bild verdeutlicht sich durch alle bisherigen Schritte der Weiterentwicklung. Als wichtigster Schritt ist zu nennen, dass mit Novelle BGBl 1990/411 auch das Sperrrecht massiv reduziert wurde. Bei Motivkündigungen muss das individuelle Anfechtungsrecht des AN auch dann gewahrt bleiben, wenn der BR im Vorverfahren zugestimmt hat, wobei es auf das Motiv der Zustimmung (verwerflich oder redlich) nicht ankommt. Die Tendenz, die sich in dieser (richtigen; vgl bereits vordem nur zB Trost, Die rechts- oder sittenwidrige Kündigung,

ff [4 ff]
; Firlei, Motivkündigungen von Arbeitnehmern und kollektivrechtliche Konstruktion des allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutzes, in FS Rabofsky [1976] 139 ff) Weiterentwicklung des Kündigungsschutzes zeigt, ist jene, das Anfechtungsrecht jedenfalls in weitestem Umfang zu wahren, uzw uU auch gegen den Willen des durch den BR repräsentierten Kollektivs.

Mit BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101 schließlich wurde das (subsidiäre) Selbstanfechtungsrecht des AN durch eine formale Änderung, die allerdings in erster Linie dem Bestreben nach Verhinderung voreiliger Klagseinbringungen geschuldet war (vgl EB zur RV 901 BlgNR 24. GP 6; AB 975 BlgNR 24. GP 1), gestärkt: Die Anfechtungsfrist für den AN wurde auf zwei Wochen erhöht. Die dem BR zukommende Frist wurde dabei bewusst bei einer Woche belassen (vgl die EB zur RV 901 BlgNR 24. GP 6, wo dies ausdrücklich erwähnt wird). Der Gesetzgeber bringt hiermit ein weiteres Mal unmissverständlich das im Verhältnis zum kollektiven Anfechtungsrecht stärkere Gewicht der Individualanfechtung zum Ausdruck (vgl Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 336).

In Summe zeigt die historische Betrachtung ein allmähliches Herauswachsen des Kündigungsschutzverfahrens – die Betonung liegt auf Verfahren und nicht materiellem Kündigungsschutz an sich – aus den kollektivistischen Wurzeln des beginnenden 20. Jahrhunderts zu einem Mischinstitut mit tendenziell stärker werdenden individualistischen Zügen. Trotz aller Brüche in der Entwicklung – wie insb dem Eindringen des individualistisch konzipierten dt Betriebsverfassungsrechts – ist insgesamt festzuhalten, dass die Motivation dieses Teils der Individualisierung (was also den Zugang zum Recht an sich betrifft) stets jene war, Machtmissbräuche durch das Kollektiv hintanzuhalten und trotz derselben den individuellen Rechtsschutz zu gewähren. Dieser tragende Grundsatz liegt dem Recht, das Verfahren trotz Untätigkeit des BR zu führen bzw weiterzuführen, ebenso zugrunde, wie umgekehrt der Notwendigkeit des Verlangens des AN, damit es nicht zu einer „Zwangsbeglückung im Wege der Klagsführung durch den BR“ komme (vgl Trost,

zu OGH 9.4.1997, 9 ObA 2291/96v).

4.
§ 105 Abs 4 ArbVG – die teleologische Interpretation

Eine über die Erforschung der historischen Motive hinausgehende objektive Ermittlung des Zwecks einer Norm ist vor allem dann geboten, wenn die Wandlung von Umständen im Tatsächlichen oder im Recht die Norm heute in einem anderen Licht als im Zeitpunkt ihrer Entstehung erscheinen ließe (vgl etwa schon Larenz, Methodenlehre6 337 ff). Was die verfahrensrechtliche Umsetzung des Bestandschutzes anbelangt, ist dem nicht so: §§ 105 bis 107 ArbVG verfolgen auch gegenwärtig noch den Zweck, bei Vorliegen materiell-rechtswidriger Kündigungen oder Entlassungen iSd § 105 Abs 3 Z 1 und Z 2 ArbVG dem AN letztlich effizient zu einer gerichtlichen Aufhebung der Beendigungserklärung zu verhelfen, uzw primär mit betriebsrätlicher Unterstützung und subsidiär, zur Absicherung des Rechtsschutzes für den Fall der Untätigkeit des BR, im Wege der Selbstanfechtung. Dass die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz, das Sperrrecht, im Laufe der Entwicklung den tatsächlichen Umständen angepasst und reduziert wurde, war insb Folge einer Missbrauchskontrolle. An eine Ausweitung des Sperrrechts war indes niemals im Laufe der gesamten Entwicklung gedacht gewesen, und hatte es hierfür auch nie einen Anlass gegeben. Es kann daher der Norm weder aus historischer noch aus gegenwärtig orientierter teleologischer Sicht unterstellt werden, sie enthalte ein in § 105 Abs 4 ArbVG durch die Notwendigkeit des Verlangens des AN verdeckt ausgedrücktes „weiteres Sperrrecht“ des BR, das vom BR etwa in der Form ausgeübt werden könnte, dass – wie hier – die zuständige Betriebsratsvorsitzende schlicht die Anrufe des AN nicht entgegen nimmt.

Als Randnotiz ist speziell zum vorliegenden Fall noch festzuhalten, dass gerade die modifizierte Regelung des § 105 Abs 6 ArbVG (partielles Sperrrecht 473) ua auch ein Ausfluss der Erkenntnis ist, man müsse auch bei betriebsrätlichem Verhalten mitbedenken, es könne dieses uU sittenwidrig sein und genau dem soll mit einem weitestgehenden subsidiären Selbstanfechtungsrecht entgegengetreten werden. Nun liegt hier exemplarisch ein Fall eines rechts- bzw sittenwidrigen Verhaltens des BR vor, welches letztlich auch einen regulären Ablauf iSd Subsidiarität, wie in § 105 Abs 4 ArbVG vorgesehen, verhindert hat. Die pflichtgemäße Befugnisausübung eines BR gestattet nämlich nicht, bei der Auswahl, für wen in welcher Weise die Befugnisse wahrgenommen werden, eine Differenzierung je nach Zugehörigkeit zu Vereinen vorzunehmen. Oder anders gesagt: Ein Beschluss eines BR, wonach gewisse Befugnisse (hier: Vornahme der Anfechtung einer Kündigung) nur gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern ausgeübt würden, wäre als mittelbarer Eingriff in die Koalitionsfreiheit gem § 879 ABGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig (wobei hier wieder im Detail über absolute oder relative Nichtigkeit zu diskutieren wäre). Gerade für den Fall sittenwidrigen Verhaltens des BR aber wurde im Laufe der Zeit iS eines besseren Zugangs zum Recht das Selbstanfechtungsrecht ausgebaut.

Zusammenfassend ergibt sich aus all dem, was den aktuellen Zweck des „Verlangens“ in § 105 Abs 4 ArbVG anbelangt, dass hinsichtlich dessen seit erstmaliger Erwähnung keine Änderung eingetreten ist: Der AN soll nicht durch eine ungewollte Anfechtung seitens des BR „zwangsbeglückt“ werden. Zweck der gestaffelten Fristen ist, dem BR das primäre Anfechtungsrecht zu sichern, wobei selbst bei sofortiger Selbstanfechtung durch den AN der BR innerhalb der für ihn geltenden Frist noch die Klage einbringen könnte, sodass die vom AN eingebrachte Klage abzuweisen wäre (vgl Trost, DRdA 2002, 45 ff [zu OGH 25.1.2001, 8 ObA 216/00y] mwN; Wolligger in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zell-Komm § 105 ArbVG Rz 244). Darin – und nur darin – drückt sich der auch formelle Vorrang des Kollektivs im Bestandschutz aus.

Im Zuge der gesamten Entwicklung war an keiner Stelle nachzuweisen, dass der Gesetzgeber jemals mit der Regelung des primären und subsidiären Anfechtungsrechts den Zweck verfolgen hätte wollen, den AG durch Kommunikationsprobleme zwischen BR und AN vor Kündigungsanfechtungen zu schützen, und es ist ein solcher Zweck auch aus der gegenwärtigen Betrachtung der Norm vor dem aktuellen Hintergrund nirgends zu erkennen. Genau diesen Zweck unterstellt hier aber – unausgesprochen, aber offensichtlich – der OGH der Norm!

5.
Conclusio
  • Eine nicht nur am Wortlaut haftende, sondern alle Interpretationsmethoden einbeziehende Betrachtung des § 105 Abs 4 ArbVG ergibt, dass das an den BR zu richtende „Verlangen“ des AN den Zweck haben soll, zu verhindern, dass der BR gegen den Willen des AN eine Anfechtung herbeiführt und den AN daher letztlich uU in ein Arbeitsverhältnis zwingt, dass dieser nicht mehr will.

  • Ehe man die kollektivrechtliche Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes quasi zum Dogma erhebt und als Interpretationsmaxime installiert, ist zwischen dem materiellrechtlichen Gehalt des Schutzes und der formellen klagsweisen Umsetzung zu unterscheiden. Dabei wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei grundsätzlich nach wie vor kollektivrechtlicher Konstruktion des Schutzes an sich, was das Klagerecht anbelangt, im Laufe von hundert Jahren sukzessive im Interesse des besseren Zugangs zum Recht und des Schutzes des AN vor ungerechtfertigten Kündigungen das individuelle Klagerecht (zulasten der Befugnisse des Kollektivs) gestärkt hat.

  • Weder im Gesetz noch in den Materialien zu den einzelnen Entwicklungsschritten noch in der gesamten hierzu ergangenen Lehre findet sich ein Hinweis darauf, dass dem § 105 Abs 4 ArbVG der Zweck innewohne, im Falle von Kommunikationsproblemen zwischen BR und AN den AG zu schützen. Genau einen solchen Zweck unterstellt hier aber der OGH.

  • Fazit: Der OGH hat nicht Recht! 474