ÖJK (Hrsg)Datenschutz – Informationspflicht – Geheimnisschutz

Linde Verlag, Wien 2019, 330 Seiten, kartoniert, € 64,–

GÜNTHERLÖSCHNIGG (GRAZ / LINZ)

Die Österreichische Juristenkommission (ÖJK) hat sich in ihrer Frühjahrstagung 2018 bereits zum zweiten Mal mit der Thematik des Datenschutzes auseinandergesetzt. Schon 2009 stand eine Tagung im Zeichen von „Alles unter Kontrolle? Überwachung – Privatsphäre – Datenschutz“. Das vorliegende Werk ist das Ergebnis der Veranstaltung von 2018 und erscheint als Band 51 der Reihe „Kritik und Fortschritt im Rechtsstaat“.

Die Tagungen der ÖJK haben eine lange und große Tradition. Dies gilt auch für die formale Ausgestaltung iS eines Protokolls (siehe auch unten). Dennoch hätte 503 vielleicht die eine oder andere Seite, auf der sich etwa nur die Moderatorin „für das sehr interessante und anregende Referat“ bedankt (S 85, 107), „geopfert“ werden können. Nicht störend ist, dass einzelne Vorträge nur als „Berichte des Herausgebers“ veröffentlicht werden, da von den ReferentInnen kein druckreifes Manuskript zur Verfügung gestellt wurde. Die offensichtlich vorhandenen Transkripte reichen für eine gehaltvolle Wiedergabe der Vorträge.

Die Gliederung des Werks ergibt sich aus der Tagungsabfolge: Nach einem Einleitungsreferat von Walter Berka reihen sich die Beiträge der vier Arbeitssitzungen (einschließlich der Wiedergabe der Diskussion) und eine Podiums-/Publikumsdiskussion. Schlussworte von Eva Schulev-Steindl und Eva Souhrada-Kirchmayer runden den Sammelband ab.

Einleitend stellt Berka – ausgehend von der Differenzierung zwischen Privatsphäre und Privatheit – die Frage, ob wir schon in einem Zeitalter des „Post-Privacy“ angekommen sind (S 8). Befund und Prognose bleiben verständlicherweise offen (S 19), für das Konzept einer rechtlich geschützten Privatheit wird aber plädiert.

In der „1. Arbeitssitzung“ beschäftigt sich Gerhard Hesse mit den Grundlagen und allgemeinen Wertungen des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018 und – aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht unbedeutend – auch mit der Öffnungsklausel der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Hinblick auf den Beschäftigtendatenschutz (S 27) und stellt fest, dass die Notifikationspflicht nur als Ordnungsvorschrift zu verstehen ist. Verena Weiss erörtert die Umsetzung der Datenschutz-RL für den polizeilichen und justiziellen Bereich (DSRL-PJ; S 47).

Die „2. Arbeitssitzung“ wird mit einem Bericht zum Beitrag von Andrea Jelinek eingeleitet. Thema ist die Stärkung der Betroffenenrechte und der Rechtsschutz nach DSGVO.

Dietmar Jahnel kritisiert im Rahmen seiner Überlegungen zu „Auslegungsmodelle und Defizite der Datenschutz-Grundverordnung (und des DSG neu)“ im Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Geldbußen die „Gesetzgebung per Erläuterungen“ (S 90). Hinsichtlich seiner Ausführungen zur Frage, ob die Sozialversicherungsnummer ein Gesundheitsdatum darstellt (S 95), könnte man von „Gesetzgebung per Erwägungsgründe“ sprechen. In diesem Teil des Tagungsbandes findet sich auch ein Aufsatz von Konrad Lachmayr zur Verbindung von Datenschutz und Geheimdiensten. Josef Gstrein stellt die Frage nach einem internationalen Abkommen zur Regulierung staatlicher Überwachung (S 145).

Am Beginn der „3. Arbeitssitzung“ steht eine Auswahl von EuGH-Entscheidungen zum materiellen Datenschutzrecht von Thomas Jaeger. Schwerpunkt seiner Ausführungen ist aber die Frage nach einer Effektivierung des Datenschutzrechts und damit die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung (S 186). Lisa Pühringer widmet sich der Umsetzung der PNR-RL, dh der RL über die Verwendung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität durch das PNR-Gesetz, BGBl I 2018/64BGBl I 2018/64(S 207). Zum Vortrag von Max Schrems findet sich ein Bericht des Herausgebers. Thema ist der EU-US Privacy Shield, der nach Auffassung von Schrems niemals halten wird (S 236). Beendet wird die 3. Arbeitssitzung mit den Ausführungen von Christof Tschohl über die Bemühungen zur Schaffung einer ePrivacy-VO, dh zur Normierung einer Stärkung der Privatsphäre des Einzelnen online.

In der „4. Arbeitssitzung“ wird der Problembereich der Cyberkriminalität angesprochen. Farsam Salimi setzt sich mit einzelnen Straftatbeständen auseinander, Leopold Löschl berichtet aus der Praxis des Bundeskriminalamtes (S 281).

Johann Maier, Katharina Körber-Risak und Wolfgang Goricnik waren die geladenen TeilnehmerInnen für die Podiums- und Publikumsdiskussion zur Frage „Brauchen wir ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz?“ Aus der schriftlichen Fassung der Diskussionsbeiträge ergibt sich, dass die rechtsdogmatische und rechtspolitische Dimension der Öffnungsklausel in Art 88 DSGVO unterschiedlich gedeutet wird. Der Bedarf eines eigenen AN-Datenschutzgesetzes wird teils bejaht, teils wird aber auch auf die Rolle der Kollektivverträge (S 297) und des Generalkollektivvertrags (S 305) verwiesen.

Wie der inhaltliche Überblick zeigt, werden in dem Sammelband eine Fülle von Themen aufgezeigt. Die Klammer des Datenschutzes und damit des Persönlichkeitsschutzes ist aber stets präsent. Als Besonderheit dieser Publikation(sform) kann hervorgehoben werden, dass die Diskussionsatmosphäre miteingefangen wird. Der ÖJK ist jedenfalls wieder ein ausgezeichneter Tagungsband gelungen.