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IESG-Sicherung von Ansprüchen bei aufrechtem Arbeitsverhältnis über das Insolvenzverfahren hinaus

MICHAELHAIDER (WIEN)
  1. Mit § 3a Abs 2 Z 5, Abs 4 IESG hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass nach der Berichtstagsatzung oder, findet keine solche statt, nach Ablauf des Zeitraums nach Abs 5 oder 6 entstehende Entgeltansprüche nicht mehr gesichert sind, wenn ein Arbeitsverhältnis erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dem Wiedererlangen der freien Verfügung des Schuldners über sein restliches Vermögen aufgelöst wird, auch wenn sie teilweise noch als unbeglichene Masseforderungen in die Zeit der Insolvenz zurückreichen, aber noch nicht fällig waren.

  2. Alle gesicherten Ansprüche iSd § 1 Abs 1 IESG, die innerhalb der Frist des § 3a Abs 2 und 3b IESG entstanden sind, müssen bei sonstigem Ausschluss innerhalb der 6-Monats-Frist ab dem Ereignis nach § 1 Abs 1 IESG geltend gemacht werden. Die Rechtsfolge des Ausschlusses ist notwendig, um die Wirksamkeit der Frist zu gewähren, weil sie andernfalls durch wiederholte Insolvenzeröffnungsanträge umgangen werden könnte.

  3. Für den Eintritt der Rechtsfolgen des Fristversäumnisses kommt es auf die Motive, die zur Fristversäumnis geführt haben, nicht an.

Der Kl war vom 1.4.2015 bis zur einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses am 28.6.2016 bei einer GmbH mit einem Monatsentgelt von zuletzt 1.678,31 € brutto beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem KollV für Arbeiter in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung. Nach § 3 Abs 7 dieses KollV hat die Lohnauszahlung bis spätestens zum 15. des Folgemonats zu erfolgen.

Am 22.2.2016 wurde über das Vermögen der AG das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Die Berichtstagsatzung fand am 18.4.2016 statt. Eine Masseunzulänglichkeit lag nicht vor. Dem Kl wurde von der Bekl Insolvenz-Entgelt für die Zeit vom 1.2. bis 22.2.2016 samt anteiligen Sonderzahlungen zuerkannt. Vom 21.3. bis 27.6.2016 befand sich der Kl im Krankenstand, in dem er bis 2.5.2016 Anspruch auf volle Entgeltfortzahlung und vom 3.5. bis 2.6.2016 auf Fortzahlung des halben Entgelts hatte.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 30.5.2016 wurde der am 9.5.2016 angenommene Sanierungsplan der AG bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. Am 18.7.2017 wurde ein neuerlicher Insolvenzeröffnungsantrag gegen die AG mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. 436

Der Kl stellte daraufhin am 13.9.2017 den Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Entgelt für den Zeitraum vom (ursprünglich) 1.4. bis 28.6.2016 samt anteiligen Sonderzahlungen.

Gegen den diesen Anspruch abweisenden Bescheid der Bekl richtet sich die Klage. Nach Einschränkung begehrt der Kl zuletzt noch 1.387 €, und zwar Entgeltfortzahlung vom 1. bis 30.5.2016 und anteilige Sonderzahlungen vom 23.2. bis 30.5.2016, je samt Zinsen. Diese Ansprüche seien dem Kl infolge Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenz verwalter nicht mehr bezahlt worden, sodass die AG nach § 60 Abs 1 letzter Satz IO dafür hafte. Eine Geltendmachung der Forderung in dem 2016 abgeführten Sanierungsverfahren sei mangels Fälligkeit noch nicht möglich gewesen.

Die Bekl wandte Verfristung des Anspruchs ein. Der Kl wäre imstande gewesen, die strittigen Forderungen bereits im Sanierungsverfahren innerhalb der Frist des § 6 Abs 1 IESG geltend zu machen. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es schloss sich dem Argument der Bekl an [...].

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Kl Folge und sprach ihm mit Teilurteil 689 € an Entgeltfortzahlung für Mai 2016 zu. Im Übrigen hob es die E des Erstgerichts zur neuerlichen E nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt dahin, dass es dem Kl im Rahmen des Sanierungsverfahrens nicht möglich gewesen wäre, einen Antrag auf Insolvenz-Entgelt für das im Mai 2016 fortzuzahlende Entgelt zu stellen, weil die gesetzliche Sicherung mit der Berichtstagsatzung geendet habe. Die Frist des § 6 Abs 1 IESG sei nicht ausgelöst worden. Das Gleiche gelte für die Sonderzahlungen, soweit sie auf den Zeitraum nach der Berichtstagsatzung entfallen seien. Der zeitlich vor der Berichtstagsatzung erworbene Anspruchsteil wäre hingegen bereits aufgrund des Sanierungsverfahrens gesichert gewesen und seine Geltendmachung daher verfristet. [...] Das Berufungsgericht erklärte die Berufung [Anm: wohl Revision] gegen das Teilurteil und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss [...] für zulässig [...].

Rechtliche Beurteilung

ANMERKUNG

Gegen die E des Berufungsgerichts richten sich die Revision der Bekl und der Rekurs des Kl.

Beide Rechtsmittel sind aus den vom Berufungsgericht ausgeführten Gründen zulässig. Sie sind jedoch jeweils nicht berechtigt.

1. Zur Revision:

[...]

Nach § 3a Abs 2 Z 5 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses als Ausfallshaftung, wenn nach der Berichtstagsatzung [...] bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens der AN infolge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgelts (ausgenommen Sonderzahlungen und bestrittene Ansprüche) wegen der ungebührlichen Schmälerung oder Vorenthaltung des gebührenden Entgelts seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt oder das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen gelöst wird.

Nach § 3a Abs 4 IESG besteht Anspruch aufgrund der Ausfallshaftung nur dann und insoweit, als der zuständige Verwalter entweder schriftlich erklärt, dass die Insolvenzmasse bzw der AG zur Zahlung nicht oder nicht vollständig in der Lage ist, oder wenn er dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit nach § 124a IO angezeigt hat.

Die Einschränkung des Anspruchs auf eine Ausfallshaftung soll sicherstellen, dass Arbeitsverhältnisse nach der Berichtstagsatzung entweder – wenn nach § 25 IO möglich – aufgelöst werden, oder aber bei fortdauernden Arbeitsverhältnissen die AN tatsächlich beim ersten Entgeltrückstand umgehend den Austritt erklären, um keine weitere Belastung des Fonds mit laufenden Entgelten zu verursachen. Die Austrittsobliegenheit verfolgt den Zweck, dass die Fortführung des Unternehmens trotz weiterer Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr zu Lasten des IEF gehen soll (Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3a IESG Rz 7).

Die Bekl argumentiert in ihrer Revision zusammengefasst, dass während eines laufenden Insolvenzverfahrens entstandene DN-Ansprüche nicht aufgrund von zwei verschiedenen Insolvenztatbeständen gesichert sein dürften. [...]

Folge man der Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Geltendmachung der Klagsforderung hier im ersten Insolvenzverfahren der AG überhaupt noch nicht möglich gewesen wäre, dann sei von einer Gesetzeslücke auszugehen. Diese sei durch teleologische Reduktion des § 3a Abs 2 Z 5 IESG dahingehend zu schließen, dass das normierte Erfordernis der Ausfallshaftung zu entfallen habe. [...]

Dieser Auslegung steht jedoch entgegen, dass der Gesetzgeber die Regelung der Ausfallshaftung nach § 3a Abs 2 Z 5 und Abs 4 IESG ausdrücklich nicht nur an die Tatsache der Zahlungsunfähigkeit der Masse, sondern zusätzlich an ihre formelle Deklaration durch den zuständigen Verwalter gegenüber der Bekl oder dem Insolvenzgericht geknüpft hat.

Die Revision führt für ihren Standpunkt auch ins Treffen, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses nach § 3a Abs 2 Z 5 IESG nicht zwingend in der Insolvenz liegen müsse. Diese Auffassung lässt sich mit dem Gesetzeswortlaut „(...) wenn nach der Berichtstagsatzung (...) bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens (...) das Arbeitsverhältnis (...) gelöst wird“ nur vereinbaren, soweit damit das rechtliche Ende nach Ablauf einer Kündigungsfrist gemeint ist. Die Auflösungserklärung oder -vereinbarung muss nach dem Wortlaut aber jedenfalls während des Insolvenzverfahrens gelegen sein, um ihm noch zugerechnet werden zu können.

Mit dieser Form der Regelung hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass weiterlaufende Entgeltansprüche nicht mehr gesichert sind, wenn ein Arbeitsverhältnis erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dem Wiedererlangen der freien Verfügung des Schuldners über sein restliches Vermögen aufgelöst wird, auch wenn sie teilweise noch als unbeglichene Masseforderungen in die Zeit der Insolvenz zurückreichen, aber noch nicht fällig waren. Für die These [...], dass es sich hiebei um eine unbeabsichtigte Regelungslücke 437 handeln würde, lassen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte finden.

Das Arbeitsverhältnis des Kl wurde erst nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens einvernehmlich beendet. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass seine offenen Entgeltansprüche nicht mehr durch die Ausfallshaftung gesichert waren und daher auch nicht der Antragsfrist nach § 6 Abs 1 IESG unterlagen. Insolvenz-Entgelt für diese Ansprüche konnte erst aufgrund der neuerlich eingetretenen Insolvenz der AG geltend gemacht werden.

Der Berufung war daher keine Folge zu geben. 2. Zum Rekurs:

Der Kl stellt [...] nicht in Frage, dass es sich bei dem bis zur Berichtstagsatzung im Sanierungsverfahren entstandenen aliquoten Sonderzahlungsanspruch um einen aufgrund dieses Insolvenzverfahrens gesicherten Anspruch gehandelt hat und dass er dafür die Antragsfrist nach § 6 Abs 1 IESG versäumt hat. Der Revisionswerber vertritt aber den Standpunkt, dass diese Umstände einer neuerlichen Geltendmachung des Anspruchs aus Anlass des neuerlichen Insolvenztatbestands in seinem Fall nicht entgegenstünden. Er begründet dies mit der Überlegung, dass die bisher zu dieser Rechtsfrage ergangene höchstgerichtliche Judikatur (8 ObS 328/98p, 8 ObS 111/02k) immer Fälle betroffen habe, in denen eine neuerliche Antragstellung missbräuchlich erschienen sei oder gesetzliche Befristungen umgehen habe wollen. Diese Rsp sei aber in seinem Fall nicht einschlägig [...].

Dem ist entgegenzuhalten, dass gem § 6 Abs 1 IESG alle gesicherten Ansprüche iSd § 1 Abs 2 IESG, die innerhalb der Fristen des § 3a Abs 2 und 3b IESG entstanden sind, bei sonstigem Ausschluss innerhalb der 6-Monats-Frist ab dem Ereignis nach § 1 Abs 1 IESG geltend zu machen sind. Die Rechtsfolge des Ausschlusses ist notwendig, um die Wirksamkeit der Frist zu gewährleisten, weil sie andernfalls durch wiederholte Insolvenzeröffnungsanträge einfach umgangen werden könnte (9 ObS 15/93= WBl 1993, 327 = RdW 1993, 375; 8 ObS 328/98p; 8 ObS 111/02k).

Nach der Rsp normiert § 6 Abs 1 IESG eine materiell rechtliche Ausschlussfrist (RIS-Justiz RS0077526). Entgegen der Ansicht des Kl kommt es für den Eintritt der Rechtsfolgen des Fristversäumnisses nicht auf die Motive an, die zur Fristversäumnis geführt haben.

Auf berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht der Fristversäumnis iSd § 6 Abs 1 letzter Absatz IESG hat sich der Kl in erster Instanz nicht berufen.

Unabhängig von der Unzulässigkeit der Geltendmachung neuer Rechtsgründe im Revisionsverfahren lägen aber weder die in § 6 Abs 1 IESG beispielsweise genannten Umstände vor, noch könnte im vorliegenden Fall die Komplexität der Rechtslage als ein der rechtzeitigen Antragstellung entgegenstehendes erhebliches Hindernis angesehen werden. Der Kl war schon ab Beginn des Sanierungsverfahrens qualifiziert iSd § 40 Abs 1 Z 2 ASGG vertreten. Es hätte genügt, die Möglichkeit eines gesicherten Anspruchs in Betracht zu ziehen, um einen Antrag zu stellen. Eine umfassende rechtliche Analyse wäre dazu von Seiten des Antragstellers nicht erforderlich gewesen.

Die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht ist daher nicht korrekturbedürftig. [...]

Auch dem Rechtsmittel des Kl war daher keine Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG

Nicht selten folgt auf ein Sanierungsverfahren unter Fortführung des Betriebs ein weiteres Insolvenzverfahren. Die Häufung der sich daraus ergebenden Anknüpfungstatbestände nach dem IESG führt im Zusammenhang mit der Ausschlussfrist nach § 6 IESG zu oftmals schwierigen Abgrenzungsfragen. In vielen Fällen betrifft dies insb Ansprüche, die nicht monatlich fällig werden, wie zB Sonderzahlungen.

Auch der vorliegenden E des OGH lag ein solcher Sachverhalt zugrunde. Das ursprüngliche Sanierungsverfahren, das am 22.3.2016 eröffnet wurde, wurde nach Bestätigung des Sanierungsplans am 30.5.2016 aufgehoben. Das Arbeitsverhältnis des Kl endete durch einvernehmliche Auflösung am 28.6.2016, wobei sowohl die Sonderzahlungen für den Zeitraum 23.2. bis 28.6.2016 als auch das laufende Entgelt für den Monat Mai 2016 offen aushafteten. Als im Juni 2017 ein neuerlicher Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde, wurden sämtliche offenen Ansprüche des Kl, auch die eben genannten, im Hinblick auf den neuen Anknüpfungstatbestand nach IESG am 13.9.2017 beim Insolvenz-Entgelt-Fonds angemeldet.

Während die Bekl Insolvenz-Entgelt für Sonderzahlungen sowie laufendes Entgelt von 31.5. bis 28.6.2016 (also für den Zeitraum nach dem Sanierungsverfahren) aufgrund des neuen Anknüpfungstatbestandes iSd § 1 Abs 1 Z 2 IESG mit Bescheid zusprach, wurden die während der Dauer des Sanierungsverfahrens entstandenen Ansprüche im Hinblick auf § 6 Abs 1 IESG zur Gänze abgelehnt.

1.
Ausschlussfrist nach § 6 Abs 1 IESG

§ 6 IESG normiert eine sechsmonatige materiellrechtliche Ausschlussfrist (RIS-Justiz RS0077526), innerhalb derer AN ihre Forderungen vor der IEFService GmbH geltend zu machen haben. Anknüpfungspunkt dieser Frist ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 IESG, eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art 3 Abs 3 EUInsVO im Inland oder die Kenntnis von einem Beschluss nach § 1 Abs 1 Z 2 bis 6 IESG (§ 6 Abs 1 Satz 1 IESG).

Nach hA sind dabei alle gesicherten Ansprüche iSd § 1 Abs 2 IESG, die innerhalb der Fristen des § 3a Abs 2 und 3b IESG entstanden sind, bei sonstigem Ausschluss innerhalb der sechsmonatigen Frist ab dem Ereignis nach § 1 Abs 1 IESG geltend zu machen. Ein späterer neuerlicher Eintritt einer der Tatbestände des § 1 Abs 1 IESG erlaubt es dem 438.AN daher nicht, auch jene Ansprüche, die innerhalb des oben genannten Zeitraums entstanden sind, im späteren Antrag (nochmals) geltend zu machen. Dies gilt auch dann, wenn es zwei Mal zur Ablehnung eines Insolvenzantrags mangels hinreichenden Vermögens kommt und der AN von der früheren Ablehnung wusste (VwGH82/11/0211 Arb 10.207). Damit soll verhindert werden, dass durch eine beliebig oft wiederholte Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens § 6 IESG umgangen wird und damit die Absicht des Gesetzgebers, die Geltendmachung der Ansprüche auf Insolvenz-Entgelt zeitlich zu begrenzen, vereitelt werden kann (vgl Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 [2018] § 6 IESG Rz 5; Liebeg, IESG3 [2007] § 6 Rz 12; OGH8 ObS 328/98p ZIK 1999, 216). Der OGH hat nunmehr klargestellt, dass es sich dabei um einen allgemeinen Grundsatz handelt und eine Umgehungsabsicht im konkreten Fall nicht vorliegen muss.

Nur in taxativ (Gutschlhofer in Reissner [Hrsg], Arbeitsverhältnis und Insolvenz5 [2018] § 6 IESG Rz 6) in § 6 Abs 1 Satz 2 IESG genannten Fällen beginnt die Antragsfrist nach dem in Satz 1 leg cit genannten Zeitpunkt neuerlich zu laufen. Dies ist zB bei Gerichtsverfahren der Fall, sofern diese bis längstens zum Ablauf der sechsmonatigen Frist anhängig gemacht werden, mit der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens (Z 3 leg cit) oder hinsichtlich Kosten, die nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des Satzes 1 leg cit entstehen bzw festgestellt werden (Z 4 leg cit). Ebendies gilt, wenn das noch aufrechte Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Kenntnis von einem Beschluss nach § 1 Abs 1 Z 2 bis 6 IESG endet, mit dessen Ende (Z 1 leg cit). Mit letzterer Regelung sollte erreicht werden, dass alle Ansprüche auf Insolvenz-Entgelt mit einem Antrag gestellt werden, sodass ein geringerer Verwaltungsaufwand entsteht (RV 946 BlgNR 22. GP 8).

Die Rechtsfolgen einer Fristversäumnis – also der Ausschluss der Geltendmachung – treten dabei unabhängig von den Motiven, die zur Fristversäumnis geführt haben, ein (OGH 24.9.2019, 8 ObS 2/19f). Ein Nachsehen ist nur bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe iSd § 6 Abs 1 Satz 3 IESG denkbar („Härteklausel“; siehe 3.).

Zu beachten ist, dass sich die jeweilige Antragsfrist nach § 6 Abs 1 IESG und die damit einhergehenden Rechtsfolgen immer nur auf jene Ansprüche der AN beziehen (können), die aufgrund des konkreten Anknüpfungstatbestands iSd § 1 Abs 1 IESG gesichert sind. Dieser Umstand führt insb im Falle des Fortbetriebs des Unternehmens bei gleichzeitigem aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses während und über das Insolvenzverfahren hinaus zu teilweise komplexen Abgrenzungsfragen.

2.
Anspruchssicherung für Zeiträume nach der Berichtstagsatzung

Eine Sicherung von laufendem Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen – die in diesem Zeitraum als Masseforderungen zu qualifizieren sind (§ 46 Z 3 IO) – kommt für über die Berichtstagsatzung hinaus fortgesetzte Arbeitsverhältnisse nach § 3a Abs 2 Z 5 IESG nur im Wege einer Ausfallshaftung des Insolvenz-Entgelt- Fonds in Betracht. Diese tritt bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses ein, sofern nach der Berichtstagsatzung [...] der AN bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens in Folge der ersten nicht vollständigen Zahlung des ihm zukommenden Entgelts seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt oder das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen gelöst wird. Von dieser Austrittsobliegenheit ausgenommen sind lediglich bestrittene Ansprüche sowie Sonderzahlungen.

Damit die Ausfallshaftung zur Anwendung gelangt, bedarf es somit – zumindest nach dem Gesetzeswortlaut – einerseits der Erklärung/Mitteilung des Verwalters und andererseits einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Insolvenzverfahrens.

In der Praxis erscheinen Konstellationen, in denen trotz Vorliegens der Voraussetzungen eine Erklärung bzw Mitteilung iSd § 3a Abs 4 IESG nicht abgegeben wird, eher ausgeschlossen, dies schon deswegen, weil die Abgabe derselben im Interesse der Masse und damit des Verwalters liegen wird (Sundl in Reissner, Insolvenz5 § 3a IESG Rz 28). Denkbar sind aber Fälle, in denen das Sanierungsverfahren – wie im gegenständlichen Fall – während des laufenden Monats aufgehoben wird. In diesem Fall trifft den Verwalter nämlich weder die Pflicht, das Entgelt des laufenden Monats (und gegebenenfalls die Sonderzahlungen ab Berichtstagsatzung) zu bezahlen (dies mangels Fälligkeit), noch kann er – da er seines Amtes enthoben ist – bei Fälligkeit und nicht vorhandenen Mitteln eine Mitteilung/ Erklärung iSd § 3a Abs 4 IESG abgeben.

Folgt man dem Gesetzeswortlaut, kann die Ausfallshaftung in solchen Fällen nicht greifen, wodurch (zumindest hinsichtlich des Ereignisses nach § 1 Abs 1 IESG) mangels Anwendbarkeit von § 3a Abs 2 Z 5 IESG ungesicherte Ansprüche vorliegen würden. Ob der Gesetzgeber tatsächlich diese – noch dazu verhältnismäßig geringen – Ansprüche von einer Sicherung im jeweiligen Insolvenzverfahren ausnehmen wollte bzw derartige Konstellationen bedacht hat, erscheint zweifelhaft (idS – aber noch zur alten Rechtslage – auch Gahleitner, ZIK 1997, 206). ME ist dem Gesetzgeber durchaus zu unterstellen, dass sämtliche im Zuge eines Insolvenzverfahrens entstandenen Ansprüche umfassend geregelt und entweder als gesicherte oder ausgeschlossene Ansprüche qualifiziert werden sollten. Es erschiene systemwidrig, während eines Insolvenzverfahrens entstehende Ansprüche erst in einer Folgeinsolvenz bzw bei einem Folgeereignis nach § 1 Abs 1 IESG als sicherungsfähig anzusehen. Dass die Ansprüche derartiger Rumpfmonate 439 erst nach Aufhebung der Insolvenzverfahren fällig werden, ist dabei irrelevant, da das IESG hinsichtlich der Sicherung(sgrenzen) stets auf das Entstehen der Ansprüche abstellt (Sundl in Reissner, Insolvenz5 § 3a IESG Rz 3 ff).

Der OGH geht hingegen unter Verweis auf den klaren Wortlaut des Gesetzes davon aus, dass die Ausfallshaftung sowohl das formale Kriterium der Mitteilung/Erklärung des Verwalters als auch der Auflösung (konkret: der Abgabe der Auflösungserklärung) des Arbeitsverhältnisses während des Verfahrens erfordere. Nach dem OGH habe es der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass weiterlaufende Entgeltansprüche nicht mehr gesichert sind, wenn ein Arbeitsverhältnis erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dem Wiedererlangen der freien Verfügung des Schuldners über sein restliches Vermögen aufgelöst wird, auch wenn sie teilweise noch als unbeglichene Masseforderungen in die Zeit der Insolvenz zurückreichen, aber noch nicht fällig waren (vgl dazu auch Liebeg, wbl 1997, 401 [405]).

AN haben daher in solchen Fällen die Bezahlung dieser Ansprüche gegen den AG zu betreiben, wodurch bei Nichtzahlung ein neuer Anknüpfungstatbestand iSd § 1 Abs 1 IESG herbeigeführt werden kann (Sundl in Reissner, Insolvenz5 § 3a IESG Rz 26). Da es sich nicht um iSd § 1 Abs 3 IESG ausgeschlossene, sondern um vom ursprünglichen Tatbestand nicht umfasste Ansprüche handelt, steht dem auch die Frist des § 6 Abs 1 IESG nicht entgegen, da die Ausschlussfrist hinsichtlich dieser Ansprüche nicht zur Anwendung kommt.

3.
Vor der Berichtstagsatzung entstandene Sonderzahlungsansprüche

Vor der Berichtstagsatzung entstandene Sonderzahlungsansprüche sind nach § 3a Abs 2 Z 1 IESG als jedenfalls gesichert anzusehen. Im Falle eines aufrechten Arbeitsverhältnisses während und über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinaus könnten sich aber Probleme im Zusammenhang mit der Antragsfrist nach § 6 Abs 1 IESG stellen.

Zu denken wäre zB an den Fall, in welchem der Sonderzahlungsanspruch des AN erst später als sechs Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird, wobei ein Teil dieses Anspruchs im Zeitraum zwischen Insolvenzeröffnung und Berichtstagsatzung entsteht. Abgesehen davon, dass der AN erst nach Fälligkeit weiß, ob die Sonderzahlungen bezahlt werden bzw – insb bei wechselndem Arbeitszeitausmaß – in welcher Höhe die Sonderzahlungen gebühren, kann sich der Verwalter vor Fälligkeit der Ansprüche weder dazu äußern, noch diese auszahlen. Ähnliches gilt für den Insolvenz-Entgelt-Fonds; würden nicht fällige Masseforderungen angemeldet werden, müssten diese Ansprüche mittels Bescheid mangels Fälligkeit abgewiesen werden.

Bleibt das Arbeitsverhältnis aufrecht, entsteht nach dem Wortlaut des Gesetzes aber kein weiterer Anknüpfungstatbestand iSd § 6 Abs 1 IESG. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wodurch die Frist mit dem rechtlichen Ende neuerlich zu laufen beginnen würde (Z 1 leg cit), liegt nicht vor (siehe aber zum Sachverhalt der OGH-E unten).

Der OGH geht unter Verweis auf die bisherige Judikatur davon aus, dass alle gesicherten Ansprüche iSd § 1 Abs 2 IESG, die innerhalb der Fristen nach § 3a Abs 2 und 3b IESG entstanden sind, bei sonstigem Ausschluss ab dem Ereignis nach § 1 Abs 1 IESG geltend zu machen sind.

Die Sonderzahlungsansprüche bis zur Berichtstagsatzung sind zweifelsohne innerhalb dieser Fristen entstanden, jedoch nicht fällig. Die Anwendung der Frist nach § 6 Abs 1 IESG würde sohin – unter Außerachtlassung von § 6 Abs 1 Satz 3 IESG – mangels Möglichkeit, diese Ansprüche (höhenmäßig bestimmt) anzumelden, zu einem faktischen Sicherungsausschluss führen. Es kann aber nicht Telos des Gesetzes sein, dass nach Ablauf der Antragsfrist fällig werdende Forderungen, die aufgrund des Zeitpunkts ihres Entstehens gesichert wären, nicht mehr hinsichtlich des Ereignisses nach § 1 Abs 1 IESG geltend gemacht werden können. Ebenso kann es dem Gesetz nicht unterstellt werden, dass verlangt wird, annäherungsweise (zur Vermeidung einer Haftung wohl eher zu hoch) einen Betrag anzumelden und darauf zu vertrauen, dass der Insolvenz-Entgelt-Fonds erst nach Fälligkeit darüber abspricht (vgl auch VwGH82/11/0158 ZfVB 1983/1779; die diesbezügliche Anmerkung des OGH, der Kl hätte schon im Hinblick auf die Möglichkeit eines gesicherten Anspruchs anmelden müssen, ist wohl nicht allgemein, sondern nur auf den speziellen Sachverhalt gemünzt zu verstehen). Es könnte daher eine Gesetzeslücke vorliegen, die dadurch zu schließen ist, dass die Ausschlussfrist mit Fälligkeit jener Ansprüche, die erstmals nach Ablauf der Anmeldefrist fällig werden, hinsichtlich dieser Ansprüche neuerlich zu laufen beginnt. Ob der Gesetzgeber an einen solchen Fall aber tatsächlich nicht gedacht hat, erscheint zweifelhaft (insb ist auch zu beachten, dass bei taxativen Aufzählungen äußerste Zurückhaltung geboten ist; vgl dazu P. Bydlinski in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger [Hrsg], ABGB5 [2017] § 7 Rz 2). So sieht § 6 Abs 1 Satz 3 IESG Fälle vor, in welchen aus „berücksichtigungswürdigen Gründen“ von Amts wegen von den Folgen der Fristversäumnis abzusehen ist (sogenannte „Härteklausel“). Beispielhaft wird dabei ausdrücklich der Fall genannt, dass AN ihre Ansprüche – forderungsbezogen formuliert – nicht rechtzeitig betragsmäßig angeben konnten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die wohl bewusst gewählte Konstruktion des Fristenbeginns in § 6 IESG nie an konkrete Forderungen bzw deren Fälligkeit anknüpft, sondern an sonstige, von Forderungen unabhängige Ereignisse.

Es wird daher davon auszugehen sein, dass diese „Härteklausel“ auch jene Fälle umfasst, in denen Forderungen mangels Fälligkeit bis zum Ablauf der Ausschlussfrist nach § 6 Abs 1 IESG nicht angemeldet wurden/werden konnten (vgl hierzu auch Reissner in Reissner, Insolvenz5 § 1 IESG Rz 402, wonach der Gesetzgeber diese Regelung auch bei nicht durchgeführten Forderungsanmeldungen nach § 1 Abs 5 IESG anwendet, wenn zB Ansprüche wie solche auf Abfertigung alt bis zum 440 Ablauf der jeweiligen gerichtlichen Anmeldefrist betraglich noch nicht bekannt sind). Im Hinblick darauf, dass in solchen Fällen keine berücksichtigungswürdigen Gründe in der Person des AN gelegen sind (zB Übersehen der Frist aus berücksichtigungswürdigem Grund), sondern eine Anmeldung und Berechnung vor Fälligkeit gar nicht möglich war, wird AN nach der Fälligkeit abermals eine Frist von sechs Monaten verbleiben, um diese Forderungen anzumelden.

Eine Anmeldung der Sonderzahlungsansprüche bis zur Berichtstagsatzung aufgrund eines nachfolgenden Ereignisses iSd § 1 Abs 1 IESG ist unzulässig, da eine Sicherung nach § 3a Abs 2 IESG bereits im ersten Verfahren gegeben war. Der Gesetzgeber wollte mit § 6 Abs 1 Satz 1 bis 3 IESG ersichtlich eine zeitliche Begrenzung der Geltendmachung derartiger Ansprüche normieren, weswegen eine beliebige Zuordnung von Ansprüchen zu Tatbeständen nach § 1 Abs 1 IESG – selbst wenn dies nicht in Umgehungsabsicht erfolgt – ausgeschlossen ist (siehe 1.).

Bezogen auf den Sachverhalt der OGH-E ist darauf hinzuweisen, dass durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens die ursprüngliche Anmeldefrist neuerlich zu laufen begann (§ 6 Abs 1 Z 1 IESG). Die in der Folgeinsolvenz angemeldeten Sonderzahlungen hätten daher – ohne die obigen Überlegungen – schlicht in der neu ausgelösten Frist hinsichtlich des ursprünglichen Sanierungsverfahrens angemeldet werden können (vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des OGH in Bezug auf das Nichtvorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe zu verstehen).

4.
Zusammenfassung

Der OGH stellte klar, dass Entgeltansprüche, auch wenn sie teilweise noch als unbeglichene, nach der Berichtstagsatzung entstandene Masseforderungen in die Zeit der Insolvenz zurückreichen, aber noch nicht fällig waren, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht nach § 3a Abs 2 Z 5 IESG gesichert sind und daher neuerlich zu betreiben sowie anhand eines neuen Anknüpfungstatbestands anzumelden sind.