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Sozialwidrigkeitsprüfung – Berücksichtigung altersbedingter Wiedereingliederungsschwierigkeiten

JOHANNANADERHIRN (LINZ)
  1. Wortlaut und Entstehungsgeschichte sprechen nur dafür, dass Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei nach dem 50. Lebensjahr eingestellten AN, deren Dienstverhältnis in den ersten zwei Beschäftigungsjahren endet, nicht in „besonderem“ Ausmaß zu berücksichtigen sind, womit aber eine „normale“ Berücksichtigung wie auch sonst verbleibt.

  2. Dieses Verständnis wird auch durch die letzte Novelle bestätigt. Aus dem Ausschussbericht geht als Wille des Gesetzgebers hervor, dass „das Alter nicht mehr gesondert, sondern nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmer/innen herangezogen werden“ soll. Das bedeutet nichts anderes, als dass bei jüngeren und älteren (50+) AN für die Frage der Wiedereingliederungsschwierigkeiten derselbe Prüfmaßstab – nicht aber dasselbe Alter – angelegt werden soll.

  3. Eine abstrakte, alterslose Beurteilung würde dem Prinzip widersprechen, dass die individuelle Interessenbeeinträchtigung des gekündigten AN festzustellen ist.

Der am *.3.1958 geborene Kl war bei der Bekl von 1.8.2016 bis 4.8.2017 im Rahmen der von ihr betriebenen Arbeitskräfteüberlassung als Kranführer beschäftigt. [...] Zur Bekl wurde der Kl vom Arbeitsmarktservice (AMS) vermittelt. Das Dienstverhältnis endete durch die am 19.7.2017 ausgesprochene AG-Kündigung. [...]

Der Kl begehrte mit seiner Klage, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Soweit rekursgegenständlich, berief er sich auf ihre Sozialwidrigkeit.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung [...].

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...] Dem Kl wird es bei intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche [...] und auch durch Inanspruchnahme der Dienstleistungen des AMS gelingen, in einem Zeitraum von bis zu zwölf Monaten ab Kündigungsausspruch eine Vollzeitbeschäftigung [...] zu finden. Wenn man vom fortgeschrittenen (Erwerbs-)Alter des Kl absieht, ist mit einer Arbeitsplatzsuchdauer von maximal vier Monaten ab Kündigungsausspruch zu rechnen. [...]

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Kündigung sei nicht sozialwidrig, weil der Kl ohne Rücksicht auf sein Erwerbsalter innerhalb von vier Monaten einen adäquaten Arbeitsplatz mit einem Einkommensverlust von unter 20 % finden könne. Der besondere Schutz für ältere AN, die nach Vollendung des 50. Lebensjahres eingestellt würden, gelte erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb, was hier nicht vorliege. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge [...]. In umfassender Analyse des § 105 Abs 3b ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101und unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur kam es zum Ergebnis, dass das Lebensalter von über 50-jährigen AN im Fall einer Sozialwidrigkeitsanfechtung zwar nicht „besonders“, aber doch zu berücksichtigen sei. Der Kl, der unter Beachtung seines realen Lebensalters mit einer zwölfmonatigen Arbeitslosigkeit rechnen müsse, sei in seinen wesentlichen Interessen beeinträchtigt. [...]

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Bekl die Abänderung des Beschlusses iS einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils [...].

Der Kl beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben [...].

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. Die Bekl bringt im Wesentlichen vor, das Alter sei nach dem gesetzgeberischen Willen und nach der Vorjudikatur (9 ObA 125/13t; OLG Linz 12 Ra 83/15l) bei der Beurteilung, ob eine Kündigung sozialwidrig sei, gänzlich auszublenden. Eine nur teilweise Ausblendung des höheren Lebensalters sei praktisch nicht durchführbar, weil ein Sachverständiger nur ausführen könne, wie lange die Suchdauer für die jeweilige Person unter Berücksichtigung ihres tatsächlichen Lebensalters und unter Ausblendung des (höheren) Lebensalters sei. Die Berücksichtigung eines Schutzniveaus auf „Normalniveau“ würde bedeuten, dass das Lebensalter eines 50+ AN letztlich genauso zu berücksichtigen wäre wie das Lebensalter eines AN, der vor Vollendung des 50. Lebensjahres eingestellt worden sei, was die gesetzliche Absicht verkenne.

Folgendes war vom Senat zu erwägen:

1. Der Kl hatte zum Einstellungszeitpunkt am 1.8.2016 das 58. Lebensjahr vollendet. Die Novelle BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37 trat mit 30.3.2017 in Kraft und ist für AN heranzuziehen, die nach dem 30.6.2017 eingestellt wurden (§ 264 Abs 31 ArbVG). Im vorliegenden Fall ist daher noch § 105 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101anzuwenden.

2. Nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG kann die Kündigung bei Gericht angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt und der gekündigte AN bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des AN beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung

  • a) durch Umstände, die in der Person des AN gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren oder

  • b) durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des AN entgegenstehen (lit b), begründet ist.

3. [...]

Bei der Untersuchung, ob durch die Kündigung eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen eintrifft, 451 ist auf die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes und in diesem Zusammenhang auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter des AN, den Verlust allfälliger dienstzeitabhängiger Ansprüche sowie der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Vorteile abzustellen; darüber hinaus sind aber auch die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des AN einzubeziehen [...]. In die Untersuchung ist nicht nur die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, sondern vielmehr die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des AN und seiner Familienangehörigen einzubeziehen (RS0051806 [T9]).

Ist eine solche wesentliche Interessenbeeinträchtigung gegeben, ist in einem zweiten Prüfschritt die vom AG nachzuweisende Personen- oder Betriebsbedingtheit (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a und b ArbVG) der Kündigung zu prüfen. Liegen personen- oder betriebsbedingte Kündigungsgründe vor, ist in einem dritten Schritt eine Abwägung der AN-Interessen mit den Interessen des Betriebs vorzunehmen (grundlegend 9 ObA 279/88; Wolligger in ZellKomm3 § 105 ArbVG Rz 229).

4. Dem Schutzbedürfnis älterer AN wird mit § 105 Abs 3b ArbVG besonders Rechnung getragen.

4.1. Bereits 1976 ergänzte der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl 1976/387 § 105 Abs 3 ArbVG idF BGBl 1974/22um jene Bestimmung, die nun § 105 Abs 3b S 2 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101ArbVG entspricht:

„Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, als auch beim Vergleich sozialer Gesichtspunkte der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß besonders zu berücksichtigen.“

4.2. Im Zuge der Beschäftigungssicherungs-Novelle BGBl 1993/502 wurde die Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG um jenen Satz ergänzt, der nun § 105 Abs 3b S 1 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101entspricht:

„Umstände gemäß lit. a, die ihre Ursache in einem höheren Lebensalter eines Arbeitnehmers haben, der im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, langjährig beschäftigt ist, dürfen zur Rechtfertigung der Kündigung des älteren Arbeitnehmers nur dann herangezogen werden, wenn durch die Weiterbeschäftigung betriebliche Interessen erheblich nachteilig berührt werden.“

Der Gesetzgeber hat damit zwei voneinander unabhängige Sonderbestimmungen in der damals entsprechenden Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG geschaffen, die auf das höhere Alter des AN abstellen (Th. Dullinger, Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ecolex 2017, 442).

4.3. Durch das Budgetbegleitgesetz BGBl I 2003/71 wurde der Kündigungsschutz für ältere AN partiell wieder abgeschwächt, um nicht AG vor der Einstellung älterer AN zunehmend abzuschrecken (Wolligger in ZellKomm3 § 105 Rz 184 f). In den damaligen § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG wurde nach dem zitierten Satz „Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung ...“ folgender Satz eingefügt:

„Dies gilt für Arbeitnehmer, die gemäß § 5a des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994, eingestellt werden, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört.“

Zur Begründung (RV 59 BlgNR 22. GP 352) wurde festgehalten, dass das Regierungsprogramm im Bereich Beschäftigungspolitik ua eine Reform des Bonus-Malus-Systems vorsieht, „wobei der verstärkte Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer – im Konkreten die besondere Berücksichtigung der altersbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess – erst nach einer längeren Beschäftigungszeit einsetzen soll, um so die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit solchen Arbeitnehmern zu fördern“.

Zur Begründung (RV 59 BlgNR 22. GP 352) wurde festgehalten, dass das Regierungsprogramm im Bereich Beschäftigungspolitik ua eine Reform des Bonus-Malus-Systems vorsieht, „wobei der verstärkte Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer – im Konkreten die besondere Berücksichtigung der altersbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess – erst nach einer längeren Beschäftigungszeit einsetzen soll, um so die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit solchen Arbeitnehmern zu fördern“.

4.4. Mit der Novelle BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101wurde die Bestimmung des § 105 ArbVG zur besseren Lesbarkeit in neuer Gliederung (Abs 3 bis 3c) erlassen. Der Verweis auf § 5a Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) wurde gestrichen und durch das Abstellen auf das vollendete 50. Lebensjahr im Zeitpunkt der Einstellung ersetzt (RV 901 BlgNR 24. GP 6). In der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung des BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101lautet § 105 Abs 3b ArbVG daher:

„(3b) [...] Bei älteren Arbeitnehmern sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, als auch beim Vergleich sozialer Gesichtspunkte der Umstand einer vieljährigen ununterbrochenen Beschäftigungszeit im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, sowie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen. Dies gilt für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört.“

Zur Begründung wurde in der vorgenannten Regierungsvorlage ausgeführt:

„Im bisherigen § 105 Abs. 3 – nunmehr Abs. 3b letzter Satz – wird der Verweis auf § 5a Arbeitsmarktpolitik- Finanzierungsgesetz (AMPFG), BGBl. Nr. 315/1994, gestrichen, da diese Bestimmung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 90/2009BGBl. I Nr. 90/2009 aufgehoben wurde. Damit sind bei der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit bei Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr überschritten haben, die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres zu berücksichtigen. Mit der vorgesehenen Zwei-Jahres-Frist wird jedoch keine Aussage in Bezug auf die Begriffe ‚vieljährig‘ und ‚langjährig‘ in den beiden voranstehenden Sätzen des Abs. 3b getroffen.“

4.5. Mit dem BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37 wurde die zeitliche Beschränkung des gelockerten Kündigungsschutzes für die ersten zwei Jahre nach der Einstellung 452 für ältere AN fallen gelassen. Die aktuell geltende Fassung des S 3 leg cit sieht nun generell vor: „Dies gilt nicht für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben.“

Die Materialien (AB 1497 BlgNR 25. GP 2) halten dazu fest: „Entsprechend dem Regierungsprogramm 2013 bis 2018 und dem Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018 soll zum Zweck der Förderung der Einstellung älterer Arbeitnehmer/innen im Falle einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit bei Arbeitnehmer/inne/n, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr überschritten haben, der allgemeine Kündigungsschutz an den von jüngeren Arbeitnehmer/inne/n angeglichen werden. Es soll deshalb bei einem Sozialvergleich oder der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung das Alter nicht mehr gesondert, sondern nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmer/inne/n herangezogen werden.“

5. Interpretationsbedürftig ist für den vorliegenden Fall, worauf sich die Formulierung des § 105 Abs 3b S 3 ArbVG idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101(„Dies gilt für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben, erst ab Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört“) im Kontext mit S 1 und S 2 bezieht und weiter, welche Bedeutung der Bestimmung für solche AN, deren Dienstverhältnis vor Vollendung des zweiten Beschäftigungsjahres endet, zukommt. Da S 1 eine langjährige Beschäftigung voraussetzt und S 2 Fall 1 auf eine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit abstellt, beides in den ersten beiden Beschäftigungsjahren jedoch nicht gegeben ist, ist S 3 nur auf die im Satz davor zum Ausdruck kommende besondere Berücksichtigung der Wiedereingliederungsschwierigkeiten älterer AN zu beziehen (idS auch Th. Dullinger, aaO 442).

6. Zur zweiten Frage wird die Bedeutung der Bestimmung für die Berücksichtigungswürdigkeit des höheren Lebensalters unterschiedlich aufgefasst.

6.1. Nach Schrank (Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ZAS 2007, 4) könne die Bedeutung von S 3 leg cit nur in der generellen Ausnahme aller Bonus-Eingestellten vom Sozialwidrigkeitsschutz schlechthin liegen, weil die voranstehenden Sätze eine langjährige Beschäftigung voraussetzten, die bei einer bloß zweijährigen Beschäftigung nicht vorliege.

6.2. Auch nach Rauch (Neuerungen bei der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit, ASoK 2004, 70) ergab sich zu der mit 1.1.2004 in Kraft getretenen Vorläuferbestimmung aus dem Umstand, dass bei AN über 50 in den ersten beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses die Frage der Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes nicht mehr besonders zu berücksichtigen sei, dass in diesen Fällen für die Annahme der Sozialwidrigkeit einer AG-Kündigung kein Spielraum mehr bestehe. Beide Autoren argumentierten im Wesentlichen mit dem Ziel des Gesetzgebers, die Einstellung älterer AN zu begünstigen bzw die aus der Möglichkeit der Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit resultierenden Einstellungshemmnisse effektiv einzuschränken.

6.3. Nach Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, Komm zum ArbVG [2012], § 105 Rz 249, beschreibe die im Gesetz festgelegte Wartefrist die formelle Voraussetzung für die Anwendung der Altersberücksichtigung an sich und enthalte darüber hinaus keine materielle Aussage.

6.4. Eine Ausklammerung lediglich des Elements der größeren Schwierigkeiten der Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt geht auch aus den Ausführungen von Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 35 (2015) § 105 Rz 156, hervor. Alle sonstigen Aspekte der Interessenbeeinträchtigung seien auch in diesen Fällen zu prüfen und in die Interessenabwägung einzubinden.

6.5. Zur aktuellen Fassung des § 105 Abs 3b ArbVG vertritt nunmehr auch Rauch (Die neue Erweiterung der Einschränkung beim Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ASoK 2017, 187), dass für AN, die bei ihrer Einstellung älter als 50 sind, der Sozialwidrigkeitsschutz nicht schlechthin ausgesetzt sei, im Falle einer Anfechtung einer AG-Kündigung wegen Sozialwidrigkeit das höhere Alter des AN jedoch auszublenden sei. Rauch bezieht sich auf das Arbeitsprogramm der Bundesregierung, mit dem Neuanstellungen von AN, die älter als 50 sind, durch „Beseitigung von Beschäftigungshemmnissen für Ältere durch Wegfall der Frist in § 105 Abs 3b letzter Satz ArbVG erleichtert werden sollten, sowie auf die Entscheidungen 9 ObA 125/13tund OLG Linz12 Ra 83/15k.

6.6.Korenjak (Eingeschränkter Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, ASoK 2019, 256) kam zur aktuellen Fassung des S 3 leg cit zum Ergebnis, dass das Alter sowohl bei der Beurteilung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung als auch bei der Interessenabwägung außer Betracht zu bleiben habe.

6.7. Nach einer weiteren in der Literatur vertretenen Auslegung bedeutet die Bestimmung dagegen lediglich, dass das Alter des AN bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit nicht besonders, aber doch zu berücksichtigen sei (Eypeltauer, Eingeschränkter Kündigungsschutz für bestimmte Gruppe älterer Arbeitnehmer, ecolex 2016, 416; Th. Dullinger, Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ecolex 2017, 442 [445]; Bachhofer, Änderung im Anfechtungsrecht 2017, in Kozak, Sicherung des Bestandes von Arbeitsverhältnissen 9 [13]; Wolligger in ZellKomm3 § 105 ArbVG Rz 184).

7. Der erkennende Senat schließt sich dieser letzten Auffassung (Pkt 6.7.) an:

7.1. Nach der zitierten – schon vor der Einschränkung des Kündigungsschutzes älterer AN entwickelten – Rsp ist das Alter eines DN eines der Kriterien, die bei der Prüfung der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des AN im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes zu berücksichtigen sind. Die Frage der möglichen Wiedererlangung eines neuen Arbeitsplatzes stellt sich an sich unabhängig von einem bestimmten Alter, jedoch ist in typisierter Betrachtung bei 453höherem Alter tendenziell mit größeren Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess zu rechnen.

7.2. S 2 des § 105 Abs 3b ArbVG ordnet für die Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung älterer AN an, dass „die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen sind“. Damit wird schon nach dem Wortlaut der Bestimmung zum Ausdruck gebracht, dass diesem Aspekt bei der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung stärkeres Gewicht als anderen Aspekten zukommen soll.

7.3. Die zu BGBl l 2003/71 zitierten Materialien zur Einschränkung des (nun) S 3 des Abs 3b leg cit („Dies gilt erst ab ...“) zeigen, dass die 2003 eingeführte Lockerung des Kündigungsschutzes für geförderte (50+) AN dadurch erfolgen sollte, dass von der „besonderen“ Berücksichtigung für die ersten zwei Beschäftigungsjahre Abstand genommen werden sollte (arg RV: „im Konkreten die besondere Berücksichtigung der altersbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ...“). Damit kommt zwar klar zum Ausdruck, dass altersbedingte Wiedereingliederungsschwierigkeiten von nach dem 50. Lebensjahr eingestellten AN erst nach zwei Beschäftigungsjahren besonders berücksichtigt werden sollen, ihnen also dann dasselbe Schutzniveau wie älteren, jedoch unter 50-jährigen AN zukommen soll. Daraus geht aber nicht hervor, dass ihre Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei einer kürzeren Beschäftigungsdauer überhaupt nicht zu berücksichtigen sind. S 3 trifft für diese Situation schlicht keine Aussage. Wortlaut und Entstehungsgeschichte sprechen daher nur dafür, dass Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei nach dem 50. Lebensjahr eingestellten AN, deren Dienstverhältnis in den ersten zwei Beschäftigungsjahren endet, nicht in „besonderem“ Ausmaß zu berücksichtigen sind, womit aber eine „normale“ Berücksichtigung wie auch sonst verbleibt.

7.4. Dieses Verständnis wird auch durch die letzte Novelle bestätigt. Aus dem zitierten Ausschussbericht 1497 BlgNR 25. GP geht als Wille des Gesetzgebers hervor, dass „das Alter nicht mehr gesondert, sondern nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmer/innen herangezogen werden“ soll. Das bedeutet nichts anderes, als dass bei jüngeren und älteren (50+) AN für die Frage der Wiedereingliederungsschwierigkeiten derselbe Prüfmaßstab – nicht aber dasselbe Alter – angelegt werden soll (zutreffend unterscheidend Bachhofer, aaO 12 f). Nur ältere AN, die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommen danach iSd S 2 noch in den Genuss einer besonderen Berücksichtigung von altersbedingten Wiedereingliederungsschwierigkeiten. So führte auch das Berufungsgericht richtig aus, während der zweite Satz leg cit das Schutzniveau älterer AN höher ansetzt, schwächt der dritte Satz leg cit dieses gesteigerte Schutzniveau wieder auf ein Normalniveau für AN, die ab 50 eingestellt wurden, wieder ab. Im Ergebnis bedeutet das, dass aufgrund des konkreten Lebensalters zu erwartende Wiedereingliederungsschwierigkeiten bei ab dem 50. Lebensjahr eingestellten (noch nicht zwei Jahre beschäftigten) AN im Rahmen der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung eines AN nach ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung für ihn nicht „besonders“, sondern wie bei einem jüngeren AN, das heißt „gewöhnlich“ zu berücksichtigen sind.

7.5. Dass die mit dem jeweiligen Alter zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt danach nicht zur Gänze auszublenden sind, unterwandert bei über dem 50. Lebensjahr eingestellten AN auch noch nicht die gesetzliche Intention einer Einstellungsförderung bei 50+ AN, weil in jedem Einzelfall die Gesamtsituation eines gekündigten AN zu berücksichtigen ist. Wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt, würde eine abstrakte, alterslose Beurteilung schließlich nicht nur dem Prinzip widersprechen, dass die individuelle Interessenbeeinträchtigung des gekündigten AN festzustellen ist, sondern ließe auch offen, welches Alter dafür als Vergleichsalter anzunehmen wäre. Altersbedingte Wiedereingliederungsschwierigkeiten könnten schon bei zB 35- oder 45-jährigen AN unterschiedlich sein.

7.6. Die E 9 ObA 125/13tsteht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen.

Darin wurde im Rahmen der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision in einem obiter dictum ausgeführt, dass die Bestimmungen den allgemeinen Kündigungsschutz für einen AN, der im Anstellungszeitpunkt das 50. Lebensjahr erreicht hat, für die ersten zwei Beschäftigungsjahre nicht zur Gänze beseitigen. Vielmehr sollen bei einem solchen AN die für ältere AN besonders zu berücksichtigenden Kriterien des § 105 Abs 3b zweiter Satz ArbVG erst nach einem zweijährigen Beschäftigungszeitraum in die Prüfung der Sozialwidrigkeit einfließen. Das bedeutet nicht, dass eine Ausblendung des Lebensalters schlechthin zu erfolgen hätte. Es wird nur nahegelegt, dass die besondere Berücksichtigung der Kriterien, die für ältere AN gem § 105 Abs 3b zweiter Satz ArbVG gelten, für jene AN, die im Anstellungszeitpunkt das 50. Lebensjahr bereits erreicht haben, erst ab dem dritten Beschäftigungsjahr im Rahmen der Interessenabwägung zu erfolgen hat.

8. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Da der Kl unter Bedachtnahme auf sein konkretes Lebensalter mit einer zwölfmonatigen Arbeitslosigkeit rechnen muss und unter Berücksichtigung seiner gesamten Lebens- und Einkommenssituation in seinen wesentlichen Interessen beeinträchtigt ist, sind in der Folge die Rechtfertigungsgründe der Bekl zu prüfen, für die das Berufungsgericht noch Feststellungen vermisst. [...]

ANMERKUNG
1.
Allgemeines

In der vorliegenden E klärt der OGH die in der Lehre bis dato unterschiedlich gesehene Frage, ob die altersbedingten Wiedereingliederungsschwierigkeiten 454 eines AN, der von der Ausnahmeregelung des § 105 Abs 3b letzter Satz ArbVG erfasst ist, bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht nur nicht besonders zu berücksichtigen sind, sondern überhaupt nicht. Im gegebenen Fall war noch § 105 Abs 3b letzter Satz idF BGBl I 2010/101BGBl I 2010/101 anwendbar. Der Kl war bei der Einstellung bereits über 50 Jahre alt. Da er noch keine zweijährige Beschäftigungszeit im Betrieb aufwies, waren bei ihm die altersbedingten Wiedereingliederungsschwierigkeiten jedenfalls nicht besonders zu berücksichtigen. Der OGH sprach sich jedoch unter ausführlicher Würdigung der Materialien und der Literatur überzeugend für eine „normale“ Berücksichtigung aus (dieser E zustimmend auch Bachhofer, DRdA-infas 2020/7, 15 fsowie Th. Dullinger, ÖJZ 2020, 408 f, der diese E auch unter dem Aspekt des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Alters begrüßt). Im Folgenden sollen lediglich ergänzende Anmerkungen vorgenommen werden.

2.
Die beiden Fälle des § 105 Abs 3b Satz 2 ArbVG – eine Klarstellung

Der OGH hat in dieser E implizit klargestellt, dass die besondere Berücksichtigung der Wiedereingliederungsschwierigkeiten zwar voraussetzt, dass der AN älter ist, jedoch nicht eine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb/Unternehmen (vgl Pkt 5. der E). Schrank vertrat offenbar die Ansicht, dass die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Wiedereingliederungsschwierigkeiten nur bei AN besonders zu berücksichtigen sind, die eine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb/Unternehmen aufweisen (vgl Schrank, Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ZAS 2007, 9). Dem Umstand, dass bei einer derartigen Interpretation die für den verstärkten Schutz für „Bonus-Eingestellte“ (vgl § 105 Abs 3 vorletzter Satz idF BGBl I 2003/71) erforderliche mindestens zweijährige Beschäftigung im Betrieb/Unternehmen ihren Sinn verlöre, wollte Schrank dadurch Rechnung tragen, dass er den „Bonus-Eingestellten“ in den ersten beiden Jahren den Sozialwidrigkeitsschutz gänzlich versagen wollte. Dass hier keine Ausnahme dieser Personen vom Sozialwidrigkeitsschutz schlechthin erfolgen sollte, haben die Lehre (vgl zB Th. Dullinger, Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, ecolex 2017, 444 mwN) und nunmehr auch der OGH überzeugend nachgewiesen und wird diese Ansicht auch von Schrank selbst nicht mehr aufrechterhalten (vgl Schrank in Tomandl, ArbVG § 105 Rz 236). Hinzuweisen ist darauf, dass die RV zur Novelle BGBl 1976/387noch eine andere Formulierung vorsah: „Bei älteren AN, die eine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb [...] aufweisen, sind sowohl bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, [...] die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besonders zu berücksichtigen“ (RV 151 BlgNR 14. GP 1). Nach dieser Formulierung war eindeutig, dass die altersbedingten Wiedereingliederungsschwierigkeiten nur bei älteren Personen mit vieljähriger ununterbrochener Beschäftigungszeit besonders zu berücksichtigen gewesen wären. Der Grund für die Beschränkung des besonderen Kündigungsschutzes auf jene älteren AN, die eine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb [...] aufweisen, hätte ausweislich der Materialien darin bestanden, dass ein verstärkter Kündigungsschutz für alle älteren AN ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Konsequenz führen könnte, dass ältere AN bei der Arbeitsplatzsuche noch größere Schwierigkeiten zu erwarten hätten. Aus ähnlichen Erwägungen wurde von der Fixierung einer bestimmten Altersgrenze Abstand genommen (ErläutRV 151 BlgNR 14. GP 2). Im Ausschuss wurde diese Regelung dann iSd Formulierung des BGBl geändert. Der Grund für die Umformulierung wird im AB nicht dezidiert erläutert, es findet sich jedoch der Hinweis, dass für ältere AN ein besonderer Kündigungsschutz normiert werden soll (AB 275 BlgNR 14. GP 1). Diese Umformulierung gegenüber der RV zeigt wohl auch, dass die besondere Berücksichtigung der wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Wiedereingliederungsschwierigkeiten keine vieljährige ununterbrochene Beschäftigungszeit im Betrieb/Unternehmen voraussetzt. Auch wenn nach der gegenwärtigen Fassung die Zweijahresfrist weggefallen ist, also der letzte Satz des § 105 Abs 3b nunmehr auch bei anderer Ansicht einen Sinn ergäbe, ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte (vgl Th. Dullinger, ecolex 2017, 443).

3.
Die Judikaturlinie vor BGBl 1976/387 sowie die Materialien sprechen für das Ergebnis des OGH

Während im Betriebsrätegesetz (BRG) 1919 noch keine derartige Anfechtungsmöglichkeit vorgesehen war (vgl § 3 Abs 2 Z 9 BRG 1919), konnte nach BRG 1947 eine in den Betriebsverhältnissen nicht begründete Kündigung wegen „sozialer Härte“ angefochten werden (§ 25 Abs 4 BRG 1947). Obwohl diese Kriterien im BRG 1947 nicht genannt waren, sahen Floretta/Strasser, BRG2 (1973) 499 f auch Arbeitslosigkeit und Alter als Aspekte der „sozialen Härte“ an. Vor allem die Dauer der durch die Kündigung drohenden Arbeitslosigkeit und die Vermittlungsfähigkeit des AN spiele eine bedeutende Rolle, dabei sei ua besonders auf das Lebensalter des AN abzustellen (Floretta/Strasser, BRG2 502 f). Auch die Judikatur zum BRG 1947 zeigt, dass das höhere Alter und die damit verbundene längere Arbeitslosigkeit bei der Beurteilung des Vorliegens der sozialen Härte eine wichtige Rolle gespielt hat. Dies wird deutlich, wenn man etwa die E des EA Linz vom 14.12.1967 (Re 96/67 Arb 8500) betrachtet. Der AN war mit über 50 Jahren eingestellt und nach gut vierjähriger Dienstzeit mit 60 Jahren gekündigt worden. Das EA Linz bejahte das Vorliegen der sozialen Härte auch mit dem Argument, dass der AN im Hinblick auf sein Alter 455 nur sehr schwer auf einen anderen Arbeitsplatz vermittelt werden könne. Bei einem 54-jährigen AN hat der VwGH für die Beurteilung des Vorliegens der sozialen Härte darauf abgestellt, dass aufgrund seines Alters seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt bereits wesentlich an Konkurrenzfähigkeit eingebüßt hat (VwGH 4.5.1951, 1067/49 SozMitt II B 87). Das EA Wien (4.5.1957, Re 243/57 SozMitt II B 363) bejahte bei einem 60-jährigen Buchhalter das Vorliegen der sozialen Härte mit der Begründung, es sei für einen Angestellten in diesem Alter überaus schwierig, wenn nicht geradezu aussichtslos, eine neue Stellung zu erlangen. Daran ändere auch nichts, dass der AN alleinstehend und ohne Sorgepflichten ist. Vgl auch EA Wien 10.12.1957, Re 420/57 (60-jähriger AN) SozMitt II B 389; EA Wien 13.12.1958, Re 870/58 (56-jähriger AN) Soz-Mitt II B 436.

Nach Inkrafttreten des ArbVG wurde bereits vor der Novelle BGBl 1976/387 das Alter und die im Zusammenhang damit auftretenden Schwierigkeiten des AN, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, von der Judikatur bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit berücksichtigt (vgl EA Wien 19.6.1975, VI Re 71/75 Arb 9390 [49-jährige AN]; EA Wien 23.9.1975, II Re 149/75 Arb 9420 [54-jähriger Bauleiter]; EA Salzburg 1.12.1975, Re 33/75 Arb 9441 [52-jährige AN]).

Nach den Materialien zur Novelle BGBl 1976/387 sollte die Forderung nach einem besonderen Kündigungsschutz für ältere AN umgesetzt werden. Diese Forderung sei dadurch begründet, dass die Kündigung solcher AN für diese zu besonderen Härten führe, da vor allem in Zeiten eines Konjunkturrückganges die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess meist – wenn überhaupt – nur schwer möglich sei. Die Stellung des älteren AN werde durch die Neuregelung wesentlich gestärkt (ErläutRV 151 BlgNR 14. GP 2 f). Obwohl – wie gezeigt wurde – ein höheres Lebensalter eines gekündigten AN und die damit verbundenen Schwierigkeiten, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, ohnehin schon von der Judikatur und Lehre bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit berücksichtigt wurde, sah es der Gesetzgeber offenbar für notwendig an, diesen Altersschutz noch zu verstärken, wenngleich die Effektivität dieser Regelung im Gesetzgebungsprozess durchaus umstritten war (vgl die Äußerung von Kohlmaier, StenProt 30. Sitzung NR vom 7.7.1976, 14. GP 2794, der dies als Scheinmaßnahme bezeichnete. Das, was bisher ohnehin Judikatur gewesen sei, sei in dieses Gesetz übernommen worden).

Offenbar ging der Gesetzgeber in der Folge davon aus, dass diese gut gemeinte Regelung auch einen negativen Effekt mit sich bringt, nämlich potenzielle AG von der Einstellung älterer AN abhalten könnte. Daher wurde mit BGBl I 2003/71 begonnen, den Kündigungsschutz für im höheren Alter eingestellte AN zu lockern. Die Materialien führen dazu aus, dass der verstärkte Kündigungsschutz für ältere AN – im Konkreten die besondere Berücksichtigung der altersbedingten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess – erst nach einer längeren Beschäftigungszeit einsetzen soll, um so die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit solchen AN zu fördern (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 352).

Im Initiativantrag zur Novelle BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37 wird angemerkt, dass der erhöhte Kündigungsschutz für ältere AN auch negative Folgen hat. Er stelle für diese eine Einschränkung der Chancen auf Wiedererlangung einer Beschäftigung dar (IA 1140/A 25. GP 1). Sowohl aus den Materialien zu BGBl I 2003/71 als auch zu BGBl I 2017/37BGBl I 2017/37 wird deutlich, dass zwar der durch BGBl 1976/387 eingeführte besondere (verstärkte, erhöhte) Kündigungsschutz für die betreffenden AN wieder abgeschafft werden sollte, es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen Personen nicht einmal mehr den schon nach Judikatur und Lehre zum BRG 1947 und zum ArbVG vor der Novelle BGBl 1976/387 bestehenden Schutzstandard im Hinblick auf das Alter und die zu erwartende Arbeitslosigkeit gewähren wollte.

Der OGH führt auch richtig aus, dass eine abstrakte, alterslose Beurteilung dem Prinzip widersprechen würde, dass die individuelle Interessenbeeinträchtigung des gekündigten AN festzustellen ist. Wenn man den vorliegenden Fall betrachtet, wäre es mE widersinnig, von einer maximal viermonatigen Arbeitsplatzsuchdauer dieses AN auszugehen, wenn feststeht, dass er aufgrund seines Alters mit einer bis zu zwölfmonatigen Arbeitslosigkeit zu rechnen hat. Man würde hier „sehenden Auges“ eine fiktive Beurteilung vornehmen, die der Realität nicht entspricht.

Wie der OGH in der vorliegenden E nun klargestellt hat, lässt sich aus der von Vertretern der Gegenmeinung herangezogenen E des OGH9 ObA 125/13t (gleicher Senat) eine gänzliche Ausblendung des konkreten Lebensalters nicht ableiten (so bereits Bachhofer, Änderung im Anfechtungsrecht 2017, in Kozak [Hrsg], Sicherung des Bestandes von Arbeitsverhältnissen [2018] 15 f).

4.
Schlussbemerkung

Dem OGH ist in Begründung und Ergebnis zu folgen. Anzumerken ist jedoch, dass etwa Bachhofer (in Kozak [Hrsg], Sicherung 17 f) darauf hingewiesen hat, dass die Annahme des Gesetzgebers, Lockerung bzw Abbau von Kündigungsschutz könne AG zu vermehrter Einstellung vormals geschützter Beschäftigtengruppen motivieren, in Österreich nicht durch empirischen Nachweis in Form von Untersuchungen, Studien oder Statistiken belegt ist (vgl zu ausländischen Untersuchungen die Nachweise bei Hutter, Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen [2014] 12 ff). Wie Bachhofer darlegt, hat sich diese Erwartung jedenfalls durch die Aussetzung des Kündigungsschutzes für die ersten vier Jahre bei begünstigt behinderten Personen nicht erfüllt. Bezüglich der Einstellung älterer AN wäre die künftige Entwicklung genau zu beobachten, gegebenenfalls sollte der Gesetzgeber seine Vorgangsweise überdenken.456