55Kein automatisches Daueraufenthaltsrecht für UnionsbürgerInnen bei Erreichen des Regelpensionsalters
Kein automatisches Daueraufenthaltsrecht für UnionsbürgerInnen bei Erreichen des Regelpensionsalters
AN aus anderen Mitgliedstaaten, die das Regelpensionsalter erreichen, müssen für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts ihre Erwerbstätigkeit mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich in diesem Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten haben.
Die Aufnahme eines Dienstverhältnisses kurz vor Erreichen des Regelpensionsalters ist daher nicht geeignet, ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zu begründen; da die Ausgleichszulage aufenthaltsrechtlich eine Sozialhilfeleistung darstellt, ist eine Zuerkennung idR nur möglich, wenn die UnionsbürgerInnen zum Daueraufenthalt berechtigt sind.
Der am 28.1.1950 geborene Kl ist rumänischer Staatsangehöriger. Er hat das österreichische Regelpensionsalter von 65 Jahren am 28.1.2015 vollendet. Er bezieht eine österreichische Alterspension von monatlich 26,73 € sowie eine rumänische Pension von umgerechnet monatlich 204 €. Er war in Rumänien als Lehrer in einer Grundschule und danach in einem staatlichen Betrieb tätig. Seit 2010 arbeitete er als selbständiger plastischer Künstler. Nach dem Tod seiner Frau (2012) zog er zu seiner Tochter, die in Österreich lebt. Seit 21.8.2013 hält er sich ununterbrochen in Österreich auf. Von 1.10.2013 bis zu seiner Pensionierung am 31.8.2015 arbeitete er in der Tabak-Trafik seines Schwiegersohns 12 Stunden wöchentlich. Sein bar ausgezahltes Gehalt betrug etwa 450 €. Von 1.4.2016 bis 1.2.2017 arbeitete er wieder in der mittlerweile von seiner Tochter übernommenen Tabak-Trafik. Laut Dienstvertrag betrug die Dienstzeit 20 Stunden pro Woche, das Gehalt etwa 800 € brutto. Der Kl arbeitete jedoch weniger als die im Arbeitsvertrag vereinbarten 20 Stunden wöchentlich. Der Kl wurde lediglich für 20 Stunden angemeldet, um eine – am 10.8.2016 von der österreichischen Behörde ausgestellte – Anmeldebescheinigung als AN nach § 51 Abs 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu erhalten.
Es ist zu klären, ob dem Kl ein (Dauer-)Aufenthaltsrecht nach Art 7 Abs 1 lit a und b oder Art 17 Abs 1 lit a der RL 2004/38/EG [...] (Unionsbürger-RL oder Freizügigkeits-RL) zukommt. Nicht strittig ist hingegen, dass der Kl als seit Beendigung des zweiten Dienstverhältnisses wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel iSd Art 7 Abs 1 lit b der Unionsbürger-RL verfügt. Es ist ebenso unstrittig, dass sich der Kl zum maßgeblichen Stichtag (§ 223 Abs 1 ASVG), dem 1.5.2017, noch nicht fünf Jahre ununterbrochen in Österreich aufgehalten hat.
Die bekl Pensionsversicherungsanstalt lehnte mit Bescheid vom 26.4.2017 den Antrag des Kl auf Gewährung einer Ausgleichszulage ab. Der Kl halte sich nicht rechtmäßig in Österreich auf.
In seiner dagegen erhobenen Klage beruft sich der Kl auf sein Recht des Aufenthalts iSd Art 7 Abs 1 lit a und b und Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL.
Die Bekl bestreitet den rechtmäßigen Aufenthalt des Kl in Österreich.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Voraussetzungen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit mindestens während der letzten 12 Monate und eines dreijährigen ununterbrochenen Aufenthalts in Österreich iSd Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL und des § 53a Abs 3 Z 1 NAG müssten auch für den Fall gelten, dass der AN aus dem Erwerbsleben ausscheide, weil er das Regelpensionsalter erreicht habe. Der Kl erfülle diese Voraussetzungen nicht. Er habe zwar bei Eintritt in die Alterspension während der letzten 12 Monate zuvor eine Erwerbstätigkeit in Österreich ausgeübt, sich zu diesem Zeitpunkt aber nicht drei Jahre im Bundesgebiet aufgehalten. Zum Zeitpunkt der Stellung seines Antrags auf Zuerkennung der Ausgleichszahlung sei er nicht erwerbstätig gewesen. Ein Aufenthaltsrecht nach Art 7 Abs 1 lit a und b der Unionsbürger-RL scheitere daran, dass der Kl nach Beendigung des zweiten Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich inaktiv sei und nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge.
Das Berufungsgericht teilte diese – ausführlich begründete – Rechtsansicht und gab der Berufung des Kl nicht Folge. Es ließ die Revision zu, weil Rsp des OGH weder zur Auslegung des § 53a Abs 3 Z 1 NAG noch zur Frage bestehe, ob bei Vorliegen von ausreichenden Existenzmitteln für einen gewissen Zeitraum und deren späteren Wegfall wegen des Bezugs von Pensionsleistungen ein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehe.
Die Revision des Kl ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Nach § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich hat.
2.1 Art 17 Abs 1 der Unionsbürger-RL gewährt abweichend von ihrem Art 16 vor Ablauf eines ununterbrochenen Aufenthalts von fünf Jahren das Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat 579 a) AN oder Selbständigen, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das in dem betreffenden Mitgliedstaat für die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht haben, oder [b)] AN, die ihre abhängige Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat mindestens während der letzten 12 Monate ausgeübt und sich dort seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten haben. Diese Regelung wurde in Österreich durch § 53a Abs 3 Z 1 NAG nahezu wortident umgesetzt.
2.2 Aus Anlass der – beantworteten – Revision des Kl legte der OGH mit Beschluss vom 19.12.2018 zu AZ 10 ObS 105/18s (RIS-Justiz RS0132427) dem Gerichtshof der Europäischen Union primär die Frage vor, ob Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL so auszulegen ist, dass AN, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das im Beschäftigungsstaat für die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht haben, ihre Erwerbstätigkeit zuletzt mindestens während der letzten 12 Monate ausgeübt und sich im Beschäftigungsstaat seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten haben müssen, um das Recht auf Daueraufenthalt vor Ablauf eines fünfjährigen Zeitraums zu erwerben. Eine zweite Frage wurde nur für den Fall gestellt, dass die erste Frage verneint wird.
2.3 In seinem Urteil vom 22.1.2020, C-32/19, legte der Gerichtshof der Europäischen Union Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL so aus, dass die Voraussetzungen für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat vor Ablauf eines ununterbrochenen fünfjährigen Aufenthaltszeitraums, nämlich seine Erwerbstätigkeit zuletzt mindestens während der letzten 12 Monate ausgeübt zu haben und sich dort seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten zu haben, für einen AN gelten, der zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das von diesem Mitgliedstaat die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht hat.
2.4 Damit ist iSd Rechtsstandpunkts der Bekl geklärt, dass der Kl die für ihn geltenden zeitlichen Voraussetzungen des Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL sowie des § 53a Abs 3 Z 1 NAG nicht erfüllt. Am 31.8.2015, als er seine Erwerbstätigkeit in Österreich nach Erreichen des Regelpensionsalters von 65 Jahren das erste Mal aufgab, war er zwar die letzten 12 Monate zuvor beschäftigt gewesen, hatte sich aber nicht drei Jahre ununterbrochen in Österreich aufgehalten. Als seine zweite Beschäftigung in Österreich (von 1.4.2016 bis 1.2.2017) endete, hatte sein Aufenthalt in Österreich zwar mehr als drei Jahre gedauert, sein zweites Dienstverhältnis vor dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben jedoch nur 10 Monate.
3.1 Wie bereits die Vorinstanzen erkannten, ist die österreichische Ausgleichszulage nach der Rsp des EuGH (19.9.2013, C-140/12, Brey; 11.11.2014, C-333/13, Dano; 15.9.2015, C-67/14, Alimanovic; 25.2.2016, C-299/14, Garcia-Nieto) auch eine Sozialleistung iSd Unionsbürger-RL.
3.2 Nach Art 7 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL steht das Recht auf Aufenthalt wirtschaftlich inaktiven Personen zu, die sich länger als drei Monate, aber nicht mehr als fünf Jahre im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, und die Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 lit b der Unionsbürger-RL erfüllen, also über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen (RS0130764). Nur unter diesen Voraussetzungen stünde dem Kl als Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zur Ausgleichszulage die von ihm beanspruchte Gleichbehandlung mit Inländern zu (10 ObS 160/17b).
3.3 Die – ausführlich begründete – Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kl diese Voraussetzungen nicht erfüllt, begegnet keinen Bedenken. Eine Beschäftigung im Inland verschafft einem Unionsbürger während ihrer Dauer einen eigenen unions- und nationalrechtlichen Aufenthaltstitel. Nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses kommt – soweit hier relevant – ein rechtmäßiger Aufenthalt nach Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL in Betracht. Die darin geforderten Voraussetzungen sind im Fall des Kl – wie bereits dargelegt – nicht verwirklicht. Nach endgültiger Aufgabe seiner Arbeitstätigkeit in Österreich (Beschäftigung bei Familienangehörigen) verfügte er mit einem monatlichen Pensionseinkommen von insgesamt 230,73 € nicht über ausreichende Mittel zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse, was er auch gar nicht in Zweifel zieht. In seinem Fall ist zu berücksichtigen, dass er nur etwa eineinhalb Jahre vor Vollendung des österreichischen gesetzlichen Pensionsalters von Rumänien nach Österreich übersiedelt ist. Es war zu diesem Zeitpunkt absehbar, dass er bis zum Pensionsantritt in Österreich keine ausreichenden Versicherungszeiten für eine österreichische Alterspension in Höhe des Richtsatzes (§ 293 ASVG) erwerben konnte und künftig auf österreichische Sozialhilfeleistungen angewiesen wäre.
3. Zum maßgeblichen Stichtag, dem 1.5.2017, hatte der Kl keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich. Daran scheitert sein Begehren auf Gewährung einer Ausgleichszulage. [...]
Das vorliegende Urteil des OGH reiht sich in die lange (man könnte sagen: nicht enden wollende) Reihe der Erkenntnisse und Urteile ein, wann „ökonomisch inaktive“ UnionsbürgerInnen die Ausgleichszulage bzw Leistungen der Mindestsicherung beziehen können.
Die E des OGH in der gegenständlichen Causa ist (in seinem ersten Teil) weitgehend nur die Wiedergabe eines Urteils des EuGH (22.1.2020, C-32/19, AT, ECLI:EU:C:2020:25); der OGH hatte zuvor dem EuGH in diesem Ausgangsverfahren zwei Fragen 580 zur Vorabentscheidung gestellt (OGH 19.12.2018, 10 ObS 105/18s, ECLI:AT:OGH0002:2018:010OB S 00105.18S.1219.000), nach dessen Urteil ist nun die Rechtsfrage geklärt und die Revision wurde iSd EuGH-Urteils entschieden.
Wenn UnionsbürgerInnen (bzw deren Familienangehörigen) in einem Mitgliedstaat ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht erworben haben, ist dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr von der Erfüllung der Kriterien des Kapitels III der RL 2004/38/EG abhängig; im Ergebnis heißt das, dass sie Sozialhilfeleistungen beziehen dürfen, ohne dass ihr Aufenthaltsrecht dadurch gefährdet wäre. Im Regelfall erwerben UnionsbürgerInnen ein Recht auf Daueraufenthalt in anderen Mitgliedstaaten, wenn sie fünf Jahre lang rechtmäßig aufenthaltsberechtigt waren, in bestimmten Fallkonstellationen (insb dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bzw Erreichen des Regelpensionsalters oder bei Inanspruchnahme einer Vorruhestandsregelung) ist es möglich, ein solches Daueraufenthaltsrecht zu erwerben, obwohl die betreffenden UnionsbürgerInnen noch nicht fünf Jahre aufenthaltsberechtigt waren (Art 17 RL 2004/38/EG bzw innerstaatlich § 53a Abs 3 Z 1 und 2 NAG).
Strittig war im Verfahren das Vorliegen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts; da der Kl unstrittig zum maßgeblichen Stichtag nicht fünf Jahre unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt war, berief er sich auf Art 17 Abs 1 lit a RL 2004/38/ EG. Gemäß dieser Bestimmung erwerben UnionsbürgerInnen in zwei Fallkonstellationen bereits vor Ablauf von fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht: „Arbeitnehmer oder Selbstständige, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das in dem betreffenden Mitgliedstaat für die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht haben, oder Arbeitnehmer, die ihre abhängige Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich dort seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten haben.“
Fraglich war, ob sich der letzte Halbsatz (ab „sofern“) auf beide oder nur auf die zweitgenannte Konstellation bezieht, ob also auch bei Erreichen des Regelpensionsalters die zusätzlichen Voraussetzungen von mindestens zwölf Monaten Erwerbstätigkeit sowie drei Jahre Aufenthalt zur Anwendung kommen. Der EuGH klärt zunächst mittels Wortinterpretation, dass sich der letzte Halbsatz auf alle Konstellationen des Art 17 Abs 1 lit a RL 2004/38/EG bezieht (C-32/19, Rz 28 f). Das ist (bei bloßer Betrachtung des Wortlauts) eine durchaus mögliche, aber nicht gänzlich zwingende Interpretation.
Weiters bezieht sich der EuGH aber auf die allgemeine Systematik und die Ziele der RL 2004/38/EG und insb letztere Argumentation ist mE überzeugend: Nach ErwGr 17 RL 2004/38/EG soll das Recht auf Daueraufenthalt entscheidend zum sozialen Zusammenhalt beitragen und hat daher der Unionsgesetzgeber die Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts nach Art 16 von der Integration im Aufnahmemitgliedstaat abhängig gemacht, wobei diese Integration auch qualitative Elemente beinhaltet (EuGHC-32/19, Rz 41 f unter Hinweis auf EuGH 17.4.2018, C-316/16 und C-424/16, ECLI:EU:C:2003/8, Rz 57 f).
Es ist nachvollziehbar, dass bei einer sehr kurzen Erwerbstätigkeit vor Erreichen des Regelpensionsalters diese Integration nicht notwendigerweise gegeben wäre: Ausreichende Unterhaltsmittel sind keine Voraussetzung für das Weiterbestehen eines einmal erworbenen Daueraufenthaltsrechts, gleichzeitig haben Daueraufenthaltsberechtigte aber auch bezüglich Sozialhilfeleistungen einen Gleichbehandlungsanspruch gegenüber StaatsbürgerInnen des Aufnahmemitgliedstaates. Es wäre daher kaum sachgerecht, wenn ein nicht an Bedingungen (Ausnahme: gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) geknüpftes Aufenthaltsrecht dadurch herbeigeführt werden könnte, dass sehr knapp vor Erreichen des Regelpensionsalters noch ein Arbeitsverhältnis begründet würde. Gegen eine solche Auslegung spricht auch (ohne dass dies der EuGH thematisiert), dass es in solchen Fällen an einer tatsächlichen Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat (vgl etwa EuGH 23.3.2004, C-138/02, Collins, ECLI:EU:C:2004:172, Rz 67) mangeln würde.
Sollte nach Erreichen des Regelpensionsalters ein Aufenthaltsrecht gem Art 7 RL 2004/38/EG vorliegen (zB aufgrund Erwerbstätigkeit, Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft bzw auch aufgrund ausreichender Unterhaltsmittel und KV, uU nicht unangemessener Sozialhilfebezug), wäre das Aufenthaltsrecht gesichert und in weiterer Folge könnte nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts (bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art 17 RL 2004/38/EG auch früher) ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht erworben werden.
Immanent ist der Richtlinie auch, dass ein Sozialhilfebezug nicht ungemessen sein soll (ErwGr 10 und 16, in diesem Sinn auch Mantu/Minderhoud, Exploring the limits of social solidarity: welfare tourism and EU citizenship, EU Law Journal 2016, 4). Eine solche Unangemessenheit würde vorliegen, wenn nach sehr kurzem Dienstverhältnis unmittelbar ein nicht mehr an Bedingungen geknüpftes Daueraufenthaltsrecht entstehen würde und daher potenziell ein Bezug der Ausgleichszulage bis zum Ableben möglich wäre.
Somit musste der EuGH auf die zweite Frage formal nicht mehr antworten (C-32/19, Rz 45). Der OGH hatte für den Fall, dass Art 17 RL 2004/38/EG denjenigen, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, ohne weitere Bedingungen ein Daueraufenthaltsrecht zuerkennt, gefragt, ob dies auch nach einer kurzen Erwerbstätigkeit gelte; mit Blick auf die Judikatur des EuGH zur Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft und Bezug von Sozialhilfeleistungen (EuGH 11.4.2019, C-483/17, Neculai Tarola, 581 ECLI:EU:C:2019:309) ist aber mE klar, dass in diesem Fall trotz kurzem Dienstverhältnis ein Daueraufenthaltsrecht entstanden wäre.
Zutreffend prüft der OGH weiter, ob nicht ein Anspruch auf eine Ausgleichszulage besteht, auch wenn kein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht erworben wurde. Dies wäre dann der Fall, wenn ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art 7 RL 2004/38/EG vorliegen würde. Eine Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft kommt begrifflich nicht in Betracht, weil eine weitere Erwerbstätigkeit seitens des Kl offenbar nicht beabsichtigt war.
In stRsp vertritt der OGH die Auffassung, dass ökonomisch inaktive UnionsbürgerInnen im Wesentlichen keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben (vgl OGH 20.2.2018, 10 ObS 160/17b, ECLI:AT:OG H0002:2018:010OBS 00160.17B.0220.000), da die späteren Entscheidungen des EuGH in den Rs Dano und Alimanovic de facto die frühere Entscheidung der Rs Brey derogiert hätten (OGH 19.7.2016, 10 ObS 53/16s, ECLI:AT:OGH0002:2016:RS0130764, zu den EuGH-Urteilen siehe anstatt vieler Felten, Beschränkter Zugang zu Sozialleistungen für Unionsbürger, DRdA 2107, 97). Diese Auffassung ist mE nicht zutreffend, da in Ausnahmefällen und bei Vorliegen von eigenen (wenn auch nicht ausreichenden) Unterhaltsmitteln ein Aufenthaltsrecht gem Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG gegeben sein kann und die Abhängigkeit von Sozialhilfeleistungen nicht in allen Fällen dazu führt, dass ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verneint wird (Peyrl, The Judgments of Brey, Dano and Alimanovic: A Case of Derogation or a Need to Solve the Riddle, in Mantu/Minderhoud/Guild, EU Citizenship and Free Movement Rights [2020] 105). Im vorliegenden Fall hatte der Kl neben einer recht geringen rumänischen Pension (monatlich € 204,–) auch eine österreichische Pension (monatlich € 26,73). Auch kumulativ erreichen diese Alterspensionen nicht eine Höhe, die gem Art 8 Abs 4 RL 2004/38/EG jedenfalls zu einem Aufenthalt berechtigen würde. Da diese österreichische Pension der Höhe nach fast vernachlässigbar und auch sonst keine Ausnahmesituation ersichtlich ist, ist die Verneinung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts aber in diesem Fall jedenfalls korrekt.
Grundsätzlich klärt die vorliegende E des OGH, die weitgehend das vorangegangene Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH gleichsam umsetzt, in eher technischer Hinsicht, dass ein Daueraufenthaltsrecht gem Art 17 RL 2004/38/EG auch bei Erreichen des Regelpensionsalters an weitere Voraussetzungen geknüpft ist. Nichtdestotrotz ist sie ein weiterer Baustein, das Dickicht des Zusammenspiels von Aufenthaltsrecht von UnionsbürgerInnen in anderen Mitgliedstaaten und Bezug von Sozialleistungen zu durchdringen. 582