50Keine Garantie der vollen Beschäftigungspflicht durch § 18 TAG
Keine Garantie der vollen Beschäftigungspflicht durch § 18 TAG
Zielt eine einstweilige Verfügung auf Durchsetzung einer Beschäftigung ab, ist das Vorliegen eines unwiederbringlichen Schadens ohne die verlangte Berufsausübung streng zu prüfen.
Besteht ein Anspruch auf Beschäftigung, muss der unwiederbringliche Schaden durch die fehlende Tätigkeitsausübung im Verfahren bescheinigt werden.
Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge: Kl) ist seit 1996 bei der Bekl (und Gegnerin der gefährdeten Partei) als Orchestermusiker angestellt. Seit 1997 gehört der Kl dem Angestelltenbetriebsrat Orchester an.
Am 9.3.2018 wurde der Kl von der Bekl fristlos entlassen und von der Arbeitsleistung suspendiert. Die Bekl brachte weiters eine Klage auf nachträgliche Genehmigung dieser Entlassung, in eventu auf Zustimmung zur Kündigung ein. Diese Klage wurde (noch nicht rechtskräftig) abgewiesen.
Der Kl begehrt, die Bekl zur Aufhebung der Dienstfreistellung zu verpflichten und es ihm ab sofort wieder zu ermöglichen, im Unternehmen der Bekl uneingeschränkt, insb ohne Einschränkung der Zutrittsberechtigung, zu arbeiten. Hilfsweise begehrt er, die Bekl zu verpflichten, es ihm ab sofort wieder zu ermöglichen, an den Orchesterproben teilzunehmen.
Zugleich beantragt er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wobei der Haupt- und der Eventualsicherungsantrag mit den beiden Klagebegehren ident sind.
Die Bekl beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags und des Klagebegehrens.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kl dagegen teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Hauptsicherungsantrags. Es führte aus, ein Recht des Kl auf Beschäftigung lasse sich grundsätzlich aus § 18 Abs 1 Theaterarbeitsgesetz (TAG) ableiten. Danach bestehe jedoch nur Anspruch auf „genügend angemessene Beschäftigungen“ während einer Spielzeit. Der Hauptsicherungsantrag sei schon deshalb unberechtigt, weil kein Anspruch auf vollständige Beschäftigung bestehe. Hinsichtlich des Eventualantrags hob es den erstinstanzlichen Beschluss wegen fehlender Feststellungen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Das Rekursgericht ließ sowohl den ordentlichen Revisionsrekurs als auch den Rekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rsp zum Recht auf Beschäftigung eines Orchestermusikers gem § 18 TAG bestehe.
Ausdrücklich ausschließlich gegen die Abweisung des Hauptsicherungsantrags richtet sich der Revisionsrekurs des Kl, mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass die einstweilige Verfügung in diesem Umfang erlassen wird; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Bekl beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Entgegen dem – den OGH nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig. [...]
1. Der Kl argumentiert, dass aufgrund des klagsabweisenden Ersturteils im Verfahren der Bekl auf Zustimmung zur Entlassung des Kl das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten aufrecht sei, weshalb er einen Anspruch darauf habe, dass seine Suspendierung aufgehoben und er wieder wie zuvor beschäftigt werde.
Dabei übersieht er, dass das Rekursgericht ohnehin davon ausgegangen ist, dass das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten weiter besteht, nach Auffassung des Rekursgerichts sogar schon während des erstgerichtlichen Verfahrens über die Zustimmung zur Entlassung. Hier steht aber eine andere Frage im Vordergrund. Ausgehend von der stRsp, die ein allgemeines Recht jedes DN auf „Beschäftigung“, also das tatsächliche Leisten der übernommenen Dienste, nicht anerkennt, hat das Rekursgericht darauf verwiesen, dass allein der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis aufrecht ist, als Grundlage für die vom Kl geltend gemachten Ansprüche nicht ausreicht.
2. [...] Nach § 18 TAG ist der/die Theaterunternehmer/ in verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrags, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitglieds und die Art der Führung des Betriebs Bedacht zu nehmen.
3. Der Revisionsrekurs geht davon aus, dass diese angemessene Beschäftigung iS von „voller Beschäftigung“ bzw „Beschäftigung wie bisher“ zu verstehen sei und daher der Sicherungsantrag in diesem Umfang nicht hätte abgewiesen werden dürfen.
Selbst unter Zugrundelegung der Richtigkeit dieser Rechtsauffassung wäre für den Kl jedoch nichts zu gewinnen.
Nach § 381 Z 2 EO können zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn diese zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen sowohl des durch die einstweilige Verfügung zu sichernden Anspruchs als auch der Umstände, die die Voraussetzung eines unwiederbringlichen Schadens begründen, liegt bei der gefährdeten Partei (RS0005311). Soll mit der einstweiligen Verfügung der angestrebte Prozesserfolg vorweggenommen werden, sind die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO streng auszulegen (RS0005300).
Selbst unter Zugrundelegung des Bestehens eines Anspruchs auf Beschäftigung setzt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung daher auch die 555 Bescheinigung eines unwiederbringlichen Schadens voraus.
Dazu hat der Kl jedoch nur vorgebracht, dass ihm durch das Nichterarbeiten von Stücken im Orchesterverband ein Qualitätsverlust in Bezug auf seine musikalische Tätigkeit droht. Dass zur Abwendung dieser Gefahr über die Teilnahme an Orchesterproben hinaus eine weitere „Vollbeschäftigung“, was auch immer darunter zu verstehen ist, erforderlich ist, lässt sich weder dem Vorbringen erster Instanz noch dem Rechtsmittel entnehmen.
[...]
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Wieder einmal wurde der Schutzgehalt von § 18 TAG einer Prüfung im Rahmen des Verfahrens auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unterzogen. In einem Vorgängerverfahren (noch unter den Normen des Schauspielergesetzes [SchSpG]) zu einem Balletttänzer (OGH 18.10.2006, 9 ObA 100/06f) scheiterte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Teilnahme am Ballettgruppentraining an einer nicht gelungenen Bescheinigung der Sittenwidrigkeit der Beendigung des Bühnendienstverhältnisses, da neben der Bescheinigung des unwiederbringlichen Schadens durch den Tätigkeitsverlust bei Beschäftigungspflicht auch der Grundanspruch, also das aufrechte Arbeitsverhältnis, bescheinigt werden muss.
Die Bescheinigung des aufrechten Bühnendienstverhältnisses machte in gegenständlichem Verfahren kein Problem, da der betroffene Orchestermusiker noch zusätzlich Mitglied des künstlerischen BR zum Zeitpunkt seiner Entlassung gewesen ist und eine nachträgliche Zustimmung des Gerichts bis zur E des OGH nicht erfolgt ist. Die Rechtsfolgen von § 122 Abs 3 ArbVG bewirken also eine schwebend unwirksame Entlassungserklärung (Schneller in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht 36 [2020] § 122 Rz 31), das Bühnendienstverhältnis sowie das Betriebsratsmandat waren also zum maßgeblichen Zeitpunkt aufrecht.
In gegenständlichem Fall ist bemerkenswert, dass das Ziel des Hauptantrages der einstweiligen Verfügung – und nur dieser ist verfahrensgegenständlich gewesen – nicht nur die Teilnahme an der gesamten (künstlerischen) Orchestertätigkeit, um bei der Erarbeitung der einzelnen Stücke, bei der Aufrechterhaltung der Qualität bereits einstudierter Stücke sowie von Aufführungen profitieren zu können, sondern auch der unbeschränkte Zutritt im Betrieb des Theaterunternehmens gewesen ist. Bereits Kozak/Balla/Zankel (Theaterarbeitsgesetz [2011] Rz 472) wiesen auf die Durchsetzungsprobleme des Rechts auf Beschäftigung hin, wenn dieses zu wenig konkretisiert wurde. Es hätte also zumindest der Bescheinigung des Ausmaßes der Tätigkeit anhand von Dienstplänen oder durchschnittlichen Einsatzes bei Proben und Aufführungen bedurft, wie unter Pkt 4 noch weiter ausgeführt wird. Zu diesem Punkt hat es aber nach den Ausführungen des OGH kein Vorbringen des Kl gegeben, sodass keine ausreichende Bescheinigung vorlag.
Bei der Formulierung gegenständlichen Hauptsicherungsantrages gewinnt man den Eindruck, dass der Antragsteller gedanklich seine Funktionen als Musiker und BR vermischt hat: Ein Verlangen auf unbeschränkten Zugang im Betrieb des Theaterunternehmers stellt für die Erbringung der künstlerischen Arbeitsleistung eines Orchestermusikers keine notwendige Voraussetzung dar, ist aber aus Sicht der Mandatsausübung eines BR eine unabdingbare Notwendigkeit. Unbeschränkte Zutrittsrechte sind für die Ausübung der künstlerischen Tätigkeit iSd TAG aber nicht notwendig, somit stellt § 18 TAG keine taugliche Anspruchsgrundlage für eine einstweilige Verfügung dar. Im Ergebnis ist also dem OGH zu folgen, der den Revisionsrekurs hinsichtlich des Hauptantrages zurückwies. Vielmehr hätte sich der Antragsteller in seinem Hauptantrag auf unbeschränkten Zutritt zum Betrieb des Antraggegners auf § 115 ArbVG stützen müssen, um sich gegen den Entzug des Zutritts zu Betriebsräumlichkeiten zu wehren (vgl Schneller in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht 36 § 115 Rz 32 Abs 2).
Unabhängig vom Verfahrensgang können aber grundsätzlich Überlegungen angestellt werden, ob die ständige Entscheidungspraxis, dass die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO streng auszulegen sind, wenn mit der einstweiligen Verfügung der angestrebte Prozesserfolg – die Weiterbeschäftigung im Rahmen des aufrechten Bühnendienstverhältnisses (zumindest bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft eines abweisenden Urteils) – vorweggenommen wird (RS0005300), im Kontext des Rechtes auf Beschäftigung als richtig im Zusammenhang mit dieser Sondernorm anzusehen ist.
So hat im Rahmen des staatlichen Rechtsschutzes zunächst immer jene Streitpartei einen Vorteil, wenn diese das Handlungsmoment setzt, da sich der Streitgegner erst mittels der staatlichen Gerichte wehren, also seine rechtlichen Ansprüche durchsetzen kann. Im Regelfall sollen Zinsenregelungen, Schadenersatzansprüche einen adäquaten Ausgleich für diese anfängliche (Rechtsschutz-)Schieflage schaffen. Wo dies nicht der Fall ist, soll das Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung die Rechtsschutzlücke bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Gerichte schließen (vgl Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 378 EO Rz 1 [Stand 1.7.2015, rdb.at]).
Typischerweise werden Prozesse auf Durchsetzung eines Rechts auf Beschäftigung von AN geführt, deren AG – warum auch immer – die Ausübung der Tätigkeit nicht entgegennehmen. Damit ist faktisch zunächst der AG durchgedrungen. Gerichtlicher 556 Rechtsschutz kommt in dem Sinne zu spät, dass sich die künstlerische Tätigkeit nicht mehr nachholen lässt. Proben bzw Aufführungen sind vorbei. Durch die explizite Aufnahme des Rechts auf Beschäftigung zunächst im SchSpG und daran festhaltend auch TAG unter Fortzahlung des Entgelts nimmt der Gesetzgeber aber mE eine Änderung der ansonsten zugrundegelegten Wertung der Rechtsordnung dergestalt vor, dass das typische Interesse künstlerischer AN nicht nur die Existenz erhaltung ist, welche durch die Entgeltzahlung erfüllt wäre, sondern darüber hinaus die Sicherung einer angemessenen Beschäftigung zum Qualitätserhalt und die Sicherung der notwendigen Öffentlichkeit bei der Kunstausübung. Diese Elemente sind für Künstler eines Bühnenbetriebs essentiell, sowohl von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Erhaltung Bekanntheitsgrad, Marktwert) aus gesehen als auch von der Notwendigkeit der künstlerischen Ausübung gerade im Zusammenwirken mit anderen künstlerischen Gruppenmitgliedern. Eine Reduzierung auf das alleinige Üben im „stillen Kämmerlein“ will der Gesetzgeber gerade verhindern. Diesen Aspekt lässt aber der OGH außer Betracht, wenn er eine zusätzliche Bescheinigung eines unwiederbringlichen Schadens über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses und die Suspendierung hinaus für die Zulassung einer einstweiligen Verfügung verlangt. Der Gesetzgeber hat ja bereits die Gefährdung durch Nichtausübung der Tätigkeit von Mitgliedern anerkannt und auch im Rahmen der Grundrechtekollision der Freiheit der Kunst zwischen AG und Mitglied die Wertung zugunsten eines Rechts auf Beschäftigung vorgenommen. Die Bescheinigung des aufrechten Bühnenarbeitsverhältnisses wäre also bereits ausreichend im Zusammenhang mit der Bescheinigung der Nichtzulassung der Tätigkeitserbringung. Die Nichtzulassung stellt ja bereits die Gefährdung iSd Sondernormen des TAG dar.
Im Rahmen der Erörterung der Beschäftigungspflicht gem § 18 TAG ist für die weitere Beurteilung die Tätigkeit des Kl als Orchestermusiker von einiger Bedeutung. Zwar gilt das Recht auf Beschäftigung für das gesamte künstlerische Personal eines Theaterunternehmens, im Unterschied zum darstellenden Personal, das unter bestimmten Voraus setzungen sogar auf Programmankündigungen namentlich aufscheint, ist beim (Tutti-)Orchestermusiker der Eingriff in die künstlerische Entscheidungsautonomie des AG nicht in demselben Ausmaß gegeben, da er Teil des „künstlerischen Kollektivs“ Orchester ist und daher in dessen gesamtkünstlerischer Auswirkung (Orchesterklang) tätig wird. Das Überwiegen des Interesses des Mitglieds an der Erbringung der Arbeitsleistung und dessen Gefährdungspotential im Vergleich zum Interesse der autonomen künstlerischen Entscheidung des AG bei der Besetzungsgestaltung (wie bei Darstellern auf der Bühne) ist daher hier offensichtlicher als in anderen Fallkonstellationen. An dieser Stelle wäre auch hinzuweisen, dass es im Rahmen der künstlerischen Ausbildung bei Orchestern üblich und zulässig ist, sogenannte „Substitute“ (die Zulassung erfolgt typischerweise durch das ausbildende Mitglied autonom) zum Einsatz zu bringen. Wenn dies bei vorliegenden Theaterunternehmen auch der Fall ist, überwiegt das Einsatzinteresse des Mitglieds umso mehr jenes der künstlerischen Entscheidungsautonomie des Theaterunternehmens.
Die Ergänzung zum Recht auf Beschäftigung stellt das Recht auf Ablehnung der Übernahme einer Rolle – eingeschränkt auf Darsteller unter den Mitgliedern – gem § 19 TAG dar. Hier ist das Recht des Theaterunternehmers, Mitglieder nach seinen (künstlerischen) Vorstellungen einzusetzen, lediglich durch die Gesundheitsgefährdung oder Sittlichkeitsgefährdung, Überschreitung der künstlerischen Mittel und des Kunstfaches oder bei Vorliegen einer erheblichen Eignung zur Schädigung der künstlerischen oder wirtschaftlichen Stellung eingeschränkt (vgl Kozak/Balla/Zankel, Theaterarbeitsgesetz Rz 510).
Die Einschränkungen der Verweigerungsmöglichkeiten von § 19 TAG untermauern die aufgestellte Annahme, dass der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgeht, dass bei künstlerischen Berufen die mangelnde Beschäftigung per se als schädlich gewertet wird, die Ablehnung einer Tätigkeit aber nur unter ganz bestimmten Prämissen – die zum Großteil auch wieder einer künstlerischen Thematik unterworfen sind – möglich sein soll.
Dass die Wertung des Normsetzers sachgerecht ist, haben die Erfahrungen des Lockdowns der gegenwärtigen Pandemie gezeigt: Das Verbot gemeinsamer Proben sowie von Aufführungen mit oder ohne Publikum hat die Notwendigkeit der Reaktionen des Publikums sowie des Interagierens von Künstlerkollegen untereinander für jedermann sichtbar werden lassen.
Wenn nun das Gericht bei der Prüfung des Eventualantrags auf Teilnahme von Proben verlangt, dass die Bescheinigung des unwiederbringlichen Schadens auch für ein Beschäftigungsausmaß unterhalb der Vollbeschäftigung erbracht werden kann, ist dies daher mE aufgrund des Sonderarbeitsrechts problematisch und führt gerade dazu, dass das (Ausmaß des) Recht(s) auf Beschäftigung rein faktisch reduziert und ausgehöhlt wird, da ein Recht auf künstlerische Tätigkeit nur in speziellen (Ausnahme-)Fällen über die Bescheinigung der Gefährdung zugestanden wird. Die Regel (Recht auf Beschäftigung) wird somit auf eine Ausnahme reduziert, die Wertung des Gesetzgebers auf den Kopf gestellt.
Nun stellt sich aber die Frage, ob die (mitgetragene) Auffassung des Höchstgerichtes, § 18 TAG stelle über den Umweg der Angemessenheit der Beschäftigung die Möglichkeit in den Raum, das vertraglich zugesicherte Beschäftigungsausmaß im Rahmen der durchsetzbaren Beschäftigungspflicht herabzusetzen, wirklich dem Gesetz zu entnehmen ist. Der Gesetzgeber selbst gibt dazu im 2. HS des § 18 Abs 1 TAG Beurteilungsleitlinien vor: „Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrages, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitgliedes und die Art der Führung des Betriebes Bedacht zu nehmen.“
Angemessenheit557 wird vom Gesetzgeber daher als inhaltliches Kriterium der Ausgestaltung der Beschäftigung verstanden, hier wieder in Abwägung der künstlerischen und persönlichen Integrität und Leistungsfähigkeit des Mitglieds in Abwägung zu den Betriebsbesonderheiten des Theaterunternehmens, um gleichermaßen beiden Vertragsteilen im Rahmen der Beschäftigungspflicht Schutzbereiche zukommen zu lassen: Die Person und der künstlerische Wert des Künstlers und die Kunstausübung soll ausreichend geschützt sein, aber unter Beachtung der Ausrichtung des Theaterunternehmens. Ein Tätigkeitsausmaß wird vom Gesetzgeber jedoch nicht erwähnt. Durch die Ausweitung des Kriteriums der Angemessenheit auf das Tätigkeitsausmaß kommt es im Ergebnis zu einer vom Gesetzgeber nicht intendierten Einschränkung des Rechts auf Beschäftigung. Durch die hinreichend genaue Regel bleibt mE auch kein Platz für eine teleologische Auslegung in Gestalt der beiderseitigen Rechtfertigung von Rechtsfolgen (vgl Kodek unter Berufung auf F. Bydlinski in Rummel/Lukas, ABGB4 Rz 162 [Stand 1.7.2015, rdb.at]), weil im System des TAG kein Wertungswiderspruch hinsichtlich des Rechts auf Beschäftigung besteht.
Folgt man der hier geäußerten Rechtsmeinung, so ist der Umfang und die Art der Tätigkeit, und zwar anhand des durchschnittlichen Umfangs der Einsätze, bzw der Dienstplangestaltung zu bescheinigen. Dieser Umfang und die Art der Einsätze können als angemessen iSd § 18 TAG gelten.
Es ist also zu konstatieren, dass der Gesetzgeber (auch im Normzusammenhang mit den Regelungen über die Rollenannahmeverweigerung) im Sonderrecht des TAG eine andere Wertung bezüglich eines Rechts auf Beschäftigung als im allgemeinen Arbeitsprivatrecht vorgenommen hat. Diese ist, auch wenn man diese Wertung als unbefriedigend empfindet, nicht durch die Rsp zu korrigieren, indem die Durchsetzung dieses Rechts insb im einstweiligen Rechtsschutz durch zusätzliche Gefährdungsbescheinigungen bzw Herabbrechung des Rechts auf Beschäftigung auf einzelne Einsätze (siehe Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 ABGB Rz 120 [Stand 1.7.2015, rdb.at]) ausgehöhlt bzw verunmöglicht wird. Eine zusätzliche Gefährdungsbescheinigung ist im Sicherungsverfahren, da der Gesetzgeber bereits von einer künstlerischen Gefährdung durch den Nichteinsatz von Mitgliedern eines Theaterunternehmens ausgeht, nicht mehr gesondert gefordert. Zusätzlich steht das Recht auf Beschäftigung unter einer subjektiven Angemessenheitsprüfung, der am ehesten entsprochen wird, wenn die Einsätze im geplanten Umfang, bzw wenn Dienstpläne nicht vorhanden sind, im bisherigen durchschnittlichen Umfang eines Mitglieds, hier: eines Orchestermusikers, berücksichtigt werden.