159

DienstnehmerInnen Freiwilliger Feuerwehren sind nicht vom AZG und ARG ausgenommen

MAGDALENAMISSBICHLER

Die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 Z 1 AZG und des § 1 Abs 2 Z 1 lit a ARG sind in Bezug auf Arbeitsverhältnisse zu Freiwilligen Feuerwehren nach dem NÖ Feuerwehrgesetz (FG) 2015 ihrem Wortlaut nach nicht erfüllt und sind auf diese nicht analog anzuwenden.

Die vertragliche Vereinbarung der Anwendbarkeit des § 4b NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz (GVBG) ist ein Vorbehalt, der es dem DG erlaubt, den Dienstplan des AN entsprechend den dienstlichen Erfordernissen nach Maßgabe des § 19c AZG zu ändern.

SACHVERHALT

Der Kl ist seit dem Jahr 1991 bei der Bekl, der Freiwilligen Feuerwehr einer niederösterreichischen Gemeinde, hauptberuflich als Feuerwehrmann in der Alarmzentrale tätig. Der von Kl und Bekl im Jahr 1998 unterfertigte schriftliche Dienstvertrag enthielt die Vereinbarung der Anwendung des NÖ GVBG auf das Dienstverhältnis sowohl in dienst- wie in besoldungsrechtlicher Hinsicht.

Eine Vereinbarung über die Lage der 40-stündigen Normalarbeitszeit zwischen dem Kl und der Bekl vom Oktober 1991 sah eine Verteilung der Arbeitszeit über einen fünfwöchigen Zeitraum vor, der Nacht- (18:00–6:00), Tag- (6:00–18:00) sowie sogenannte 8er-Dienste (Montag–Donnerstag 7:30– 15:30) umfasste und eine durchgehende Besetzung der Notrufzentrale sicherstellte. Diese Turnusregelung, welcher der Gemeinderat 1991 zugestimmt hatte, wurde durch einen Gemeinderatsbeschluss vom 12.12.2011 – mit dem Ziel der Reduzierung von Überstunden mittels Verlagerungen der Normalarbeitszeit – ersatzlos aufgehoben. Einer daraufhin angestrebten Abänderung der 1991 getroffenen Vereinbarung über die Arbeitszeitverteilung, die der Bekl erlaubt hätte, die 8er-Dienste einseitig entfallen zu lassen, stimmte der Kl nicht zu.

Dennoch werden von der Bekl nunmehr von der ursprünglichen Vereinbarung abweichende Dienstpläne erstellt, die den AN vier bis sechs Wochen im Vorhinein zur Kenntnis gebracht werden. Die nunmehr getroffene Arbeitszeiteinteilung lehnt sich dabei zwar grundsätzlich an die Vereinbarung aus 1991 an, enthält aber insb Streichungen der „8er-Dienste“, um den Einsatz des Kl als Urlaubs- oder Krankenstandsvertretung im Tag- bzw Nachtdienst ohne Anfall von Überstunden abdecken zu können.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Der Kl begehrte die Zahlung von € 8.961,22 sowie die Feststellung, dass die Bekl schuldig sei, die Wochenruhe vorab im Dienstplan und für den Kl erkennbar verbindlich festzulegen. Dazu brachte er ua vor, dass die Normen des AZG sowie des ARG auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden seien und diese – sofern sie im Vergleich günstiger wären – den gemäß vertraglicher Vereinbarung sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des NÖ GVBG vorgingen. Die begehrte Summe setze sich aus der Abgeltung von Überstunden, die bei der Leistung von Diensten außerhalb der ursprünglich vereinbarten Lage bzw Überschreitung der im AZG vorgesehenen neunstündigen Normalarbeitszeit angefallen seien, zusammen. Darüber hinaus komme es durch die nunmehrige Diensteinteilung dazu, dass der Kl an „Ersatzsonntagen“, welche zum Ausgleich des Entfalls der Wochenendruhe beim Dienst an Wochenenden eingeplant werden, arbeiten müsse, weshalb er dafür zusätzlich Ersatzruhe erhalten müsse, die für bestimmte Ersatzsonntage bisher unterblieben sei.

Die Bekl bestritt und wandte ein, dass weder AZG noch ARG auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden seien. Vielmehr sei ausschließlich das NÖ GVBG anzuwenden, das nach seinem § 4c Abs 1 eine Höchstarbeitszeit von 13 Stunden vorsehe. Zudem wären im Falle der Anwendbarkeit des AZG aber ohnehin auch die Voraussetzungen des § 19c Abs 2 AZG über die einseitige Änderung der Lage der Arbeitszeit durch den AG erfüllt, zumal objektive Interessen des AG vorlägen sowie die zweiwöchige Vorankündigungsfrist eingehalten werde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme des Zahlungsmehrbegehrens von € 187,80 (entfallend auf die Differenz zwischen einem 50 %-igen und dem 100 %-igen Zuschlag für einen geleisteten „Ersatzsonntag“) und dem Begehren der verbindlichen Festlegung der Wochenruhe im Dienstplan statt. Dabei bejahte es die Anwendbarkeit 402 des AZG, weshalb die Bekl nicht zu einer einseitigen Änderung der im Oktober 1991 vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit berechtigt sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Bekl Folge und wies das gesamte Klagebegehren mit der Begründung ab, dass die Freiwillige Feuerwehr als Körperschaft öffentlichen Rechts im Wesentlichen in der Vollziehung hoheitlicher Aufgaben tätig werde. So sei eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs 2 Z 1 AZG sowie des § 1 Abs 2 Z 1 ARG aufgrund der Nahebeziehung zwischen Freiwilliger Feuerwehr und Gemeinde jedenfalls dann geboten, wenn die Geltung des NÖ GVBG ausdrücklich vereinbart worden ist. Deshalb sei das auf das AZG gestützte Zahlungsbegehren sowie das auf das ARG gestützte Begehren auf Gewährung von Ersatzruhe abzuweisen.

Die gegen diese E gerichtete Revision des Kl befand der OGH wegen fehlender höchstgerichtlicher Rsp zur Frage, ob auf ein Dienstverhältnis mit einer (niederösterreichischen) Freiwilligen Feuerwehr AZG und ARG zur Anwendung kommen, wenn im Dienstvertrag die Geltung des NÖ GVBG vereinbart worden ist, für zulässig und teilweise berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 2.2 Die Beklagte ist weder eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband noch eine Stiftung, ein Fonds oder eine Anstalt iSd § 1 Abs 2 Z 1 AZG, die von Organen einer Gebietskörperschaft oder von Personen verwaltet wird oder von Personen, die hiezu von Organen einer Gebietskörperschaft bestellt sind. Die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 Z 1 AZG und des § 1 Abs 1 Z 1 lit a ARG sind daher ihrem Wortlaut nach nicht erfüllt. Das Berufungsgericht ist von einer analogen Anwendung dieser Ausnahmebestimmungen auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten ausgegangen.

2.3 Sowohl die Ausnahmen nach § 1 Abs 2 AZG als auch nach § 1 Abs 2 ARG werden als taxativ angesehen […]. Analogie ist aber auch bei einer taxativen Aufzählung möglich und geboten, wenn der nicht besonders angeführte Fall alle motivierenden Merkmale der geregelten Fälle enthält und das Prinzip der Norm auch in einem ihrem Tatbestand ähnlichen Fall Beachtung fordert (RIS-Justiz RS0008839). […]

2.4 Der Oberste Gerichtshof hat die Freiwillige Feuerwehr (nach dem NÖ FG alt) als Verwaltungsstelle der Gemeinde im Sinn des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG qualifiziert (9 ObA 68/94), weil die Freiwillige Feuerwehr als Körperschaft öffentlichen Rechts im Wesentlichen in Vollziehung von hoheitlichen Aufgaben der Gemeinde tätig werde. Weder § 1 Abs 2 AZG noch § 1 Abs 2 ARG nehmen allerdings – anders als das ArbVG – Verwaltungsstellen von dem Anwendungsbereich des AZG bzw des ARG aus. Gegen eine analoge Anwendung der Ausnahmen spricht, dass für Arbeitsverhältnisse zu einer Freiwilligen Feuerwehr gar keine zwingenden Begrenzungen der Arbeitszeit gegeben wären. […]

Überdies würde diese Ansicht auch in einem Spannungsverhältnis zu Art 31 Abs 2 GRC stehen. […]

3. Das Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit des AZG und des ARG daher zu Unrecht verneint. […]

Eine einseitige Änderung der Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber kommt nur nach Maßgabe des § 19c Abs 2 AZG in Betracht. Die Rechtsprechung fordert, dass ein einseitiges Weisungsrecht des Arbeitgebers im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeit in der Arbeitszeitvereinbarung ausdrücklich vorgesehen sein muss […].

2.2 Bei Anwendung des Vertragsbedienstetenrechts ex contractu gilt das Günstigkeitsprinzip. […]

Die Vereinbarung der Anwendbarkeit (ua) des § 4b NÖ GVBG ist ein Vorbehalt des Dienstgebers, die Dienstzeit den dienstlichen Erfordernissen anzupassen. Die Beklagte war daher berechtigt, entsprechend den dienstlichen Erfordernissen den Dienstplan des Klägers nach Maßgabe des § 19c AZG zu ändern. […] Daraus folgt, dass der Kläger keinen Entgeltanspruch für Dienste hat, die zwar nach dem Grundschema angefallen wären, aufgrund der (zulässigen) Änderungen aber zu anderen Zeiten geleistet wurden. […]

3.1 Anderes gilt für das Begehren des Klägers auf Zahlung von Überstundenzuschlägen für jeweils drei Stunden bei den 12‑Stunden-Diensten. Hier ist die Regelung des § 4a Abs 2 AZG, wonach die tägliche Normalarbeitszeit bei Schichtarbeit – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – neun Stunden nicht überschreiten darf, für den Kläger günstiger als § 4c NÖ GVBG, der – ohne Festlegung einer täglichen Normalarbeitszeit – eine höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 13 Stunden vorsieht (vgl im Übrigen § 20 Abs 1 NÖ GVBG iVm § 46 NÖ GBDO). […]

Nicht nachvollziehbar ist darüber hinaus, warum aus dem vier bis sechs Wochen vorab bekanntgegebenen Dienstplan die Wochenruhe für den Kläger nicht eindeutig ersichtlich sein sollte. Dieses Begehren wurde von den Vorinstanzen daher zu Recht abgewiesen. […]

Die Frage, ob dem Kläger an bestimmten Tagen Wochenruhe gewährt wurde, ist eine Tatfrage. Daran scheitert das (in seiner Formulierung vom Erstgericht vorgegebene) Feststellungsbegehren des Klägers in der vorliegenden Form. […]“

ERLÄUTERUNG

Der Anwendungsbereich des AZG sowie auch des ARG ist in vielfacher Hinsicht – zumeist bedingt durch die Geltung anderweitiger Sonderregelung für bestimmte AN-Gruppen – eingeschränkt. Aus kompetenzrechtlichen Gründen sind auch AN von Gebietskörperschaften – jedoch auch nur in recht engen Grenzen – vom Geltungsbereich dieser Bestimmungen ausgenommen. Von dieser Ausnahme 403 erfasst sind nach § 1 Abs 2 Z 1 AZG im Wesentlichen nur jene AN von Gebietskörperschaften, die im Bereich der Hoheitsverwaltung tätig sind. § 1 Abs 2 Z 1 lit a ARG nimmt wiederum nur jene AN vom Anwendungsbereich des ARG aus, die nicht in „Betrieben (…) einer Gemeinde (…)“ beschäftigt werden.

Freiwillige Feuerwehren gem NÖ FG 2015 sind aber nach der Judikatur des VwGH (8.6.2018, Ra 2018/03/0058) als dem Bereich der sonstigen Selbstverwaltung zuzuordnende Selbstverwaltungseinrichtungen zu qualifizieren, die folglich – trotz der engen Verflechtungen zwischen Gemeinde und Freiwilliger Feuerwehr nach den Bestimmungen des NÖ FG 2015– gerade nicht der Gemeinde (bzw anderweitigen Gebietskörperschaften) zuzurechnen sind.

Neben der deshalb schon begrifflichen Nichterfüllung des Ausnahmetatbestandes der §§ 1 Abs 2 Z 1 AZG und 1 Abs 2 Z 1 lit a ARG verneinte der OGH im vorliegenden Fall ebenfalls die Zulässigkeit einer vom Berufungsgericht wegen der hoheitlichen Tätigkeiten der Freiwilligen Feuerwehren (vgl OGH 20.4.1994, 9 ObA 68/94) angenommenen analogen Anwendung der genannten Bestimmungen auf deren AN: Geschuldet ist dies insb den europarechtlichen Vorgaben der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG, die nach ihrem Art 1 Abs 3 auch für AN in öffentlichen Tätigkeitsbereichen Geltung besitzt. Da für Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehren – im Gegensatz zu anderen von Ausnahmetatbeständen umfassten Berufsgruppen – keine anderweitigen zwingenden Regelungen zur Begrenzung der Höchstarbeitszeit in Geltung stehen, wäre die Annahme einer Analogie in diesem Fall mit den Vorgaben der Arbeitszeit-RL nicht in Einklang zu bringen. Zudem spreche auch Art 31 Abs 2 GRC, der AN ua ein Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten einräumt, gegen die Ausweitung der gegenständlichen Ausnahmebestimmungen.

Eine einseitige Änderung der vereinbarten Lage der Normalarbeitszeit durch den AG ist bei Arbeitsverhältnissen, die dem Anwendungsbereich des vertragsrechtlichen Teils des AZG (Abschnitt 6a; vgl § 19b AZG) unterliegen, nur nach Maßgabe der in § 19c AZG geregelten Kriterien möglich. So muss diese Änderung aus objektiven, in der Art der Arbeitsleistung gelegenen Gründen sachlich gerechtfertigt sein und die (geänderte) Lage muss dem AN unter Einhaltung einer zweiwöchigen Vorankündigungsfrist zur Kenntnis gebracht werden. Darüber hinaus dürfen der Änderung weder berücksichtigungswürdige Interessen des AN noch eine Vereinbarung entgegenstehen (vgl § 19c Abs 2 Z 1–4 AZG). Letzteres Kriterium setzt aber voraus, dass sich der AG im Arbeitsvertrag einen entsprechenden Änderungsvorbehalt ausbedungen hat. Im vorliegenden Fall hat der OGH die pauschale Vereinbarung der Anwendbarkeit des NÖ GVBG als derartigen Vorbehalt interpretiert, weil § 4b NÖ GVBG ua die Festlegung der Dienstzeit unter Berücksichtigung der dienstlichen Interessen und der persönlichen Verhältnisse des AN erlaubt (vgl § 4b Abs 2 NÖ GVBG).

Nichtsdestotrotz ist von der Geltung des Günstigkeitsprinzips bei vertraglicher Vereinbarung der Anwendbarkeit des Vertragsbedienstetenrechts auszugehen. Da das AZG überwiegend eine geringere als die in § 4c NÖ GVBG normierte Normalarbeitszeit von 13 Stunden vorsieht, sind dessen Regelungen wohl weitgehend als günstiger zu bewerten. Bei der Frage nach dem Vorliegen von Überstunden waren im gegenständlichen Fall deshalb die Normalarbeitszeitgrenzen des AZG heranzuziehen.