175Grenzen der sachlichen Rechtfertigung von befristeten Arbeitsverhältnissen im Falle von Karenz-Vertretungen (ORF-KollV 2014)
Grenzen der sachlichen Rechtfertigung von befristeten Arbeitsverhältnissen im Falle von Karenz-Vertretungen (ORF-KollV 2014)
Gemäß § 4 Z 3 ORF-KollV erfolgte Befristungen sind sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie entgegen dem Inhalt der Befristungsvereinbarung nichts mit der Abwesenheit namentlich genannter DN zu tun hatten, so etwa, wenn die befristet eingestellte Ersatzarbeitskraft nicht einmal zum Teil als Ersatz der abwesenden DN eingesetzt wurde. In einem solchen Fall ist mangels eines sachlichen Grundes der Befristungen von einem unbefristeten Dienstverhältnis auszugehen.
Nach Tätigkeiten als Praktikantin und auf Honorarbasis war die Kl ab November 2015 laut den schriftlichen Dienstverträgen und Vereinbarungen bei der Bekl (ORF) im Rahmen jeweils befristeter Arbeitsverträge gem § 4 Z 3 des KollV für AN des Österreichischen Rundfunks (ORF-KollV 2014) als Angestellte wie folgt beschäftigt: Von 1.11.2015 bis 31.10.2016 im Zusammenhang mit der mutterschaftsbedingten Abwesenheit einer DN (die eine Karenz gemäß MSchG konsumierte) als Redakteursaspirantin; von 1.11.2016 bis 5.1.2018 im Zusammenhang mit der mutterschaftsbedingten Abwesenheit einer anderen DN (die ebenfalls eine Karenz gemäß MSchG konsumierte) als Redakteurin; von 6.1. bis 31.1.2018 auf Wunsch der Kl (die schwanger war und deren Mutterschutz Ende Jänner 2018 begann). 418
Wenn bei der Bekl ein unbefristet beschäftigter DN, aus welchen Gründen auch immer, zumindest ein Jahr lang nicht tätig ist, wird diese Zeit durch Beschäftigung eines anderen DN, der einen befristeten Dienstvertrag erhält, überbrückt. Aufgrund einer Vorgabe der Personalabteilung muss der Einsatz eines befristet beschäftigten DN in derselben Hauptabteilung (nicht aber derselben Unterabteilung) erfolgen, in der die karenzierte Person tätig war.
Die Kl arbeitete während aller befristeten Vertragsverhältnisse mit der Bekl ausschließlich in einer spezifischen Redaktion der Bekl. Sie hat in dem Zusammenhang weder die konkreten Aufgaben der karenzierten DN (siehe oben) übernommen, noch war sie dabei in deren jeweiligen Redaktionen selbst tätig.
Die Kl begehrte die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses zur Bekl über den 31.1.2018 hinaus, weil aus ihrer Sicht unzulässige Kettenarbeitsverträge vorgelegen hätten, die ihr Dienstverhältnis zu einem unbefristeten aufrechten Dienstverhältnis machen würden. Die Bekl bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge und dem Feststellungsbegehren statt.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils. Die Bekl stütze die Rechtmäßigkeit der befristeten Arbeitsverhältnisse in der Revision ausschließlich auf § 4 Z 3 ORF-KollV 2014. Die Kl beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Bekl zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben. Der OGH beurteilte die Revision der Bekl als zulässig, jedoch nicht berechtigt.
„1.1. Nach der Rechtsprechung ist die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse mit einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Unsicherheit für seine weitere berufliche Zukunft verbunden und birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen. Wenn gesetzliche Bestimmungen mehrere befristete Arbeitsverhältnisse in Aufeinanderfolge zulassen, ist eine auf den Normzweck Bedacht nehmende Interpretation vorzunehmen; es ist daher zu prüfen, ob im konkreten Fall die Vereinbarung mehrerer, sich unmittelbar aneinanderreihender Arbeitsverhältnisse zulässig ist […]. Aus diesen Gründen ist die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverhältnisse im allgemeinen Arbeitsrecht nur dann zulässig, wenn besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe das rechtfertigen. Andernfalls sind solche ‚Kettenarbeitsverträge‘ als unbefristete Arbeitsverhältnisse zu behandeln […]. Im Allgemeinen gilt, dass die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig ist, ohne dass es außerhalb sondergesetzlicher Regelungen, wie etwa des § 11 Abs 2 Z 4 AÜG oder des § 10a MSchG, einer sachlichen Rechtfertigung bedarf (8 ObA 5/19x Pkt 1.1. mwN). Aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit ist darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden […]. Je öfter die Aneinanderreihung von Befristungen erfolgt, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe […]. Auch die Dauer der Befristung und die Art der Arbeitsleistung sind in die Überlegungen einzubeziehen. […]
1.2. Teilweise normieren Sondergesetze weitere Beschränkungen (zB § 4 Abs 4 VBG) oder lassen – nach ihrem Wortlaut – wiederholt Befristungen ohne Beschränkungen zu, wie die Bestimmung des § 32 Abs 5 ORF-G […].
2. Die unionsrechtliche Sicht (zu wiederholten Befristungen) hat der Oberste Gerichtshof zuletzt in der Entscheidung 8 ObA 5/19x (Pkt 1.2) dargelegt:
„Mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates über befristete Dienstverträge vom 28.6.1999 wurde die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse vom 18.3.1999 übernommen. Das erklärte Ziel dieser Richtlinie gemäß § 1 der Rahmenvereinbarung ist es, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität der befristeten Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert (vgl 9 ObA 222/02s). Die Rahmenvereinbarung geht von der Prämisse aus, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind. Gleichzeitig wird aber anerkannt, dass befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufe und Tätigkeiten charakteristisch sind. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine oder mehrere der in Paragraf 5 Nr 1 lit a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen zu erlassen, um die missbräuchliche Verwendung von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen wirksam zu verhindern (C-212/04, Adeneler ua, Rn 61, 65, 79 ECLI:EU:C:2006:443). […]“
3.1. Nach § 4 Z 3 des auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbaren Kollektivvertrags für Arbeitnehmer/innen des Österreichischen Rundfunks (ORF-KV 2014), auf den die Beklagte die Zulässigkeit der befristeten Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin ab 1.11.2015 419 ausschließlich stützt, erfolgt die Einstellung des Arbeitnehmers/ der Arbeitnehmerin durch die Geschäftsführung entsprechend der auszuübenden Tätigkeit und deren voraussichtlicher zeitlicher Erforderlichkeit befristet für Tätigkeiten nach dem Verwendungsgruppenschema gemäß § 23 für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern/ Arbeitnehmerinnen gemäß Z 1 und 2 oder eines vorübergehenden zusätzlichen Bedarfs für ein konkretes Projekt.
[…]
4.1. Die Beklagte geht – zutreffend – davon aus, dass auch eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 4 Z 3 ORF-KV 2014 sachlich gerechtfertigt sein muss. Die Beantwortung der Frage, ob eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 4 Z 3 ORF-KV 2014 auch dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn, wie hier, eine Dienstnehmerin zur Vertretung der abwesenden Personen zwar in „derselben Verwendung“ der vertretenen Dienstnehmerinnen beschäftigt wird, aber die konkreten Aufgaben der von ihr vertretenen Personen auch nicht zum Teil übernimmt, bedarf einer Auslegung dieser Kollektivvertragsbestimmung.
4.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist der normative Teil eines Kollektivvertrags nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen […]. In erster Linie ist der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen […]. Den Kollektivvertragsparteien darf dabei grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht […].
4.3. § 4 Z 3 ORF-KV 2014 kann zunächst – vor dem Hintergrund einer hier an strikte Vorgaben geknüpften Planstellenbewirtschaftung und in richtlinienkonformer Auslegung (vgl RS 0111214; 8 ObA 70/18d) – der grundsätzliche Wille der Sozialpartner entnommen werden, die Notwendigkeit der Beschäftigung von Ersatzkräften für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern als zulässigen Grund für die Befristung von Verträgen ausdrücklich anzuerkennen und zu regeln.
4.4. § 4 Z 3 ORF-KV 2014 spricht davon, ein befristetes Dienstverhältnis für Tätigkeiten nach dem Verwendungsgruppenschema gemäß § 23 für die Dauer der Abwesenheit von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen gemäß Z 1 und 2 abzuschließen. Ein verständiger Leser kann diesem Text entnehmen […], dass dadurch die Möglichkeit geschaffen werden sollte, im Fall der Verhinderung (Abwesenheit) einer bestimmten zur Beklagten in einem Vertragsverhältnis stehenden Person, eine andere Person befristet zur (zumindest teilweisen) Übernahme der Verpflichtungen des Vertretenen einzustellen (vgl 9 ObA 10/96). Die Kollektivvertragsbestimmung zielt erkennbar auf die Deckung eines zeitweiligen, vorübergehenden Bedarfs („für die Dauer der Abwesenheit“) ab. Den Kollektivvertragsparteien darf unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, weil die Zulassung der Befristung für Vertretungsfälle gerade hinsichtlich der bei der Beklagten für unbefristete Dienstverhältnisse herrschenden Planstellenvorgabe ihre sachliche Rechtfertigung findet. Die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers für die Dauer der Abwesenheit eines anderen iSd § 4 Z 3 ORF KV 2014, wobei aber der befristet eingestellte Arbeitnehmer – entgegen der hier vorliegenden dienstvertraglichen Vereinbarung („… der von Ihnen vertretenen Dienstnehmerin …“) – tatsächlich nicht einmal teilweise die Arbeit des abwesenden Arbeitnehmers übernimmt, steht mit § 4 Z 3 ORF KV 2014 und der im Dienstvertrag begründeten Befristung nicht in Einklang. Damit wären die Fälle der Befristung für die Dauer der Abwesenheit eines Arbeitnehmers nach § 4 Z 3 ORF KV 2014 nicht von Fällen sonstiger Vakanz, bei denen es an der Person des Vertretenen mangelt, abgrenzbar […].
5. Im vorliegenden Fall befristete die Beklagte zwar in den schriftlichen Dienstverträgen die Dienstverhältnisse der Klägerin ab 1.11.2015 und ab 1.11.2016 „gemäß § 4 Z 3 ORF KV 2014“ „im Zusammenhang mit der mutterschaftsbedingten Abwesenheit bzw Karenz“ für die Dauer der Abwesenheit zweier bestimmter Dienstnehmerinnen und damit als Ersatzarbeitskraft für die Dauer des vorübergehenden Bedarfs, setzte die Klägerin aber nicht einmal zum Teil als Ersatz dieser Dienstnehmerinnen ein. Die Klägerin arbeitete auch ab 1.11.2016, so wie schon bisher ausschließlich für (eine andere) Redaktion […] weiter. Sie hatte nie die Aufgaben der abwesenden Dienstnehmerinnen übernommen. Richtig ist, dass eine völlige Kongruenz der Aufgaben des Vertreters und des Abwesenden nicht erforderlich und häufig auch gar nicht möglich ist (vgl 9 ObA 10/96). Dass die Klägerin in Fortführung ihrer bisherigen Tätigkeit wie schon vorher nur „in der gleichen Verwendung“ wie die Abwesenden beschäftigt war, stellte keinen Sachverhalt dar, für den die Befristung nach § 4 Z 3 ORF KV 2014 geschaffen wurde.
6. Zusammengefasst sind die gemäß § 4 Z 3 ORF KV 2014 erfolgten Befristungen der zwischen den Parteien ab 1.11.2015 und 1.11.2016 abgeschlossenen Dienstverhältnisse sachlich 420 nicht gerechtfertigt, weil sie entgegen dem Inhalt der Befristungsvereinbarungen nichts mit der Abwesenheit namentlich genannter Dienstnehmerinnen zu tun hatten. Es ist daher mangels sachlichen Grundes dieser Befristungen von einem unbefristeten Dienstverhältnis der Klägerin auszugehen […]. Ob die Verlängerung des zuvor mit 6.1.2018 befristeten letzten Dienstverhältnisses bis 31.1.2018 aus sozialen Gründen (Wunsch der Klägerin) erfolgte, ist nicht entscheidungsrelevant.
7. Da die Beklagte in ihrer Revision die Befristungen der Dienstverhältnisse mit der Klägerin ausdrücklich nicht auf § 32 Abs 5 ORF-G stützt, ist auf Überlegungen zur Richtlinienkonformität dieser Bestimmung nicht einzugehen.“
Der vom OGH letztinstanzlich entschiedene Rechtsstreit betrifft eine Reihe von zentralen Fragen zur Rechtmäßigkeit von wiederholt befristeten Arbeitsverhältnissen (Kettenbefristungen). Die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen in sich. Sie kann nach Ansicht des OGH trotzdem ausnahmsweise zulässig sein, so ua wenn gesetzliche Bestimmungen mehrere befristete Arbeitsverhältnisse in Aufeinanderfolge zulassen und eine auf den Normzweck Bedacht nehmende Interpretation ergibt, dass beispielsweise besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe dies rechtfertigen. Andernfalls sind jedoch solche „Kettenarbeitsverträge“ als unbefristete Arbeitsverhältnisse zu behandeln.
Im vorliegenden Sachverhalt berief sich der AG auf die Sonderregelung des § 4 Z 3 des einschlägigen ORF-KollV 2014, der die befristete Einstellung für die Dauer der Abwesenheit anderer AN oder eines vorübergehenden zusätzlichen Bedarfs für ein konkretes Projekt erlaubt. § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 ist jedoch in richtlinienkonformer Auslegung dahingehend zu interpretieren, dass Befristungen sachlich gerechtfertigt werden müssen. Die hier wesentliche Frage war, ob es gemäß dieser Kollektivvertragsbestimmung noch sachlich gerechtfertigt ist, dass eine DN zur Vertretung der abwesenden Personen zwar in „derselben Verwendung“ der vertretenen DN beschäftigt wird, aber die konkreten Aufgaben der von ihr vertretenen Personen nicht zumindest zu einem Teil übernimmt.
Im vorliegenden Fall kann dem § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 laut OGH der grundsätzliche Wille der Sozialpartner entnommen werden, dass diese die Notwendigkeit der Beschäftigung von Ersatzkräften für die Dauer der Abwesenheit von AN als zulässigen Grund für die Befristung von Verträgen ausdrücklich anerkennen und regeln wollten. Konkret zielt der Wortlaut des § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 nach Ansicht des OGH auf die Deckung eines zeitweiligen, vorübergehenden Bedarfs („für die Dauer der Abwesenheit“) für eine/n neue/n AN ab. Dabei stehe aber die befristete Einstellung einer AN für die Dauer der Abwesenheit einer anderen dann mit dem § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 nicht im Einklang, wenn die befristet eingestellte AN tatsächlich nicht einmal teilweise die Arbeit der abwesenden DN (für deren Vertretung sie eingestellt wurde) übernommen hat, da andernfalls iSd § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 gerechtfertigte Fälle einer Befristung für die Dauer der Abwesenheit eines AN nicht von Fällen sonstiger Vakanz, bei denen es an der Person des Vertretenen mangelt, abgrenzbar wären.
Da im vorliegenden Fall die befristet angestellte Kl nicht einmal zum Teil als Ersatz der DN eingesetzt wurde, deren Ersatz die Beschäftigung laut Vertrag dienen sollte, liegt hier nach Ansicht des OGH kein Sachverhalt vor, für den die Befristung nach § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 geschaffen wurde. Eine sachliche Rechtfertigung der Befristungen der zwischen den Parteien ab 1.11.2015 und 1.11.2016 abgeschlossenen Dienstverhältnisse ist nicht gegeben. Somit ist von einem unbefristeten Dienstverhältnis der Kl auszugehen. Ob die Verlängerung des zuvor mit 6.1.2018 befristeten letzten Dienstverhältnisses bis 31.1.2018 aus sozialen Gründen erfolgte, ist nicht entscheidungsrelevant.
Aus dieser E lassen sich wichtige Prinzipien ableiten, die in der Praxis auch für zwei weitere wichtige Fragestellungen für Arbeitsverhältnisse bei der Bekl relevant sind:
Die erste Fragestellung betrifft dabei die Situation, in der Angestellte einen Teil ihrer Arbeitszeit unbefristet (zB 80 %) auf Teilzeitbasis bei der Bekl beschäftigt sind und dieses unbefristete Arbeitsverhältnis wiederholt befristet (zB 20 %) auf Vollzeitbasis aufgestockt wird, dh ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages wiederholt befristet wird.
Laut der Rsp kann auch die Mehrfachbefristung einzelner Vertragsbestandteile für einen AN mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden sein, weil der AG durch eine Befristung die ansonsten zum Erreichen seiner Absichten notwendige Änderungskündigung vermeiden und auf diese Weise den Änderungskündigungsschutz umgehen kann („verpönte Umgehungstendenz“).
Fraglich bleibt daher, ob auch die oben dargestellte Praxis einer befristeten Aufstockung der Arbeitszeit im Rahmen eines an sich unbefristeten Arbeitsvertrages anhand der vom OGH dargelegten Prinzipien den Tatbestand der „verpönten Umgehungstendenz“ (ebenso wie bei sachlich 421 nicht gerechtfertigten Kettenverträgen) erfüllt. Im Fall der Bejahung einer solchen „verpönten Umgehungstendenz“ hätte dies zur Folge, dass das im obigen Beispiel dargestellte Arbeitsverhältnis (80 % unbefristet und um 20 % wiederholt befristet aufgestockt) aufgrund der fehlenden sachlichen Rechtfertigung des wiederholt befristeten aufgestockten Arbeitszeitausmaßes als ein in seiner Gesamtheit unbefristetes Arbeitsverhältnis auf Vollzeitbasis (100 % des kollektivvertragsbestimmten Normalarbeitszeitausmaßes) anzusehen wäre.
Inwieweit auch bei Vorliegen von zwei individuellen Arbeitsverträgen (eines unbefristeten und eines befristeten Arbeitsvertrags auf Teilzeitbasis wie beispielsweise von Universitäten mit ihren AN gelegentlich vereinbart) die Prinzipien dieser OGH-E im Zusammenhang mit sogenannten verpönten Umgehungstendenzen übertragbar sind, bleibt aber fraglich; die Beantwortung dieser Frage hängt mE auch davon ab, ob diese zwei individuellen Arbeitsverträge aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls tatsächlich als ein Arbeitsverhältnis zu bewerten sind.
Die zweite wichtige Fragestellung betrifft das vom Berufungsgericht aufgeworfene Problem, ob § 32 Abs 5 ORF-G der RL 1999/70/EG zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge entgegensteht. Die Bekl hatte in ihrer Revision vorgebracht, dass die hier ausschließlich zu beurteilende Frage der Befristungsmöglichkeit nach § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 (im Gegensatz zu jener nach § 4 Z 4 ORF-KollV 2014) in keinem Zusammenhang mit § 32 Abs 5 ORF-G stehe und dass diese Kollektivvertragsbestimmung eine sachliche Rechtfertigung iSd § 5 Nr 1 lit a der Rahmenvereinbarung normiere. Der OGH stellt daraufhin in seiner hier erläuterten E in dem Zusammenhang gleich zweimal fest, dass die Bekl die Befristung der Arbeitsverhältnisse der AN „ausschließlich“ bzw „ausdrücklich“ auf § 4 Z 3 ORF-KollV 2014 (und damit nicht explizit auf § 32 Abs 5 ORF-G) stützt und daher nicht auf Überlegungen zur Richtlinienkonformität des § 32 Abs 5 ORF-G selbst einzugehen war. Auch nach dieser E des OGH bleibt die Frage, ob § 32 Abs 5 ORF-G als richtlinienkonform beurteilt werden kann, also weiterhin offen. Relevant ist dies vor allem auch für jene AN der Bekl, deren befristetes Arbeitsverhältnis auf § 4 Z 4 ORFKollV 2014 beruht (Befristung bei bestimmten gestalterisch-künstlerischen bzw produktionsbezogenen Tätigkeiten für die Dauer einer Produktion).