176Kein unzulässiger Hungerlohn für ein Praktikum
Kein unzulässiger Hungerlohn für ein Praktikum
Der 1989 geborene Kl bewarb sich nach seinem beendeten Studium der Rechtswissenschaften, dem Gerichtspraktikum und einem einjährigen Verwaltungspraktikum auf eine Praktikantenstelle in der Rechtsabteilung der T* GmbH, der Betreibergesellschaft aller Landeskrankenhäuser der Bekl. Nach einem Vorstellungsgespräch, in dem dem Kl mitgeteilt wurde, dass eine Übernahme nach einem zwölf Monate dauernden Praktikum möglich wäre, schloss er mit dem bekl Land für die Zeit von 1.6.2016 bis 31.5.2017 einen befristeten „PraktikantInnenvertrag nach freier Vereinbarung (§§ 1153 ff ABGB)“. Danach war er – bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses am 31.12.2016 – mit 40 Stunden pro Woche und einem Monatsgehalt von € 1.679,70 brutto als Praktikant in der Rechtsabteilung der T* GmbH beschäftigt. In diesem Vertrag ist ua festgehalten, dass der Kl als Ferialpraktikant versichert ist und auf dieses Ausbildungsverhältnis bestimmte (im Vertrag genannte) Bestimmungen des Landesbedienstetengesetzes des Landes * Anwendung finden.
Der Kl begehrte von der Bekl die Entgeltdifferenz zwischen dem vereinbarten und bezogenen Entgelt und jenem, das einem fix angestellten Juristen aufgrund der „Modellstellen.Verordnung allgemeine Verwaltung (2016)“ der Bekl zustand. Seine Tätigkeit habe der eines angestellten Juristen und nicht der eines bloßen Praktikanten entsprochen.
Die Bekl bestritt und beantragte Klagsabweisung. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und änderte das Ersturteil iS einer gänzlichen Klagsstattgabe ab.
Gegen die Berufungsentscheidung richtete sich die außerordentliche Revision der Bekl wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene E iS einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kl beantragte, die Revision der Bekl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision war laut OGH zulässig und berechtigt, das klagsabweisende Urteil sei wiederherzustellen.
Der Geltungsbereich des Gesetzes über das Dienstrecht der Bediensteten des Landes * (Landesbedienstetengesetz – LBedG)422umfasst nach dessen § 1 Abs 1 Satz 1 alle Landesbediensteten, soweit in § 1 Abs 2 nichts anderes bestimmt ist (LBedG). Dieses Gesetz gilt ua nicht für Lehrlinge und Praktikanten (§ 1 Abs 2 lit h LBedG).
Die vom Berufungsgericht für seine E herangezogenen Kriterien der Rsp zur Unterscheidung zwischen einem Volontariat (bzw einem Ferialpraktikum) als ein nicht als Arbeitsverhältnis zu wertendes Ausbildungsverhältnis und einem echten Arbeitsverhältnis (vgl RS0074214; RS0029510) sind laut OGH hier nicht unmittelbar einschlägig. Praktika können eben entweder in Form eines (idR befristeten) Arbeitsverhältnisses, auf das alle arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, oder als bloßes Ausbildungsverhältnis eingegangen werden, das nicht dem Arbeitsrecht unterliegt (Przeszlowska, Praktikum: Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis? Abgrenzungskriterien im Lichte der Rechtsprechung, ZAS 2015/10 Pkt A.).
Strittig ist lediglich die Frage, ob der Kl bei der Bekl tatsächlich im Rahmen seines privatrechtlichen Dienstverhältnisses als Praktikant iSd § 1 Abs 2 lit h LBedG beschäftigt wurde und damit vom Geltungsbereich des LBedG ausgenommen ist. Eine Definition der Praktikanten ist im LBedG nicht enthalten. Allgemein stellt – so auch die Revisionsbeantwortung – der Begriff des Praktikums auf eine Ausbildung ab, sodass in einem derartigen Dienstverhältnis der Lern- und Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Dies war nach den Feststellungen auch beim Kl der Fall. Der Kl wurde von seinem Vorgesetzten unter besonderer Berücksichtigung der Ausbildungskomponente des Praktikantenverhältnisses in möglichst verschiedenen Bereichen der Rechtsabteilung eingesetzt und mit den verschiedensten (nicht nur rein juristischen) Arbeiten betraut. Die Verpflichtung des Kl, die ihm im Rahmen der Zielsetzung des Praktikums aufgetragenen, der Ausbildung dienenden Arbeiten gewissenhaft durchzuführen und die vorgegebene Arbeitszeit einzuhalten, schließt seine vertragliche und tatsächlich auch verrichtete Tätigkeit als Praktikant iSd § 1 Abs 2 lit h LBedG nicht aus, sondern ist grundsätzlich jedem (echten) Dienstverhältnis nach § 1151 ABGB immanent. Der konkrete Erfolg der Tätigkeit eines Praktikanten iSd § 1 Abs 2 lit h LBedG im Einzelfall ist für die rechtliche Qualifikation des jeweils vorliegenden Vertragsverhältnisses nicht ausschlaggebend.
Wenn – wie auch im vorliegenden Fall – keine besondere lohngestaltende Vorschrift zur Anwendung kommt, ist nahezu jede Entgeltvereinbarung gültig. Die Grenze bildet lediglich die Sittenwidrigkeit zufolge Lohnwuchers gem § 879 ABGB (RS0016668 [T1]). Lohnwucher wird von der Rsp bei „Schuld- und Hungerlöhnen“ angenommen, deren Höhe in auffallendem Missverhältnis zum Wert der Leistung des DN steht, wenn ihre Vereinbarung durch Ausbeutung des Leichtsinns, einer Zwangslage, der Unerfahrenheit oder der Verstandesschwäche des DN zustande gekommen ist (OGH8 ObA 63/18z Pkt 2. = DRdA 2019/43 [Dullinger]; RS0016702). Davon kann aber, wie das Erstgericht laut OGH zutreffend ausgeführt hat, beim vereinbarten monatlichen Bruttoentgelt des Kl in Höhe von € 1.679,70 keine Rede sein (vgl den Ausbildungsbeitrag eines Rechtspraktikanten nach § 17 Abs 1 RPG).