185Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld muss exportiert werden
Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld muss exportiert werden
Die Kl, die gemeinsam mit ihrer am 27.11.2018 geborenen Tochter in der Tschechischen Republik lebt, bezog das pauschale Kinderbetreuungsgeld als Konto für den Zeitraum 27.1.2018 bis 31.8.2019. Ihr Antrag auf Zuerkennung der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 27.1.2018 bis 31.8.2019 wurde von der bekl Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mit Bescheid abgelehnt.
Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrte die Kl die Zuerkennung der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld.
Die Bekl brachte vor, dass Voraussetzung für den Anspruch auf Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld gem § 2 Abs 1 Z 4 iVm § 9 KBGG der Lebensmittelpunkt des beziehenden Elternteils und des Kindes in Österreich sei. Die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld müsse nicht exportiert werden, weil es sich dabei nicht um eine Familienleistung iSd Art 1 lit z iVm Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004, sondern um eine gem Art 3 Abs 5 VO 883/2004 vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen Sozialhilfeleistung für einkommensschwache Eltern handle. Hilfsweise machte die Bekl geltend, dass es 436 sich bei der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld um eine nicht zu exportierende beitragsunabhängige Geldleistung gem Art 70 VO 883/2004 handle.
Die Vorinstanzen sprachen der Kl die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld übereinstimmend zu.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück.
Ob eine Leistung in den Geltungsbereich der VO 883/2004 fällt, hängt nach der stRsp des EuGH nicht davon ab, ob sie von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird, sondern von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung, insb von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung. Eine Leistung kann dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird und sie sich auf eines der in Art 3 Abs 1 VO 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht.
Nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt gem Art 3 Abs 5 lit a VO 883/2004 die soziale und medizinische Fürsorge. Fürsorgeleistungen oder Leistungen der Sozialhilfe sind nach der Rsp des EuGH dadurch von Leistungen der sozialen Sicherheit abzugrenzen, dass sie von der Bedürftigkeit des Beziehers abhängen, keinerlei Berufstätigkeits-, Mitgliedschafts- oder Beitragszeiten fordern und eine Beurteilung im Einzelfall nach Ermessen vorsehen.
Voraussetzung für den Anspruch auf Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld für ein Kind gem § 9 Abs 2 Satz 1 KBGG ist, dass für dieses Kind ein Anspruch auf Auszahlung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes besteht. Das österreichische Kinderbetreuungsgeld ist nach stRsp eine Familienleistung iSd Art 1 lit z VO 883/2004 und daher gem Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004 zu koordinieren. Die Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld ist eine Annexleistung zu diesem und ist bei Vorliegen der in § 9 KBGG genannten Voraussetzungen ohne jegliche auf die persönliche Bedürftigkeit abstellende Ermessensausübung im Einzelfall zu gewähren, weshalb sie ebenfalls vom sachlichen Anwendungsbereich der VO 883/2004 erfasst wird.
Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es sich bei der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld nicht um eine beitragsunabhängige Geldleistung gem Art 70 VO 883/2004 handelt, erachtet der OGH als nicht korrekturbedürftig. Schon aus dem Wortlaut des Art 70 Abs 2 lit c VO 883/2004 ergibt sich, dass eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung nach dieser Bestimmung nur dann vorliegt, wenn sie im Anhang X zur VO 883/2004 aufgeführt ist, was bei der Beihilfe nicht der Fall ist. Dieser Eintrag ist Voraussetzung dafür, dass die speziellen Koordinierungsregelungen der VO 883/2004 für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen gelten, insb auch die Ausnahme vom Grundsatz der Exportierbarkeit gem Art 70 Abs 4 VO 883/2004.