161Echtes Dienstverhältnis eines für einen anderen Rechtsanwalt aufgrund von Substitutionsvereinbarungen tätigen selbständigen Rechtsanwalts
Echtes Dienstverhältnis eines für einen anderen Rechtsanwalt aufgrund von Substitutionsvereinbarungen tätigen selbständigen Rechtsanwalts
Der Kl ist als selbständiger Rechtsanwalt in die Rechtsanwaltsliste eingetragen und führt auch eine eigene Kanzlei. Aufgrund von Substitutionsvereinbarungen war er auch für den Bekl tätig. Mit der eingebrachten Klage brachte er vor, dass diese Tätigkeit als Arbeitsverhältnis zu beurteilen sei und ihm daraus der Klagsbetrag zusteht. Der Bekl brachte dagegen vor, dass es sich um ein freies Dienstverhältnis handelte, weshalb diese Ansprüche nicht berechtigt seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht folgte der Rechtsansicht des Kl, sprach ihm mit Teilurteil einen Betrag an Kündigungsentschädigung zu und bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens, das ua auf Sonderzahlungen gerichtet war.
Der OGH sah die gegen das Teilurteil gerichteten außerordentlichen Revisionen der Streitparteien mangels Darlegung von qualifizierten Rechtsfragen 405 gem § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig an. In seiner rechtlichen Begründung hielt er zunächst zur außerordentlichen Revision der Bekl resümierend fest, dass als Dienstverhältnis ein Rechtsverhältnis bezeichnet wird, das jemanden zur Arbeitsleistung für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet, wobei die wesentlichen Merkmale der persönlichen Abhängigkeit die Weisungsgebundenheit des zur Erbringung der Arbeitsleistung Verpflichteten – vor allem hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenem Verhalten –, darüber hinaus die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht, die Fremdbestimmung der Arbeit (der wirtschaftliche Erfolg kommt dem AG zugute), die persönliche Fürsorgepflicht und Treuepflicht sowie die organisatorische Eingliederung des AN in den Betrieb des AG, einschließlich der Kontrollunterworfenheit, sind. Ob eine Vereinbarung als echter Dienstvertrag, freier Dienstvertrag oder Werkvertrag zu qualifizieren ist, ist immer nur anhand der Umstände des Falles zu beantworten. Vor allem ist auch die Frage, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und der Bedeutung nach bei Anstellung einer Gesamtbetrachtung überwiegen, eine Folge der Gewichtung der Umstände des Einzelfalls. Derartige Fragen begründen in der Regel keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO.
Der OGH folgte den Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach im Wesentlichen als ausschlaggebend angesehen wurde, dass der Kl von Montag bis Donnerstag im Umfang von jeweils sechs Stunden täglich in den Kanzleiräumlichkeiten des Bekl grundsätzlich mit dessen Betriebsmitteln ihm zugewiesene Akten unter Verwendung mehrerer hundert vom Bekl erarbeiteter Textbausteine für Mandanten, mit denen er kein Vollmachtsverhältnis hatte, erledigen sollte, dass die vom Kl gelieferten Arbeiten auf dem Kanzleiserver des Bekl abgespeichert und nicht in die eigene Mustersammlung des Kl aufgenommen wurden, dass der Kl einer Kontrolle seiner Arbeiten durch den Bekl unterworfen war, er auch persönlichen Weisungen betreffend seine grundsätzliche Anwesenheit in der Kanzlei unterlag, und er ein von der Zahl und der Qualität der Erledigungen unabhängiges fixes monatliches Entgelt sowie den Ersatz seiner Fahrtkosten erhielt, während der wirtschaftliche Erfolg der Mühen des Kl ausschließlich dem Bekl zukam.
Auf eine bestimmte Bezeichnung des Vertragsverhältnisses oder abweichende rechtliche Vorstellungen, die die Parteien beim Abschluss hatten, kommt es nach Rechtsansicht des OGH nicht ausschlaggebend an, sondern prioritär auf die tatsächliche Handhabung, die im Regelfall den wahren Willen der Parteien ausdrückt.
Dass der Kl auch eine eigene Kanzlei führt, sieht der OGH ebenfalls als nicht hinderlich, weil ein DN grundsätzlich auch weiteren Erwerbstätigkeiten nachgehen kann. Insofern sieht der OGH die Einordnung des Rechtsverhältnisses der Streitteile als Dienstvertrag als nicht korrekturbedürftig an und wies daher die außerordentliche Revision des Bekl mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.
Zur außerordentlichen Revision des Kl führte der OGH in rechtlicher Hinsicht aus, dass für die vom Kl geltend gemachten Sonderzahlungsansprüche keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist. Ein KollV, der für angestellte Rechtsanwälte Sonderzahlungen vorsieht, besteht nicht, und der KollV für Rechtsanwalts- Angestellte in Tirol gilt ausdrücklich nur für „alle in den Kanzleien der Rechtsanwälte im Angestelltenverhältnis Beschäftigten (…) mit Ausnahme der VolontärInnen, RechtsanwaltsanwärterInnen und angestellten RechtsanwältInnen“
. Insofern war auch die außerordentliche Revision des Kl mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gem § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.