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Pauschales Kinderbetreuungsgeld: Familienbetrachtungsweise nur bei Anwendung von Art 67 und 68 VO 883/2004 relevant

SARA NADINEPÖCHEIM

Die Kl, ihr Ehegatte sowie die gemeinsamen Kinder sind österreichische Staatsbürger und haben ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. Der Ehegatte der Kl ist im Fürstentum Liechtenstein unselbständig erwerbstätig. Die Kl beantragte anlässlich der Geburt ihres zweiten Sohnes am 19.5.2018 das Kinderbetreuungsgeld in der Kontovariante für den Zeitraum von der Geburt bis zum 18.5.2019 in Höhe von € 33,88 täglich. Sie bezog Wochengeld ab 22.3. bis 14.7.2018. Seit dem Ende des Mutterschutzes befindet sie sich in Karenz. Sie hat seit 16.8.2004 ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis in Österreich. Nach Ende der Karenz ihres ersten Kindes war die Kl von 3.1. bis 30.9.2016 geringfügig im Ausmaß von acht Wochenstunden beschäftigt. Ab dem 1.10.2016 war sie im Ausmaß von neun Wochenstunden beschäftigt, wobei damit die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde.

Mangels Ausstellung eines Bescheides durch die Bekl begehrte die Kl mit ihrer beim Erstgericht eingebrachten Säumnisklage die Zahlung des Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von € 33,88 täglich für die Zeit von 15.7.2018 bis 18.5.2019. Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war die Klärung der Frage, ob Österreich im Rahmen der VO 883/2004 vorrangig oder nachrangig zuständig ist und ob die Kl die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG erfüllt, obwohl sie während der ersten zehn Tage des Zeitraumes von 182 Tagen noch geringfügig beschäftigt war.

Der OGH hält die Revision zur Klarstellung für zulässig, aber für nicht berechtigt. Er hält fest, dass die Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Österreich (vgl § 24 Abs 2 KBGG) nicht Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von pauschalem Kinderbetreuungsgeld als Konto (hier gem § 3 Abs 1 KBGG) ist. Schon daher kommt es auf die Frage, ob die Tage der geringfügigen Beschäftigung der Kl als Beschäftigung im unionsrechtlichen Sinn anzusehen wären, nicht an.

Weiters führt er aus, dass die Kl (anders als ihr Ehegatte) keine Grenzgängerin iSd Art 1 lit f VO 883/2004 ist, weil sie in Österreich wohnt und hier einer Beschäftigung nachgeht. Auf die Kl sind daher nicht die Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten anwendbar, der persönliche Anwendungsbereich der VO 883/2004 ist nicht für die Kl als unmittelbar Berechtigte eröffnet. Der persönliche Geltungsbereich der VO 883/2004 ist für die Kl vielmehr als Familienangehörige (Art 1 lit i VO 883/2004) ihres Ehegatten, der unstrittig Wander-AN ist, gem Art 2 VO 883/2004 eröffnet. Dieses Merkmal wäre für von der Beschäftigung des Ehegatten der Kl abgeleitete Ansprüche von Belang (vgl Spiegel in Fuchs, Europäisches Sozialrecht7 Art 2 Rn 5). Einen solchen Anspruch macht die Kl in diesem Verfahren aber nicht geltend.

Der Ehegatte der Kl bezieht lediglich eine liechtensteinische Familienzulage als Ausgleichszahlung zu der der Kl in Österreich gewährten Familienbeihilfe, nicht aber eine zum Kinderbetreuungsgeld nach Sinn und Zweck und Struktur (vgl dazu EuGHC‑347/12, Wiering, ECLI:EU:C:2014:300, Rn 54 ff) gleichartige und daher allenfalls anrechenbare liechtensteinische Leistung. Es fehlt schon daher an den Voraussetzungen für die Anwendung der Koordinierungsnormen für Familienleistungen (Art 67 ff VO 883/2004), zu denen auch das Kinderbetreuungsgeld zählt (Art 1 lit z VO 883/2004). Die Familienbetrachtungsweise spielt schon nach dem Wortlaut des Art 60 Abs 1 Satz 2 DVO 987/2009 nur bei der Anwendung von Art 67 und 68 VO 883/2004 eine Rolle (EuGHC‑32/18, Moser, ECLI:EU:C:2019:752, Rn 33, 34), also nicht im vorliegenden Fall.

Daraus folgt: Auch unter der Annahme der von der Bekl behaupteten vorrangigen Zuständigkeit Liechtensteins zur Gewährung von Familienleistungen wäre Liechtenstein zur Gewährung von Familienleistungen an den Ehegatten der Kl und daraus abgeleiteten Ansprüchen an die Kl vorrangig zuständig. Der Anspruch der Kl auf pauschales Kinderbetreuungsgeld als Konto ist jedoch nicht von einer Beschäftigung abhängig und wird auch nicht aus der Beschäftigung des Ehegatten der Kl in Liechtenstein abgeleitet. 444