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Bei einer vom Wohnsitz in Spanien aus ausgeübten Telearbeit ist Spanien der für die Sozialversicherung zuständige Mitgliedstaat

WERNERPLETZENAUER

Zwischen der revisionswerbenden Partei J GmbH und den mitbeteiligten Parteien wurden „Kooperationsverträge“ abgeschlossen, wonach diese Objekt- und Kundenakquisitionen im Immobilienbereich vornehmen und sich nach besten Kräften um den Abschluss von Rechtsgeschäften bemühen sollten. Sie waren für die Vermittlung von Rechtsgeschäften (zB Kauf, Verkauf, Tausch, Bestandverträge, Beteiligung an Immobilienfonds) über Immobilienobjekte im Bundesland Salzburg, dem angrenzenden Salzkammergut und dem Bezirk Osttirol zuständig. Als Entlohnung wurden ausschließlich Provisionszahlungen vereinbart. Die dazugehörigen Nebentätigkeiten – wie das Gestalten von Inseraten in Abstimmung mit dem Büroleiter, das Anfertigen von Lichtbildern, die Erstellung von Exposés, die Betreuung von Kunden und die Korrespondenz – waren selbständig vorzunehmen. Der Letztabschluss verblieb bei der revisionswerbenden Partei, welche einen Abschluss nach Akquisition auch ohne Angabe von Gründen ablehnen konnte. In diesem Fall wurde weder eine Provision noch ein Entschädigungsanspruch zugestanden. Der Vertrag enthielt eine Verschwiegenheitsklausel. Hauptaufgabe der genannten Erwerbstätigen war, der revisionswerbenden Partei Suchkunden und Immobilien aus dem Luxussegment zuzuführen sowie die dazugehörigen Exposés und Fotos zu erstellen. Die Tätigkeit war örtlich ungebunden. Viel wurde über Telefonate und E-Mails abgewickelt. Es gab weder Vorgaben hinsichtlich der Anzahl der zu akquirierenden Kunden bzw Objekte noch hinsichtlich der diesbezüglich aufzuwendenden Zeit. Die Gestaltung der Tätigkeit war völlig frei, es gab keinerlei Vorgaben, wie die Akquisitionen durchzuführen waren. Die Arbeitszeiten waren frei gestaltbar. Sämtliche im Zusammenhang mit der Tätigkeit entstandenen Kosten (Transportaufwand, Telefon) trugen die Erwerbstätigen. Ein Handy wurde zur Verfügung gestellt. Sie benötigten einen Computer mit Internetverbindung, welcher von ihnen „zu organisieren“ war, sowie gegebenenfalls einen eigenen Pkw für Besichtigungen und Kundenbesuche.

Die Tätigkeit einer Mitarbeiterin der J GmbH – der sogenannten „Drittmitbeteiligten – begann am 7.11.2005. Sie hatte ihren Wohnsitz in Spanien, von wo aus sie die Tätigkeit auch telefonisch und per E-Mail durchführte. Sie stellte ihre Honorarnoten unter ihrer spanischen Adresse und Steuernummer aus. Für Jänner bis September 2006 hat sie Honorarrechnungen für erbrachte Beratungsleistungen in Höhe von € 12.222,- gelegt. Ab 1.7.2006 war sie zusätzlich in Deutschland „unselbständig sozialversichert“. Sie hat in Österreich zu keinem Zeitpunkt über eine Gewerbeberechtigung verfügt und es bestand im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch keine Versicherung nach dem GSVG.

In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, dass bei allen Erwerbstätigen in den genannten Zeiträumen freie Dienstverhältnisse iSd § 4 Abs 4 ASVG bzw in einem Fall auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG vorgelegen sei.

Zur Drittbeteiligten führte das BVwG aus, dass trotz ihrer selbständigen Tätigkeit in Spanien auf Grund ihrer freien DN-Tätigkeit in Österreich für den Zeitraum vom 7.11.2005 bis 30.6.2006 mit dieser Tätigkeit jedenfalls den österreichischen Sozialversicherungsbestimmungen unterlegen sei.

Der VwGH sieht das anders und hob die Entscheidung des BVwG betreffend die Pflichtversicherung der Drittmitbeteiligten wegen Rechtswidrigkeit auf.

Im Unterschied zu den anderen im Verfahren beteiligten Erwerbstätigen hat die Drittmitbeteiligte nach den Feststellungen ihre Tätigkeit im Zeitraum vom 7.11.2005 bis 30.6.2006 von ihrem Wohnsitz in Spanien aus ausgeübt. Erst ab 21.8.2006 war sie in Österreich mit Hauptwohnsitz und ab 11.9.2006 bei der damaligen Gebietskrankenkasse als „Auslandsbetreute Wohnsitz in Österreich“ gemeldet bzw ab 1.7.2007 in Deutschland „unselbständig sozialversichert“. Sie hat im Rahmen ihrer Tätigkeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum telefonisch und per E-Mail mit Stellen in Österreich kommuniziert („Telearbeit“).

Nach der allgemeinen Regel des Art 13 Abs 2 der VO 1408/71 unterliegt (lit a) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr AG (oder das Unternehmen, das sie beschäftigt) seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, sowie (lit b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Insb in Anbetracht des Wohnsitzes der Drittmitbeteiligten in Spanien ergibt sich aus den Art 14 bis 17 leg cit keine abweichende Beurteilung.

Daher ist Spanien der für die Durchführung der Pflichtversicherung zuständige Mitgliedstaat. Dies steht der Feststellung einer Pflichtversicherung nach dem ASVG entgegen. 448