55. Wissenschaftliche Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht

MAGDALENAMISSBICHLER

Knapp 200 TeilnehmerInnen aus Wissenschaft und Praxis fanden auch dieses Jahr wieder ihren Weg zur 55. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht, die nach einer coronabedingten Verschiebung im Frühjahr nun am 1. und 2. Oktober im Ferry Porsche Congress Center in Zell am See stattfand. Die Eröffnungsworte des Präsidenten der Gesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, waren vor allem von der Schilderung der schwierigen Umstände, unter denen die Tagungsorganisation in diesem Jahr stattfinden musste, geprägt. Nichtsdestotrotz habe man sich nach dem Vorbild der perfekt organisierten Salzburger Festspiele, die heuer bereits Kulturgenuss auf höchstem Niveau abliefern konnten, vorgenommen, eine Tagung abzuhalten, die den Teilnehmenden entsprechenden wissenschaftlichen Genuss biete. Im Anschluss daran begrüßte auch Bürgermeister Andreas Wimmreuter die TagungsteilnehmerInnen und betonte den Stellenwert der Abhaltung der Tagung und deren Signalwirkung insb in diesen herausfordernden Zeiten.

Den ersten, traditionell dem Arbeitsrecht gewidmeten Tag der Veranstaltung, der von Univ.-Prof.in Mag.a Dr.inSusanne Auer-Mayer moderiert wurde, eröffnete Univ.-Prof. Mag. Dr. Elias Felten (Universität Linz) mit seinem Vortrag zum Thema „Home-Office und Arbeitsrecht“. Besonderes Augenmerk legte Felten dabei auf die Frage, ob AN in gewissen Fällen zur Arbeit von zu Hause aus verpflichtet sein könnten. Dies verneinte er im Allgemeinen, weil die Grenze des Weisungsrechts des/der AG dort erreicht sei, wo Persönlichkeitsrechte der AN berührt werden. Eine Notarbeitspflicht im Home-Office, die aus § 20 AZG abgeleitet werden könnte, sei nur dann anzunehmen, wenn auch die dort normierte Voraussetzung einer kurzfristigen und spontanen Gefahrenabwehr erfüllt sei – im mehrwöchigen Corona-Lockdown sei dies aber nicht der Fall gewesen. Für diese restriktive Sichtweise spreche nach Felten auch § 735 Abs 3 Z 1 ASVG, der eine Verweisung auf das Home-Office – wo zumutbar – nur bei besonders vulnerablen Personen erlaubt. Diese Bestimmung lege insb nahe, dass das Arbeiten im Home-Office in anderen Fällen keine Alternative zum Entgeltfortzahlungsanspruch darstellt. Die gegenteilige Auffassung hätte zudem das Potential, das geltende Entgeltfortzahlungsrecht auszuhöhlen. In diesem Zusammenhang verneinte er auch die Zulässigkeit von Versetzungsklauseln, die es (nur) dem/der AG erlauben, den/die AN ins Home-Office zu verweisen, da diese aufgrund der möglichen Umgehung des Entgeltfortzahlungsrechts in aller Regel sittenwidrig seien. Intensiv thematisiert wurde auch die Problematik rund um die Zutrittsrechte des Arbeitsinspektorats bei von zu Hause arbeitenden AN. Es überzeuge nicht, dass das Home-Office vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektorate ausgenommen sein soll, denn der Gesetzgeber habe gem § 67 Abs 6 ASchG auch für die ergonomische Ausgestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen außerhalb der Arbeitsstätte und damit auch im Home-Office zu sorgen, sobald er die jeweiligen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt.

In der darauffolgenden Diskussion wurde vor allem das Zutrittsrecht des Arbeitsinspektorates und dessen Spannungsverhältnis mit dem Hausrecht des/der AN thematisiert. Insb wurde angezweifelt, dass in Anbetracht des Art 9 StGG Zwangsbetretungen durch das Arbeitsinspektorat möglich seien. Auch eine Zustimmung des/der AN zum Zutritt des Arbeitsinspektorats könne möglicherweise gar nicht wirksam erteilt werden, da diese im Arbeitsverhältnis zumeist unter Druckausübung des/der AG erfolgen würde. Als mögliche Lösung der Problematik wurde schließlich auf den ersten Teil des ASchG und die dort angeordneten Dokumentations- und Unterweisungspflichten verwiesen. So könnten etwa auch Fotos von der konkreten Arbeitssituation angefertigt werden. Zudem wurde ua angemerkt, dass schon die Frage der Zumutbarkeit des Home-Office problematisch erscheine, denn die Frage nach der Zumutbarkeit trage auch ein Begründungselement in sich. Es müsse aber, wenn man vom Prinzip der Freiwilligkeit in dieser Thematik ausgehe, ein schlichtes Nein des/der AN, ohne weitergehende Begründung, genügen.

Den zweiten Vortrag des Tages mit dem Titel „Quo vadis Tendenzschutz?“ bestritt RAin MMag.a Dr.inAndrea Potz (CMS Reich-Rohrwig Hainz). Den TagungsteilnehmerInnen wurde dabei zunächst ein Überblick über die nationalen Rechtsgrundlagen zum Tendenzschutz geboten und verdeutlicht, dass dieser entweder als einfachgesetzliche Konkretisierung der Grundrechtsgewährleistung für Tendenzbetriebe betrachtet werden müsse oder aber der Sicherung des Betriebsablaufs vor Einflussnahme des BR bei tendenzrelevanten Aspekten diene. Im Unionsrecht sei der Tendenzschutz nur in abgeschwächter Form vorzufinden, jedoch kenne dieses einen solchen beispielsweise im Individualarbeitsrecht, wo Antidiskriminierungsregelungen Ausnahmen für AG beim Diskriminierungsmerkmal Religion und Weltanschauung vorsehen. Ua wurde anhand der Rs Egenberger (C-414/16) sowie der Rs IR (C-68/17)schließlich dargestellt, dass kirchlichen AG in Zukunft wohl ein höherer Begründungsaufwand abzuverlangen sein muss, da das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht so weit gehen könne, 465 dass die Einhaltung der in der Gleichbehandlungs-RL angeführten Kriterien einer gerichtlichen Kontrolle entzogen werden könnten. Insgesamt sei nach Potz aber nicht mit einem künftigen Ausbau des Tendenzschutzes, sondern viel eher – wie auch die beiden Entscheidungen des EuGH zeigen – mit einer Präzisierung und Schärfung seiner Konturen zu rechnen.

In der anschließenden Diskussion wurde ua die Frage aufgeworfen, wie sich die Ausgliederung von Betrieben in Tendenzunternehmen auf den Tendenzschutz auswirke. Potz legte diesbezüglich dar, dass zum einen ein Vorliegen von Tendenzkonzernen durchaus möglich sei und zum anderen Umstrukturierungsmaßnahmen wie die angesprochenen Ausgliederungen eine „Tendenz“ entstehen lassen oder wiederum vernichten könnten. Mehrfach thematisiert wurde die Intensität des Tendenzschutzes bei der Kündigung bzw Entlassung, je nach Berufsgruppe. So seien ÄrztInnen (auch in konfessionellen Krankenhäusern) wohl eher als tendenzferne, nicht „verkündungsnahe“ Personen zu qualifizieren, bei welchen der Tendenzschutz dem Kündigungsschutz nicht im Wege stehe. Bei ReligionslehrerInnen, die im Verkündungsauftrag tätig sind, sei im Vergleich zu jenen LehrerInnen, die ebenfalls zB an einer konfessionellen Schule unterrichten, dabei aber andere Fächer abdecken, veränderte Maßstäbe anzulegen – je weiter man sich vom Kern der geschützten Tendenz wegbewege, desto höhere Anforderungen müssten an die Begründung gestellt werden. Insgesamt gehe es um eine Interessenabwägung und die Frage, wann die Mitwirkungsbefugnisse der Eigenart des Betriebs entgegenstehen.

Im dritten Vortrag widmete sich RA o.Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold dem Thema der Kollektivvertragsautonomie. Zum Einstieg legte Marhold dazu die einschlägigen Rechtsgrundlagen mit besonderem Fokus auf Art 11 EMRK sowie Art 28 GRC dar. Insgesamt böten diese Bestimmungen auch einen Schutz des kollektiven Aushandelns von Arbeitsbedingungen, daraus folge aber dennoch nicht die Garantie bestimmter Rechtswirkungen des österreichischen Kollektivvertragsrechts. Zudem thematisierte er ua die Frage der Teilnichtigkeit von kollektivvertraglichen Bestimmungen, die zur Folge habe, dass ein Kollektivvertragsinhalt normativ wirksam werde, den die abschließenden Parteien so nicht gewollt hätten. Als Lösungsansatz schlug er vor, im Falle der Teilnichtigkeit einer kollektivvertraglichen Bestimmung nicht nur diese, sondern auch die damit in objektivem Zusammenhang stehenden Regelungen des KollV als nichtig zu erklären. Des Weiteren verneinte Marhold die Existenz eines verfassungsrechtlich abgesicherten Kernbereichs der Kollektivvertragsautonomie, die Gesetzgebungskompetenz des einfachen Gesetzgebers sei durch sie nicht berührt. Zu unterscheiden sei dabei aber die bloße gesetzliche Überlagerung (wie etwa im detaillierten Arbeitszeitrecht) von einem Eingriff, der Abänderung oder der Unwirksamerklärung einer kollektivvertraglichen Regelung durch gesetzliche Bestimmungen. Schließlich schütze Art 11 EMRK nach der Rsp des EGMR (34503/97, Demir und Bakara) auch die Ergebnisse der kollektiven Verhandlungen. Daran könne im Fall des Eingriffes des Gesetzgebers nach der Karfreitagsentscheidung des EuGH (C-193/17, Cresco Investigatons) auch die Europarechtswidrigkeit der bestehenden Kollektivvertragsbestimmung nichts ändern. Denn nach der E des EuGH in der Rs Hennings und May (C-297/10) müsse den Kollektivvertragsparteien bei der Sanierung von diskriminierenden Regelungen Vorrang gegenüber einer Sanierung per Gesetz zukommen.

Anschließend daran wurde in der Diskussion zunächst angemerkt, dass § 33a Abs 28 ARG als Anordnung der Nichtigkeit der gesetzwidrigen Bestimmungen im KollV im Grunde das gleiche anordne wie auch § 879 ABGB und der Eingriff in den KollV so erst durch die Bestimmung des § 7a ARG erfolgt, wobei es dem Gesetzgeber ja unbestrittenermaßen möglich ist, urlaubsrechtliche Regelungen zu schaffen. In Bezug auf die Karfreitagsregelung wurde weiters diskutiert, welches Alternativverhalten der Gesetzgeber bei Vorrang der Sanierung durch die Kollektivvertragsparteien hätte setzen sollen bzw welche Frist für die Findung einer neuen Regelung angemessen sei. Thematisiert wurde schließlich auch die Diskrepanz zwischen staatlichen Eingriffen in die Privat- und die Kollektivvertragsautonomie. Hierzu wurde angemerkt, dass nicht ersichtlich sei, wieso gesetzliche Eingriffe in die Privatautonomie bei Vornahme einer entsprechenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zulässig sind, bei solchen in die Kollektivvertragsautonomie wiederum ein unzulässiger Eingriff vorliegen sollte.

Das traditionell am ersten Veranstaltungstag stattfindende Seminar wurde dieses Jahr von Mag.a Dr.inMarta J. Glowacka, LL.M. (Wirtschaftsuniversität Wien) zu aktuellen Entwicklungen im Urlaubsrecht abgehalten. Behandelt und diskutiert wurden dabei rund 20 Entscheidungen zum Thema aus den letzten sieben Jahren, unterteilt in fünf große Themenblöcke zur Höhe des Urlaubsanspruches, zum Verbrauch, zur Vergütung, zum Verlust, dem Verfall und der Verjährung sowie die Konkurrenz des Urlaubsanspruches mit anderen Entgeltfortzahlungsansprüchen. Im ersten Themenblock wurde so etwa die Rs EurothermenResort (C-437/17) und die Problematik rund um die Anspruchsvoraussetzungen zur sechsten Urlaubswoche abgehandelt, die sowohl von der Seminarleiterin als auch von den DiskutantInnen im Publikum mit Blick auf die sinnvolle Differenzierungsmöglichkeit bei Betriebstreue begrüßt wurde. Dem Argument, dass den AN die Betriebstreue nichts nutze, wenn der/die AG den/die AN kurz vor Erreichen der 25-jährigen Frist kündige, wurde von Glowacka das durch den Bestandsschutz 466 bei derartig langen Dienstverhältnissen eingeschränkte freie Kündigungsrecht entgegengehalten. Für einigen Diskussionsstoff sorgten auch die Entscheidungen des EuGH in den Rs Iccrea Banca und Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria (C-37/19 und C-762/18) und die Frage, ob einem/einer rechtswidrig entlassenen AN ein Urlaubsanspruch für die Zeitspanne zwischen dem Tag der Entlassung und dem Tag der Wiederaufnahme der Beschäftigung (nach Nichtigerklärung der Entlassung) gebührt bzw, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändere, wenn der/die AN vor Nichtigerklärung und Rückkehr bereits ein anderes Arbeitsverhältnis angetreten ist. Dabei wurde insb auch die mögliche Vergleichbarkeit zur Judikatur zum Doppelverdienst bei fristwidrigen Kündigungen angesprochen, wo der Verdienst beim/bei der neuen AG auf den Schadenersatz angerechnet wird. Diese könne aber wohl im Falle der Rückkehr des/der AN zum/zur ursprünglichen AG nicht herangezogen werden.

Den Start in den zweiten, von RA o.Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold moderierten Veranstaltungstag lieferte Univ.-Prof. Dr. Walter J. Pfeil (Universität Salzburg) mit einem Vortrag mit dem Thema „Neuregelung der Mindestsicherung: Sozialhilfe und Ausgleichszulage“. In Bezug auf die Sozialhilfe erörterte Pfeil zunächst die Entscheidungen des VfGH zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) (G 164/2019, 171/2019) und merkte an, dass sich dieser zu einigen wichtigen Problemfeldern nicht geäußert hat – so etwa zur kompetenzrechtlichen Problematik rund um die Zielbestimmungen in § 1 Z 2 und 3 SH-GG, in welchen der Bund nunmehr zB die Aufgabe der weitestmöglichen Förderung der optimalen Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes durch Ausgestaltung der Sozialleistungen an die Länder überträgt. Weiters thematisierte er, inwieweit – auch bedingt durch die vom VfGH attestierten weiten Spielräume der Ausführungsgesetzgebung – „grundsatzfreie Räume“ bestehen. Solche bestünden insb im Hinblick auf den Sachleistungsvorrang nach § 3 Abs 5 SH-GG, die Nichtberücksichtigung von Leistungen für Sonderbedarf oder beim Freibetrag für WiedereinsteigerInnen. Darüber hinaus kritisierte er die Inkohärenz bestimmter Regelungen zur Ausgleichszulage, wie etwa die des (auch verfassungs- und unionsrechtlich fragwürdigen) Bonus für Langzeitversicherte gem § 299a ASVG. Aufgrund der Vorgabe, dass die vorausgesetzten Versicherungsmonate aus eigener Erwerbstätigkeit stammen müssen, seien nämlich gerade jene PensionsbezieherInnen davon ausgeschlossen, die besonderen Bedarf dafür hätten (etwa BezieherInnen von Pensionen bei geminderter Arbeitsfähigkeit und solche, die freiwillige Versicherungszeiten zB im Zuge der Pflege betreuungsbedürftiger Angehöriger gesammelt haben), was an der Sachlichkeit dieser Regelung zweifeln lasse.

In der Diskussion zum Vortrag wurde ua angemerkt, dass die Ausgleichszulage eine Sozialhilfe im Kleid des Pensionsrechts sei, bei der aber keine Vermögensanrechnung vorgesehen ist, und die Frage aufgeworfen, inwieweit gegen diese Auswirkungen in der Rechtsfolge bei bloß marginalen Unterschieden in den Sachverhaltsanforderungen gleichheitsrechtliche Bedenken bestünden. Pfeil führte diesbezüglich aus, dass als Gesetzgeber der Ausgleichszulage (Angelegenheit des Sozialversicherungsrechts) der Bund tätig werde, während die Ausführungsgesetzgebung der Sozialhilfe in die Landeszuständigkeit falle. Regelungen, die von unterschiedlichen Gesetzgebern normiert wurden, könnten aber nicht am Gleichheitssatz gemessen werden, weshalb dagegen insgesamt keine verfassungsrechtlichen Bedenken anzumelden seien.

Univ.-Ass.in MMag.a Dr.inDiana Niksova (Universität Salzburg) referierte im abschließenden Vortrag der Tagung über die Entsendung im Sozialversicherungsrecht. Zum Einstieg in dieses hochkomplexe Thema stellte sie die zT widerstreitende Interessen von Herkunftsstaat, Empfangsstaat, AG sowie AN dar, bevor sie näher auf das in Art 11 Abs 3 lit a VO 883/2004/EG geregelte lex loci laboris-(Grund-)Prinzip und dessen Durchbrechung bei Entsendungen nach Art 12 leg cit einging. Besonders hervorgehoben wurde dabei das in Art 12 normierte „Ablöseverbot“, das auch den Hauptgegenstand der Rs Alpenrind vor dem EuGH (C-527/16) bildete. Als problematisch sei dabei die weite Auslegung dieses Verbots durch den EuGH anzusehen, der es unabhängig vom entsendenden Unternehmen (und auch unabhängig von der 24-monatigen Frist) auf den Arbeitsplatz bezogen verstanden wissen will. Dies stehe nicht nur in einem Spannungsverhältnis mit der Dienstleistungsfreiheit, sondern werfe neben der Tatsache, dass die dadurch bewirkte Erfassung nichtmissbräuchlicher Sachverhalte nicht dem Zweck des Ablöseverbotes entspreche, auch faktische Probleme auf. Schließlich stelle sich in diesem Fall die Frage, wem die Informationspflicht, ob ein Arbeitsplatz bereits durch einen entsandten AN besetzt war, obliegt. Zudem thematisierte Niksova ua die Problematik rund um die umfassende Bindungswirkung der A1-Bescheinigung, die lediglich in Betrugsfällen durchbrochen wird. Den Sozialversicherungsträgern stehe so bei Vorliegen von Zweifeln an der Richtigkeit einer solchen Bescheinigung kein wirksames Mittel der Durchsetzung zur Verfügung, denn die zurzeit eingesetzten Mechanismen (zB Dialogverfahren; Anrufung der Europäischen Arbeitsbehörde [European Labour Authority, ELA]; Vertragsverletzungsverfahren) funktionierten entweder schlecht, lieferten keine bindenden Entscheidungen oder dauerten schlichtweg zu lange.

In der nachfolgenden Diskussion wurde ebenfalls bemerkt, dass das angesprochene Ablöseverbot in seiner derzeitigen Form praktisch nicht feststellbar bzw administrierbar sei. So sei zB nicht klar, wie weit der Begriff der gleichen Tätigkeit gehe – so könne 467 etwa eine „Bautätigkeit“ in vielerlei kleinere Einheiten unterteilt werden. Nichtsdestotrotz stelle nach einer weiteren Wortmeldung das Ablöseverbot aber dennoch ein Signal dar, dass eine dauerhafte Besetzung von Arbeitsplätzen durch Entsendete nicht möglich sein soll. Darüber hinaus wurde die mögliche Vereinheitlichung von Sanktionen bei fehlender A1-Bescheinigung diskutiert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass eine Pflicht, die A1-Bescheinigung mitzuführen, nicht aus der VO 883/2004/EG resultiere, sondern ein Produkt nationaler Rechtsordnungen sei. Insofern sei auch von einer Regelung von Sanktionen in der VO selbst abzusehen.

Am späteren Nachmittag des 30.9.2020 hatten auch in diesem Jahr wiederum aufstrebende Nachwuchswissenschaftler die Möglichkeit, im Rahmen des Nachwuchsforums ihre Forschungsarbeiten vor einem breiten Fachpublikum zu präsentieren. Die diesjährigen Vorträge bestritten Mag. Dr. Thomas Dullinger (Universität der Bundeswehr Hamburg; „Die zeitliche Dimension der Kollision zwischen Religion und Arbeitsverpflichtung“), Mag. Dr. Kevin Fredy Hinterberger (Arbeiterkammer Wien; „Undokumentiert beschäftigte MigrantInnen und die Durchsetzung ihrer arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche. Die Erteilung eines Aufenthaltsrechts zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping“) sowie Univ.-Ass. Mag. Thomas Mathy (Universität Linz; „Grundrechtliche Impulse für das Betriebsverfassungsrecht“).

Das umfassende Corona-Präventionskonzept der Veranstaltung ermöglichte allen TeilnehmerInnen am Nachmittag des 30.9. sowie am 1.10.2020 die Vornahme eines Schnelltests mittels Nasen- oder Rachenabstriches. Alle Anwesenden waren ebenfalls dazu angehalten, abseits ihrer fest zugeordneten Sitzplätze Masken zu tragen sowie Getränke und Speisen nur im Sitzen mit angemessenem Abstand zu konsumieren.

Präsident Mosler dankte in seinen Schlussworten allen Vortragenden, DiskutantInnen, TeilnehmerInnen und – in diesem Jahr ganz besonders – allen an der Tagungsorganisation Beteiligten. Die nächste Tagung wird – wenn es die Covid-Situation erlaubt – von 7. bis 9. April 2021 stattfinden. 468