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Wechsel vom Lehr- ins Angestelltenverhältnis: Neuer Entgeltfortzahlungsanspruch richtet sich nach Beginn des Angestelltenverhältnisses

MANFREDTINHOF

Der Kl war vom 1.9.1999 bis 30.6.2002 bei der Bekl als Lehrling und ab 1.7.2002 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er befand sich vom 1.7. bis 29.8.2018 und vom 24.9. bis zum 31.10.2018 im Krankenstand.

Im Verfahren ist strittig, ob das für die Entstehung eines jährlich neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs gem § 8 AngG maßgebliche Arbeitsjahr des Kl mit 1.9., dem ersten Tag des Lehrverhältnisses, oder mit 1.7., dem ersten Tag des Angestelltenverhältnisses, begonnen hat. Der Kl vertritt die Auffassung, die beim selben AG absolvierte Lehrzeit sei in den Anwartschaftszeitraum nach § 8 Abs 1 AngG einzurechnen, sodass folgerichtig der Beginn des Lehrverhältnisses auch weiterhin den Beginn des Arbeitsjahrs markiere. Er habe daher ab 1.9.2018 einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des Klagsbetrags erworben. Die Bekl wandte ein, für die Ermittlung des Arbeitsjahrs nach § 8 Abs 2 AngG sei der Beginn des Angestelltendienstverhältnisses maßgeblich. Die Parteien sind sich darin einig, dass die Lehrzeit des Kl auf die anspruchserhöhende Wartezeit nach § 8 Abs 1 AngG anzurechnen sei, nicht jedoch über den Stichtag für den Beginn des Arbeitsjahres, an 407 dem der neuerliche Entgeltfortzahlungsanspruch zu laufen beginnt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Kl keine Folge. Der OGH hielt die Revision des Kl zwar für zulässig, aber nicht für berechtigt.

Die Revision begründet ihren Standpunkt damit, dass das Arbeitsjahr für die Berechnung des Urlaubsanspruchs eines Angestellten mit dem Eintrittsdatum in ein im selben Betrieb absolviertes Lehrverhältnis beginne und für die Entgeltfortzahlung nichts Anderes gelten könne. Dieser begehrten Gleichstellung des Urlaubsjahres mit dem für die Entgeltfortzahlung maßgeblichen Arbeitsjahr stehen aber die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen der beiden Ansprüche entgegen.

Nach § 1 Abs 1 UrlG erstreckt sich der Anwendungsbereich dieses Gesetzes auf AN aller Art, deren Arbeitsverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht. Zu diesem Kreis gehören nach einhelliger Lehre und Rsp auch die in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsausbildungsgesetz (BAG) stehenden Lehrlinge. Nach § 2 Abs 3 UrlG sind alle bei demselben AG in unmittelbar vorangegangenen Arbeits- und Lehrverhältnissen zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen, sodass im Fall der Übernahme eines Lehrlings als Arbeiter oder Angestellter für das Entstehen des Urlaubsanspruchs weder eine Anwartschaftszeit nach § 2 Abs 2 UrlG neu erfüllt werden muss noch ein neues Arbeitsjahr beginnt.

Im Gegensatz dazu enthält § 8 Abs 2 AngG nicht nur keine vergleichbare Zusammenrechnungsbestimmung, vielmehr sind Lehrlinge nach dessen § 5 vom Geltungsbereich des AngG generell ausgenommen. Der Gesetzgeber hat die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte jeweils gesondert und abschließend geregelt. An dieser Trennung hat sich auch mit der Novelle des AngG, BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153, mit der eine grundsätzliche Angleichung der Entgeltfortzahlungsbestimmungen des Angestellten an jene des Arbeiters und eine Ausweitung des Entgeltfortzahlungszeitraums für Lehrlinge vorgenommen wurde, nichts geändert. Der auf § 8 AngG gegründete Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat zwar den gleichen Regelungsgegenstand wie der Fortzahlungsanspruch nach § 17a BAG, ist mit diesem aber nicht ident.

Der Anspruch nach § 8 AngG entsteht nach Antritt des Dienstverhältnisses. Beim Übertritt vom Lehrverhältnis in das Angestelltenverhältnis beginnt er neu und unabhängig davon, ob der nach § 17a BAG zur Verfügung stehende Entgelfortzahlungszeitraum im vorangegangenen Lehrverhältnis bereits ausgeschöpft war. Weicht der Übertrittsstichtag vom Stichtag des Beginns des Lehrverhältnisses ab, resultiert für den früheren Lehrling und nunmehrigen Angestellten daraus der Vorteil, dass innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums zweimal ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Anrechnung der beim selben AG absolvierten Lehrzeit als Vordienstzeit nichts daran ändert, dass das nächste Arbeitsjahr iSd § 8 AngG jeweils mit dem Jahrestag des Eintritts in das Angestelltendienstverhältnis beginnt.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Mit der in der Literatur kontrovers diskutierten Frage, ob Vordienstzeiten eines Lehrverhältnisses nicht nur auf Anspruchszeiträume nach dem EFZG, sondern auch auf solche nach § 8 AngG anzurechnen sind, musste sich der OGH hier nicht auseinandersetzen, weil die Bekl die für die Dauer der Entgeltfortzahlung maßgebliche Gesamtdienstzeit nicht bestritten hat.