TomandlArbeitslosenversicherung – Leitfaden

Manz Verlag, Wien 2019, XI, 174 Seiten, broschiert, € 42,–

WALTER J.PFEIL (SALZBURG)

Das Arbeitslosenversicherungsrecht war lange Zeit eine Domäne der Praxis. Mittlerweile ist es zwar durch mehrere große Kommentierungen wissenschaftlich besser erschlossen, einschlägige Aufsätze und erst recht Monografien (wie jene von Pfalz, Selbständige in der Arbeitslosenversicherung [2018]) sind nach wie vor selten. Wer sich über diesen Bereich des Sozialsystems rechtlich informieren will, hat somit im Grunde nur die Wahl zwischen umfangreichen und der (gerade im AlVG nicht immer stringenten) Gesetzessystematik folgenden Kommentaren oder den doch recht kurzen Darstellungen in Lehrbüchern (zuletzt etwa Resch, Sozialrecht8 [2020] 152 ff). Einen systematischen Überblick, der für Nicht-ExpertInnen verständlich, aber dennoch juristisch fundiert ist, gab es bisher nicht. Diese Lücke versucht der vorliegende Leitfaden zu schließen.

Dass dieses Vorhaben gelungen ist, kann nicht überraschen, handelt es sich doch beim Autor um den Doyen, ja den eigentlichen Begründer der österreichischen Sozialrechtswissenschaft: Theodor Tomandl ist, obwohl schon weit in seinen 80ern stehend, mit nahezu ungebremster Schaffenskraft tätig und lässt sich dabei auch auf Materien ein, denen er sich in seiner langen Karriere zuvor weniger gewidmet hat. Auch seine insofern erste systematische Auseinandersetzung mit der AlV ist aber ein „klassischer Tomandl“ geworden. Klare Sprache, übersichtliche Gliederung, Einbettung bzw Verortung der jeweiligen Sachthemen im Rahmen eines größeren Systems sowie Herausarbeitung von Grundsätzen und Strukturfragen, die bei bloßer Gesetzeslektüre meist nicht erkennbar sind.

Dazu kommt eine stimmige Systematik, die zunächst zwischen Versicherungsverhältnis und Leistungsrecht differenziert und mit „allgemeinen“, vor allem die konkrete Vollziehung betreffenden Fragen abgerundet wird. All diese Themen werden in schlüssiger Weise und unter Wahrung der jeweiligen Sachzusammenhänge dargestellt. Die übersichtliche Gliederung in Randziffern und ein durchdachtes Sachregister erleichtern auch einen „Quereinstieg“. Im Anhang ist dann der Gesetzestext abgedruckt, der sich auf dem Stand 1.1.2020 befindet.

Damit ist auch ein Problem angesprochen, mit dem ein rechtlicher Leitfaden in einer so dynamischen Materie wie der AlV fast zwangsläufig konfrontiert ist. Auch wenn deren Behandlung bewusst nicht auf jedes Detail eingeht, droht ihr doch die Gefahr, durch die Rechtsentwicklung überholt zu werden, womit der angestrebte Nutzen des Bandes zunehmend relativiert werden könnte.

Der Verzicht auf Details birgt ebenfalls ein gewisses Risiko und führt zumindest zu Missverständnissen, wenn etwa ausgeführt wird, dass Arbeitslose Voll- ebenso wie Teilzeitbeschäftigungen zu akzeptieren hätten (Rz 97), ohne auf den besonderen Entgeltschutz in § 9 Abs 3 oder das Mindestmaß an Verfügbarkeit nach § 7 Abs 7 AlVG hinzuweisen. Schlicht unzutreffend ist die These, der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende würde den Mindestanspruch auf Arbeitslosengeld darstellen (Rz 142; vgl dagegen die „Deckelung“ in § 21 Abs 5 AlVG).

Auch über die Auswahl bzw die Gewichtung mancher Themen könnte diskutiert werden. So scheint die Erwähnung der Öffnung der AlV für Selbständige bereits im ersten Satz des Textes (Rz 3) angesichts von weniger als 1.200 Personen, die (Stand: Frühjahr 2020) von diesem opting-in Gebrauch gemacht haben, wohl etwas zu prominent. Dagegen wäre ein ausdrücklicher Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit an das BVwG und die dafür maßgebenden Regeln und Fristen gerade für einen Leitfaden nützlich gewesen.

Diese punktuelle Kritik kann freilich den Wert des vorliegenden Bandes nicht schmälern. Das Anliegen, damit Studierenden, Versicherten und ihren DG sowie den Personen, die diese beraten, den Rechtsstoff in einer möglichst präzisen und dennoch verständlichen Weise nahezubringen (vgl Rz 1), ist durchwegs gelungen. Dem interessierten Publikum ist eine baldige Neuauflage zu wünschen und dem Autor das Interesse dafür sowie vor allem weiterhin viel Energie und Gesundheit! 176