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Ermittlung des Mindestentgelts im LSD-BG verfassungskonform

SEBASTIANSCHMID (SALZBURG)
  1. Der Gesetzgeber hat mit der Verwaltungsstrafbestimmung in § 29 LSD-BG in klarer, dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG entsprechender Weise festgelegt, dass den beschäftigten AN das nach arbeitsrechtlichen Bestimmungen gebührende Entgelt zu leisten ist.

  2. Gesetze, Verordnungen und Kollektivverträge sind entsprechend den gesetzlichen Vorschriften kundzumachen; damit ist dem rechtsstaatlichen Publizitätserfordernis entsprochen.

  3. § 29 LSD-BG richtet sich an eine bestimmte Personengruppe, nämlich Unternehmer, denen es (gegebenenfalls unter Heranziehung von Expertinnen und Experten) zumutbar ist, das im Einzelfall zu leistende Mindestentgelt zu ermitteln.

I. Antrag

Mit dem [...] auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit a Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Steiermark, § 29 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (im Folgenden: LSD-BG), BGBl I 44/2016BGBl I 44/2016, seinem gesamten Umfang nach als verfassungswidrig aufzuheben.

[...]

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich beauftragte (mittels Subunternehmervertrag, vergeben von einem niederländischen Unternehmen) ein niederländisches Unternehmen mit Montagearbeiten an einer Baustelle in Österreich. Anlässlich einer Kontrolle der Finanzpolizei am 26.6.2017 wurden auf der Baustelle in Österreich Mitarbeiter des niederländischen Unternehmens arbeitend angetroffen. Die AN waren zur Erbringung von Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg- Fürstenfeld vom 14.3.2019 wurden über den gem § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Beauftragten (nach Aufforderungen zur Nachzahlung des offenen Entgeltanspruches) Geldstrafen wegen Übertretung des § 29 Abs 1 LSD-BG verhängt, weil drei AN beschäftigt worden waren, ohne dass ihnen das gebührende Entgelt geleistet wurde. Die Gesamtstrafe beträgt € 3.000,– zzgl Verfahrenskosten von € 300,–; für den Fall der Uneinbringlichkeit wurden Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag und neun Stunden verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der gem § 9 VStG für das niederländische Unternehmen Verantwortliche Beschwerde an das LVwG Steiermark.

2. Das LVwG Steiermark legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim VfGH bestimmt haben, wie folgt dar:

[...]

Das LVwG Steiermark hegt gegen die gesetzliche Regelung des § 29 LSD-BG, dessen Aufhebung es beantragt, Bedenken im Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren gem Art 6 EMRK und Art 47 GRC, die Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips und dem sich daraus ableitenden Bestimmtheitsgrundsatz sowie auf das in Art 7 EMRK statuierte, strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip nullum crimen, nulla poena sine lege.

[...]

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

[...]

1.5. [...] Das LVwG Steiermark hegt gegen § 29 LSD-BG Bedenken im Hinblick auf Art 6 EMRK und auf Art 49 GRC, die sich ausschließlich darauf gründen, dass die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung gem § 29 Abs 1 LSD-BG letztlich zu einer unverhältnismäßigen (Ersatz-)Freiheitsstrafe führen kann: Die angefochtene Bestimmung sieht nur die Verhängung einer Geldstrafe und nicht auch einer Ersatzfreiheitsstrafe vor. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe käme vorliegend daher nur auf Grund von § 16 VStG in Betracht, den das LVwG Steiermark jedoch nicht mitangefochten hat. Auf die Bedenken im Hinblick auf die (Ersatz-)Freiheitsstrafe ist daher nicht einzugehen (vgl VfGH 4.10.2018, G 62/2018; 26.11.2018, G 219/2018; 25.2.2019, G 325/2018, sowie vom selben Tag, G 326/2018).

1.6. Soweit die Verfassungswidrigkeit des § 29 LSDBG im Lichte des Art 18 B-VG behauptet wird, ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache

[...]

2.5. Der VfGH hat beginnend mit dem Erk VfSlg 3130/1956 aus dem rechtsstaatlichen Gedanken der Publizität des Gesetzesinhaltes die Schlussfolgerung gezogen, dass der Gesetzgeber der betroffenen Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muss, weil andernfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten (VfSlg 18.886/2009). Nach der stRsp des VfGH sind zur Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen: Nur wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Regelung die in Art 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 5993/1969, 7163/1973, 7521/1975, 8209/1977, 8395/1978, 11.499/1987, 14.466/1996, 14.631/1996, 15.493/1999, 16.137/2001).

Nach Auffassung des VfGH hat der Gesetzgeber mit der Verwaltungsstrafbestimmung in § 29 LSD-BG in klarer, dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG entsprechender Weise festgelegt, dass den beschäftigten AN das nach arbeitsrechtlichen Bestimmungen gebührende Entgelt zu leisten ist. Gem § 3 LSD-BG haben AN Anspruch auf das nach Gesetz, Verordnung oder KollV zustehende Entgelt. Das gilt auch für nach Österreich zur Arbeitsleistung 135 entsandte AN, sie haben Anspruch auf jenes gesetzlich, durch Verordnung oder kollektivvertraglich festgelegte Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren AN gebührt. Zur Ermittlung des im Einzelfall zu leistenden Entgeltes sind daher die einschlägigen Gesetze, Verordnungen oder Kollektivverträge heranzuziehen. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, sind Gesetze, Verordnungen und Kollektivverträge entsprechend den gesetzlichen Vorschriften kundzumachen (vgl ua § 7 Bundesgesetzblattgesetz, § 14 Arbeitsverfassungsgesetz); die Kollektivverträge sind zudem von den Kollektivvertragsparteien in elektronischer Form zugänglich zu machen. Im Zusammenhang mit Bautätigkeiten wird die Informations- und Auskunftstätigkeit von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zusätzlich wahrgenommen (§ 7 LSD-BG). Dem Publizitätserfordernis ist damit entsprochen.

2.6. Das LVwG Steiermark geht weiters von der praktischen Unmöglichkeit der exakten Berechnung des zu leistenden Mindestentgeltes aus und verweist in diesem Zusammenhang auf VfSlg 12.420/1990 („Denksporterkenntnis“).

In diesem Erk hat der VfGH an eine Verordnung die Anforderung gestellt, dass sie ein Mindestmaß an Verständlichkeit aufzuweisen hat (VfSlg 19.530/2011). Nach der Rsp des VfGH verstößt der Gesetzgeber auch im Bereich von Strafnormen nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG, wenn er an das allgemeine Erfahrungswissen und die Verhaltensregeln eines Berufsstandes anknüpft. Damit sind auch jene Rechtsvorschriften vergleichbar, auf Grund derer Personen, die einer Materie besonders nahe stehen, in einem bestimmten Sachgebiet somit als Fachleute zu gelten haben, in eben diesem Sachgebiet zu einem ordnungsgemäßen Verhalten, zur Sorgfalt, zum Ergreifen „geeigneter“ Maßnahmen, zur Verhinderung von Missbräuchen und dergleichen angehalten werden und die entgegenstehendes Verhalten unter Strafsanktion stellen.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hat der Gerichtshof keine Bedenken gegen § 29 LSD-BG. Die angefochtene Bestimmung richtet sich an eine bestimmte Personengruppe, nämlich Unternehmer, denen es (gegebenenfalls unter Heranziehung von Expertinnen und Experten) zumutbar ist, das im Einzelfall zu leistende Mindestentgelt zu ermitteln (vgl VfSlg 18.101/2007). Die Inhalte der Gesetze, Verordnungen und Kollektivverträge sind (kostenlos) öffentlich zugänglich und können von Unternehmern abgerufen werden. Soweit das antragstellende Gericht unterstellt, dass der rechtsanwendenden Behörde bzw dem Gericht möglicherweise selbst die Kenntnisse fehlten, um die Erfüllung des Straftatbestandes beurteilen zu können, deutet dies nicht auf die Unbestimmtheit der Norm hin (vgl VfSlg 16.993/2003). Unter Heranziehung der einschlägigen Bestimmungen – insb der Kollektivverträge – ist sohin ermittelbar, welches Entgelt im Einzelfall an die beschäftigten AN zu leisten ist. Die Bedenken treffen daher nicht zu.

2.7. Auch dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes, § 29 LSD-BG verweise dynamisch auf „Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag“, vermag der VfGH nicht zu folgen:

Der Gesetzgeber knüpft in § 29 Abs 1 LSD-BG hinsichtlich der Ermittlung des im Einzelfall zu leistenden Mindestentgeltes an das nach Gesetz, Verordnung oder KollV gebührende Entgelt an und macht dieses damit zum Tatbestandsmerkmal seiner Regelung. Dabei handelt es sich jedoch – wie auch die Bundesregierung ausführt – um keine Verweisung iSd Judikatur des VfGH.

Wie der VfGH in VfSlg 12.384/1990 ausgesprochen hat, ist es keinem Gesetzgeber verfassungsrechtlich verwehrt, an die von einer anderen Rechtssetzungsautorität geschaffene Rechtslage anknüpfend, diese Rechtslage oder die darauf gestützten Vollzugsakte zum Tatbestandselement seiner eigenen Entscheidung zu machen. Entscheidend ist dabei, dass die fremde Norm nicht vollzogen, sondern lediglich ihre inhaltliche Beurteilung dem Vollzug der eigenen Norm zugrunde gelegt wird (VfSlg 18.101/2007).

2.8. Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen.

ANMERKUNG
1.
Gerichtsantrag

Das LVwG Steiermark stützte sein Aufhebungsbegehren „auf das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK und Art 47 GRC, die Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips und de[s] sich daraus ableitenden Bestimmtheitsgrundsatzes sowie auf das in Art 7 EMRK statuierte, strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip nullum crimen, nulla poena sine lege“.

Der Antrag, der im Erk des VfGH teilweise wörtlich, teilweise zusammengefasst wiedergegeben wird, ist in einigen Punkten unzureichend, in anderen zu oberflächlich begründet. So ist das Vorbringen, dass die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung gem § 29 Abs 1 LSD-BG zu einer unverhältnismäßigen (Ersatz-)Freiheitsstrafe führen kann, deshalb unschlüssig, weil die angefochtene Bestimmung nur die Verhängung einer Geldstrafe und nicht auch einer Ersatzfreiheitsstrafe vorsieht. Wie der VfGH zutreffend ausführt, käme die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe vorliegend nur auf Grund von § 16 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) in Betracht, den das LVwG Steiermark jedoch nicht mitangefochten hat.

Die Ausführungen zu den Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Mindestentgelts verweisen eher pauschal auf das so genannte „Denksport-Erkenntnis“ des VfGH (1990/VfSlg 12.420). In dieser E hob der Gerichtshof ua eine Bestimmung der Notstandshilfeverordnung wegen Fehlens eines unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erforderlichen Mindestmaßes an Verständlichkeit auf. Worin im vorliegenden Fall konkret die Komplexität der Auslegung liege, wurde vom LVwG Steiermark nicht im Detail dargelegt. Der Hinweis, dass Richterinnen und Richter des LVwG Steiermark in Zukunft Sachverständige mit der Ermittlung des Mindestentgelts beauftragen würden, hilft für eine juristische Argumentation nicht weiter. Der vorliegende 136 Gerichtsantrag und die getroffene Entscheidung fügen sich somit in eine bekannte Funktionslogik des VfGH und anderer Gerichte ein: Je fundierter und konziser ein Begehren an den VfGH herangetragen wird, desto höher sind die Erfolgsaussichten. Oder umgekehrt: Je eher der VfGH die Gründe für eine Stattgabe selbst entwickeln muss, desto unwahrscheinlicher wird diese.

2.
Entscheidung des VfGH

Wegen des bereits angesprochenen zu engen Anfechtungsumfangs des Gerichtsantrags im Hinblick auf das Vorbringen zu Art 6 EMRK und Art 49 GRC ging der VfGH darauf im inhaltlichen Teil seiner Erwägungen nicht ein. Übrig blieben die im Lichte des Art 18 B-VG geäußerten Bedenken gegen § 29 LSD-BG.

Der VfGH hatte hier drei Fragen zu beantworten:

  • Sind die Vorschriften zur Ermittlung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentgelts ausreichend kundgemacht?

  • Ist die Ermittlung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentgelts mit zumutbarem Aufwand möglich?

  • Ist das Anknüpfen an Gesetz, Verordnung und KollV in § 29 LSD-BG rechtmäßig?

Alle drei Fragen wurden vom VfGH bejaht und die vom LVwG Steiermark geäußerten Bedenken somit nicht geteilt. Es mag zutreffen, dass die Berechnung des zu leistenden Mindestentgelts in der Praxis gewisse Mühen mit sich bringt. Zutreffend weist der VfGH allerdings darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Publizität der zur Berechnung relevanten Rechtsvorschriften garantiert und aus rechtsstaatlicher Sicht für Unternehmer der Rückgriff auf Expertenwissen zur Ermittlung des Mindestgehalts zumutbar ist. Bei der Beantwortung der dritten Frage, dem Anknüpfen an Vorschriften anderer Rechtsetzungsorgane in § 29 LSD-BG, kann sich der VfGH auf eigene Rsp zur Unterscheidung von Anknüpfung und Verweisung stützen (VfGH 1990/VfSlg 12.384). Bei der Anknüpfung würden (fremde) Vorschriften zum Tatbestandselement der anknüpfenden Regelung gemacht. Entscheidend sei dabei, dass die fremde Norm nicht vollzogen, sondern lediglich ihre inhaltliche Beurteilung dem Vollzug der eigenen Norm zugrunde gelegt werde. Dagegen könne bei der dynamischen Verweisung „die fremde Rechtsetzungsautorität allein den Inhalt der verweisenden Rechtsordnung verändern“ (VfGH 2003/VfSlg 16.999), es komme zu einer Delegation der Befugnis (VfGH 2012/ VfSlg 19.645). Im Ergebnis, dass das Anknüpfen an „Gesetz, Verordnung und Kollektivvertrag“ in § 29 LSD-BG aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig ist, ist dem VfGH zuzustimmen. Der Bundesgesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz ja nicht abgegeben, jederzeit kann er entsprechende eigene Regelungen zur Festlegung des Mindestentgelts treffen. Was vielmehr verwirrt, sind die Begriffsverwendung und die Kategorienbildung des VfGH, die in der Literatur mit nachvollziehbaren Argumenten kritisiert wurden. Worin sich konkret Anknüpfung und Verweisung unterscheiden, bleibt nämlich im Dunkeln (vgl Bezemek, JRP 2014, 26 ff; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 [2019] Rz 86).

3.
Anmerkungen zu § 29 LSD-BG

Nach dem Gesagten verdienen weniger die Ausführungen des VfGH im vorliegenden Erk Aufmerksamkeit als vielmehr § 29 LSD-BG selbst. Diese Vorschrift erklärt die rechtswidrige Unterentlohnung eines AN zur Verwaltungsübertretung. An dieser und vergleichbaren Bestimmungen ist bemerkenswert, dass zivilrechtliche Verpflichtungen öffentlich-rechtlich „gedoppelt“ werden. Die Bezahlung des zwischen AG und AN vereinbarten oder kollektivvertraglich vorgesehenen Lohns ist eine zivilrechtliche Verpflichtung des AG. Hält er sie nicht ein, dann kann der AN eine Klage auf Bezahlung des gebührenden Entgelts beim Arbeitsund Sozialgericht einbringen (§ 50 ASGG). Die Festlegung des Entgelts betrifft aber auch öffentliche Interessen, jedenfalls insofern es um dessen Untergrenze geht. Nach den Erläuterungen zur Vorgängerbestimmung des § 29 LDG-BG (IA 437/A BlgNR 19. GP 9 zu § 7a AVRAG) soll durch Festlegung eines Mindestentgelts der „Gefahr der Unterwanderung von österreichischen Arbeitsbedingungen“ durch ausländische Unternehmen begegnet werden. Kommen AG dieser Verpflichtung nicht nach, begehen sie eine Verwaltungsübertretung, die von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ahnden ist. Ein vergleichbares Beispiel bietet § 130 ASchG. Der Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit der AN dazu entschlossen, öffentlich-rechtliche AN-Schutzvorschriften zu erlassen und deren Missachtung zur Verwaltungsübertretung zu erklären. Die zivilrechtliche Seite ist hier die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht des AG (vgl etwa VwGH 2011/VwSlg 18.032 A mwV).

Welche Gründe den Gesetzgeber in den geschilderten Fällen bewogen haben, das zivilrechtliche Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich zu doppeln, liegt auf der Hand: Verwaltungsübertretungen sind von Amts wegen zu verfolgen (§ 25 Abs 1 VStG), sodass ein allfälliges asymmetrisches Kräfteverhältnis zwischen AG und AN für die Einhaltung von Bestimmungen über das Mindestentgelt oder den AN-Schutz keine Rolle spielt. Außerdem sind Verwaltungsverfahren kostengünstig und im konkreten Zusammenhang weniger aufwändig als ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Die Folge ist eine Steigerung der Effektivität und eine effiziente Anwendung der im öffentlichen Interesse gelegenen Gehalts- und Schutzvorschriften für AN.

Dass derartige Konstruktionen verfassungsrechtlich unproblematisch sind, geht aus dem vorliegenden Erk des VfGH unzweifelhaft hervor.

Allerdings zeigt sich, dass die Doppelung der Verpflichtung des AG in Form einer zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorgabe auch Nachteile hat: Das notwendige arbeitsrechtliche Expertenwissen muss nicht nur im Bereich der Arbeitsgerichte vorhanden sein, sondern auch bei den Verwaltungsbehörden, den Verwaltungsgerichten und in letzter Instanz beim VwGH. Aus dieser Perspektive erweisen sich die besprochenen Konstruktionen 137 zwar immer noch als effektivitätssteigernd, wie effizient sie sind, ist allerdings fraglich. Dabei könnte diese Schwachstelle ohne weiteres behoben werden. Gem Art 94 Abs 2 B-VG kann durch Bundes- oder Landesgesetz in einzelnen Angelegenheiten anstelle der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorgesehen werden. Würde sich der Bundesgesetzgeber für die Einrichtung eines solchen Rechtszugs entscheiden, dann würden weiterhin Bezirksverwaltungsbehörden bescheidmäßig die Verwaltungsstrafen verhängen, Rechtsschutz könnte dann allerdings vor den Arbeits- und Sozialgerichten erlangt werden. Effektivität und Effizienz wären hergestellt.