Freiwillig ohne Schutz? – Zur arbeitsrechtlichen Qualifikation der Freiwilligenarbeit in Österreich*

MARTINGRUBER-RISAK (WIEN)
Fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung ist freiwillig ehrenamtlich tätig und trägt so wesentlich zum Funktionieren des Gemeinwesens bei. Auch wenn ein gewisser Konsens besteht, dass dabei das Arbeitsrecht nicht zur Anwendung kommen soll, so liegt die Begründung nicht unbedingt auf der Hand. Dieser Beitrag untersucht verschiedene Lösungswege und bezieht dabei die EU-rechtliche Dimension mit ein.
  1. Der europarechtliche Ausgangspunkt

  2. Das Freiwilligengesetz

    1. Allgemeines

    2. Sonderformen freiwilligen Engagements

  3. Wann liegt bei Freiwilligenarbeit ein Arbeitsvertrag vor?

    1. Zur Relevanz der Unentgeltlichkeit

    2. Persönliche Abhängigkeit als Abgrenzungskriterium

    3. Drei potenzielle Wege hinaus aus dem Arbeitsrecht

      1. Fehlende Leistungspflicht

      2. Motiv für die Freiwilligentätigkeit bzw Parteienabsicht

      3. Mitgliedschaft als Rechtsgrundlage für die Freiwilligentätigkeit

  4. Ist die österreichische Lösung europarechtskonform?

1.
Der europarechtliche Ausgangspunkt

Die E des EuGH in der Rs Matzak* hat in österreichischen arbeitsrechtlichen Kreisen vor allem deshalb Beachtung gefunden, da sie eine Rufbereitschaft, während der sich die betreffende Person zwar zu Hause aufhalten konnte, sie aber im Fall eines Rufes innerhalb von acht Minuten in der Feuerwehrkaserne sein musste, als Arbeitszeit einordnete.* Weniger Aufmerksamkeit wurde hingegen der dort als Vorfrage zu behandelnden, aber eigentlich viel grundlegenderen Problematik geschenkt, dass es sich bei Herrn Matzak um einen belgischen freiwilligen Feuerwehrmann (einen sapeur-pompier volontaire) handelte. Es war damit fraglich, ob dieser als „Freiwilliger“ überhaupt als AN zu qualifizieren ist und somit dem persönlichen Anwendungsbereich der Arbeitszeit-RL 2003/88/ EG unterliegt. Die Rsp des EuGH definiert den AN-Begriff seit der Grundsatz-Entscheidung in der Rs Lawrie-Blum* bekanntlich dergestalt, dass sich dabei um eine Person handelt, die während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Im konkreten Fall hielt der EuGH fest, dass „eine Person, die sich in der Lage von Herrn Matzak befindet, als „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 einzuordnen [ist], da aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Informationen hervorgeht, dass Herr Matzak in den Feuerwehrdienst der Stadt Nivelles aufgenommen wurde und für diesen bestimmte tatsächliche und echte Tätigkeiten, die vergütet wurden, auf Weisung einer anderen Person ausgeübt hat. Ob dies zutrifft, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.“*

Im Schlussantrag der GA Sharpston* wurde in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit der Frage der „Vergütung“ hingewiesen, die vom EuGH – anders als nach österreichischem Verständnis – 375 als wesentlich für einen Arbeitsvertrag angesehen wird. Weiters wurde festgestellt, dass – soll ein Feuerwehrdienst effektiv funktionieren – alle Mitglieder der Feuerwehrbesatzung (unabhängig davon, ob sie Berufs-, Reserve- oder freiwillige Feuerwehrleute sind*) eindeutig nach Weisungen arbeiten und erteilte Anweisungen befolgen müssen. Die Weisungsunterworfenheit wurde somit als gegeben angesehen, eine Ausnahme von der Arbeitszeit-RL könnte daher wesentlich auf die fehlende Entgeltlichkeit gegründet werden; für eine diesbezügliche eindeutige Einschätzung lägen aber, so die Generalanwältin, zu wenig Informationen vor.

Vor diesem europarechtlichen Hintergrund erscheint es nun interessant, wie Freiwilligentätigkeiten in Österreich arbeitsrechtlich zu qualifizieren sind und ob diese Einordnung europarechtlichen Vorgaben entspricht. Dieses Thema ist durchaus relevant, wie der letzte, Ende 2019 erschienene Freiwilligenbericht* zeigt. Demnach nahmen 2016 46 % der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren an formellen oder informellen Freiwilligentätigkeiten teil, das sind in absoluten Zahlen 3,4 Millionen freiwillig Tätige. Etwa drei von zehn Personen sind ehrenamtlich in Institutionen tätig (31 %) oder engagieren sich informell in der sogenannten Nachbarschaftshilfe (30 %). 15 % der Bevölkerung sind in beiden Bereichen aktiv. Diese Zahlen sind durchaus stabil und haben sich im Vergleich zum vorangehenden 2. Freiwilligenbericht 2015,* der mit Zahlen aus 2012 operiert, kaum verändert.

Festzustellen ist, dass die Thematik der arbeits- und sozialrechtlichen Einordnung der Freiwilligenarbeit in der Literatur in einem gewissen Maße aufgearbeitet ist, wobei die Äußerungen aber schon länger zurückliegen.* Zwei seitdem neue Aspekte – neben der eingangs erwähnten E des EuGH in der Rs Matzak – rechtfertigen jedoch eine neuerliche Beschäftigung mit dem Thema: Dies ist einerseits die Erlassung des Freiwilligengesetzes 2012 sowie das aktuelle Regierungsprogramm, das im Kapitel „Gemeinnützigkeit, ehrenamtliches Engagement, Freiwilligentätigkeit und Zivilgesellschaft“ die „Überprüfung der Abgrenzung von Ehrenamt und Freiwilligenarbeit von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung“ sowie die „Evaluierung des Freiwilligengesetzes in Hinblick auf die Relevanz für alle Freiwilligen in Österreich“ enthält.*

Der weitere Beitrag untergliedert sich folgendermaßen: Nach einer kurzen Behandlung des Freiwilligengesetzes wird auf die Frage der arbeitsrechtlichen Qualifikation der Freiwilligenarbeit nach österreichischem Recht eingegangen, wobei sich zeigen wird, dass der „Ausweg“ aus dem Arbeitsrecht oft gar nicht so leicht gefunden werden kann. Aber er ist möglich und es liegt dazu auch einschlägige aktuelle Rsp vor. Abschließend ist dann zu fragen, inwieweit dieser österreichische Lösungsweg europarechtskonform ist.

2.
2.1.
Allgemeines

Naheliegender Ausgangspunkt einer juristischen Untersuchung der Freiwilligentätigkeit in ÖsterÖsterreich ist das 2012 erlassene BG zur Förderung von freiwilligem Engagement, kurz „Freiwilligengesetz“ (FreiwG),* das in § 2 Abs 2 eine gesetzliche Definition enthält:

„Freiwilliges Engagement liegt vor, wenn natürliche Personen (1.) freiwillige Dienste für andere, (2.) in einem organisatorischen Rahmen, (3.) unentgeltlich, (4.) mit dem Zweck der Förderung der Allgemeinheit oder aus vorwiegend sozialen Motiven und (5.) ohne dass dies in Erwerbsabsicht, auf Grund eines Arbeitsverhältnisses oder im Rahmen einer Berufsausbildung erfolgt, erbringen.“

Nach den ErläutRV * entspricht diese Definition international gängigen Definitionen von Freiwilligentätigkeit.* Die Freiwilligkeit bezieht sich nach den Materialien auf die Abgrenzung zu anderen unbezahlten, jedoch gesetzlich verpflichtenden Tätigkeiten, wie zB Präsenz- oder Zivildienst. Weiters wird zwischen formellen, dh in organisatorischem Rahmen mit einer bestimmten Dauer und Regelmäßigkeit (insb in Vereinen) stattfindenden, und informellen (vielfach als „Nachbarschaftshilfe“ bezeichneten) Tätigkeiten unterschieden. Nur erstere sollen vom FreiwG erfasst sein.*

Die sonstigen Kriterien sind im Zusammenhang mit der Frage der Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften von besonderem Interesse, werden jedoch in den Materialien nicht weiter erläutert: Es geht dabei um die Unentgeltlichkeit, die jedoch im österreichischen Arbeitsrecht einen Arbeitsvertrag nicht ausschließt, da gem § 1152 ABGB qualifikationsunschädlich auch Unentgeltlichkeit vereinbart werden kann. Weiters ist die Motivation der Tätigkeit von Bedeutung (Förderung der Allgemeinheit oder soziale Motive) und Fehlen einer Erwerbsabsicht, wobei diese die Grundlage in einem Arbeitsverhältnis oder einer Berufsausbildung haben muss. Es ist somit ein bestimmtes Spektrum des freiwilligen Engagements vom FreiwG erfasst, das schon ex definitione nicht dem Arbeitsrecht unterliegt. Wann hingegen aber Freiwilligenarbeit auf Basis eines, allenfalls auch unentgeltlichen, Arbeitsvertrages erfolgt, wird im FreiwG nicht behandelt – und ist 376 für dieses auch grundsätzlich nicht von Bedeutung, da sich die allgemeinen Regelungen im Wesentlichen auf deren Förderung beschränken.

2.2.
Sonderformen freiwilligen Engagements

Anders ist die Situation hinsichtlich der im FreiwG konkret geregelten Sonderformen des freiwilligen Engagements namentlich dem Freiwilligen Sozialjahr, dem Freiwilligen Umweltschutzjahr, dem Holocaust-Gedenkdienst, dem Friedens- und Sozialdienst im Ausland sowie das Freiwillige Integrationsjahr: Hier enthält das FreiwG die klare rechtliche Aussage, dass diese Dienste „nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses absolviert werden“ können, wenngleich es sich um ein langfristiges freiwilliges Engagement von sechs Monaten bis zu einem Jahr mit einem erheblichen wöchentliches Arbeitszeitvolumen (Arbeit bis zu 34 Wochenstunden, § 7 FreiwG) handelt. Ebenso ist ein Anspruch auf „Taschengeld“ vorgesehen und aus den Materialien* ergibt sich, dass steuerrechtlich die Tätigkeiten im Rahmen eines Dienstverhältnisses verrichtet werden und das an die TeilnehmerInnen ausbezahlte Taschengeld steuerpflichtige Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit darstellen.

Arbeitsrechtlich gelten diese Tätigkeiten hingegen kraft gesetzlicher Anordnung als „Ausbildungsverhältnisse“ (§ 7 FreiwG), wobei die Materialien ausführen, dass auf solche „sowohl das ASchG* als auch das KJBG* und das ArbIG* zur Anwendung“ kommen.* Der nächste Satz in den ErläutRV ist ob der doch klaren rechtlichen Einordnung der im FreiwG speziell regulierten Freiwilligentätigkeiten dann doch etwas überraschend: „Besteht nach den tatsächlichen Gegebenheiten eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit und liegt somit ein Arbeitsverhältnis vor, bleibt es dem/der Teilnehmer/ in am Freiwilligen Sozialjahr unbenommen, seine/ihre Ansprüche beim zuständigen Arbeitsund Sozialgericht einzuklagen.“* Damit geht die Gesetzgebung offenbar davon aus, dass diese rechtliche Zuordnung doch nicht so klar ist und bei Vorliegen von persönlicher Abhängigkeit sehr wohl ein Arbeitsverhältnis vorliegen kann und damit das Arbeitsrecht vollumfänglich anzuwenden ist.

Ist das hingegen nicht der Fall, gelten – abseits des wegen der Qualifikation als Ausbildungsverhältnis nach Ansicht der Gesetzgebung* ohnehin zur Anwendung kommenden ASchG,* MSchG und ArbIG – einige Bestimmungen des Arbeitsrechts ausdrücklich kraft gesetzlicher Anordnung (wöchentliche Ruhezeiten,* Mutterschutz,* Haftungsbeschränkungen nach DHG,* Gleichbehandlung nach dem I. und II. Teil des GlBG*); ebenso ist eine dem Urlaub nachgebildete jährliche Freistellung unter Fortzahlung des Taschengeldes im Ausmaß von 25 Tagen vorgesehen (§ 13 FreiwG). Diese partielle Anwendung des Arbeitsrechts kann insofern von Bedeutung sein, als damit Regelungen für nicht als AN zu qualifizierende freiwillig Tätige geschaffen wurden, die auch außerhalb eines Arbeitsvertrages zur Anwendung kommen können. Und es sind dies wohl auch jene Teile des FreiwG, die nach dem aktuellen Regierungsübereinkommen eine „Relevanz für alle Freiwilligen in Österreich“ entfalten könnten, die nicht als AN anzusehen sind.

3.
Wann liegt bei Freiwilligenarbeit ein Arbeitsvertrag vor?
3.1.
Zur Relevanz der Unentgeltlichkeit

Da das FreiwG abseits der dort speziell geregelten Personengruppen keine Antwort auf die Statusfrage gibt, ist weiterhin offen, welche Freiwilligen eigentlich als AN anzusehen sind und welche nicht. Ein Aspekt, der in der Rs Matzak entscheidende Bedeutung beizumessen ist und der auch in der Legaldefinition des FreiwG eine Rolle spielt, ist jedenfalls für die österreichische Rechtslage – zumindest auf den ersten Blick – ohne Bedeutung, nämlich das Entgelt. Gem § 1152 ABGB können auch unbezahlte Arbeitsverhältnisse vereinbart werden. Die Unentgeltlichkeit alleine führt somit nicht zum Ausschluss aus dem Arbeitsrecht. Daher wird in der Literatur idR das Bestehen eines unbezahlten Arbeitsvertrages als Grundlage der Freiwilligenarbeit diskutiert.* Dies kann sich freilich als problematisch erweisen, wenn ein KollV gilt, der Mindestlöhne vorsieht und die freiwillige Arbeit auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses nicht vom Geltungsbereich ausnimmt. Tatsächlich ist dies beim KollV für die Sozialwirtschaft Österreich und für das Rote Kreuz sowie für den Rettungsdienst im Allgemeinen nicht der Fall. Somit würde der Mindestlohn jedenfalls zur Anwendung kommen und auch die Grundlage für die Sozialversicherungsbeiträge bilden. Angeblich argumentierte die Tiroler Gebietskrankenkasse im Jahr 2014, dass Freiwillige, die auf Basis eines Schichtplans arbeiten, als AN einzustufen seien und dass ihnen in rechtswidriger Weise nicht der Mindestlohn nach dem geltenden KollV gezahlt werde, da sie nur Kostenerstattung erhielten. Dies war die Grundlage für einen letztlich aber erfolglosen Entschließungsantrag von N. Hofer und weiteren Abgeordneten im Jahr 2014, Freiwillige von der gesetzlichen SV auszuschließen.* Im aktuellen Türkis/Grünen-Regierungsübereinkommen 377 ist diese Frage der sozialversicherungsrechtlichen Qualifikation allerdings wieder angesprochen und sie könnte daher bald ein Comeback haben.

3.2.
Persönliche Abhängigkeit als Abgrenzungskriterium

Anders als die Frage der Entgeltlichkeit sollte für die Qualifikation als Arbeitsverhältnis eigentlich alleine die persönliche Abhängigkeit relevant sein, die auch von der Literatur in diesem Zusammenhang geprüft wird.* Letztlich geht es um Einschränkungen der persönlichen Freiheit der AN durch die Unterwerfung unter die Verfügungsmacht ihrer VertragspartnerInnen. Die wesentlichen Kriterien sind dabei bekanntlich die persönliche Leistungserbringung, die Eingliederung in eine fremde Organisation, die Erbringung der Leistungen an einem festgelegten Arbeitsort und die Bindung an Arbeitszeiten sowie die Verpflichtung, Weisungen auch des persönlichen Verhaltens bei der Arbeit Folge leisten zu müssen.*

Die Literatur räumt daher ein, dass auch bei Freiwilligenarbeit persönliche Abhängigkeit bestehen kann, da für die Erbringung bestimmter Leistungen, wie Feuerwehr- oder Rettungsdienste, eine Verpflichtung zur Arbeit in einer bestimmten Form notwendig sein kann.*

Der 1. Freiwilligenbericht aus 2009* führt daher in aller Deutlichkeit aus, dass Freiwilligenarbeit häufig – zum Teil sogar deutliche – Merkmale aufweist, die als fremdbestimmte, persönliche Abhängigkeit gedeutet werden könnten. „So kommt es auch bei der Freiwilligenarbeit zur Entgegennahme von Weisungen, zur Einhaltung einheitlicher örtlicher und zeitlicher Bindungen (zB Dienst- oder Einsatzpläne) und damit zu einer gewissen in der Praxis gar nicht vermeidbaren Eingliederung in eine Organisation. In aller Regel müssen auch Freiwillige Sicherheitsvorschriften, betriebliche Ordnungsvorschriften (zB Uniform) und Qualitätsstandards (zB Ausbildung) einhalten. Die Kommandostruktur der freiwilligen Feuerwehren oder Rettungen, die alle nur mithilfe freiwilliger MitarbeiterInnen funktionieren, ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür.“ Und ebenso deutlich wurde damals festgehalten, dies – würde man die formale Prüfung der persönlichen Abhängigkeit, wie sie für die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses zum freien Dienstverhältnis durchaus geeignet sei – auch für den Bereich der Freiwilligenarbeit unreflektiert übernehmen, käme man zum in vielen Fällen wohl durchwegs unerwünschten Ergebnis, dass eigentlich Arbeitsverhältnisse vorlägen und damit das Arbeitsrecht in seiner Gesamtheit anwendbar wäre. Es werde schnell klar, dass das für die herkömmliche Abgrenzung von Arbeitsverhältnissen entwickelte Prüfungsschema für die Abgrenzung zur Freiwilligenarbeit nicht oder jedenfalls nicht gänzlich geeignet ist.

Wie kann aber nun dieses Dilemma gelöst werden? Es stehen dafür grundsätzlich drei potenzielle Wege zur Verfügung, die nun zu skizzieren und zu würdigen sind.

3.3.
Drei potenzielle Wege hinaus aus dem Arbeitsrecht
3.3.1.
Fehlende Leistungspflicht

Ein Argument gegen ein Arbeitsverhältnis könnte die fehlende Leistungspflicht sein, dh Freiwilligkeit der zu erbringenden Leistung, da in Österreich die Arbeitspflicht als wesentliches Merkmal eines Arbeitsvertrages angesehen wird.* In vielen Konstellationen sind Freiwillige tatsächlich nicht zur Arbeit verpflichtet und können die Arbeit auch jederzeit einstellen. Zu denken ist dabei an LesepatInnen in Volksschulen oder Besuchsdienste in Altersheimen. In anderen Fällen ist dies aber nicht der Fall, insb wenn es um die Erbringung von Notfallsdiensten, wie bei der Feuerwehr oder der Rettung, geht. Hier wird von den Freiwilligen erwartet, dass sie bei der Übernahme eines Dienstes auch tatsächlich arbeiten und sie können ihre Leistung auch nicht jederzeit einstellen.*

3.3.2.
Motiv für die Freiwilligentätigkeit bzw Parteienabsicht

In der Literatur wird bisweilen mit der Motivation der Freiwilligen für die Leistungserbringung argumentiert.* Dies ist ein Kriterium, das von den Gerichten bereits in anderen Zusammenhängen als relevant angesehen wurde, nämlich zur Rechtfertigung einer Ausnahme vom allgemeinen Arbeitsrecht für Personen mit besonderen Bedürfnissen, die auf subventionierten Arbeitsplätzen arbeiten (dem sogenannten Dritten Arbeitsmarkt)* und bei PraktikantInnen.* In eine ähnliche Kerbe schlägt die Argumentation von Rebhahn, der darauf abstellt, ob das Interesse beider VertragspartnerInnen an wirtschaftlich werthaften Arbeitsleistungen die Beziehung prägt.* Diese Argumentationslinie wurde zu Recht kritisiert, da üblicherweise die Absicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages als irrelevant angesehen wird.*

Angeführt wurde auch die Absicht der Parteien, keinen Arbeitsvertrag abzuschließen.* Dies ist aber ebenso nicht von Bedeutung, da der Beschäftigungsstatus nicht zur Disposition der Parteien steht.

3.3.3.
Mitgliedschaft als Rechtsgrundlage für die Freiwilligentätigkeit

Wirklich befriedigend sind diese Begründungsansätze mE somit alle nicht und es ist interessant, 378 dass, soweit überblickt, die Rsp bislang noch keinen derartigen Fall lösen musste. Sie griff vielmehr auf einen anderen Begründungsansatz für eine Ausnahme aus dem Arbeitsrecht zurück und sieht den Ausweg in der rechtlichen Grundlage für die Freiwilligentätigkeit. Es geht dabei um den Umstand, dass die meisten formell freiwillig Tätigen in Österreich auch Mitglieder des Vereins sind, für den sie arbeiten (zB RettungsfahrerInnen beim Roten Kreuz).* Ähnlich ist dies auch bei den Feuerwehren nach den Landesfeuerwehrgesetzen, wobei es sich hier um eine gesetzlich determinierte Mitgliedschaft zu den freiwilligen Feuerwehren handelt, die juristische Personen sind.43) In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob die Leistungen als Freiwilliger nun aufgrund der Mitgliedschaft oder auf Basis eines allenfalls konkludent abgeschlossenen Vertrages, der dann uU als Arbeitsvertrag zu beurteilen ist, erbracht werden.

Dabei soll nach Rebhahn* entscheidend sein, welche konkreten Interessenlagen die Beziehung prägen: Steht das Interesse der freiwillig Tätigen an der Möglichkeit zu arbeiten (zB um zu helfen [Feuerwehr], um die Freizeit zu gestalten und/oder die Gesundheit zu fördern [Sportverein] bzw um sozial zu wirken) im Vordergrund oder aber das Interesse beider VertragspartnerInnen an wirtschaftlich werthaften Arbeitsleistungen. Überwiegt das fremdwirtschaftliche Interesse und liegt Fremdbestimmung bei der Arbeit durch den Verein vor, sind die freiwillig Tätigen somit AN. Die Vereinsmitgliedschaft hat dann nämlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Arbeit.* Überwiegt hingegen das nicht fremdwirtschaftliche (zB karitative) Interesse klar, so erfolgt die Leistung allein im Rahmen der Mitgliedschaft. Dieses Argument ist mit jenem der Motivation für den Vertragsabschluss verwandt, hat aber mehr Gewicht, da es ja eine andere Rechtsgrundlage gibt, die zumindest auf den ersten Blick nicht dem Arbeitsrecht unterliegt, das ja grundsätzlich auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages abstellt.

Dieser Lösungsweg findet sich in einer E des LVwG Vorarlberg* aus 2014, die sich mit der Anwendung des Mindestlohnrechts im Falle von Snowboardlehrern befasste. Es wurde dort argumentiert, dass diese ihre Dienste auf der Grundlage der Mitgliedschaft in einem (belgischen) Sportverein leisten, der Skiurlaube in Österreich organisiert und dass es sich dabei deshalb nicht um Arbeitsverhältnisse handle. Das LVwG folgte dem und hielt fest, dass die rechtliche Grundlage (Vertrag oder Mitgliedschaft in einem Verband) für die Qualifikation als Arbeitsvertrag oder nicht von wesentlicher Bedeutung sei. Dafür seien – unter Verweisung auf Rebhahn* – die Interessen der Beteiligten von entscheidender Bedeutung. Und in diesem Zusammenhang sei das eigentlich für den Arbeitsvertrag irrelevante Kriterium der Entgeltlichkeit zumindest als Indiz für das Fremdinteresse dann doch bedeutsam. In diesem Sinne führt das LVwG aus, dass „auch die Tatsache, dass die Schilehrer kein Entgelt, sondern lediglich teilweise Aufwandsentschädigung erhalten, [...] ein Indiz für ein überwiegendes Eigeninteresse [ist], zumal die Schilehrertätigkeit für viele Schilehrer mit darüber hinausgehenden, von der Aufwandsentschädigung nicht gedeckten Kosten (zB private Anreise, Schiausrüstung usw) verbunden ist“.

Schwieriger sind jene Fälle zu lösen, in denen Vereinsmitglieder zugleich AN des Vereins sind.* Eine solche Konstellation hatte der VwGH* 2015 zu behandeln, wobei es um einen Rettungsfahrer beim Roten Kreuz ging, der neben seiner „hauptamtlichen Mitarbeit“ im Rahmen einer 40-Stunden-Woche noch zusätzlich „freiwillige“ Dienste verrichtet hatte, die zu einer Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeiten und einer Nichteinhaltung der täglichen Ruhezeiten geführt hatten.

Der VwGH hielt in diesem Zusammenhang fest, dass – auch wenn die persönliche Abhängigkeit im Allgemeinen als wesentlicher Parameter für Qualifikation als Arbeitsverhältnis essentiell sei – dies bei der Freiwilligenarbeit eben nicht der Fall sei. Selbst dann, wenn von Freiwilligen gleich den hauptamtlichen MitarbeiterInnen Arbeitsleistungen in organisatorischer Eingliederung in den Betrieb, in einem hierarchischen Gefüge mit strengen zeitlichen und organisatorischen Vorgaben (nach Dienstplaneinteilung) erbracht werden, so sei dies nicht relevant: Eine derartige Koordination und Einbindung sei für eine Organisation wie das Rote Kreuz betriebsbedingt und systemimmanent, eine zielgerichtete und erfolgreiche Tätigkeit im Rettungswesen wäre ansonsten kaum möglich. Gleiches gelte für das Argument, dass zwischen hauptamtlichen und freiwilligen Diensten inhaltlich kein Unterschied bestehe, da mit beiden Arten von Diensten innerhalb einer einheitlichen Organisation das gleiche Ziel verfolgt werde.*

Entscheidend sei vielmehr, so der VwGH, ob erstens zwischen den beiden Dienstarten eine zeitliche Trennung besteht, ob also die jeweilige Dienstleistung klar dem einen oder dem anderen Bereich (dem Arbeitsverhältnis oder der Vereinsmitarbeit) zugeordnet werden kann. Zweitens soll relevant sein, ob die Leistung freiwilliger Dienste ihren Rechtsgrund in der Mitgliedschaft des/der Betreffenden im Verein hat. Findet die Tätigkeit als RettungsfahrerIn in den Vereinsstatuten, allenfalls konkretisiert bzw ergänzt durch Beschlüsse von Vereinsorganen, ihre Deckung, so sei die Leistung Ausfluss der Vereinsmitgliedschaft und ein Arbeitsverhältnis zu verneinen. Damit ist allein die Mitgliedschaft zu einem Verein, wenn die vom Mitglied geleistete Tätigkeit Deckung in den Statuten findet, das tragende Argument für die Nichtanwendung des Arbeitsrechts. 379

Der Gerichtshof hat dabei aber offenbar gewisse Bedenken, dass in der Praxis nicht alles so sauber trennbar ist. Er führt dann nämlich einschränkend aus, dass anders zu entscheiden sei, wenn seitens des DG für die Begründung und Beibehaltung des Dienstverhältnisses mit dem Roten Kreuz die gleichzeitige Vereinsmitgliedschaft (samt den daraus erfließenden – weiteren – Leistungsverpflichtungen) zur Bedingung gemacht würde.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass nach der Rsp und einem doch wesentlichen Teil der Lehre bei Vereinsmitgliedern die Vereinsmitgliedschaft alleine die Basis ihrer Tätigkeit sein kann, wenn diese den Vereinszweck fördert. Und dies auch dann, wenn eigentlich die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit erfüllt sind. Dann liegt kein Arbeitsvertrag vor und es kommt auch das Arbeitsrecht grundsätzlich nicht zur Anwendung. Dass dies auch tatsächlich der Fall ist, dafür ist das Fehlen von Entgelt ein gewichtiges Indiz – oder maW: Sollte Entgelt bezahlt werden, weist das darauf hin, dass die Erzielung eines Einkommens und nicht die Förderung des Vereinszweckes Motivation für die Tätigkeit ist und somit eigentlich auf Basis eines Arbeitsvertrages Leistungen erbracht werden.

4.
Ist die österreichische Lösung europarechtskonform?

Abschließend soll nun die Eingangsfrage beantwortet werden, wie die für das österreichische Recht entwickelte Argumentation mit der Rsp des EuGH in der eingangs dargestellten Rs Matzak in Einklang gebracht werden kann.

Dazu ist festzuhalten, dass europarechtlich die Rechtsgrundlage alleinenoch nicht zu einem Herausfallen aus dem Geltungsbereich arbeitsrechtlicher Normen führen kann. Gerade in der Rs Ruhrlandklinik* wurde es im Zusammenhang mit der Anwendung der Leiharbeits-RL 2008/104/EG vom EuGH als irrelevant angesehen, dass das überlassene Pflegepersonal nicht auf Basis eines Arbeitsvertrages arbeitet, sondern die Rechtsgrundlage für deren Dienste der Vereinsbeitritt zur Schwesternschaft und die damit verbundene Pflicht ist, den Vereinsbeitrag in der Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen. Freilich war dies gerade keine typische Freiwilligenarbeit, weil die Vereinsmitglieder für ihre Tätigkeit eine monatliche Vergütung erhielten, deren Berechnung sich nach den in der Kranken- und Gesundheitspflege üblichen Kriterien richtet. Damit unterscheidet sich die Tätigkeit der Mitglieder der Schwesternschaft von den bisher angesprochenen freiwilligen RettungsfahrerInnen und Feuerwehrleuten, die durch ihre Tätigkeit eben kein Entgelt erzielen.

Und gerade mit dem Kriterium der mangelnden Entgeltlichkeit kann nun der österreichische Zugang zur arbeitsrechtlichen Einordnung der Freiwilligentätigkeit europarechtlich „gerettet“ werden. Das ist freilich ein wenig paradox, da die Entgeltlichkeit ja für die Qualifikation als Arbeitsvertrag wegen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit auch unentgeltlicher Arbeitsverträge gar keine Rolle spielen sollte. Europarechtlich ist dieses Kriterium jedoch für die AN-Eigenschaft und damit die Anwendung von EU-Arbeitsrecht essentiell. Und so bietet es, da das fehlende Entgelt bei einer Vereinsmitgliedschaft nach der Rsp ein wichtiges Indiz gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages selbst bei massiver Fremdbestimmung ist, einen europarechtskonformen „Ausweg“ aus dem Arbeitsrecht. Fließt hingegen Geld und ist die Tätigkeit somit entgeltlich, dann liegt nach österreichischem ebenso wie nach europäischem Verständnis bei Vorliegen von persönlicher Abhängigkeit ein Arbeitsverhältnis vor und es sind grundsätzlich arbeitsrechtliche Normen zur Anwendung zu bringen.380