46

Schadenersatz nach dem StellenbesetzungsG und/oder nach dem GlBG

KLAUSMAYR (LINZ)
  1. Die entsprechenden Verhaltensnormen des StellenbesetzungsG kommen als sogenannte Selbstbindungsgesetze bei der Besetzung von Leitungspositionen in der österreichischen SV zur Anwendung.

  2. Ein gesetzesgemäßes Vorgehen nach § 4 StellenbesetzungsG verlangt, dass sich die Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle im Rahmen sachlich auszuübenden Ermessens an der Besteignung zu orientieren hat. Der Schutzzweck der Norm kann damit einen Schadenersatzanspruch zugunsten des bestqualifizierten Bewerbers auslösen, wenn die Stelle aus unsachlichen Gründen mit einem anderen Kandidaten besetzt wurde.

  3. Während eine Verletzung des StellenbesetzungsG nur dann vorliegt, wenn nicht die bestgeeignete Person ausgewählt wird, liegt eine Verletzung nach dem GlBG vor, wenn ein Diskriminierungstatbestand glaubhaft gemacht wurde, der für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war.

  4. Die Verjährungsfrist von sechs Monaten für Schadenersatzansprüche nach § 29 Abs 1 GlBG ist unionsrechtskonform.

Der Kl ist seit 8.10.1973 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis, auf das die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) zur Anwendung gelangt, bei der Bekl beschäftigt. Die Besetzung der ausgeschriebenen Positionen I. “Leiter/Leiterin des Geschäftsbereiches Medizinische Verwaltung (HGMB)“ und II. “Stellvertreter/Stellvertreterin des Leiters Medizinische Administration – Landesstelle Wien (WMAD)“, für die sich der Kl jeweils beworben hatte, erfolgte aufgrund von Vorstandsbeschlüssen am 25.2.2016. Der Kl kam bei beiden Besetzungsvorgängen nicht zum Zug.

Der Kl begehrt mit der am 21.2.2019 eingebrachten Klage die Entgeltdifferenz zum Bewerbungsfall I. von bisher 201.149,54 € brutto, in eventu die Entgeltdifferenz zum Bewerbungsfall II. in Höhe von 21.642,07 € brutto, dies – soweit noch rekursgegenständlich – im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung und umfassenden Ausbildung besonders qualifiziert gewesen wäre. Der wahre Grund für seine Nichtbeachtung bei den Besetzungsvorgängen – auch schon bei früheren Bewerbungen – sei seine fehlende Parteizugehörigkeit und der stetige Versuch, gegen den Parteiproporz aufzutreten, gewesen. Er verfüge seit 25 Jahren über kein Parteibuch und habe sich stets überparteilich verhalten. Sowohl bei der Anwendung des StellenbesetzungsG als auch im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung der Bekl sei das Sachlichkeitsgebot beachtlich und folge aus einer Ermessensüberschreitung ein Schadenersatzanspruch. Die Bekl habe auch die Bestimmung des § 36 Abs 4 DO.A (idF bis 31.12.2016) unangewendet gelassen und dadurch den Kl geschädigt. Es liege auch ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund von Weltanschauung (bewusste Nichtmitgliedschaft in einer Partei) nach dem GlBG vor. Schließlich brachte der Kl im Hinblick auf § 36 Abs 4 DO.A (idF bis 31.12.2016) vor, selbst wenn man der Ansicht sein sollte, es läge kein (grund-) rechtswidriges Verhalten vor, wäre er bei objektiver Betrachtung seiner Qualifikationen für die genannten Dienstposten besser geeignet gewesen als die letztlich zum Zug gekommenen Personen. Bei Annahme zumindest gleicher Diensteigenschaften mit (näher genannten und mit ihren Qualifikationen dargestellten) Mitbewerbern wäre er aufgrund seines Dienstalters vorzuziehen gewesen.

Die Bekl wandte zusammengefasst ein, dass der Kl bei beiden Besetzungsvorgängen nicht aus unsachlichen Überlegungen oder gar aus Willkür nicht zum Zug gekommen sei. [...] Die vom Kl geltend gemachten Ansprüche nach dem GlBG seien zudem verfristet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und das Eventualbegehren ohne Beweisaufnahme wegen Verfristung nach § 29 Abs 1 GlBG (sechsmonatige Frist) ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Zwar würden die Bestimmungen des GlBG und insb auch dessen Klagsfristen (§§ 15, 29 GlBG) die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften und die allgemeinen Verjährungsvorschriften des ABGB verdrängen, sodass das Vorbringen des Kl in Bezug auf eine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung aufgrund seiner Weltanschauung mittels Klage wegen § 29 GlBG nicht mehr geltend gemacht werden könne. Dem Vorbringen sei aber auch zu entnehmen, dass der Kl den Schadenersatzanspruch auf eine unsachliche Vorgangsweise der zur Ernennung berufenen Entscheidungsträger der Bekl und somit auf eine Verletzung des Willkürverbots gesetzt habe. Er habe der Bekl eine willkürliche Personalentscheidung unterstellt, weil er bei beiden Besetzungsvorgängen als besser geeigneter Kandidat nicht zum Zug gekommen sei. Insoweit bedürfe es weiterer Feststellungen. Zur sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 29 Abs 1 GlBG hegte das Berufungsgericht keine unionsrechtlichen Bedenken, ließ dazu aber den Rekurs an den OGH zu.

[...]

[10] Der Rekurs des Kl ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. Der Rekurs der Bekl ist unzulässig.

[11] I. Zum Rekurs des Kl

[...]

[13] I.2. Inhaltlich ist der Kl zusammengefasst der Ansicht, dass der Geltendmachung von Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot, wie insb auch der Diskriminierung wegen der Weltanschauung, nicht die sechsmonatige Verjährungsfrist nach dem GlBG entgegenstehe, wenn ein unsachlicher Bewerbungs- bzw Ernennungsvorgang nach dem 437 Stellenbesetzungsgesetz bzw § 36 Abs 4 DO.A behauptet werde und diese Unsachlichkeit auch auf die Verletzung spezifischer Diskriminierungsverbote gestützt werde.

[14] I.2.1. Es ist nicht strittig, dass die Besetzung der verfahrensgegenständlichen Stellen nach Maßgabe des StellenbesetzungsG, BGBl I 1998/26, zu erfolgen hat. Nach § 4 Abs 1 leg cit hat das für die Besetzung zuständige Organ die Stelle ausschließlich aufgrund der Eignung der Bewerber zu besetzen. Nach § 4 Abs 2 leg cit ist die Eignung insb aufgrund fachlicher Vorbildung und bisheriger Berufserfahrung der Bewerber, ihrer Fähigkeit zur Menschenführung, ihrer organisatorischen Fähigkeiten und ihrer persönlichen Zuverlässigkeit festzustellen. Wenn internationale Erfahrungen für die betreffende Stelle erforderlich sind, ist darauf besonders Bedacht zu nehmen.

[15] Weiter lautete § 36 Abs 4 DO.A idF zum 31.12.2016:

„Bei der Besetzung von Stellen der Gehaltsgruppen D bis G sowie III und IV ist den Angestellten des Versicherungsträgers Gelegenheit zur Bewerbung zu geben. Hierbei kommen die höhere Befähigung, die bessere Verwendbarkeit und erforderlichenfalls auch die Leitungseignung in Betracht. ...“

[16] I.2.2. Wie zu 1 Ob 218/14m ausgeführt, werden „die entsprechenden Verhaltensnormen des StellenbesetzungsG als sogenannte Selbstbindungsgesetze qualifiziert. Selbstbindende Normen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung sind ein Katalog von Verhaltenspflichten für die öffentliche Hand, von denen im Fall öffentlicher Bekanntgabe oder allgemeiner Zugänglichkeit jedermann weiß, dass die Verwaltungsorgane diese Verpflichtungen einzuhalten haben (7 Ob 159/97a; RS0110159). Die sogenannte ‚Fiskalgeltung der Grundrechte‘ für Gebietskörperschaften ist allgemein anerkannt (7 Ob 119/09i; 3 Ob 104/10f; vgl RS0038110). Darunter versteht man, dass der Staat und die anderen Gebietskörperschaften auch dann an die Grundrechte und daher auch an das aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot (vgl RS0058455; RS0053981) gebunden sind, wenn sie nicht hoheitlich, sondern in der Rechtsform des Privatrechts handeln (RS0038110: zuletzt 7 Ob 72/14k), handeln sie doch nur im öffentlichen Interesse“. Dass auch die Bekl als privatrechtlich agierende Körperschaft (Unternehmung) öffentlichen Rechts dieser Grundrechtsbindung via Fiskalgeltung unterliegt, ist hier nicht weiter zweifelhaft. Bei der Anwendung des StellenbesetzungsG hat sie daher auch das Sachlichkeitsgebot zu beachten.

[17] I.2.3. Der OGH hat im Zusammenhang mit dem StellenbesetzungsG bereits mehrfach als Gesetzeszweck betont, dass nach diesem Gesetz der geeignetste Kandidat die Stelle erlangen soll (7 Ob 119/09i; 7 Ob 120/11i; 8 ObA 10/14z; 1 Ob 218/14m). Es entspricht auch der einhelligen Auffassung in der Literatur, dass es bei mehreren Bewerbern darauf ankommt, wer davon am besten geeignet ist (1 Ob 218/14m mwN). Ein gesetzmäßiges Vorgehen nach § 4 StellenbesetzungsG verlangt daher, dass sich die Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle im Rahmen sachlich auszuübenden Ermessens an der Besteignung zu orientieren hat (1 Ob 218/14m Pkt 2.6.).

[18] I.2.4. Der potenzielle Bewerber um eine Stelle hat kein subjektives Recht auf Einhaltung allfälliger Ausschreibungspflichten (RS0127362). Ungeachtet des Umstands, dass das StellenbesetzungsG auch keinen subjektiven Anspruch auf Einstellung vermittelt und es jedenfalls öffentlichen Interessen (Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich) dient, schützt das StellenbesetzungsG auch die Interessen von Bewerbern, um diese ua vor unsachlichen Besetzungsentscheidungen zu bewahren. Der Schutzzweck der Norm kann damit einen Schadenersatzanspruch zugunsten des bestqualifizierten Bewerbers auslösen, wenn die Stelle aus unsachlichen Gründen mit einem anderen Kandidaten besetzt wurde (RS0127362 [T1]; 8 ObA 25/16h; vgl auch RS0031143).

[19] I.2.5. Ist ein/e AN wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des § 17 Abs 1 Z 5 GlBG (Beförderungsdiskriminierung) nicht beruflich aufgestiegen, sieht § 26 Abs 1 Z 5 GlBG die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen vor.

[20] Zum Verhältnis der allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften zu jenen des GlBG wurde klargestellt, dass die Bestimmungen des GlBG zu den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften im Derogationsverhältnis stehen, weil es sich beim GlBG nicht nur um die spätere Regelung, sondern zugleich auch um die lex specialis handelt. Die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des GlBG sind auch als abschließende Regelungen zum Ausgleich von Beeinträchtigungen aufgrund von Diskriminierungen im Anwendungsbereich des GlBG zu sehen (8 ObA 76/12v; dort zur Frage eines allgemeinen Schadenersatzanspruchs aus Fürsorgepflichtverletzung wegen vermeintlich auch geschlechts- und altersdiskriminierender Kündigung einer AN).

[21] Im Hinblick auf das StellenbesetzungsG im Besonderen wurde in 1 Ob 218/14m ausgeführt, der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, die aus einer Verletzung des StellenbesetzungsG abgeleitet werden, können auch nicht die Regeln des GlBG oder des B-GlBG entgegengehalten werden. Weder aus dem GlBG noch aus dem B-GlBG lässt sich ableiten, dass diese Gesetze außerhalb ihres Anwendungsbereichs (Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung) sonstige Schadenersatzansprüche wegen einer unterlassenen Postenvergabe abschließend regelten bzw sonstigen Schadenersatzregeln derogiert hätten. Gegen eine derartige materielle Derogation spricht auch der unterschiedliche Normzweck des StellenbesetzungsG (Grundsatz der Transparenz und Besteignung) im Vergleich zur ratio legis der genannten Gleichbehandlungsgesetze (Unterbindung von Diskriminierung aus bestimmten Gründen).

[22] I.2.6. Deshalb ist aber auch in der vorliegenden Konstellation keine solche materielle Derogation durch das GleichbehandlungsG gegeben, weil ein auf eine Verletzung des StellenbesetzungsG gestützter 438 Schadenersatzanspruch nicht unter generelleren Voraussetzungen als jener des GleichbehandlungsG auf den Ausgleich einer Diskriminierung abzielt, sondern vielmehr darauf, dass die Stellenbesetzung nicht mit der bestgeeigneten Person iSd StellenbesetzungsG erfolgt ist. Zweifellos wäre dabei eine Ermittlung der bestgeeigneten Person, die auch auf diskriminierenden Gründen beruht, im Hinblick auf das dem StellenbesetzungsG inhärente Sachlichkeitsgebot unsachlich. Ist aber auch hier ein Derogationsverhältnis zu verneinen, wird die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus einer Verletzung des StellenbesetzungsG auch verjährungsrechtlich nicht von § 29 Abs 1 GlBG verdrängt, wenn der Ermittlung der Besteignung unter Umständen auch ein vom GlBG erfasster diskriminierender Umstand zugrunde lag. Ein anderes Verständnis hätte auch Wertungswidersprüche zur Folge, weil sonst die besonders geregelten Diskriminierungsgründe des GlBG bei Prüfung der Unsachlichkeit einer Stellenbesetzung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 29 GlBG unbeachtlich würden, vom GlBG nicht erfasste Motive der Ungleichbehandlung hingegen nicht.

[23] I.2.7. Das ändert aber nichts daran, dass der Kl für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nachzuweisen hat, dass er tatsächlich der am besten qualifizierte Bewerber war und bei rechtmäßiger Vorgangsweise mit der ausgeschriebenen Funktion betraut worden wäre. Dabei genügt nicht schon ein bloßer Vergleich mit den Qualifikationen des bestellten Bewerbers, sondern es muss auf das fiktive Ergebnis eines rechtmäßigen Bestellungsverfahrens Bedacht genommen werden (jüngst 9 ObA 75/20z mwN). In diesem Zusammenhang wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Frage, welcher Kandidat als besser geeignet befunden wird, nach § 4 Abs 2 StellenbesetzungsG nicht nur von leichter vergleichbaren Kriterien wie Ausbildung und Berufserfahrung abhängt, sondern wesentlich auch von weniger leicht messbaren Faktoren wie Fähigkeit zur Menschenführung, organisatorischen Fähigkeiten und persönlicher Zuverlässigkeit. Die Bewertung dieser Faktoren muss innerhalb einer sachlich begründbaren Bandbreite dem Entscheidungsträger überlassen bleiben (siehe 8 ObA 25/16h; 9 ObA 75/20z).

[24] I.2.8. Davon ausgehend werden im fortzusetzenden Verfahren daher noch Feststellungen zur behaupteten Verletzung des Besteignungsgebots im dargelegten Sinn zu treffen sein.

[25] I.3. Der Kl erachtet darüber hinaus die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 29 Abs 1 GlBG für Ansprüche nach § 26 Abs 5 GlBG (Diskriminierung bei der Beförderung) als europarechtswidrig, weil damit gegen die unionsrechtlichen Prinzipien der Effektivität und Gleichwertigkeit verstoßen werde. [26] I.3.1. Bereits in der E 9 ObA 44/06w wurde zur Frage, ob eine sechs Monate dauernde Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche wegen Diskriminierung bei einer Beförderung (dort noch § 10b GlBG aF) gegen die gemeinschaftsrechtlichen Prinzipien der Effektivität und Gleichwertigkeit (EuGHC-326/96Levez; C-78/98Preston ua) verstößt, ausgeführt, „dass auch die österreichische Rechtsordnung gerade im Arbeitsrecht die Frist des § 1489 ABGB unterschreitende Verjährungsfristen kennt (§ 1162d ABGB, § 34 AngG, § 34 GAngG § 38 LandarbG und § 44 SchauspG). Auch das unter dem Blickwinkel der Effektivität zu prüfende Merkmal einer übermäßig erschwerten Rechtsdurchsetzung ist der inländischen Rechtsordnung nicht fremd. Derartige Erschwerungen werden regelmäßig im Zusammenhang mit Verfallsklauseln in Kollektivverträgen geprüft (RS0034533), wobei Fristen in der Dauer von sechs Monaten regelmäßig als ausreichend bewertet wurden“. Die Bedenken, die auch aktuell von einem Teil der Lehre geteilt werden (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 15 Rz 7; Kletecka in Rebhahn, GlBG § 15 Rz 2 ff; Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 15 Rz 2), konnten in 9 ObA 44/06waber auf sich beruhen, weil in jenem Fall selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Grundsätze die kurzen Fristen mangels horizontaler Drittwirkung weiterhin anzuwenden waren.

[27] I.3.2. Hier ist, wie bereits vom Berufungsgericht ausgeführt, in Bezug auf die Bekl als „staatliche Einrichtung“ eine direkte Richtlinienwirkung nicht von vornherein auszuschließen. Die für die Ansprüche des Kl wegen Beförderungsdiskriminierung aufgrund der Weltanschauung einschlägige Gleichbehandlungsrahmen RL 2000/78/EG sieht jedoch keine Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung dieser Rechte vor. Aus den folgenden Erwägungen ist hier auch nicht ersichtlich, dass die nationale Regelung gegen die unionsrechtlichen Prinzipien der Effektivität und Gleichwertigkeit verstoßen würde.

[28] I.3.3. Nach stRsp des EuGH sind die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von gerichtlichen Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer unionsrechtlichen Regelung dieses Bereichs Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Verfahren dürfen jedoch nicht ungünstiger gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; s nur EuGH 1.12.1998, C-326/96Levez Rn 18 uva, s die Nw bei Hopf/Mayr/Eichinger, § 15 GlBG E 1.). Das nationale Gericht hat die Gleichwertigkeit der betreffenden Klagen unter dem Gesichtspunkt ihres Gegenstands, ihres Rechtsgrundes und ihrer wesentlichen Merkmale zu prüfen (EuGH 16.5.2000, C-78/98, Preston uaRn 49).

[29] I.3.4. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht eine Gleichwertigkeit von Schadenersatzklagen nach dem StellenbesetzungsG (bzw der DO.A) und jenen nach dem GleichbehandlungsG verneint. Die beiden Gesetze haben unterschiedliche Anwendungsbereiche (das StellenbesetzungsG ist auf die Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich beschränkt) und verfolgen unterschiedliche Normzwecke (StellenbesetzungsG: Schaffung von Transparenz und Ermittlung der Besteignung; 439 GleichbehandlungsG: Unterbindung von Diskriminierung aus bestimmten Gründen). Daran anknüpfend sind auch die Grundlagen, Ziele und Voraussetzungen für Schadenersatzansprüche nach dem StellenbesetzungsG und dem GleichbehandlungsG unterschiedlich gelagert: Eine Klage nach dem StellenbesetzungsG dient nicht der Verfolgung eines Schadenersatzanspruchs wegen einer Diskriminierung, insb nicht der Entschädigung für die durch die Diskriminierung aus einem bestimmten Grund erlittene persönliche Beeinträchtigung. Während ein Kl im Rahmen des StellenbesetzungsG nach dem Regelbeweismaß seine Besteignung nach sachlichen Kriterien nachzuweisen hat (wofür es idR der Beschaffung von Vergleichsdaten bedarf), erfordert eine Klage aufgrund einer Diskriminierung nach dem GlBG eine Glaubhaftmachung des Diskriminierungstatbestands mit der Folge, dass die Bekl die Beweislast für die höhere Wahrscheinlichkeit trifft, dass ein anderes von ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war (§ 26 Abs 12 GlBG). Neben den unterschiedlichen Regelungsbereichen und Normzwecken bestehen mit der Absenkung des Beweismaßes nach dem GlBG daher auch andere Beweislasten. Es liegt damit keine Gleichwertigkeit der Klagen vor.

[30] I.3.5. Auch aus dem Effektivitätsgebot resultiert kein für den Kl günstigeres Ergebnis: Es ist nicht ersichtlich, warum im Rahmen einer – gesetzlich oder kollektivvertraglich in vielen Zusammenhängen akzeptierten – Sechs-Monatsfrist eine Klagsführung „praktisch unmöglich“ oder „übermäßig erschwert“ würde. In erster Instanz wurde dazu auch kein Vorbringen erstattet. Das Rekursvorbringen des Kl, sein Vorgesetzter habe ihm zugesagt, wegen einer Gehaltserhöhung mit dem Generaldirektor zu sprechen, er habe die Möglichkeit einer gütlichen Einigung nicht durch eine vorherige Beschwerde bei der Gleichbehandlungskommission gefährden wollen, ist eine unzulässige Neuerung.

[31] I.4. Im Ergebnis ist der Rekurs des Kl daher nicht berechtigt.

[...]

ANMERKUNG

Im vorliegenden Fall geht es um ein in Österreich nicht unübliches Schicksal, dass möglicherweise jemand bei einer Beförderung einer falschen bzw wie hier gar keiner politischen Partei angehört. Obwohl das GlBG mit 1.7.2004 in Kraft getreten ist und sich die Meinung, dass unter Weltanschauung iSd § 17 Abs 1 GlBG auch die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei zu subsumieren ist, durchzusetzen scheint, hat sich in der Realität wenig geändert. Der vorliegende Fall lässt auch ergründen, dass die Rechtsdurchsetzung praktisch schwierig ist, wenn der Betroffene seinen Arbeitsplatz behalten will oder zumindest ein akzeptables Betriebsklima nicht gefährden will. Unter diesen Vorgaben zeigt dieser Fall zumindest auf, dass es in staatsnahen Betrieben neben dem GlBG auch noch den Rettungsanker des StellenbesetzungsG gibt. Mit daraus sich ergebenden Fragestellungen werde ich mich nun beschäftigen.

1.
Unterschiede zwischen einem Schadenersatzanspruch iVm dem StellenbesetzungsG und dem GlBG

§ 4 Abs 1 StellenbesetzungsG normiert, dass das für die Besetzung zuständige Organ die Stelle ausschließlich auf Grund der Eignung der Bewerber zu besetzen hat. Nach Abs 2 leg cit ist die Eignung insb auf Grund fachlicher Vorbildung und bisheriger Berufserfahrung der Bewerber, ihrer Fähigkeit zur Menschenführung, ihrer organisatorischen Fähigkeiten und ihrer persönlichen Zuverlässigkeit festzustellen. Wenn internationale Erfahrungen für die betreffende Stelle erforderlich sind, ist darauf besonders Bedacht zu nehmen. Auch § 36 Abs 4 der DO.A idF zum 31.12.2016 enthält ähnliche Kriterien. Der OGH hat daher bereits mehrfach entschieden, dass nach dem StellenbesetzungsG der geeignetste Kandidat die Stelle erlangen soll (OGH7 Ob 119/09iGesRZ 2010, 112; OGH7 Ob 120/11iEvBl 2012/74, 511; OGH 25.8.2014, 8 ObA 10/14z; OGH1 Ob 218/14m ecolex 2015/362, 851). Ein gesetzmäßiges Vorgehen nach § 4 StellenbesetzungsG verlangt daher, dass sich die Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle im Rahmen sachlich auszuübenden Ermessens an der Besteignung zu orientieren hat. Auch wenn ein potenzieller Bewerber kein subjektives Recht auf Einhaltung allfälliger Ausschreibungspflichten und keinen subjektiven Anspruch auf Einstellung hat, so schützt das StellenbesetzungsG auch die Interessen von Bewerbern, um diese ua vor unsachlichen Besetzungsentscheidungen zu bewahren. Der Schutzzweck der Norm kann damit einen Schadenersatzanspruch zugunsten des bestqualifizierten Bewerbers auslösen, wenn die Stelle aus unsachlichen Gründen mit einem anderen Kandidaten besetzt wurde (OGH 27.4. 2016, 8 ObA 25/16h). Der Anspruch ist vom Kl zu beweisen, da es kein geringeres Beweismaß beim StellenbesetzungsG gibt. Dies gibt es nur im GlBG. Inhaltlich sind sich beide Ansprüche mE aber dennoch sehr ähnlich. Macht ein AN wie hier eine Diskriminierung aufgrund einer Weltanschauung geltend, so kommt in der Praxis (reflexartig) ein Vorbringen, dass natürlich keine Diskriminierung vorliege, aber der Bewerber ohnehin nicht der Bestqualifizierte gewesen sei. Bei Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gem § 1295 ABGB iVm § 4 StellenbesetzungsG hat der Kl den Beweis der Bestqualifikation zu erbringen, während in einem Verfahren nach dem GlBG der Bekl eine erhöhte Glaubhaftmachung erreichen muss, dass der Kl nicht der Bestqualifizierte war.

2.
Unionsrechtskonformität von § 29 Abs 1 GlBG?

Für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 29 Abs 1 und 5 (Begründung des Arbeitsverhältnisses; 440 beruflicher Aufstieg) beträgt die Frist nur sechs Monate. In der Literatur wird zu Recht bezweifelt, dass diese Fristlänge unionsrechtskonform sei (vgl Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 15 Rz 7; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz [2001] 519; Mayr, Beurteilung nationaler Klagsfristen und Gemeinschaftsrecht, ELR 2000, 227 [229]; Schindler, Zur Umsetzung des EU-Rechts in Österreich – Teil 2: Überblick über Richtlinien, deren Umsetzung bevorsteht, insb die Antidiskriminierungs- Richtlinien, DRdA 2003, 523 [534]; Rebhahn in Rebhahn § 3 GlBG Rz 34, 154; Kletečka in Rebhahn § 15 GlBG Rz 2 ff; Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 15 GlBG Rz 2). Das von den Gesetzesmaterialien betonte Interesse an einer raschen Klärung des Sachverhalts (ErläutRV 735 BlgNR 18. GP 35) ist keine exklusive Anforderung bei Ansprüchen wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots. Die sechsmonatige Frist macht zwar die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte „nicht praktisch unmöglich“; die Annahme einer hierdurch verursachten übermäßigen Erschwernis und des Vorliegens einer deutlich ungünstigeren Regelung, als sie das innerstaatliche Recht bei „entsprechenden Klagen“ vorsieht, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen (vgl EuGH 16.5.2000, C-78/98, Preston ua/Fletcher ua, Slg 2000, I-3201; Mayr, ELR 2000, 227). Dass etwa die innerstaatlichen Fälle – siehe § 1162d ABGB, § 34 AngG und § 6 DHG –, die gleichfalls sechsmonatige Fristen kennen, „entsprechend“ sind, erscheint fraglich (vgl Mayr, ELR 2000, 227 [229]; Kletečka in Rebhahn § 15 GlBG Rz 7). Der OGH ließ die geäußerten unionsrechtlichen Bedenken gegen die sechsmonatige Frist bisher dahingestellt, da keine „staatliche Einrichtung“ involviert war und daher die kurze Frist selbst bei einem Verstoß gegen unionsrechtliche Grundsätze mangels horizontaler Drittwirkung jedenfalls anzuwenden war (OGH9 ObA 44/06winfas 2007 A 54). Zu beachten ist aber, dass das Diskriminierungsverbot nach Art 21 Abs 1 GRC nun unmittelbar anwendbar ist und Art 47 GRC jedem/jeder UnionsbürgerIn das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf garantiert (Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union [2010] Art 47 Rz 29). Ob daher diese Rechtsansicht weiter aufrecht zu erhalten sein wird, ist zumindest fraglich. Auch wenn der EuGH in der Rs Bulicke (EuGH 8.7.2010, C-246/09, ECLI:EU:C:2010:418) eine Frist von zwei Monaten bei einer Einstellungsdiskriminierung (wegen des Alters) – unter dem Vorbehalt der Äquivalenz und der Effektivität – als noch angemessen beurteilte, verlangt die neuere Judikatur des EuGH (vgl 6.11.2018, C-684/16, Shimizu, ECLI:EU:C:2018:874, Rn 80 f; EuGH 6.11.2018, C-569/16, Bauer, ECLI:EU:C:2018:871, Rn 92; EuGH 8.5.2019, C-396/17, Leitner, ECLI:EU:C:2019:375, Rn 79; EuGH 8.5.2019, C-24/17, ÖGB, ECLI:EU:C:2019:373, Rn 65) nun, dass nationale Gerichte verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Befugnisse den Rechtsschutz, der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwächst, zu gewährleisten und für seine volle Wirkung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt. Das mit einem Rechtsstreit zwischen einem AN und seinem früheren privaten AG befasste nationale Gericht hat dafür Sorge zu tragen, dass der AN den jeweiligen Anspruch erhält. Der OGH hatte im vorliegenden Fall die direkte Anwendung unionsrechtlicher Grundsätze aufgrund der Staatsnähe der österreichischen SV zu beurteilen. Bei der Prüfung des Effektivitätsgebots meinte er, dass nicht ersichtlich sei, warum im Rahmen einer Sechs-Monatsfrist eine Klagsführung „praktisch unmöglich“ oder „übermäßig erschwert“ würde.

Dem ist unionsrechtlich nicht viel entgegen zu setzen, da der EuGH bereits in der Rs Preston eine vergleichbare Sechs-Monatsfrist zu beurteilen hatte und zum selben Ergebnis wie der OGH gelangte. Spannender ist aber die zusätzlich zu prüfende Frage, wie es mit Fristen für gleichartige Klagen aussieht. Der OGH hat diese Prüfung leider nur mit dem in diesem Verfahren relevanten StellenbesetzungsG vorgenommen. Bei einer Diskriminierung im Zuge einer Beförderung geht es aber fast immer um ein höheres Entgelt, sodass die Gleichartigkeit mit einer Klage wegen einer Diskriminierung beim Entgelt zu beurteilen gewesen wäre. In diesem Falle beträgt die Klagsfrist aber drei Jahre. Bei Beförderungsdiskriminierungen aufgrund der Weltanschauung kommen zudem auch ähnliche Überlegungen wie bei (sexuellen) Belästigungen hinzu. Bewerbungen von Personen, die nicht der oder den Weltanschauungen entsprechen, die in der jeweiligen Institution den Ton angeben, werden meist als „unfreundlicher Akt“ empfunden. Mit Hearings werden dann solche Personen zusätzlich gedemütigt. Schließlich kommt die – zu erwartende – Ablehnung. Dies kann in besonderen Fällen auch zu psychischen Beeinträchtigungen kommen, wenn trotz Bestqualifikation „anders Gefärbte“ den Vorzug bekommen. Für solcherart Diskriminierte kann eine Frist von sechs Monaten durchaus (zu) kurz sein, um sich über die Tragweite einer Klage ausreichend informieren zu können bzw überhaupt für sich selbst einen solchen Entschluss fassen zu können. Dabei ist ja insb das eigene berufliche Fortkommen zu bedenken, zumal eine Klage im aufrechten Arbeitsverhältnis gegen den eigenen AG sicherlich nie angenehm ist. Solche Überlegungen – über die kaum gesprochen wird – möge der OGH in einem zukünftigen Anwendungsfall bedenken. Auch das Beispiel ÖBAG spricht wohl für längere Fristen, wenn man sicherstellen will, dass der/die Beste diskriminierungsfrei ausgewählt werden soll (muss?). 441