WolfSabbaticals – Eine arbeitsrechtliche Untersuchung zu Sonderurlaub und Blockfreizeiten

Nomos Verlag, Baden-Baden 2020, 289 Seiten, kartoniert, € 76,–

KATHARINAFIGL (WIEN)

Die Freizeitgestaltung, va die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nimmt einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. Viele AN sehnen sich im Laufe ihres beruflichen Werdegangs nach einer Auszeit; die Beweggründe sind durch unterschiedliche Motive geprägt: von Weiterbildung und Umschulung bis hin zu Zeit für die Familie oder Fernreisen. „Sabbaticals“ sind in vielen Fällen eine willkommene Möglichkeit zur Realisierung dieser Wünsche.

Bei dem zu rezensierenden Werk handelt es sich um eine 2019 an der Universität Mannheim approbierte Dissertation, die folglich die deutsche Rechtslage untersucht. Der dieser Arbeit zugrunde gelegte Zentralbegriff „Sabbatical“ wird in der Einleitung definiert und von einer Bestandsschutz-, Freizeit-, und Optionsfunktion geprägt. Gegenstand der Untersuchung sind längere „Auszeiten“ von AN bei aufrechten/fortbestehenden Arbeitsverhältnissen, wobei der Fokus auf von AN finanzierten Freizeitmodellen liegt. Sowohl im deutschen als auch im österreichischen Arbeitsrecht finden sich gesetzlich geregelte Freistellungsansprüche, etwa zur Elternkarenz oder -teilzeit. Sabbaticals (in der Privatwirtschaft) sind derzeit weder in Österreich noch in Deutschland gesetzlich geregelt, weshalb eine grundlegende Untersuchung – wie in dieser Dissertation vorgenommen – begrüßenswert ist.

Der Verfasser identifiziert mehrere Umsetzungsmöglichkeiten: das Sonderurlaubmodell, mit vorübergehender Ruhendstellung des Arbeitsvertrags und dessen Hauptleistungspflichten sowie das befristete Teilzeitarbeitsverhältnis, bei welchem eine Blockfreizeit mit Bezügen als Resultat einer Verblockung von Arbeitszeit und Freizeit genutzt wird. Auf das Wertguthaben-/Ansparmodell, bei dem AN ein Budget, etwa aus Gehaltsbestandteilen oder Überstundenzuschlägen ansparen und für eine Freistellung verwenden, geht Hauke Darius Wolf nicht näher ein. Das ist aufgrund bereits vorliegender Untersuchungen zwar nachvollziehbar, angesichts der auch in Österreich seit Längerem bestehenden Debatte zur Einführung von Zeitwertkonten, durch welche lebensphasenbezogen Arbeitszeit aus intensiven Arbeitsphasen in Freizeitphasen zu einem späteren Zeitpunkt umgewandelt werden können, bedauerlich (vgl etwa Mazal/Mayr, Zeitwertkonten – Ein positiver Beitrag zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit, ecolex 2008, 112).

Auf Grundlage dieser Unterscheidung beleuchtet der Verfasser zunächst mögliche Anspruchsgrundlagen für Sabbaticals (S 73-159). Anschließend werden individual- und kollektivrechtliche Aspekte bei der Umsetzung beider Modelle (S 160-211) sowie die Rechtsfolgen (S 212-265) untersucht.

Vorauszuschicken ist, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich befristete berufliche Auszeiten grundsätzlich zwischen AG und AN vereinbart werden können, es hierzu allerdings keine allgemeine gesetzliche Grundlage gibt, von der ein Anspruch auf ein Sabbatical abgeleitet werden könnte. Durch den in Deutschland bestehenden Anspruch auf Brückenteilzeit gem § 9a Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) können AN jedoch eine Verringerung ihrer Arbeitszeit für eine im Voraus bestimmte Zeitspanne erwirken. Der begehrte Zeitraum muss mindestens ein Jahr und darf maximal fünf Jahre betragen und es dürfen keine betrieblichen Gründe dagegensprechen. Der Anspruch besteht nur, wenn AG idR mehr als 45 AN beschäftigen. AG haben allerdings die Möglichkeit, die Arbeitszeitverteilung später einseitig zu ändern, wenn betriebliche Interessen die AN-Interessen überwiegen. Der Autor gelangt überzeugend zum Ergebnis, dass § 9a TzBfG 454 durchaus zur Erlangung eines Sabbaticalanspruchs nach dem Teilzeitmodell herangezogen werden könne. Aufgrund der strikten gesetzlichen Anforderungen und der Möglichkeit der „Korrektur“ der Arbeitszeit durch AG bescheinigt er dieser Bestimmung allerdings lediglich geringe praktische Relevanz. In Österreich existiert kein Äquivalent zu § 9a TzBfG, welches AN einen allgemeinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung eröffnen könnte.

Wolf stellt sodann Überlegungen zu einem auf § 241 Abs 2 BGB gestützten Sabbaticalanspruch auf. Aus der darin enthaltenen allgemeinen Rücksichtnahmepflicht ergebe sich die Pflicht der AG zur Förderung der AN-Interessen und damit zusammenhängend eine Pflicht zur Unterstützung bei der Realisierung des Wunsches nach einem Sabbatical. Allerdings spricht der Autor AG einen Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung dieser Pflichten zu und gelangt aus diesem Grund zu dem Ergebnis, dass AN kein einklagbarer Anspruch auf eine Freistellung zustehe. Auch die Fürsorgepflicht der österreichischen Rechtsordnung (§ 1157 ABGB) verpflichtet AG in gewissem Umfang dazu, die Interessen der AN zu wahren. Zu den allgemein anerkannten, durch die Fürsorgepflicht geschützten Gütern zählen ua das Leben und die Gesundheit. Daher sind AG bspw verpflichtet, Anordnungen bezüglich der Erholungszeit zu treffen (§ 1157 Abs 2 ABGB). Damit ist nicht nur eine Rücksichtnahmepflicht auf Ruhebedürfnisse der AN iSd Arbeitszeitrechts, sondern auch eine Rücksichtnahmepflicht auf das Anliegen der AN, eine längere Erholungszeit zu konsumieren, gemeint. So deutet etwa Mayer-Maly (Individualarbeitsrecht [1987] 135 ff, 147 ff) das Urlaubsrecht als Ausfluss der Fürsorgepflicht. Diesen aus der Fürsorgepflicht abgeleiteten Pflichten wird mE jedoch durch das Arbeitszeit- und das Urlaubsrecht ausreichend entsprochen, weswegen kein Anspruch auf eine längere Freistellung iS eines Sabbaticals abgeleitet werden kann.

In Österreich sowie in Deutschland können Tarif-/ Kollektivverträge (bspw § 28 TVöD; § 11 KollV für AN der Universitäten und § 27 KollV für AN der ORF Fernsehprogramm-Service GmbH & Co KG) Regelungen zu Sabbaticals vorsehen, die als Grundlage für derartige Vereinbarungen dienen bzw auch Ansprüche vermitteln können.

Auch Betriebsvereinbarungen können Sabbaticalansprüche begründen und Klarheit über Rahmenbedingungen schaffen. Aus deutscher Perspektive prüft Wolf die Anwendbarkeit des § 87 Abs 1 Nr 5 BetrVG. Er gelangt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Begründung von Sabbaticalansprüchen iSd Sonderurlaubsmodells nicht als Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs 1 Nr 5 BetrVG zu qualifizieren sei, wobei die Freistellung seiner Meinung nach grundsätzlich als Urlaub iSd Betriebsverfassungsgesetzes aufzufassen sei. Allerdings könne mittels allgemeiner Urlaubsgrundsätze nur auf die Lage des Sabbaticals und nicht auf das Ob und die Dauer Einfluss genommen werden. In Österreich ist die Rechtslage im Ergebnis ähnlich: Eine Betriebsvereinbarung kann gem § 97 Abs 1 Z 10 ArbVG Grundsätze betreffend den Verbrauch des Erholungsurlaubs enthalten. Das Gesetz spricht allerdings ausdrücklich nur vom „Erholungs“-urlaub, woraus geschlossen werden kann, dass die Regelungsermächtigung für andere Dienstfreistellungen, wie ua Sonderurlaube, bei denen es nicht primär um einen Erholungsfaktor geht, nicht gilt (vgl insb Binder in Tomandl, ArbVG § 97 [11. Lfg 2013] Rz 142). Einer aA zur Folge – der auch Wolf im Wesentlichen folgt – weisen Sabbaticals eine Ähnlichkeit mit der individuellen Vereinbarung von Erholungsurlaub auf, da ein Erholungsurlaub nicht zwingend zur Erholung dienen muss und bspw wie ein Sabbatical zur Weiterbildung oder Umschulung genutzt werden kann. Durch diese Ähnlichkeit ist auch bei Sabbaticals ein Bedürfnis nach grundsätzlichen Regelungen gegeben (vgl Burger-Ehrnhofer/Drs/Eichinger/Födermayr/Jabornegg/Mayr/Reiner in Jabornegg/Resch, ArbVG § 97 Rz 288 [Stand 1.3.2016, rdb.atrdb.at]).

Zuletzt prüft Wolf, ob durch eine betriebliche Übung, dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder eine Auslobung (in Deutschland Gesamtzusage) Ansprüche auf ein Sabbatical entstehen können und bejaht dies, sofern die allgemeinen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Diese Gestaltungsformen sind allerdings stark durch die betriebliche Praxis geprägt und werden aus diesem Grund – solange Sabbaticals noch nicht institutionalisiert sind – praktisch kaum zu einem Sabbaticalanspruch führen.

Durch die bestehenden Unterschiede zwischen der deutschen und der österreichischen Rechtslage ist dieses Buch nur eingeschränkt österreichischen RechtsanwenderInnen zu empfehlen. Die vorliegende Rezension beschäftigt sich mit dem Abschnitt über mögliche Anspruchsgrundlagen für Sabbaticals, da die Überlegungen hierzu für österreichische LeserInnen besonders interessant sind. Bei umsichtiger Berücksichtigung der Unterschiede lassen sich jedoch auch aus den übrigen Kapiteln zahlreiche der herausgearbeiteten Argumente auf die österreichische Rechtsordnung übertragen. Dem Autor ist es gelungen, ausführlich und kritisch alle sich ergebenden Fragestellungen iZm Sabbaticals aus wissenschaftlicher Perspektive auszuarbeiten. Der angenehme Stil und die intuitive Strukturierung der Untersuchung führen dazu, dass die dabei gewonnenen Ergebnisse sehr gut vermittelt werden.