41Rehabilitationsgeld und Mehrfachversicherung
Rehabilitationsgeld und Mehrfachversicherung
Beim Rehabilitationsgeld können auch zwei parallele Beschäftigungsverhältnisse gemeinsam die „letzte Erwerbstätigkeit“ (§ 143a Abs 2 Satz 1 ASVG) sein. Sie sind daher beide bei der Bemessung zu berücksichtigen.
Bemisst sich das Rehabilitationsgeld nach mehreren Beschäftigungen, ist es unerheblich, dass die Pflichtversicherung in der KV in einem Beschäftigungsverhältnis früher als in einem anderen geendet hat.
[1] Gegenstand des Rekursverfahrens ist die Bemessung des Rehabilitationsgeldes im Fall zweier parallel laufender Beschäftigungsverhältnisse.
[2] Die Kl war im Zeitraum von 10.4.2010 bis 31.10.2019 bei der P* GmbH und im Zeitraum von 1.6.2015 bis 7.1.2019 bei der G* GmbH beschäftigt. Der volle Entgeltfortzahlungsanspruch zur P* GmbH endete am 15.6.2018 und jener zur G* GmbH am 8.8.2018. Die Kl bezog Krankengeld im Zeitraum von 16.6.2018 bis 31.10.2018 aus dem Beschäftigungsverhältnis zur P* GmbH und im Zeitraum von 9.8.2018 bis 31.10.2018 aus dem Beschäftigungsverhältnis zur G* GmbH. Seit 1.11.2018 bezieht die Kl Rehabilitationsgeld.
[3] Mit Bescheid vom 28.1.2020 lehnte die Bekl den Antrag der Kl ab, ihr ab 1.11.2018 ein höheres Rehabilitationsgeld als täglich 30,31 € brutto bzw 31,10 € brutto zu zahlen.
[4] In ihrer Klage macht die Kl im Wesentlichen geltend, sie habe Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus beiden Dienstverhältnissen. [...]
[5] Die Bekl bestreitet und beantragt die Klageabweisung. Das Rehabilitationsgeld gebühre im Ausmaß des Krankengeldes, das aus der letzten, eine Pflichtversicherung in der KV (nach dem ASVG oder dem B-KUVG) begründenden Erwerbstätigkeit gebührt hätte (§ 143a Abs 2 Satz 1 ASVG).
[...] Zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes sei daher nur dieses Beschäftigungsverhältnis heranzuziehen.
[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. [...] Der Zweck des Rehabilitationsgeldes, den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust zumindest teilweise zu ersetzen, werde dadurch Genüge getan, dass das Rehabilitationsgeld jedenfalls in der Höhe des Richtsatzes gebühre.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. [...] § 143a Abs 1 Satz 2 ASVG sei [...] dahin zu verstehen, dass im Falle zweier parallel laufender Dienstverhältnisse diese bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes gleichermaßen „die letzte Erwerbstätigkeit“ darstellen und gemeinsam zu berücksichtigen seien. Ob die Pflichtversicherung in der KV allenfalls aufgrund des Endes eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung vor dem Ende des Dienstverhältnisses geendet habe, sei nicht maßgeblich. § 143a Abs 2 ASVG stelle darauf ab, dass die letzte Erwerbstätigkeit als solche „ihrem Wesen nach“ eine Pflichtversicherung in der KV begründe. Die Kl habe daher Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus beiden Dienstverhältnissen. [...]
[8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den OGH mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rsp zum Verständnis des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG im Zusammenhang mit [...] parallel bestehende[n] Dienstverhältnisse[n] fehle.
[9] Mit ihrem Rekurs an den OGH strebt die Bekl die Wiederherstellung des abweislichen Ersturteils an.
[...]
[11] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
[12] 1.1 Der Zweck des Rehabilitationsgeldes liegt darin, einen Ersatz für die weggefallene befristete 414 Invaliditätspension zu schaffen (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 20). Während die Invalidi[t]äts- bzw Berufsunfähigkeitspension eine Leistung mit Pensionscharakter ist, ist das Rehabiliationsgeld als eine dem Krankengeld ähnliche Leistung konzipiert, wodurch das Prinzip „Rehabilitation vor Pension“ verstärkt und die Rückkehr in die Arbeitswelt gefördert werden soll (10 ObS 123/17m SSV-NF 32/2). Das Rehabilitationsgeld ist funktional eine Fortsetzung des Krankengeldbezugs bzw dem Krankengeldanspruch nachgebildet. Auch nach der Systematik des Krankengeldes liegt der Fokus auf der Einkommensersatzfunktion (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 18). Der durch die Arbeitsunfähigkeit erlittene Entgeltverlust soll zumindest teilweise ersetzt werden und eine finanzielle Absicherung des Versicherten während der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit gewährleistet sein (10 ObS 98/16h SSV-NF 30/81; Födermayr in Mosler/Müller/Pfeil in SV-Komm [249. Lfg] § 143a ASVG Rz 14).
[13] 1.2 Gem § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG idF BGBl I 2018/59gebührt das Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes nach § 141 Abs 1 ASVG und ab dem 43. Tag im Ausmaß des erhöhten Krankengeldes nach § 141 Abs 2 ASVG, das aus der letzten eine Versicherung nach dem ASVG oder nach dem B-KUVG begründende(n) Erwerbstätigkeit gebührt hätte.
[...]
[16] 1.5 Bei mehrfacher KV gebührt Krankengeld als Barleistung aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen (§ 128 Satz 2 ASVG). Da das Krankengeld Einkommensersatzfunktion hat und zu einem bestimmten Prozentsatz das ausfallende Einkommen des Versicherten ersetzen soll, soll ein Versicherter, der mehrere Beschäftigungen nebeneinander ausübt (und in beiden Beschäftigungsverhältnissen arbeitsunfähig ist), nach dem Willen des Gesetzgebers Krankengeld aus allen diesen Beschäftigungen erhalten. Der Versicherte, der sein Einkommen im Rahmen mehrerer Versicherungsverhältnisse erwirbt, soll pro Versicherungsverhältnis den entsprechenden Anteil an Geldleistungen erhalten (Windisch-Graetz in Mosler/Müller/Pfeil in SV-Komm [164. Lfg] § 128 ASVG Rz 4). Wäre ein Versicherter hingegen nur in einem seiner beiden Beschäftigungsverhältnisse als arbeitsunfähig anzusehen, hätte er nur aus diesem Anspruch auf Krankengeld (Schober in Sonntag, ASVG11 [2020] § 143 Rz 6a).
[17] 2.1 Obwohl § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG seinem Wortlaut nach für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes auf „die letzte eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Erwerbstätigkeit“ abstellt, somit nach dem Wortlaut von der Ausübung nur einer einzigen Erwerbstätigkeit ausgeht, führt der dargelegte Zweck des Rehabilitationsgeldes sowie seine systematische Anknüpfung an das Krankengeld bei Vorliegen zweier paralleler Beschäftigungsverhältnisse und Eintreten der Arbeitsunfähigkeit in beiden Beschäftigungsverhältnissen dazu, dass beide Beschäftigungsverhältnisse für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen sind, sofern diese Beschäftigungsverhältnisse eine Pflichtversicherung in der KV nach dem ASVG oder B-KUVG begründet haben. Wollte man lediglich eines von mehreren Beschäftigungsverhältnissen heranziehen, aus denen der Versicherte bisher sein Einkommen bezogen hat, wäre der Absicht des Gesetzgebers, eine finanzielle Absicherung während der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, nicht erfüllt. Diesem Zweck wird auch nicht dadurch Genüge getan, dass das Rehabilitationsgeld in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende gebührt (§ 143a Abs 2 Satz 3 ASVG), weil es sich dabei der Sache nach um eine Maßnahme der Mindestsicherung bzw Sozialhilfe handelt (Födermayr in SV-Komm [249. Lfg] § 143a ASVG Rz 15).
[18] 2.2 Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist als Zwischenergebnis daher festzuhalten, dass bei Bestehen von zuletzt zwei Erwerbstätigkeiten, die eine Pflichtversicherung in der KV nach dem ASVG oder B-KUVG begründet haben, beide Erwerbstätigkeiten in gleicher Weise „die letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG darstellen und gemeinsam bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen sind.
[...]
[26] 4.2 Seinem Wortlaut nach stellt § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG nicht auf das (infolge Krankengeldbezugs) zum Zeitpunkt der Gewährung des Rehabilitationsgeldes aktuelle Nichtbestehen einer aufrechten Pflichtversicherung in der KV ab, sondern knüpft die Bemessung des Rehabilitationsgeldes an das Ausmaß des Krankengeldes, das aus der letzten eine Pflichtversicherung nach dem ASVG oder B-KUVG begründenden Erwerbstätigkeit „gebührt hätte“. Es soll immer jene letzte Erwerbstätigkeit zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes herangezogen werden, die nach dem ASVG oder B-KUVG eine Pflichtversicherung in der KV begründet hat (ErlRV 900 BlgNR 25. GP 20). Bestehen zuletzt zwei derartige Erwerbstätigkeiten, stellen beide Erwerbstätigkeiten in gleicher Weise „die letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG dar (siehe oben Pkt 2.2). Dem Ende der Pflichtversicherung in der KV infolge Bezugs von Krankengeld im Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes in einem der beiden Versicherungsverhältnisse kommt für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes somit keine Bedeutung zu.
[27] 5. Aus der historischen Entwicklung des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG ergibt sich nichts anderes:
[28] 5.1 Nach § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG idF des SRÄG 2012 (BGBl I 2013/3) war Anknüpfungspunkt für das Ausmaß des Rehabilitationsgeldes das Krankengeld, das „aus der letzten Erwerbstätigkeit“ gebührt hätte.
[29] 5.2 Mit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz 2015 (SVAG, BGBl I 2015/2) wurde der Anknüpfungspunkt mit der „eine Versicherung nach diesem Bundesgesetz oder nach dem B-KUVG begründenden Erwerbstätigkeit“ konkretisiert. Damit sollte klargestellt werden, dass ausschließlich solche Erwerbstätigkeiten der Berechnung des Rehabilitationsgeldes zugrunde gelegt werden, die eine Versicherung nach ASVG oder B-KUVG 415 begründen (ErlRV 321 BlgNR 25. GP 5; Sonntag in Sonntag, ASVG11 § 143a Rz 13).
[30] 5.3 Eine weitere Modifikation des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG erfolgte durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 (SRÄG 2015, BGBl I 2015/162). Der Ausdruck „Versicherung“ wurde durch den Ausdruck „Pflichtversicherung in der Krankenversicherung“ ersetzt, sodass nunmehr das „aus der letzten eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz oder nach dem B-KUVG begründete Erwerbstätigkeit“ gebührende Krankengeld maßgeblich ist. [...] Durch die Änderung solle klargestellt werden, dass immer jene letzte Erwerbstätigkeit zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes herangezogen werden soll, die eine Pflichtversicherung in der KV begründet hat, wodurch den betroffenen Personen in der Regel ein höheres Rehabilitationsgeld zustehe (ErlRV 900 BlgNR 25. GP 20).
[31] 5.4 Aus der Entwicklung des § 143a Abs 2 erster Satz ASVG ist daher abzuleiten, dass der Gesetzgeber sukzessive den Kreis der für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes relevanten Erwerbstätigkeiten verkleinert und zuletzt – zugunsten der Versicherten – bestimmte Erwerbstätigkeiten ausgeschlossen hat. Hingegen fehlen Anhaltspunkte dafür, dass – zum Nachteil der Versicherten – parallel nebeneinander ausgeübte Erwerbstätigkeiten bzw Beschäftigungsverhältnisse für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes allein deshalb ausgeschlossen werden sollten, weil zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes (infolge Krankengeldbezugs nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs) keine aufrechte Pflichtversicherung in der KV bestehen sollte. Dass die (gegenteilige) Argumentation der Bekl zu unsachlichen und zufälligen Ergebnissen führen würde, wird in jenem Fall besonders deutlich, in dem der Entgeltfortzahlungsanspruch aus zwei parallel laufenden Beschäftigungsverhältnissen zum selben Zeitpunkt endet und danach aus beiden Versicherungsverhältnissen Krankengeld bezogen wird. In diesem Fall ließe sich eine – nach dem Verständnis der Bekl – „letzte“ Erwerbstätigkeit mit Pflichtversicherung aus der KV nicht finden.
[32] 7.1 Zusammenfassend ergibt sich:
[33] Haben zuletzt zwei Beschäftigungsverhältnisse parallel nebeneinander bestanden und sind zu Ende gegangen, stellen beide zusammen die „letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG dar und sind daher gemeinsam bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen, dies unabhängig davon, dass die Pflichtversicherung in der KV in einem der Beschäftigungsverhältnisse mit dem Ende des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung früher als in dem anderen Beschäftigungsverhältnis geendet hat.
[34] 7.2 Die Kl hat daher Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus ihren beiden Dienstverhältnissen.
[35] 8. Das Berufungsgericht hat das bisherige Verfahren im Hinblick darauf als ergänzungsbedürftig erachtet, dass die Bemessungsgrundlage aus dem Dienstverhältnis zur P* GmbH bisher weder erörtert wurde noch dazu Feststellungen getroffen.
wurden. Dem kann der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.
[36] Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.
[...]
Der OGH befasst sich in dieser E mit der Höhe des Rehabilitationsgeldes bei Mehrfachversicherung. Die Kl hatte zwei unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse, die beide zur Vollversicherung nach ASVG führten. Sie war arbeitsunfähig und erhielt zunächst Entgeltfortzahlung von ihren DG. Dann bezog sie Krankengeld und beantragte schließlich Rehabilitationsgeld.
Nach § 143a Abs 2 ASVG wird zur Bemessung auf das Ausmaß des Krankengeldes aus der „letzten eine Pflichtversicherung nach ASVG oder B-KUVG begründenden Erwerbstätigkeit“ abgestellt. Nach dem bekl Sozialversicherungsträger sei der Verweis auf die „letzte Erwerbstätigkeit“ so zu verstehen, dass für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes nur jene Erwerbstätigkeit relevant sei, die zuletzt eine Pflichtversicherung in der KV begründet hat. Die andere Erwerbstätigkeit sei hingegen außer Acht zu lassen. Dort sei sie „zuletzt“ – wegen des früheren Bezugs von Krankengeld – nur mehr in der PV teilversichert gewesen (§ 8 Abs 1 Z 2 lit c ASVG). Der OGH lehnt diese Auffassung ab. Seiner ausführlichen Beurteilung zufolge seien alle in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten zu berücksichtigen. Gab es zuletzt also mehrere Beschäftigungsverhältnisse, so seien diese zusammen die „letzte Erwerbstätigkeit“, unabhängig davon, ob die Pflichtversicherung bei einer Erwerbstätigkeit schon zuvor geendet hat.
Die Entscheidung überzeugt in zweierlei Hinsicht: Zunächst steht sie im Einklang mit allgemeinen Überlegungen zu Krankenversicherungsleistungen bei Mehrfachversicherung (dazu Pkt 2.). Zudem trifft das Ergebnis auch bei genauer Betrachtung des § 143a Abs 2 ASVG zu (dazu Pkt 3.).
Übt eine Person mehrere versicherungspflichtige Erwerbstätigkeiten nebeneinander aus, begründet jede dieser Tätigkeiten ein eigenes Versicherungsverhältnis. So können mehrere Versicherungsverhältnisse nach ASVG oder nach ASVG und einem anderen System begründet werden (vgl Windisch-Graetz in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 128 Rz 1 ASVG [Stand 1.9.2016, rdb.at]). Für diese Mehrfachversicherung gilt das Prinzip der isolierten Betrachtungsweise (Windisch-Graetz, Probleme der Mehrfachversicherung, DRdA 2004, 523 [524]): Jede Beschäftigung begründet ein eigenes Versicherungsverhältnis. Jedes davon ist zunächst bis zur Höchstbeitragsgrundlage beitragspflichtig 416 (§ 45 Abs 2 ASVG; € 5.550,– monatlich für 2021). Wird die (einfache) Höchstbeitragsgrundlage in Summe überschritten, ist eine Erstattung vorgesehen. Sie gilt aber nur in der PV (§ 70 ASVG) und KV (§ 70a ASVG) und auch in diesen Fällen nur für die DN-Beiträge. Verfassungsrechtlich geboten wäre aber auch das nicht (so bereits VfGHB 20/64 VfSlg 4714). Nach stRsp gilt zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung kein Grundsatz der Äquivalenz. Im Vordergrund steht damit nicht der Versicherungsgedanke (wie in der Vertragsversicherung), sondern der Versorgungsgedanke. Der Gesetzgeber hat insofern einen rechtspolitischen Gestaltungspielraum, sodass Beiträge nicht zwangsläufig leistungswirksam sein müssen (dazu etwa VfGHG 392/96 ua VfSlg 14.802; ausführlich Pöschl, Höchstbeitragsgrundlage und Mehrfachversicherung, in Kneihs/Lienbacher/Runggaldier, Wirtschaftssteuerung durch Sozialversicherungsrecht [2005] 100).
Seit 1.1.2020 werden die Beiträge von Amts wegen erstattet (BGBl I 2018/100BGBl I 2018/100; erstmals mit 30.6.2020). Mit Richtlinie des Dachverbandes wird die Zuständigkeit für die Erstattung unter den Sozialversicherungsträgern bestimmt (RVABE 2021, avsv 102/2020).
Die Mehrfachversicherung wirkt sich auch im Leistungsrecht aus. In der KV gilt: Sachleistungen gebühren einmal, Geldleistungen mehrmals (§ 128 ASVG). Auch mehrfache Geldleistungen sind insgesamt durch die (einfache) Höchstbeitragsgrundlage beschränkt (Windisch-Graetz in SV-Komm § 128 ASVG Rz 4 [Stand 1.9.2016, rdb.at]). Denkbar ist aber auch, dass der Versicherungsfall nur in einem von mehreren Versicherungsverhältnissen eintritt. Ist die DN nur in einem Dienstverhältnis arbeitsunfähig, im anderen aber nicht, kann ihr für dieses eine Dienstverhältnis Krankengeld gebühren. Zum Ruhen kommt es nicht, nur weil im anderen Dienstverhältnis noch Entgelt bezogen wird (vgl Pöltner/Pacic, ASVG [139. Lfg] § 128 Anm 5). Auch das ergibt sich aus dem Prinzip der isolierten Betrachtungsweise. Dies wird zusätzlich durch § 143 Abs 4 ASVG klargestellt, wonach bei mehrfacher KV das Ruhen des Krankengeldes für jedes Versicherungsverhältnis getrennt zu beurteilen ist.
Zu prüfen ist aber, welche Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, wenn in mehreren Dienstverhältnissen gemeinsam die Höchstbeitragsgrundlage überschritten wird, der Versicherungsfall aber nur im einen Versicherungsverhältnis eintritt, das (für sich betrachtet) unter der Höchstbeitragsgrundlage bleibt.
Klar ist: Geldleistungen in der KV bemessen sich nach dem beitragspflichtigen Arbeitsverdienst (§ 125 Abs 1 HS 1 ASVG; dazu etwa OGH10 ObS 98/16h SVSlg 65.417; Schober in Sonntag, ASVG12 § 125 Rz 1, 6; auch Födermayr in SV-Komm § 143a ASVG Rz 14 [Stand 1.3.2020, rdb.at]). Verdient eine DN in zwei Dienstverhältnissen jeweils € 4.000,–, so überschreitet sie – für sich betrachtet – in keinem der beiden die Höchstbeitragsgrundlage. Weil die Höchstbeitragsgrundlage aber gemeinsam überschritten wird, kommt es zur Beitragserstattung. Der Arbeitsverdienst ist also im Ergebnis in keinem der beiden Dienstverhältnisse in voller Höhe beitragspflichtig. ME muss die Beitragserstattung daher auch bei der Bemessung einer Geldleistung aus der KV berücksichtigt werden. Andernfalls würde man die Leistung nach einem Verdienst bemessen, der in dieser Höhe gar nicht beitragspflichtig war. Zumindest teilweise dürfte es aber der Praxis entsprechen, ein gemeinsames Überschreiten der Höchstbeitragsgrundlage unberücksichtigt zu lassen. Geldleistungen werden dann nach dem Verdienst der jeweiligen Tätigkeit bemessen. Die Höchstbeitragsgrundlage wird dann nur isoliert für dieses Versicherungsverhältnis berücksichtigt.
Im Ergebnis wird dann aber nicht beitragspflichtiger Arbeitsverdienst berücksichtigt. Dagegen könnte eingewendet werden, dass zumindest insgesamt bis zur Höchstbeitragsgrundlage Beiträge entrichtet wurden. Dabei ist aber zu beachten, dass dann auch Beiträge aus einem anderen Dienstverhältnis zur Bemessung herangezogen werden, obwohl in diesem der Versicherungsfall (noch) nicht eingetreten ist.
ME erscheint es daher zweckmäßig, bei der Bemessungsgrundlage den Überschreitungsbetrag (iSd § 70a Abs 1 ASVG) anteilig zu berücksichtigen. Hat eine DN in zwei Dienstverhältnissen insgesamt einen Arbeitsverdienst über der Höchstbeitragsgrundlage und erkrankt sie im einen Dienstverhältnis, so ist vom Überschreitungsbetrag der entsprechende Anteil zu ermitteln. Die Bemessungsgrundlage jenes Versicherungsverhältnisses, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist um den anteiligen Überschreitungsbetrag zu reduzieren. Der Arbeitsverdienst im ersten Dienstverhältnis kann nicht im vollen Umfang der Bemessung zugrunde gelegt werden, weil er nicht in voller Höhe beitragspflichtig ist. Dass zwar insgesamt mehr Beiträge (nämlich für weitere Versicherungsverhältnisse) entrichtet wurden, bleibt unberücksichtigt, wenn in dieser der Versicherungsfall nicht eintritt (schon wieder: Prinzip der isolierten Betrachtungsweise).
Freilich sind in der Praxis DN selten nur im einen Dienstverhältnis arbeitsunfähig und im anderen nicht. Diese Überlegung ist aber keine reine Hirngymnastik. Das Problem stellt sich auch dann, wenn der Versicherungsfall zwar in allen Dienstverhältnissen eintritt, das aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Üben mehrfachbeschäftigte DN ihre Tätigkeiten an unterschiedlichen Tagen aus, beginnt die Entgeltfortzahlung – und daran anschließend auch das Krankengeld – an unterschiedlichen Tagen. Auch in diesem Fall ist zu überlegen, wie hoch der Anspruch in den einzelnen Dienstverhältnissen denn nun genau ist, wenn Krankengeld im einen Dienstverhältnis schon zusteht, während es im anderen – aufgrund der (auslaufenden) Entgeltfortzahlung – noch ruht.
Es wäre also schon aufgrund des Prinzips der isolierten Betrachtungsweise geboten, alle in Betracht kommenden Erwerbstätigen zu berücksichtigen. Es ist nicht erkennbar, dass § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG von diesem Prinzip abgehen will. 417
Das Rehabilitationsgeld bemisst sich nach der „letzten eine Pflichtversicherung nach ASVG oder B-KUVG begründenden Erwerbstätigkeit“ (§ 143a Abs 2 Satz 1 ASVG). Der OGH geht zunächst vom Wortlaut aus. Er gesteht zu, dass dieser durchaus auch so verstanden werden könnte, dass auf eine einzige Erwerbstätigkeit abzustellen wäre.
Das widerspricht freilich dem Konzept der Mehrfachversicherung, wonach Geldleistungen mehrfach erbracht werden. Dabei betont der OGH zu Recht die Einkommensersatzfunktion des Rehabilitationsgeldes. Das Rehabilitationsgeld soll zudem das Krankengeld funktional fortsetzen (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 18). Da bei mehrfacher KV Krankengeld aus jeder in Betracht kommenden Versicherung gebührt, stünde eine Einschränkung des Rehabilitationsgeldes dieser Zielsetzung entgegen. Wäre auch im Falle der Mehrfachversicherung allein die letzte eine Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit maßgebend, käme es zu zufälligen Ergebnissen. Ausschlaggebend könnte dann nämlich auch eine untergeordnete Erwerbstätigkeit sein, die nur einen Bruchteil des Gesamteinkommens ausmacht. Einer Einkommensersatzfunktion wird man damit nicht gerecht. Diese Auslegung wird auch in nachfolgenden Entscheidungen bestärkt (OGH 15.12.2020, 10 ObS 147/20w; OGH 26.2.2021, 10 ObS 11/21x).
Gerade, weil Geldleistungen mehrfach erbracht werden, ist der Wortlaut aber nicht so irritierend, wie der OGH zunächst annimmt: Tatsächlich gebührt das Rehabilitationsgeld – aus der Perspektive der Mehrfachversicherung – nicht einmal, sondern grundsätzlich für jede Versicherung.
Damit steht man aber vor dem Problem, dass selbst bei kurzen Überschneidungen der Versicherungsverhältnisse eine Mehrfachversicherung anzunehmen wäre. Geldleistungen gebühren dann mehrfach. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn ein Dienstverhältnis auf ein anderes folgt, aber aus dem ersten noch Urlaubsersatzleistung zusteht. Bei der Urlaubsersatzleistung handelt es sich schließlich um Erwerbseinkommen, das zur Verlängerung der Pflichtversicherung über das Ende des Dienstverhältnisses hinausführt. Die Mehrfachversicherung wäre in diesem Fall auch dann noch zu berücksichtigen, wenn sowohl das erste Dienstverhältnis als auch die dadurch begründete Pflichtversicherung längst beendet sind. Ganz anders wäre hingegen der Fall zu behandeln, in dem ein Dienstverhältnis auf das andere folgt, ohne dass es zu einer Überschneidung der Versicherungsverhältnisse kommt. Hier ist jedenfalls nur die letzte Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen (dazu näher Sonntag, Unionsrechtliche Koordinierung und Höhe des Rehabilitationsgeldes, ASoK 2014, 346 [349]).
Mehrfachversicherungen sollten hinsichtlich des Rehabilitationsgeldes daher nur eingeschränkt berücksichtigt werden, da andernfalls auch kurzfristige Überschneidungen ausschlaggebend sind; ohne dass dies iS eines Einkommensersatzes erforderlich wäre. Kommen daher für die Leistung mehrere Erwerbstätigkeiten in Betracht, muss der OGH so verstanden werden, dass nur jene zu berücksichtigen sind, bei denen im relevanten Zeitpunkt (zumindest) das Dienstverhältnis oder die Pflichtversicherung noch aufrecht bestand. Besteht also etwa noch das Dienstverhältnis, soll es unerheblich sein, dass die Pflichtversicherung bereits geendet hat.
Im Ergebnis sind alle Versicherungsverhältnisse für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes zu berücksichtigen. Unerheblich ist dabei, dass die Pflichtversicherung in der KV in einem Dienstverhältnis früher geendet hat als im anderen. Diese E wurde vom OGH bereits in darauffolgenden Entscheidungen bestätigt. Demnach ist es auch nicht beachtlich, ob bei der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes noch eine KV wegen des Bezugs von Krankengeld bestand (OGH 15.12.2020, 10 ObS 147/20w). Zwei „letzte Erwerbstätigkeiten“ liegen auch dann vor, wenn die Versicherte neben einer Beschäftigung als Angestellte auch eine Urlaubsersatzleistung aus einer weiteren Beschäftigung erhält (OGH 26.2.2021, 10 ObS 11/21x). 418