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Einstufung eines mit einem Working-Holiday-Visum eingereisten ausländischen Arbeitnehmers gemäß KollV Bauindustrie und Baugewerbe

FRANKHUSSMANN
Pkt VII der Lohntafel des KollV für Arbeiter in der Bauindustrie und im Baugewerbe; § 3 Abs 8 AuslBG; § 1 Z 14 AuslBVO

Der AN, ein chilenischer Staatsangehöriger, reiste mit einem Working-Holiday-Visum für ein Jahr nach Österreich, um Deutsch zu lernen, in Österreich zu arbeiten und Europa zu bereisen. Er befand sich damals nicht in einer Ausbildung.

Der AN verfügte über eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice (AMS) nach § 3 Abs 8 AuslBG (iVm § 1 Abs 4 AuslBG), die besagte, dass die in § 1 Z 14 Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO) normierten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 1 Z 14 AuslBVO sind ua Staatsangehörige von Chile, die das 18. Lebensjahr vollendet und das 31. Lebensjahr nicht überschritten haben, hinsichtlich ihrer Beschäftigung während eines längstens zwölfmonatigen Ferienaufenthalts im Bundesgebiet, sofern österreichische StaatsbürgerInnen in diesen Staaten und Gebieten jeweils auf Basis der Gegenseitigkeit unter den gleichen Voraussetzungen eine Beschäftigung aufnehmen dürfen, vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen. Die von der Anwendung des AuslBG ausgenommenen Arbeitsurlauber dürfen jede beliebige Beschäftigung unter Einhaltung der in Österreich geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften aufnehmen.

Der AN war dann vom 26.3. bis zum 9.5.2019 beim AG gemäß dem KollV für Arbeiter in der Bauindustrie und dem Baugewerbe beschäftigt. Zu den Aufgaben des AN zählten Hilfsarbeitertätigkeiten wie das Grundieren, das Mischen von Mörtel, Reinigungsarbeiten, das Wegräumen von Schutt, die Mithilfe beim Abreißen einer Ziegelmauer und Materialtransport.

Der AG entlohnte den AN während der gesamten Beschäftigungsdauer als „Praktikant“. Pkt VII. der Lohntafel des oben genannten KollV definiert die folgenden beiden Gruppen unter dem Oberbegriff „Praktikanten“: a) Pflichtpraktikanten, das sind Schüler und Studenten, die eine im Rahmen des Lehrplanes bzw der Studienordnung vorgeschriebene oder übliche praktische Tätigkeit verrichten, sowie b) Ferial-AN, das sind solche, die nicht unter lit a) fallen und in Zeiten von Schulferien vorübergehend beschäftigt werden.

Laut dem AG war der AN als „Ferial-AN“ einzustufen, weil er über eine Bescheinigung des AMS nach § 3 Abs 8 AuslBG (iVm § 1 Abs 4 AuslBG) verfügte, die bestätigte, dass die in § 1 Z 14 AuslBVO normierten Voraussetzungen erfüllt sind und 377in diesem Paragraphen von einem „Ferienaufenthalt“ gesprochen wird.

Die Vorinstanzen gaben dem der Höhe nach unstrittigen Klagebegehren des AN auf Zahlung der sich aus der Einstufung als „Praktikant“ nach Lohngruppe VII. b) des KollV und als „Hilfsarbeiter“ ergebenden Lohndifferenz übereinstimmend statt. Bei der Auslegung des KollV waren diese zu dem Schluss gekommen, dass der AN nach dem Wortlaut des Pktes VII. b) der Lohntafel nicht als „Ferial-AN“ einzustufen ist, weil er nicht in Zeiten von Schulferien vorübergehend beschäftigt wurde.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des AG gegen die Entscheidung der Vorinstanz mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gem § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Der OGH führte dazu aus, dass der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung dann keine erhebliche Bedeutung zukommt, wenn die Bestimmung klar und eindeutig ist. Laut dem OGH ist bei der Auslegung eines KollV in erster Linie der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Eine über die Wortinterpretation hinausgehende Auslegung ist (nur) dann erforderlich, wenn die Formulierung mehrdeutig, missverständlich oder unvollständig ist, wobei der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung bildet. Weist der KollV eine planwidrige Lücke auf, ist diese entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für die Gesetzesauslegung im Weg der Analogie zu schließen.

Gemäß dem OGH ist das Ziel der „Working Holiday Programme“ iVm § 1 Z 14 AuslBVO, dass Personen, die einen längerfristigen Ferienaufenthalt in Österreich verbringen wollen, bewilligungsfrei in Österreich arbeiten dürfen, um so den Aufenthalt mitfinanzieren zu können. Daran zeigt sich laut OGH, dass die Schlussfolgerung des AG, allein aus der vorgelegten Bestätigung gem § 3 Abs 8 AuslBG müsse die Einstufung als „Ferial-AN“ iSd KollV folgen, weil in § 1 Z 14 AuslBVO von einem „Ferienaufenthalt“ die Rede sei, nicht zutrifft und keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Entgegen der Meinung des AG hat das Berufungsgericht laut dem OGH die Einstufung eines Arbeitsurlaubers iSd § 1 Z 14 AuslBVO als Praktikant nach Pkt VII. b) des KollV auch keineswegs generell ausgeschlossen, sondern nur im konkreten Einzelfall verneint, ohne dass ihm dabei eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.