183Mündliche Geltendmachung der Abfertigung zur Anspruchswahrung nach § 51 Abs 6 Oö LVBG ausreichend
Mündliche Geltendmachung der Abfertigung zur Anspruchswahrung nach § 51 Abs 6 Oö LVBG ausreichend
Der Kl war vom 3.12.1991 bis 28.2.2017 bei der Bekl als Vertragsbediensteter beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch DG-Kündigung mit Schreiben vom 27.9.2016.
In der Zeit von 28.2.2017 bis August 2017 wies der Kl die Bekl mehrmals mündlich auf seine Ansprüche auf Nachzahlung der Bezugskürzung, die Abfertigung und die Jubiläumszuwendung hin. Bei allen Gesprächen erhielt er die gleichlautende Auskunft, dass ihm die Ansprüche aufgrund des Gesetzes nicht zustünden. Mit Schreiben vom 30.8.2017 – beim Amt der Oö Landesregierung eingegangen am 1.9.2017 – forderte der Kl die Bekl zur Zahlung der Gehaltsdifferenz, des anteiligen Urlaubsgeldes, des Jubiläumsgeldes und der Abfertigung auf.
Der Kl begehrte mit der vorliegenden Klage von der Bekl den Betrag von € 98.246,55 sA. Weiters begehrte er die Feststellung der Haftung der Bekl für sämtliche Schäden aus der Kündigung.
Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren und auch das Feststellungsbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl gegen das klagsstattgebende Zwischenurteil statt und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Verhinderung des Verfalls nach § 51 Abs 6 Oö. Landes-Vertragsbedienstetengesetz (Oö LVBG) erfordere die gerichtliche (zumindest aber die schriftliche) Geltendmachung des Anspruchs. Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da keine Rsp zur Frage bestehe, welche Form der Geltendmachung § 51 Abs 6 Oö LVBG zur Anspruchswahrung verlange.
Die Revision des Kl ist laut OGH zulässig und berechtigt.
Gem § 56 Abs 1 Oö LVBG gebührt dem Vertragsbediensteten beim Enden des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. § 51 Abs 6 Oö LVBG lautet:
„Sämtliche Leistungs-, Feststellungs- und rechtsgestaltende Begehren und Ansprüche aus dem Titel der Beendigung eines Dienstverhältnisses können bei sonstigem Ausschluss nur binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages des Zugangs der Beendigungserklärung geltend gemacht werden. Die Sechsmonatsfrist gilt auch für den Fall der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Rückversetzung in ein kündbares Dienstverhältnis.“
Nach der Rsp (OGH 18.8.2016, 9 ObA 94/16p, Pkt. 10) wird der Fristbeginn des § 51 Abs 6 Oö LVBG so verstanden, dass die sechsmonatige Ausschlussfrist mit der Fälligkeit des Abfertigungsanspruchs zu laufen beginnt. Sie endete im Anlassfall daher am 31.8.2017, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Kl seinen Anspruch zwar mündlich, aber weder schriftlich noch gerichtlich geltend gemacht hatte. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht weiter strittig. Fraglich ist nur, welche Form zur Fristwahrung eingehalten werden muss.388
§ 51 Abs 6 Oö LVBG schränkt die zur Anspruchswahrung gesetzlich vorgesehene Geltendmachung nicht auf eine bestimmte Form (gerichtlich, schriftlich) ein. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist daher grundsätzlich jede Form der Geltendmachung ausreichend.
Aus der systematischen Stellung (dem Gesamtzusammenhang) der in Rede stehenden Bestimmung kann für die Auslegung nichts Entscheidendes gewonnen werden. Ein Wertungswiderspruch zur Verjährungsregelung des § 21a Abs 2 Oö LVBG, wonach für die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gefordert wird, ist auch dann, wenn § 51 Abs 6 Oö LVBG jegliche Form der Geltendmachung zur Anspruchswahrung der Beendigungsansprüche zulässt, nicht zu erkennen. Es ist durchaus verständlich, zur Verhinderung des Verlustes von Ansprüchen des DN während des aufrechten (unter Umständen nicht friktionsfreien) Dienstverhältnisses eine schriftliche Geltendmachung zu fordern, nach Beendigung desselben jedoch eine mündliche Geltendmachung ausreichen zu lassen.
Im Übrigen wird auch zu kollektivvertraglichen und arbeitsvertraglichen Verfallsregelungen, die nicht ausdrücklich vorsehen, dass die Frist nur durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann, der Standpunkt vertreten, dass in diesen Fällen das außergerichtliche, rechtzeitig gestellte Verlangen auf Zahlung des in Rede stehenden Anspruchs zur Fristwahrung ausreicht (OGH 28.9.2007, 9 ObA 92/07f; OGH 21.12.2009, 8 ObA 9/09w).
Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung nur dann maßgeblich, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft ist; ansonsten ist ein kundgemachtes Gesetz aus sich selbst auszulegen. Die historische Auslegung, die Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers an Hand der Gesetzesmaterialien, bedarf besonderer Vorsicht, weil diese Materialien nicht Gesetz geworden sind und mit dem wahren (finalen) Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen. Die Gesetzesmaterialien verweisen zwar auf § 34 AngG bzw § 1162a ABGB, wonach Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verjähren, wenn diese nicht binnen sechs Monaten nach Zugang der Beendigungserklärung gerichtlich geltend gemacht wurden; sie sind im vorliegenden Fall für die Auslegung aber nicht maßgeblich, weil in § 51 Abs 6 Oö LVBG nicht einmal angedeutet ist, dass die Geltendmachung des Anspruchs nur in einer bestimmten Form, also schriftlich oder sogar gerichtlich, zu erfolgen hat.
Letztlich führt aber auch die objektiv-teleologische Interpretation, nämlich das Erfassen des Sinnes einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung, nicht zu dem von der Bekl gewünschten Ergebnis. Dem Ziel der Verfallsfrist, nämlich dem DG in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum nach der Beendigung des Dienstverhältnisses Klarheit über die aus Sicht des DN noch offenen Ansprüche zu verschaffen (vgl OGH 23.11.2005, 9 ObA 163/05v), wird auch eine außergerichtliche, mündliche Geltendmachung gerecht.
Zusammengefasst ist § 51 Abs 6 Oö LVBG dahin auszulegen, dass es zur Anspruchswahrung genügt, wenn ein Abfertigungsanspruch nach diesem Landesgesetz binnen sechs Monaten nach dessen Fälligkeit (Ende des Dienstverhältnisses) außergerichtlich und mündlich gegenüber dem DG geltend gemacht wird.