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Urlaubsanspruch teilzeitbeschäftigter (Schicht-)Arbeiter der chemischen Industrie

MAGDALENAMISSBICHLER
§ 2 Abs 1 UrlG; Pkt N66 KollV Arbeiter der chemischen Industrie

Im Betrieb der Bekl wird seit dem Abschluss einer diesbezüglichen BV im Jahr 2016 im Rahmen eines vollkontinuierlichen 5-Schicht-Betriebs 24 Stunden pro Tag und 365 Tage im Jahr gearbeitet. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt nach dieser Vereinbarung 35,3 Stunden „auf Teilzeitbasis“, wovon 33,6 Stunden auf regulären Schichtdienst, 1,1 Stunden auf zusätzliche 7 Tag- bzw Schichtdienste pro Jahr sowie 0,6 Stunden auf Umkleidezeiten entfallen. Der korrespondierende Schichtplan sieht 5 Turnusse vor, in deren Rahmen auf 6 (8-stündige Schichten umfassende) Arbeitstage 4 arbeitsfreie Tage folgen. Die Mitarbeiter arbeiten in diesem Schichtrad pro Jahr 21 x 3 Tage, 10 x 4 Tage, 10 x 5 Tage und 10 x 6 Tage in der Woche. Die Bekl gewährt ihren Mitarbeitern nach dieser BV einen jährlichen „Grundurlaubsanspruch“ von 24 (bzw nach 25 Dienstjahren 30) Arbeitstagen und darüber hinaus weitere vier Arbeitstage Urlaub, die einerseits zur Erleichterung des vollkontinuierlichen Schichtbetriebs beitragen (ein Arbeitstag) und andererseits als Ersatzleistung im Gegenzug für die erfolgte Schließung einer betrieblichen Wohlfahrtseinrichtung dienen sollen (drei Arbeitstage). Der auf die Dienstverhältnisse unstrittig anzuwendende KollV für Arbeiter der chemischen Industrie sieht (neben der Festlegung einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 38) einen Grundurlaubsanspruch von 26 bzw 32 Arbeitstagen vor; als Arbeitstage sind dabei nur jene Kalendertage zu verstehen, an denen laut Schichtplan zu arbeiten ist.

Der kl BR begehrte die Feststellung eines Grundurlaubsanspruches im vollen kollektivvertraglichen Ausmaß und behauptete im Verfahren ua, dass bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35,3 Stunden und einer Schichtdauer von 8 Stunden keine 4-Tage-Woche vorliege, weshalb eine Reduzierung des Urlaubsanspruches nicht zulässig sei. Die Bekl bestritt und brachte vor, dass der kollektivvertragliche Anspruch auf Jahresurlaub von (umgerechnet) 5,2 (bzw 6,4) Wochen bei Vollzeitbeschäftigung zu aliquotieren und deshalb mit den durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitstagen von 4,41 (35,3 : 8) zu multiplizieren sei, was einen kollektivvertraglichen Urlaubsanspruch von 22,93 Arbeitstagen ergebe. Der gewährte Grundurlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen sei für die AN daher günstiger als der KollV.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl insoweit Folge, als bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35,3 Stunden ein aliquoter kollektivvertraglicher Grundurlaubsanspruch von 24,15 Arbeitstagen bzw nach 25 Arbeitsjahren von 29,72 Arbeitstagen (92,89 % von 26 bzw 32 Tagen) bestehe. Eine Aufrundung auf volle Tage sei nicht vorzunehmen. Der gegen diese Entscheidung gerichteten Revision der Bekl gab der OGH teilweise, der des Kl hingegen nicht Folge.

Bei der Berechnung des gesetzlichen Urlaubsanspruches für DN, die nicht an allen Werktagen arbeiten und kürzere Urlaubsteile als Wochen vereinbaren, ist nach stRsp eine Umrechnung des Urlaubsanspruches von Werk- auf Arbeitstage vorzunehmen. Wird in einzelnen Wochen zudem je390weils eine unterschiedliche Anzahl an Tagen gearbeitet, ist die durchschnittliche Anzahl der Arbeitstage pro Woche für die Berechnung des Urlaubsausmaßes heranzuziehen.

Im Rahmen der gegenständlichen Teilzeitbeschäftigung zog der Gerichtshof zur Ermittlung dieses Durchschnittswertes den üblichen zehnwöchigen Schichtturnus heran, der insgesamt 42 Arbeitstage und somit im Schnitt 4,2 Schichttage pro Woche umfasst. Die in der vereinbarten Wochenarbeitszeit enthaltenen zusätzlichen Schichtdienste seien im Rahmen einer solchen Durchschnittsbetrachtung, bei der es darauf ankommt, die Schichttage pro Woche anhand der üblicherweise in regelmäßigen Zyklen anfallenden Arbeitstage zu eruieren, nicht miteinzubeziehen. Ähnliches gilt nach Ansicht des OGH für die Umkleidezeiten – diese würden zwar aufgrund der BV pauschal als Arbeitszeit gewertet, hätten letztlich aber keinen Einfluss darauf, wie viele 8-Stunden-Schichten pro Woche geleistet werden.

In weiterer Folge könne dem KollV aber nicht unterstellt werden, seiner Urlaubsregelung, die ausdrücklich eine „Anpassung der Bestimmungen des Urlaubsgesetzes an die atypischen Verhältnisse der vollkontinuierlichen Betriebsweise“ zum Ziel hat, den urlaubsrechtlichen Standardfall von fünf Arbeitstagen pro Woche (und damit im Ergebnis 5,2 Wochen Urlaub) zugrunde gelegt zu haben. Vielmehr müsse hier auf die Organisation des jeweiligen Betriebs abgestellt werden, was eine Berechnung der (in diesem Fall fiktiven) Anzahl der Schichten eines Vollzeitbeschäftigten unter Berücksichtigung der Verhältnisse des vorliegenden Betriebes notwendig mache.

Dabei müssten im konkreten Fall auch von der 38-stündigen kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit die Umziehzeit von 0,6 sowie 1,1 Stunden für zusätzlichen Schichtdienste in Abzug gebracht werden. Ausgehend von 36,3 Stunden pro Woche und den bei der Bekl praktizierten 8-Stunden-Schichten pro Tag ergeben sich für einen fiktiven Vollzeitbeschäftigten somit 4,5375 Schichttage pro Woche. Auf Basis des kollektivvertraglichen Urlaubsanspruchs betrage der Urlaubsanspruch eines Vollzeitbeschäftigten in diesem Betrieb somit 5,73 bzw 7,05 Wochen. Übertragen auf Teilzeitbeschäftigte mit einer Schichtarbeitszeit von 33,6 Stunden pro Woche errechne sich folglich ein Urlaubsanspruch von 24,066 (4,2 x 5,73) bzw 29,61 (4,2 x 7,05) Arbeitstagen.

Zur allgemeinen Frage der Auf- oder Abrundung dieses Anspruchs nahm der OGH allerdings nicht abschließend Stellung, da der zur „Erleichterung des vollkontinuierlichen Schichtbetriebs“ gewährte zusätzliche Urlaubstag den zusätzlichen kollektivvertraglichen Grundanspruch der AN von 0,066 Tagen jedenfalls wahrt.