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Haftung des Arbeitgebers für Pensionsschaden wegen Verletzung der Aufklärungspflicht bei Umstieg auf ein Pensionskassenmodell

MARTINACHLESTIL

Die Bekl hatte für ihre Mitarbeiter und deren Hinterbliebenen eine leistungsorientierte Altersvorsorge in Form einer Firmenpension als Ergänzung der gesetzlichen PV eingerichtet und finanziert („Pensionsstatut alt“). Auch die Kl wurde mit 1.5.1998 in diesen Pensionsplan der Bekl eingeschlossen, der unverfallbare Leistungen nach mindestens zehnjähriger Firmenzugehörigkeit ab dem gesetzlichen Pensionsalter vorsah.365

In den 1990er-Jahren entstand die Idee, die bisherigen Betriebspensionen aufgrund direkter Leistungszusagen in eine Pensionskasse auszulagern. Zur Information der Mitarbeiter veranstaltete die Bekl gemeinsam mit der in Aussicht genommenen Pensionskasse im Sommer 1999 eine Informationsveranstaltung zum Thema „Neuer Firmenpensionsplan“. In einer Power-Point-Präsentation wurde erläutert, dass die Pensionsleistungen in Art und Höhe unverändert blieben, es gäbe ein gleiches Pensionsalter für Männer und Frauen, eine Witwerpension, ein Treuepunktesystem und eine Pensionskasse. Ein Mitarbeiter der Pensionskasse nahm ua darauf Bezug, dass eine Wertsicherung der Leistungen von „geplant etwa 1 %“ angenommen werde, dies wäre abhängig vom Veranlagungserfolg der Pensionskasse, der 1997 11,8 %, 1998 9,3 % und 1999 bisher ungefähr 4,8 % betragen habe. Nicht dargestellt wurde, was passiert, wenn ein negatives Veranlagungsergebnis erzielt wird. Insb wurde nicht erwähnt, dass es auch zu Pensionskürzungen kommen könne. Von niemandem wurde gesagt, dass die Pension auch geringer sein könnte als nach dem alten System. 1999 ging man allgemein davon aus, dass sich die Finanzmärkte in Zukunft (weiterhin) positiv entwickeln würden.

Am 12.8.1999 schloss die Bekl mit der V* AG einen Pensionskassenvertrag beginnend mit 1.1.1999 ab. Aufgrund der Informationen bei der Präsentation, bei der die Kl anwesend war, erschien der Kl und ihren Kollegen ein Wechsel jedenfalls günstig. Sie hatte den Eindruck, die Pensionen seien durch den Übertritt viel sicherer und außerdem valorisiert. Am 15.9.1999 unterschrieb sie daher eine „Versorgungszusage“ und stimmte damit der Übertragung „unter Beachtung von Besitzständen“, die sie „bis zum 31.12.1998 aus dem vorangegangenen Pensionsstatut der Bekl erworben habe“, in die Pensionskasse zu. Hätte die Kl gewusst, dass dadurch die Pension auch geringer sein könnte als nach dem alten System, hätte sie nicht zugestimmt.

Der Kl wurde in der Folge von der Pensionskasse jährlich eine Pensionskasseninformation, in der zum Alter 55, 60 und 65 „Prognose“-Berechnungen der jährlichen Alterspension angestellt wurden, übermittelt.

2012 beabsichtigte die Bekl, das Arbeitsverhältnis zur Kl zu beenden. Nachdem die Kl einer einvernehmlichen Beendigung zustimmte, wurde die Vereinbarung schriftlich festgehalten. In dieser heißt es ua: „Gemäß Art 15 der Versorgungsordnung des Unternehmens (Vereinbarung vom 31. August 1999) verfügen Sie über eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Firmenpension. Die Höhe dieser Pension berechnet sich nach Art 15 Abs 2. Gemäß Art 22, § 8 wird [die Bekl] eine Einmalzahlung in der Höhe des Unverfallbarkeitsbetrags oder des Deckungserfordernisses an die Pensionskasse leisten. Danach werden alle Leistungen aus der Versorgungsordnung gem. Art 22 6. Absatz ausschließlich von der Pensionskasse erbracht. Nähere Informationen erhalten Sie sodann von der V* AG. Mit diesen Regelungen werden alle offenen Punkte, insbesondere Ihre Ansprüche aus dem Dienstverhältnis abschließend geregelt.“

Die V* AG teilte der Kl mit Schreiben vom 19.11.2012 zum Betreff „Ausscheiden per 30.9.2012“ mit, dass ihre Ansprüche aus dem Pensionskassenvertrag unverfallbar geworden seien. Zum Stichtag des Ausscheidens stehe ein Unverfallbarkeitsbetrag von € 52.283,03 zur Verfügung. Weiters heißt es:„Durch die Zuteilung des Bilanzergebnisses jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres wird der Unverfallbarkeitsbetrag angepasst, wobei es abhängig von der Höhe des Veranlagungsergebnisses und des versicherungstechnischen Ergebnisses ihrer Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (VRG) auch zu Kürzungen kommen kann.“ Die Kl deutete diesen Passus dahingehend, dass er sich auf die Valorisierung der Pension bezieht. Sie glaubte nicht, dass die Grundpension gekürzt werden könnte und sah dieses Schreiben als bloße Formalität an.

Ab 1.1.2016 bezog die Kl eine Betriebspensionsleistung von der Pensionskasse. Der von der Pensionskasse genannte Betrag war etwa 30 % geringer als der von der Kl erwartete. Mit Schreiben vom 5.4.2016 teilte die Kl der Bekl mit, dass sie den 1999 ohne korrekte Risikoaufklärung erfolgten Übertritt ins Pensionskassensystem widerrufe und für sie daher die Pensionszusage von 1976 („Pensionsstatut alt“) zu gelten habe.

Mit vorliegender Klage begehrt die Kl ua die Feststellung, dass die Bekl ihr für den Ersatz aller Schäden hafte, die aus der Übertragung der Pensionszusage an eine Pensionskasse entstehen, sowie dass diese Haftung auch gegenüber ihrem Ehepartner besteht, sofern dieser eine Hinterbliebenenpension aus dieser Pensionszusage bezieht. Sie brachte vor, dass sie angesichts des Wechsels von einer direkten Leistungszusage zur Pensionskasse im Jahr 1999 von der Bekl unvollständig und einseitig informiert und nicht über die Risiken von Pensionskürzungen aufgeklärt worden sei. Die Bekl wandte ein, dass allfällige diesbezüglich Ansprüche der Kl verjährt seien. Ein Schaden sei bereits im Auslagerungszeitpunkt 1999 eingetreten. Die Kl habe bis Ende 2009/Anfang 2010 Kenntnis von anderen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auslagerung in die Pensionskasse gehabt. Zumindest habe sie eine Erkundigungsobliegenheit verletzt. Darüber hinaus habe die Kl jährlich von der Pensionskasse ausgestellte Pensionskasseninformationen erhalten. Diese hätten auch eine Risikoaufklärung enthalten. Dennoch sei sie nicht aktiv geworden.366

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Sie gingen ua zusammengefasst davon aus, dass die Bekl den Schaden aus der unvollständigen Aufklärung zu ersetzen habe. Nach dem OGH ist die von der Bekl erhobene Revision zur Klarstellung zulässig und teilweise (hinsichtlich der Anrechnung eines durch die Übertragung entstandenen Vorteils) berechtigt. Zur Verletzung der Aufklärungspflicht und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Bekl führt er aus wie folgt:

Nach stRsp ist der AG gegenüber seinen AN im Zusammenhang mit Vorschlägen, die auf die Befreiung des AG von weiteren direkten Leistungsverpflichtungen aus einer Pensionsvereinbarung hinauslaufen, zur umfassenden Aufklärung verpflichtet. Dabei ist der AG grundsätzlich zu einer ausgewogenen Information verpflichtet, durch die nicht nur die zu erwartenden Vorteile, sondern speziell auch die den AN allenfalls drohenden Risiken, insb über das zu tragende Kapitalmarktrisiko und die daraus möglichen Pensionsverluste, im Rahmen des Zumutbaren und iS einer ex ante-Betrachtung aufzuzeigen sind. Letztlich ist entscheidend, welches Gesamtbild sämtliche Informationen dem betroffenen AN unter Berücksichtigung seiner Ausbildung von den Chancen und Risiken einer Übertragung seiner Betriebspension auf eine Pensionskasse vermitteln (OGH 27.2.2019, 9 ObA 8/19w mwN). Nach den Feststellungen hat die Bekl die Kl nicht über die Möglichkeit eines negativen Veranlagungsergebnisses und dem damit verbundenen Risiko von möglichen Pensionskürzungen und daher nicht ausgewogen und umfassend iSd zitierten Rsp aufgeklärt.

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB für Schadenersatzansprüche beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Die Kenntnis muss dabei nach stRsp den ganzen den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, insb auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt.

Dass allein die Kenntnis von möglichen Pensionskürzungen bzw bereits reduzierten Pensionszahlungen im Zusammenhang mit einer unzureichenden Aufklärung beim Wechsel des Pensionssystems von einem leistungs- zu einem beitragsorientierten System nicht unbedingt mit der Kenntnis vom maßgeblichen Kausalzusammenhang einhergeht und dabei auch die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden darf, hat der OGH bereits wiederholt ausgesprochen. Die Bekl macht in ihrer außerordentlichen Revision auch geltend, dass die Kl von der Pensionskasse auch über mögliche Pensionskürzungen informiert worden, aber trotzdem inaktiv geblieben sei. So sei ihr mit Schreiben vom 19.11.2012 mitgeteilt worden, dass abhängig vom Veranlagungsergebnis und versicherungstechnischen Ergebnis der Veranlagungs- und Risikogemeinschaft es auch zu Kürzungen kommen könne. Nach dem OGH übergeht die Bekl dabei, dass auch festgestellt wurde, dass die Kl den Hinweis auf mögliche Kürzungen dahingehend verstand, dass sich dies auf die Valorisierung der Pension und nicht auf die Grundpension bezieht. Warum sie nach der unzureichenden Aufklärung durch die Bekl diesem Schreiben ein anderes Verständnis hätte zugrundelegen müssen und Nachforschungen im Hinblick auf ein Fehlverhalten der Bekl hätte anstrengen müssen, lässt auch die außerordentliche Revision offen. Damit hat aber das Verfahren keinen Hinweis darauf ergeben, dass die Kl vor ihrem Pensionsantritt vom schädigenden Verhalten der Bekl Kenntnis hatte oder hätte haben müssen.

Da die erstmalige Kenntnis der Kl vom Schaden und dem schadenskausalen Verhalten der Bekl daher innerhalb von drei Jahren vor der Klagseinbringung liegt, hat die Kl einen nicht verjährten Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die unzureichende Aufklärung durch die Bekl bei Übertritt von der direkten Leistungszusage ins Pensionskassensystem entstanden ist (wobei ein Vorteil, der aufgrund des schädigenden Verhaltens entstanden ist, aber im Rahmen der Gesamtbetrachtung anzurechnen ist). Der Anspruch auf Feststellung der Haftung der Bekl für zukünftig entstehende Schäden aus der Übertragung der Pensionszusage an die Pensionskasse sowohl für die Kl als auch für eine allfällige Hinterbliebenenpension ihres Ehegatten ist ebenso berechtigt.