201Kein Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bei Verzicht auf Ausübung der Rechtsanwaltschaft
Kein Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bei Verzicht auf Ausübung der Rechtsanwaltschaft
Die Kl war bis zur Erklärung ihres Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft am 31.7.2017 als selbständige Rechtsanwältin tätig. Die erste Tochter der Kl wurde 2017 geboren. Die Kl bezog Wochengeld und in weiterer Folge Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Unmittelbar darauf war die Kl als angestellte Juristin unselbständig erwerbstätig. Sie gebar 2018 ihre zweite Tochter. Nach dem Wochengeldbezug erhielt die Kl Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens iHv € 33,- täglich als „Sonderleistung II“ (nach § 24d Abs 2 KBGG).
Die Bekl wies den Antrag der Kl auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens mangels Erfüllung der Voraussetzungen der § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG ab. In ihrer dagegen gerichteten Klage begehrte die Kl die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes in der beantragten Variante iHv € 66,- täglich (Hauptbegehren). Das Erstgericht wies das Klagehauptbegehren mit der Begründung ab, dass die Kl durch ihren Verzicht ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin mit 31.7.2017 beendet habe, sodass keine gem § 24 Abs 2 KBGG gleichgestellte Unterbrechung dieser Tätigkeit vorgelegen sei. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und gab der Berufung der Kl nicht Folge.
Die außerordentliche Revision der Kl wurde mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückgewiesen.
Unter Erwerbstätigkeit wird gem § 24 Abs 2 KBGG (idF BGBl I 2016/53) die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit verstanden. Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten gem § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG ua Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes. Es muss daher jedenfalls eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit bestehen, welche im Zeitraum des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes vorübergehend unterbrochen wird, weil nur eine bestehende Erwerbstätigkeit „vorübergehend unterbrochen“ werden kann. Wird diese Erwerbstätigkeit hingegen beendet, so kann ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden (OGH 26.5.2020, 10 ObS 52/20z).
Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass die Voraussetzung für die Gleichstellung des Beschäftigungsverbots und Karenz nach dem MSchG – also bei Vorliegen eines Dienstverhältnisses das aufrechte Fortbestehen dieses Dienstverhältnisses – bei selbständig Erwerbstätigen nicht gefordert werden kann. Es kommt nach § 24 Abs 2 KBGG vielmehr auch bei selbständig Erwerbstätigen darauf an, dass ihre Erwerbstätigkeit „nach gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften“ lediglich vorübergehend unterbrochen ist (OGH 15.10.2019, 10 ObS 44/19x).
Der OGH führte somit aus, dass die Kl ihre für die Beurteilung der Unterbrechung maßgebliche selbständige Tätigkeit als Rechtsanwältin mit Erklärung des Verzichts zum 31.7.2017 nicht unterbrochen, sondern beendet hat. Sie hat diese Tätigkeit auch nicht wiederaufgenommen, sondern war im Jahr 2018 als Juristin unselbständig erwerbstätig. Auf die weiteren Ausführungen der Kl, wonach die Rechtsanwaltsordnung keine Möglichkeit vorsehe, die Anwaltschaft „ruhend“ zu stellen und eine Aufrechterhaltung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte mit hohen Kosten verbunden und wirtschaftlich nicht zumutbar sei, kommt es im konkreten Fall nicht an. 411