COVID-19 – Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?
COVID-19 – Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?
Die Immunisierung der Bevölkerung gegen das Coronavirus schreitet mit der Verfügbarkeit der Impfdosen voran. Das rasche Durchimpfen der Bevölkerung ist essentiell für die Bekämpfung der Pandemie. Allerdings kann das nur funktionieren, wenn die Menschen freiwillig mitmachen!
Im Arbeitsverhältnis nimmt der Druck auf die AN, sich impfen zu lassen, jedoch mehr und mehr zu. Es gibt viele AN, die bereits eine Impfung haben oder sich jedenfalls impfen lassen möchten und es gibt AN, die mit der Impfung einfach noch zuwarten wollen bzw sich nicht impfen lassen möchten. Was dürfen AG nun verlangen? Was dürfen die AN verweigern? Welche Konsequenzen können daraus folgen? Rechtlich gesehen ist dies Neuland, es gibt zu dieser Frage weder eine eigene gesetzliche Regelung, noch liegt bereits oberstgerichtliche Judikatur vor und die Rechtsmeinungen dazu sind zum Teil recht unterschiedlich.
Mit der Frage der Zulässigkeit einer gesetzlichen Impfpflicht hat sich Fabian Gamper in „Stets umstritten – die Zulässigkeit einer Impfpflicht“ in DRdA-infas 3/2021, 249 ff, bereits ausführlich auseinandergesetzt und es darf auf diesen Artikel verwiesen werden:* Als rechtliche Grundlage für eine unmittelbare Impfpflicht können danach das Epidemiegesetz 1950 (EpiG), diverse Berufsgesetze für Gesundheitsberufe, aber auch Landesgesetze herangezogen werden. Nach dem EpiG besteht nach § 17 Abs 3 sowie allenfalls Abs 4 die Möglichkeit, Schutzimpfungen für Angehörige bestimmter Berufsgruppen („Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen“) oder „im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen“ anzuordnen. Davon wurde bisher nicht Gebrauch gemacht. Betreffend Landesgesetze ist (mit Stand 13.6.2021 bislang einzig) das Stmk. Krankenanstaltengesetz 2012 (StKAG) hervorzuheben, das in § 26 Abs 7 Rechtsträger von Krankenanstalten verpflichtet, einen bestimmten Impfstatus für in Risikobereichen tätige Personen sicherzustellen. Abschließend sei noch auf die bestehende Praxis von einzelnen Trägern bzw Anstalten im Pflege- und Gesundheitsbereich hingewiesen, wonach der Einsatz von AN in bestimmten Bereichen vom Vorhandensein von Schutzimpfungen oder einer ausreichenden Immunität abhängig gemacht wird.417
Tatsache ist daher, dass eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, derzeit nicht besteht, diese Schutzimpfung aber empfohlen wird.*
Eine Impfung ist ein medizinischer Eingriff, nämlich ein Eingriff in die körperliche Integrität. Die Grundrechte, insb Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), sollen Personen vor Eingriffen in deren Identität, Integrität, Individualität und Selbstbestimmung schützen; somit bedarf eine Impfung grundsätzlich der Zustimmung der betroffenen Personen.* Allerdings gelten Grundrechte nicht absolut, Art 8 Abs 2 EMRK selbst normiert die Zulässigkeit eines Eingriffs einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft „… zum Schutz der Gesundheit … oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“* Dabei ist der Eingriff an den Verhältnismäßigkeitskriterien (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit) zu messen.*
In der laufenden Diskussion um die Verfassungskonformität einer hypothetischen Impfpflicht ist auch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art 8 EMRK beachtenswert: In seiner EuGH-E vom 24.9.2012, 24429/03, Solomakhin/Ukraine,* hielt der EGMR fest, dass eine verpflichtende Impfung (im gegenständlichen Fall: Diphterie) zwar in das Recht auf Privatleben eingreife, aus Gründen des öffentlichen Gesundheitsschutzes und der Verhinderung der Ausbreitung der ansteckenden Krankheit dienend, aber gerechtfertigt sein könne. Siehe auch die erst kürzlich veröffentlichte E des EGMR vom 8.4.2021, 47621/13 ua, Vavřička/Tschechische Republik ua* zur Impfpflicht in Tschechien. Danach ist es zulässig, dass bei Verletzung der Impfpflicht Eltern Geldbußen bezahlen müssen und Kinder nicht die Kindertagesstätte (Kita) besuchen dürfen. Dies stellt keinen Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar. Der EGMR sieht in der Impfpflicht zwar einen Eingriff in das Recht auf Privatleben, die tschechische Regelung aber insgesamt als angemessen an. Ziel sei es, Kinder vor Krankheiten und einem ernsthaften gesundheitlichen Risiko zu schützen.
In einem Arbeitsverhältnis sind die Grund- und Freiheitsrechte der AN (wie etwa Art 8 EMRK, das Grundrecht auf Datenschutz etc) als sogenannte Persönlichkeitsrechte iSd § 16 ABGB (dieser gilt als „Einfallspforte“ für die Geltung der Grundrechte auch im Arbeitsverhältnis) für den/die AG beachtlich.*
Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der AN durch den/die AG bedürfen daher immer einer sachlichen Rechtfertigung. Dabei hat eine umfassende Güter- und Interessenabwägung für den jeweiligen Einzelfall zu erfolgen. Der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs – führen auch gelindere Mittel zum Ziel? – ist besonderes Augenmerk zu schenken. Dies gilt es bei den nachfolgenden Fragestellungen zu berücksichtigen!
Nachdem die Schutzimpfung gegen COVID-19 zwar eine Empfehlung, aber keine allgemeine gesetzliche Verpflichtung ist, gibt es auch keine arbeitsrechtliche Verpflichtung für Beschäftigte, sich impfen zu lassen, die mit einer Weisung von AG einseitig angeordnet und durchgesetzt werden könnte.* Eine derartige Eingriffsmöglichkeit in die Persönlichkeitsrechte der AN (Art 8 EMRK) durch den/die AG ist wohl nicht verhältnismäßig.*
Selbstverständlich haben AG ihre AN, KundInnen und PatientInnen bzw Dritte vor Ansteckungen zu schützen. Das ergibt sich schon zum einen aus ihrer Fürsorgepflicht gegenüber all ihren AN nach § 1157 Abs 1 ABGB bzw § 18 AngG und zum anderen gegenüber KundInnen und PatientInnen bzw Dritten aus dem Vertragsverhältnis und ua aus dem COVID-19-Maßnahmengesetz idgF* (COVID-19-MG) und der COVID-19-Öffnungsverordnung418 idgF* (COVID-19-ÖV). Die von AG zu ergreifenden Maßnahmen sind insb in den §§ 10 bis 12 COVID-19-ÖV (siehe auch § 1 Abs 5 ff COVID-19-MG) aufgelistet und umfassen neben der Gewährung von Homeoffice, der Einhaltung eines Mindestabstands, dem Tragen eines entsprechenden Mund-Nasen-Schutzes sonstige geeignete Schutzmaßnahmen, wie insb technische Schutzmaßnahmen (Anbringen von Trennwänden oder Plexiglaswänden ua) und organisatorische Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz (Bilden von festen Teams ua). Zudem müssen AN in bestimmten Tätigkeitsbereichen den Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr („drei G: getestet, genesen, geimpft“) erbringen und/oder einen entsprechenden Mund-Nasen-Schutz (bzw eine CPA-Maske oder FFP2-Maske) tragen.
Auch aus der COVID-19-ÖV idgF (bzw dem COVID-19-MG idgF) ergibt sich somit keine Verpflichtung der AN zur Impfung, sondern diese Regelungen selbst bringen – aus epidemiologisch-fachlicher Sicht – zum Ausdruck, in welchen Arbeitsbereichen das Infektionsrisiko wie einzuschätzen ist und welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind. Der/Die AG kann nun einerseits keine schärferen Maßnahmen iS einer verpflichtenden Impfung anordnen* als der Gesetz- bzw Verordnungsgeber selbst und andererseits wird eben diese Wertung des Gesetz- und Verordnungsgebers die Schutzmaßnahmen betreffend auch für weitere Fragestellungen im Zusammenhang mit der (Nicht-)Impfung im Arbeitsverhältnis und der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung miteinzubeziehen sein.
Für nicht geimpfte AN kann es am Arbeitsplatz allerdings zu Einschränkungen kommen. So, wenn es die berechtigten Interessen des/der AG erfordern (zum Schutz des/der jeweiligen AN selbst, aber auch zum Schutz von anderen AN, PatientInnen oder KundInnen; aufgrund reduzierter Einsatzmöglichkeiten von dienstreisenden AN aufgrund der jeweiligen Einreisebestimmungen anderer Länder etc) und wenn keine anderen geeigneten und zumutbaren Schutzmaßnahmen ergriffen werden können (vgl COVID-19-ÖV).* Dabei bedarf es einer Einzelfallbetrachtung und die getroffenen Maßnahmen (etwa Zuteilung anderer Tätigkeiten, Änderung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitsorganisation, Versetzung* ua) müssen verhältnismäßig sein.
AG können einseitig das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden. Dies ist rechtmäßig aber nur dann möglich, wenn bestimmte Gründe nach den §§ 27 AngG, 82 GewO 1859 (zB Vertrauensunwürdigkeit, Dienstunfähigkeit, beharrliche Pflichtverletzung etc) vorliegen. Es muss auf Seiten des/der AN ein wichtiger Grund vorliegen, der dem/der AG die Weiterbeschäftigung unzumutbar macht.* Die Ablehnung einer Impfung kann daher in aller Regel keine entlassungsrelevante Pflichtenverletzung darstellen: Dem/der AN kann keine besondere Verantwortungslosigkeit vorgeworfen werden, wenn er/sie sich an all die anderen vom/von der AG vorgesehenen Schutzmaßnahmen bzw an allfällige Nachweispflichten (bezüglich einer geringen epidemiologischen Gefahr nach der COVID-19-ÖV)* hält; auch wird er/sie dadurch in der Regel nicht schlechthin unverwendbar* und eine gesetzliche Verpflichtung zur Impfung besteht nicht (sie könnte allerdings vertraglich vereinbart werden – siehe dazu Pkt 5.).
Im Falle einer etwaigen Kündigung ist auf das allgemeine (in Österreich überaus mager ausgestattete) Kündigungsschutzrecht zu verweisen. Eine Kündigung muss grundsätzlich nicht begründet werden; ob die Verweigerung der Impfung eine offenbar nicht unberechtigte Geltendmachung eines arbeitsrechtlichen Anspruchs darstellt, die eine allfällige Kündigungsanfechtung aus verpöntem Motiv nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG* aussichtsreich erscheinen ließe, ist fraglich, aber nicht völlig undenkbar (etwa wenn ein/e AN die unzulässige Weisung, sich impfen zu lassen, nicht befolgt und deswegen gekündigt wird – Vergeltungskündigung). Von einer Vergeltungskündigung ist jedoch die Änderungskündigung* zu unterscheiden,419 die vom/von der AG ausgesprochen werden kann, wenn der/die AN eine vertragliche Vereinbarung einer Impfung ablehnt (siehe dazu auch Pkt 5.). Auch ist uU eine Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB argumentierbar, wenn der/die AG „von seinem Kündigungsrecht aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven … Gebrauch macht“.* Dabei wird vom OGH allerdings ein strenger Maßstab angelegt und das Abstellen des/der AG auf eine vorhandene Immunisierung wird in der Regel keine gänzlich unsachliche Kündigungsentscheidung sein (ausgenommen aber etwa der Fall einer Kündigung eines/einer AN, der/die eine Impfung aus nachvollziehbaren, gesundheitlichen Gründen ablehnt).* Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass im Anwendungsbereich des § 105 ArbVG dieser vorgeht und eine Berufung auf § 879 ABGB unzulässig ist.*
Sollte eine Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG möglich sein, hat hierbei – wie gewohnt – die Prüfung allfälliger persönlicher und betrieblicher Kündigungsgründe zu erfolgen. Die Impfverweigerung stellt keinesfalls automatisch einen solchen Kündigungsgrund dar, sondern es hat eine einzelfallbezogene Beurteilung unter Zugrundelegung der konkreten („gefahrengeneigten“) Tätigkeit, der Arbeitsabläufe, der arbeitsorganisatorischen Gegebenheiten, wie etwa die Einordnung in Teams etc, zu erfolgen. Je nach Ergebnis aktueller Studien, die den Umfang des Schutzes vor Weitergabe des Virus an Dritte untersuchen, ist der Schutz der Belegschaft bzw von PatientInnen (Betreuung von vulnerablen Personen) und KundInnen vor Ansteckung ebenfalls mitzuberücksichtigen. In die von den Gerichten vorzunehmende Interessenabwägung wird auch miteinzufließen haben, inwieweit der/die AG das Infektionsrisiko nicht auch durch andere zumutbare Schutzmaßnahmen reduzieren kann bzw ob nicht alternative Einsatzmöglichkeiten für den/die AN in Betracht kommen (so trifft den/die AG auch eine soziale Gestaltungspflicht,* insb bei älteren und langjährig beschäftigten AN).*
Wie unter Pkt 3. bereits angeführt, steht eine Impfpflicht in einem sensiblen Spannungsfeld zwischen Förderung des Gesundheitsschutzes, den betrieblichen Interessen und einem Eingriff in die körperliche Integrität sowie Selbstbestimmung des/der Einzelnen (Art 8 EMRK „Recht auf Privatleben“).*Eingriffe in die persönliche Integrität müssen daher sachlich gerechtfertigt sein.*
Zur Frage, ob die Impfung von AG im aufrechten Arbeitsverhältnis mit AN bzw im Zuge der Einstellung (als „Einstellungsvoraussetzung“) mit BewerberInnen vertraglich vereinbart werden kann (oder ob nicht unter Umständen Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB und damit eine Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung vorliegt),* ist daher anzuführen, dass es dabei in jedem einzelnen Fall einer Interessenabwägung bedarf.* Es hat eine Abwägung zwischen Einzelinteressen (Persönlichkeitsrechte, Impfskepsis) und kollektiven Interessen (Schutz der Gesundheit von Dritten: KollegInnen, PatientInnen, KundInnen ua) bzw Interessen der AG (Art des Betriebes? Welche „gefahrengeneigten“ Tätigkeiten liegen vor? Inwieweit können dadurch Infektionen am Arbeitsplatz verhindert werden?* – Gibt es zumutbare „gelindere Mittel“?) zu erfolgen, die durchaus nicht immer einfach sein wird. Ein Kriterium wird jedenfalls sein, wie weit der Schutz der Impfung geht: Je höher der Schutz auch für Dritte reicht, umso eher wird eine Impfung auch vereinbart werden können.*
Zudem wird es einen Unterschied machen, ob es sich um BewerberInnen oder bereits beschäftigte AN handelt. In einem vorvertraglichen Verhältnis wird ein/e AG mehr vorgeben können und die Vereinbarung einer Impfung als „Einstellungsvoraussetzung“ wird, vor allem wenn sie Fremdschutz bietet und es sich um körpernahe Tätigkeiten oder sogar Tätigkeiten im Gesundheits- bzw Pflegebereich (mit vulnerablen Personen) handelt, in diesen Bereichen wohl zulässig sein bzw wird es zulässig sein, wenn BewerberInnen bei einer 420Impfverweigerung nicht eingestellt werden.* Das ist auch schon bisher in begründeten Fällen akzeptiert: So ist zB bei Einstellungen auf Geburtenstationen in sehr vielen Krankenhäusern der Nachweis einer Masernimpfung oder einer ausreichenden Immunität Voraussetzung für die Anstellung, um werdende Mütter und Neugeborene zu schützen (AG trifft in solch einem Fall auch eine Haftung für verursachte Gesundheitsschäden).
Stimmt im aufrechten Arbeitsverhältnis der/die AN einer vom/von der AG angestrebten Vereinbarung einer Impfung nicht zu, können AG auch eine Änderungskündigung aussprechen.* In diesem Fall macht der/die AG ein Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrags dahingehend, dass der/die AN sich verpflichtet, künftig impfen zu lassen. Nimmt der/die betreffende AN das Angebot nicht an, gilt er/sie als gekündigt. Diese Kündigung kann in weiterer Folge – wie bereits oben unter Pkt 4.3. näher ausgeführt – ua wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG angefochten werden.
Beim Erheben und Verarbeiten des Impfstatus handelt es sich um Gesundheitsdaten, somit um besondere Kategorien personenbezogener Daten,* die nach Art 9 DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) schutzwürdiger sind als beispielsweise allgemeine Angaben zur Person oder solche zur rein fachlichen Eignung. Ob „geimpft ja/nein“ eine datenschutzrechtlich und persönlichkeitsrechtlich (§ 16 ABGB) zulässige Frage bzw Datenerhebung (und Speicherung) ist, wird wiederum vom Einzelfall abhängen. Auch hier benötigt der/die AG einen berechtigten Grund und es ist eine Interessenabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der AN (Schutz der Persönlichkeitssphäre) und dem Informationsinteresse des/der AG (Erfüllung von Schutz- und Fürsorgepflichten) vorzunehmen.* Eine Pflicht zur Offenlegung des Impfstatus wäre etwa dann anzunehmen, wenn von einer Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Personen, gegenüber denen das Unternehmen zum Schutz verpflichtet ist (beispielsweise PatientInnen, andere AN, KundInnen), auszugehen ist. Verweigert ein/e AN die Beantwortung der Frage, können im Falle berechtigter Interessen des/der AG arbeitsrechtliche Konsequenzen (Versetzung, Kündigung ua) drohen.
Ob das Abfragen des Impfstatus eine BV erfordert, wird höchst unterschiedlich beurteilt. In Frage kommen mehrere Betriebsvereinbarungstatbestände, ua Personalfragebögen nach § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG: Hier hängt es davon ab, ob man den Impfstatus angesichts der Pandemie zu den zustimmungsfrei erhebbaren „fachlichen Voraussetzungen“ zählt. ME hatte der Gesetzgeber eine derart weite Interpretation der Ausnahmeregelung nicht vor Augen und es fallen Fragen nach dem Gesundheitszustand wohl nicht unter diesen Begriff.* Erfolgt die Erhebung bzw weitere Verarbeitung des Impfstatus automationsunterstützt, liegt eine zustimmungspflichtige Personaldatenverarbeitung gem § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG vor, sofern nicht die Ausnahme für Datenverarbeitungen in „Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, die sich aus Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Arbeitsvertrag ergeben“ zum Tragen kommt. Hierbei muss es sich mE um eine konkrete rechtliche Verpflichtung des/der AG handeln, Daten in bestimmter Weise zu verwenden und es ist zudem auf die „tatsächliche oder vorgesehene Verwendung“ der Daten, dh auf den Leistungsumfang des konkret eingesetzten Programms abzustellen, welches in aller Regel Möglichkeiten eröffnet, die über die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen hinausgehen.* Unter Umständen könnte auch eine Kontrollmaßnahme vorliegen, die die Menschenwürde berührt und somit den Betriebsvereinbarungstatbestand nach § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG erfüllt.* Ergänzend sei erwähnt, dass der/die AG den BR gem § 92a Abs 1 ArbVG§ 92a Abs 1 ArbVG in allen Angele421genheiten der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes rechtzeitig anhören und mit ihm darüber beraten muss. Darunter fallen auch Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19; der BR ist bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und der Festlegung der Maßnahmen sowie bei der Planung und Organisation der Unterweisung zu beteiligen.*
AN können nicht gezwungen werden, sich impfen zu lassen. Eine Nichtimpfung kann allerdings – bei begründeten Interessen des/der AG und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit – arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dabei hat eine umfassende Güter- und Interessenabwägung für den jeweiligen Einzelfall zu erfolgen. Jetzige zulässige Verpflichtungen der AN werden sich aber je nach weiterer Entwicklung der Pandemie – hoffentlich und wahrscheinlich in Richtung „normale“ Infektionskrankheit – auch wieder reduzieren.*