Das neue Restrukturierungsverfahren – ein probates Mittel zur Insolvenzvermeidung?

MARGITMADER

Das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG) ist am 17.7.21 in Kraft getreten. Herzstück ist das BG über die Restrukturierung von Unternehmen (Restrukturierungsordnung – ReO). Es sieht ein neues gerichtliches vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren vor. Ob dieses neue Instrument zur Unternehmenssanierung in der Praxis angenommen oder das Schicksal des ungeliebten Reorganisationsverfahrens nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) teilen wird, wird sich erst zeigen. In Anbetracht der prognostizierten coronabedingten Pleitewelle steht zu befürchten, dass sich genügend geeignete Anwendungsfälle finden würden.

1..
Einleitung

Das RIRUG* beinhaltet im Wesentlichen die bis 21.7.2021 vorgeschriebene Umsetzung der RL (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der RL (EU) 2017/1132 (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie – RIRL).

Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, zu retten und deren Bestandfähigkeit wiederherzustellen. Dies soll durch die Schaffung eines europaweit harmonisierten präventiven Restrukturierungsrahmens erreicht werden. Dadurch sollen Arbeitsplätze gesichert, notleidende Kredite abgebaut und die Wirtschaft gefördert werden. Außerdem soll die Entschuldung gescheiterter Unternehmer erleichtert und ein Neustart ermöglicht werden; redlichen Schuldnern soll die Möglichkeit der Entschuldung innerhalb von drei Jahren zukommen.

Das Kernstück der RL – der präventive Restrukturierungsrahmen – wird durch ein BG über die Restrukturierung von Unternehmen (ReO) umgesetzt. Es sieht ein neues, gerichtliches vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren vor, das dem Schuldner ermöglichen soll, in Form eines Restrukturierungsplans geeignete Maßnahmen treffen zu können, um eine drohende Insolvenz abzuwenden und das Unternehmen zu sanieren. Zusätzlich wird das Abschöpfungsverfahren um einen dreijährigen Tilgungsplan ergänzt, der Einzelunternehmern und – befristet bis 16.7.2026 – auch Konsumenten zur Entschuldung zur Verfügung steht.

Für den Fall des Scheiterns der Restrukturierung und der nachfolgenden Insolvenzeröffnung werden begleitende Bestimmungen in der Insolvenzordnung (IO) eingefügt, um die Anfechtung von Neu- und Zwischenfinanzierungen zu regeln. Es wird Anfechtungsfreiheit für finanzielle Mittel, die ab Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens zur Verfügung gestellt werden, vorgesehen. Das Anfechtungsrisiko wird dadurch in engem Rahmen eingeschränkt.

2..
Das Restrukturierungsverfahren nach der ReO
2.1..
Voraussetzungen der Restrukturierung und Antragsrecht

Das neu geschaffene Restrukturierungsverfahren steht juristischen, aber auch natürlichen Personen, die ein Unternehmen betreiben, offen. Das Antragsrecht steht nur dem Schuldner selbst zu.* Das gerichtliche Restrukturierungsverfahren soll dem Schuldner ermöglichen, eine Insolvenz abzuwenden und die Bestandfähigkeit seines Unternehmens sicherzustellen.*

Es setzt wahrscheinliche Insolvenz voraus. Diese wird vor allem mit der Bestandsgefährdung eines 425Unternehmens nach dem UGB und mit den Warnkennzahlen des URG (Eigenmittelquote weniger als 8 % und fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre) konkretisiert. Trotz Bestandsgefährdung muss Bestandfähigkeit gegeben sein.* Der Schuldner muss die Bestandfähigkeit (zB durch die Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre) belegen. Eine Verurteilung wegen Bilanzfälschung schließt Schuldner vom Restrukturierungsverfahren aus, außer dies ist für das Verfahren nicht mehr relevant und den Gläubigern stehen sämtliche Informationen zur Verfügung, die sie für die Restrukturierungsverhandlungen benötigen.

Der Schuldner kann somit überschuldet iSd Insolvenzrechts sein. Bei bereits eingetretener Überschuldung wird ihm damit eine Art Wahlrecht eingeräumt.* Offensichtlich soll dem noch nicht zahlungsunfähigen Schuldner eine Auswahlmöglichkeit zur Verfügung stehen.* Er kann entscheiden, ob er ein Restrukturierungsverfahren oder ein Sanierungsverfahren iSd IO beantragen möchte. Dies gilt auch für Kapitalgesellschaften, die bei Überschuldung zum Insolvenzantrag verpflichtet wären.*

Diese Doppelgleisigkeit birgt die Gefahr der missbräuchlichen Inanspruchnahme und der Insolvenzverschleppung und lässt überdies die Akzeptanz des neu geschaffenen Restrukturierungsverfahrens durch Unternehmer und Gläubiger in der Praxis zweifelhaft erscheinen. Für bereits zahlungsunfähige Schuldner steht das Verfahren jedoch nicht zur Verfügung. So ist der Antrag unzulässig, wenn sich bereits aus den Exekutionsdaten die Zahlungsunfähigkeit ergibt.* In diesem Fall ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen.

Da die Beantragung eines Restrukturierungsverfahrens ein geordnetes Rechnungswesen voraussetzt, ist davon auszugehen, dass dieses Verfahren nur redlichen und gut organisierten Schuldnern zur Verfügung steht. Für den erfolgreichen Abschluss des Restrukturierungsverfahrens sind die Zustimmung der einbezogenen Gläubiger und die Bestätigung des Gerichts erforderlich.

Eine Veröffentlichung des Restrukturierungsverfahrens mittels Ediktes ist nur auf Antrag des Schuldners vorgesehen. Nur im Falle der Bekanntmachung stellt das Verfahren ein Verfahren iSd Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) dar.* Wird kein derartiger Antrag gestellt, bleibt das Verfahren und der Inhalt des Restrukturierungsplans geheim.

2.2..
Zuständigkeit und Anwendung der IO

Zuständig für die Durchführung des Restrukturierungsverfahrens ist das jeweilige Insolvenzgericht nach § 63 IO.* Soweit in der ReO nichts anderes angeordnet ist, sind die Verfahrensbestimmungen der IO anzuwenden. Es besteht jedoch kein Recht der Gläubigerschutzverbände auf Akteneinsicht.* Ein Akteneinsichtsrecht besteht nur bei Vertretung eines Gläubigers

2.3..
Ausgenommene Forderungen

Vom Restrukturierungsverfahren ausgeschlossen oder nicht betroffen sind bestehende und künftige Forderungen derzeitiger oder ehemaliger AN sowie bestehende und künftige Forderungen zur betrieblichen Vorsorge gem §§ 6 und 7 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG). Ebenfalls ausgeschlossen ist die Kürzung von nach Einleitung des Restrukturierungsverfahrens entstehenden Forderungen (vergleichbar mit den Masseforderungen des Insolvenzverfahrens),* Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art* sowie Forderungen auf gesetzlichen Unterhalt.* Ein Restrukturierungsverfahren hat keine Auswirkungen auf erworbene Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung.*

2.4..
Restrukturierungsmaßnahmen und Restrukturierungsplan

Mit dem Antrag auf Einleitung des Verfahrens ist gleichzeitig auch der Restrukturierungsplan oder zumindest ein Restrukturierungskonzept vorzulegen.* Der Begriff der Restrukturierung ist sehr weit gefasst. Darunter fallen sämtliche Maßnahmen, die auf die Restrukturierung des Unternehmens abzielen. Dazu gehören ua die Änderung der Zusammensetzung oder der Struktur der Vermögenswerte und der Verbindlichkeiten oder jedes anderen Teils der Kapitalstruktur des Unternehmens des Schuldners, wie etwa der Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen, sowie die Gesamtveräußerung des Unternehmens.* In den meisten Fällen werden die im Restrukturierungsplan enthaltenen Restrukturierungsmaßnahmen aber in erster Linie in einer Kürzung von Gläubigerforderungen bestehen.426

Der Schuldner entscheidet darüber, welche Gläubiger bzw Forderungen in den Restrukturierungsplan einbezogen werden.* Er hat dabei Gläubigerklassen zu bilden.* Bei Kleinunternehmern bzw kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) kann von der Bildung von Gläubigerklassen Abstand genommen werden.* Das Gesetz hält die Anzahl der von der RL vorgeschriebenen Gläubigerklassen gering. Danach sind folgende Klassen zu bilden: Gläubiger mit besicherten Forderungen, Gläubiger mit unbesicherten Forderungen, Anleihegläubiger, schutzbedürftige Gläubiger und Gläubiger nachrangiger Forderungen.* Auf Antrag des Schuldners kann auch eine maximal dreimonatige Vollstreckungssperre, die allenfalls um maximal drei weitere Monate ausgedehnt werden kann, bewilligt werden.*

2.5..
Eigenverwaltung und Restrukturierungsbeauftragter

Die ReO sieht grundsätzlich die Eigenverwaltung des Schuldners vor.* Nur im Einzelfall kann ihn das Gericht beschränken.* Unter bestimmten Voraussetzungen hat das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungsplans zu bestellen. Die Regelungen in diesem Bereich folgen über weite Strecken dem Konzept der §§ 169 ff IO über die Eigenverwaltung im Sanierungsverfahren. Ein Restrukturierungsbeauftragter ist ua dann zu bestellen, wenn das Gericht eine Vollstreckungssperre anordnet und ein Beauftragter zur Wahrung der Interessen der Parteien erforderlich ist, die Bestätigung des Restrukturierungsplans eines klassenübergreifenden Cramdown bedarf oder der Schuldner oder die Mehrheit der Gläubiger, die nach dem Betrag der Forderungen zu berechnen ist, dies beantragt.* Das Gericht hat weiters einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen, wenn Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Dazu zählt ua, dass der Schuldner nach Einleitung des Verfahrens entstehende Forderungen nicht erfüllt oder Forderungen betroffener Gläubiger begleicht.*

Darüber hinaus kann das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten insb auch zur Genehmigung einer Zwischenfinanzierung, zur Prüfung, ob der Restrukturierungsplan die Bestandfähigkeit des Unternehmens gewährleistet, zur Erstattung eines Berichts über die voraussichtlichen Ergebnisse der Durchführung eines Insolvenzverfahrens, bei der Festlegung von Verfügungsbeschränkungen oder zur Prüfung von bestrittenen Forderungen, bestellen.*

Wenn ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt wurde, bestimmt das Gericht seine Aufgaben im Einzelfall (§ 14 und § 16 Abs 2 ReO) und unabhängig vom Anlass der Bestellung.

Der Beschluss über die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten ist dem Schuldner und den bekannten betroffenen Gläubigern zuzustellen.* Da die Forderungen der AN nicht in das Verfahren einzubeziehen sind, hat demnach keine Information der AN über die Bestellung zu erfolgen. Aus Sicht der AN ist dieser Mangel an Transparenz höchst unbefriedigend.

2.6..
Vollstreckungssperre und Insolvenzschutz

Auf Antrag des Schuldners kann auch eine maximal dreimonatige Vollstreckungssperre, die allenfalls um maximal drei weitere Monate ausgedehnt werden kann, bewilligt werden.* Eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit steht deren Bewilligung allerdings entgegen. Das Gericht hat durch Einsicht in die Exekutionsdaten zu prüfen, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist. Zahlungsunfähigkeit wird vermutet, wenn zur Hereinbringung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen bereits Exekutionsverfahren gegen den Schuldner geführt werden. Die Abgabenbehörden und Sozialversicherungsträger sind zur Auskunft darüber verpflichtet.*

Die Vollstreckungssperre darf nicht alle Forderungen umfassen und gilt für die Gläubiger erst, wenn sie über die Vollstreckungssperre in Kenntnis gesetzt wurden.* Eine alle Gläubiger umfassende allgemeine Vollstreckungssperre ist nur im Europäischen Restrukturierungsverfahren gem § 44 ReO möglich und ist öffentlich bekannt zu machen.*

Die Vollstreckungssperre verhindert weitgehend auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sowie die Auflösung von Verträgen durch betroffene Gläubiger.* Die Verpflichtung des Schuldners, ein Insolvenzverfahren wegen Überschuldung zu beantragen, ruht während dieser Zeit.* Über Insolvenzanträge von Gläubigern wegen Überschuldung ist nicht zu entscheiden.* Auch Insolvenzanträge wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners führen nicht automatisch zur Insolvenzeröffnung, sondern 427das Gericht entscheidet, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im allgemeinen Gläubigerinteresse ist.* Das bedeutet, selbst wenn im Laufe des Restrukturierungsverfahrens Zahlungsunfähigkeit eintritt, kann das Insolvenzgericht von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens absehen, wenn dies „im allgemeinen Interesse der Gläubiger“ ist, also zB die Einigung über einen Restrukturierungsplan unmittelbar bevorsteht. Die Vollstreckungssperre bewirkt somit auch eine Insolvenzsperre. Zusätzlich wird – der RL folgend – zwingend die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungsplans vorgesehen.* Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Zeit zur wirtschaftlichen Erholung kurz sein. Daher wird die Dauer der Vollstreckungssperre mit maximal drei Monaten – unter gleichzeitiger Vorsehung einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit von maximal drei weiteren Monaten – begrenzt. Dieser Zeitraum sollte lang genug sein, um einen Restrukturierungsplan abschließen zu können.

2.7..
Restrukturierungsplan: Abstimmung und Bestätigung

Erst mit dem Restrukturierungsplan – der nicht schon bei Einleitung des Verfahrens vorliegen muss – muss der Schuldner folgende wesentlichen Informationen vorlegen: eine Auflistung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten samt Bewertung, die betroffenen Gläubiger und ihre Forderungen sowie den Gesamtbetrag der Forderungen, die vom Restrukturierungsplan nicht betroffenen Gläubiger, die vorgeschlagenen Restrukturierungsmaßnahmen, einen Finanzplan für die Laufzeit der Restrukturierungsmaßnahmen, eine bedingte Fortbestehensprognose und einen Vergleich mit den Szenarien der IO. Der Schuldner muss weiters begründen, warum er bestimmte Gläubiger nicht einbezieht.*

Kernstücke des Restrukturierungsplans sind somit die dem Schuldner obliegende Auswahl der betroffenen Gläubiger und deren Einteilung in Gläubigerklassen, die Restrukturierungsmaßnahmen und der Nachweis der Bestandfähigkeit in Form der bedingten Fortbestehensprognose. Der Schuldner muss insb nachweisen, dass durch den Restrukturierungsplan die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit verhindert wird. Die Überprüfung des Restrukturierungsplans obliegt dem Gericht. Geprüft werden sollen die Vollständigkeit der Angaben, die Bildung der Gläubigerklassen, die Entscheidung, welche Gläubiger einbezogen werden, sowie die bedingte Fortbestehensprognose.*

Über den Restrukturierungsplan ist in einer Tagsatzung abzustimmen, die das Gericht in der Regel binnen 30 bis 60 Tage nach Vorlage des Restrukturierungsplans anzuordnen hat.* Der Schuldner hat den zur Abstimmung gelangenden Restrukturierungsplan den betroffenen Gläubigern spätestens zwei Wochen vor der Abstimmung zu übermitteln.* Stimmberechtigt sind nur die betroffenen Gläubiger. Für die Annahme des Restrukturierungsplans bedarf es einer doppelten Mehrheit: der Mehrheit der anwesenden einbezogenen Gläubiger in jeder Klasse sowie zusätzlich einer Summenmehrheit von mindestens 75 % der Gesamtsumme aller Forderungen der anwesenden einbezogenen Gläubiger in jeder Gläubigerklasse. Wurden keine Klassen gebildet, so berechnen sich die erforderlichen Mehrheiten anhand der insgesamt anwesenden Gläubiger.* Weiters bedarf der Restrukturierungsplan in jedem Fall der Bestätigung durch das Gericht.*

Bei Erreichen der Gläubigermehrheit in jeder Gläubigerklasse hat das Gericht folglich über die Bestätigung des Restrukturierungsplans zu entscheiden. Es hat die Bestätigung ua zu versagen, wenn der Restrukturierungsplan durch eine gegen § 150a IO verstoßende Begünstigung eines Gläubigers zustande gebracht wurde, oder der Schuldner bei Angabe der nicht betroffenen Gläubiger wissentlich Gläubiger verschwiegen hat, nach Vorlage des Restrukturierungsplans entstandene fällige und feststehende Forderungen nicht bezahlt hat, oder wenn offensichtlich ist, dass der Restrukturierungsplan die Insolvenz des Schuldners nicht verhindert und die Bestandfähigkeit des Unternehmens nicht gewährleistet.*

Die Interessen der überstimmten Gläubiger werden – auf Antrag – nur dadurch geschützt, dass sie nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie im Falle einer Verwertung des Unternehmens oder bei einem Sanierungsplan im Rahmen eines Insolvenzverfahrens stünden.* Wird die Zustimmung nicht in allen Gläubigerklassen erreicht, kann das Gericht dem Restrukturierungsplan dennoch unter bestimmten Voraussetzungen die Bestätigung erteilen (sogenannter klassenübergreifender Cramdown).*

Der bestätigte Restrukturierungsplan ist für alle im Restrukturierungsplan genannten Gläubiger verbindlich.* Dies entspricht im Kern § 156 IO und folgt daraus, dass die ReO im Wesentlichen – ähnlich dem Sanierungsplan – auf eine Forderungskürzung ausgerichtet ist. Die Bestätigung des Plans kann aber durch ein Rechtsmittel angefochten werden vgl § 40 ReO.428

2.8..
Position und Rechte der ArbeitnehmerInnen
2.8.1..
Recht auf Anhörung und Information

Die individuellen und kollektiven Rechte der AN nach dem Arbeitsrecht werden durch das Restrukturierungsverfahren und den Restrukturierungsplan nicht beeinträchtigt. Im Gesetz ausdrücklich genannt werden insb das Recht auf Tarifverhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen sowie das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der AN-Vertreter über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Der Hinweis auf die RL 2002/14/EG und RL 2009/38/EG ist allerdings insofern nicht ausreichend, als die genannten Richtlinien nicht unmittelbar anwendbar sind. Unmittelbar maßgeblich sind jedoch die einschlägigen Paragrafen des ArbVG, wie insb § 91, § 92, § 108 und § 109. Aus Sicht der AN-Vertreter wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Mitwirkungsrechte der Betriebsratskörperschaften im Falle eines Restrukturierungsverfahrens ausdrücklich geregelt worden wären.

Das Gesetz sieht weiters ein Recht auf Unterrichtung und Anhörung der AN-Vertreter über den Restrukturierungsplan – bevor er den Gläubigern zur Annahme vorgelegt wird – vor. Darüber hinaus sind die AN-Vertreter über die Auswirkungen des Restrukturierungsverfahrens auf die Beschäftigung zu informieren.*

Problematisch ist dabei die mangelnde Publizität des Verfahrens. Die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens ist nur dann in der Ediktsdatei zu veröffentlichen, wenn der Schuldner dies beantragt. Da anzunehmen ist, dass Schuldner diese Publizität generell vermeiden wollen, steht zu befürchten, dass die betroffenen AN nicht ausreichend über die Situation informiert werden.

Zu den Bedingungen des Restrukturierungsplans gehören ua zwar auch die Modalitäten der Benachrichtigung und Anhörung der im Unternehmen errichteten Organe der Belegschaft und der AN-Vertreter,* die Informationspflichten des Schuldners sind jedoch nur unzureichend geregelt. Das Gesetz sieht zwar ein Recht der AN-Vertreter auf Unterrichtung über ein Restrukturierungsverfahren sowie den Restrukturierungsplan vor, Informationspflichten des Schuldners zugunsten von AN in nicht organisierten Betrieben ohne BR fehlen aber zur Gänze.

2.8.2..
Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis

Im Restrukturierungsplan sind auch die allgemeinen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze wie Kündigungen, Kurzarbeitsregelungen oder Ähnliches anzuführen. Die ReO sieht aber keine Möglichkeit vor, Arbeitsverhältnisse – wie in einem Insolvenzverfahren – begünstigt aufzulösen.* Die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens stellt auch keinen Insolvenztatbestand iSd Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG) dar. Werden Arbeitsverhältnisse im Zusammenhang mit der Restrukturierung gelöst, müssen die daraus resultierenden Ansprüche der AN zur Gänze beglichen werden. Ein Personalabbau kann daher nur dann vorgenommen werden, wenn die daraus folgenden Forderungen der AN auch bezahlt werden können.

Das Frühwarnsystem gem § 45a Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) – die Anzeige der beabsichtigten Auflösung von Arbeitsverhältnissen und die damit einhergehende 30-tägige Wartefrist für den Ausspruch von Beendigungserklärungen – ist auch während eines Restrukturierungsverfahrens einzuhalten. Die bloße Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens allein vermag eine Fristverkürzung gem § 45a Abs 8 AMFG nicht zu rechtfertigen.

Sofern im Restrukturierungsplan der Abbau von Arbeitsplätzen oder der Verkauf von Betriebsteilen oder sonstigen wesentlichen Vermögenswerten beabsichtigt ist, ist davon auszugehen, dass im Einzelfall Betriebsänderungen iSd § 109 Abs 1 ArbVG vorliegen. Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen können daher von der Belegschaftsvertretung Sozialplanverhandlungen gem § 109 Abs 3 ArbVG angestrengt werden.

2.8.3..
Durchsetzung der Arbeitnehmerforderungen

AN-Forderungen sind vom Restrukturierungsplan ausdrücklich ausgenommen. Sie müssen also bei Fälligkeit bezahlt werden. Ein Restrukturierungsverfahren hat auch keine Auswirkungen auf bereits erworbene Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung.*

Ebenfalls vom Restrukturierungsverfahren ausgeschlossen bzw nicht betroffen sein sollten auch bestehende und künftige Forderungen derzeitiger oder ehemaliger freier DN. Dies ist auch richtlinienkonform. Die freien DN sind jedoch weder im Gesetz noch in den Erläuterungen explizit genannt.

Die Ausnahmeregelung des § 3 bewirkt, dass ausgenommene Forderungen im Rahmen des Restrukturierungsplans weder gekürzt noch gestundet werden können. Auch eine gem § 19 ReO auf Antrag des Schuldners vom Gericht anzuordnende Vollstreckungssperre gilt nicht für ausgenommene Forderungen. AN-Forderungen unterliegen somit nicht der Vollstreckungssperre und zwar unabhängig davon, ob diese Forderungen vor oder nach Anordnung der Vollstreckungssperre 429entstanden sind und können somit auch während des Restrukturierungsverfahrens im Exekutionsweg einbringlich gemacht werden. Dadurch soll ein angemessenes Schutzniveau für AN gewährleistet werden.

Dennoch kann es zu einer Erschwerung der Durchsetzung von AN-Forderungen kommen, da das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen über Insolvenzanträge nicht zu entscheiden hat (siehe die Ausführungen zu Vollstreckungssperre und Insolvenzschutz). In der Praxis ist es aber oft schwierig, Forderungen im Exekutionsweg einbringlich zu machen. Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, bewirkt dies faktisch eine Hemmung der Weiterverfolgung der AN-Forderungen, da die Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens keinen Anknüpfungstatbestand nach dem IESG darstellt und mangels Insolvenzeröffnung ein Insolvenztatbestand während der Vollstreckungssperre – die bis zu maximal sechs Monate dauern kann – nicht erwirkt werden kann. Eine Liquidierung der AN-Ansprüche über den Insolvenz-Entgelt-Fonds ist daher in dieser Zeit nicht möglich.

Nach Einleitung des Restrukturierungsverfahrens entstehende Forderungen sind bei Fälligkeit zu bezahlen. Werden diese Forderungen nicht bezahlt, hat das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten zu bestellen.* Werden Entgeltansprüche der AN nach Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens nicht bezahlt, sollte daher jedenfalls die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten angeregt werden.

2.9..
Aufhebung und Einstellung des Restrukturierungsverfahrens

§ 41 Abs 2 ReO enthält eine taxative Aufzählung jener Fälle, wonach das Restrukturierungsverfahren nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann und daher einzustellen ist. Das Restrukturierungsverfahren ist insb dann einzustellen, wenn der Schuldner innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist keinen Restrukturierungsplan vorgelegt hat, einem Verbesserungsauftrag nicht rechtzeitig nachgekommen ist, den Jahresabschluss nicht vorlegt, den Kostenvorschuss für die Entlohnung des Restrukturierungsbeauftragten nicht rechtzeitig erlegt, den Antrag auf Annahme eines Restrukturierungsplans zurückzieht, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde oder die Bestätigung des Restrukturierungsplans rechtskräftig versagt wurde.

Die ReO kennt kein „Anschlussinsolvenzverfahren“. Es ist selbst dann keine amtswegige Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgesehen, wenn der zuständige Insolvenzrichter – der ja das Restrukturierungsverfahren zu führen hat – erkennt, dass materielle Insolvenz des Schuldners eingetreten ist. Nach dem Auslaufen der Vollstreckungssperre und dem Scheitern des Restrukturierungsverfahrens bleibt es somit den Gläubigern überlassen, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen.

2.10..
Anfechtungsschutz und sonstige Maßnahmen

Im Falle eines Scheiterns der Restrukturierung und einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung stellt sich die Frage der Anfechtung von Zwischen- und Neufinanzierungen. Diesem Umstand wurde durch eine begleitende Änderung der IO Rechnung getragen. Es wurden mit den §§ 36a und 36b IO Bestimmungen eingefügt, die das Anfechtungsrisiko in engem Rahmen beschränken. Die beteiligten Finanzierungsgläubiger haben den Vorteil der Anfechtungsfreiheit für finanzielle Mittel, die nach Eröffnung des Restrukturierungsverfahrens zur Verfügung gestellt werden.* Zu den nicht anfechtbaren Transaktionen gehört auch die Zahlung von Arbeitsentgelt für bereits geleistete Arbeit.*

2.11..
Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren

Es handelt sich hierbei um ein „Schnellverfahren“, bei dem ein Restrukturierungsplan ohne Restrukturierungsverfahren bestätigt werden kann. Der Restrukturierungsplan darf nur Finanzgläubiger betreffen. Andere Gläubiger, wie zB Lieferanten, dürfen davon nicht beeinträchtigt werden. Weiters muss eine Mehrheit von 75 % der Gesamtsumme der Forderungen in jeder Gläubigerklasse zugestimmt haben. Eine zusätzliche Kopfmehrheit ist, anders als im regulären Restrukturierungsverfahren, nicht erforderlich. Es ist damit möglich, dass wenige Großgläubiger mehrere Kleingläubiger überstimmen. Ein Schuldner, der sich mit seinen wesentlichen Finanzgläubigern geeinigt hat, kann so in einem beschleunigten Verfahren die Zustimmung der anderen Finanzgläubiger erzwingen. Eine Abstimmung findet in diesem Fall nicht statt. Damit kann der Restrukturierungsplan auch gegen den Widerstand sogenannter „Akkordstörer“ durchgesetzt werden.

Das vereinfachte Verfahren muss daher gut vorbereitet sein. Der Schuldner muss den Restrukturierungsplan bereits erstellt und mit seinen Finanzgläubigern ausverhandelt haben. In der Regel erfolgt dies durch eine Restrukturierungsvereinbarung. Es muss sichergestellt sein, dass keiner der betroffenen Finanzgläubiger schlechter gestellt ist, als er es in einem Insolvenzverfahren wäre.* Weiters muss dargelegt werden, dass die Umsetzung des Restrukturierungsplans eine mögliche Insolvenz des Schuldners verhindert, der 430Schuldner also nach Umsetzung des Plans saniert ist. Die Erfüllung dieser Kriterien muss mit einem Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Gebiet Unternehmensführung, Unternehmensreorganisation, Unternehmenssanierung und Unternehmensliquidation bestätigt sein.*

2.12..
Europäisches Restrukturierungsverfahren

Die Besonderheit des Europäischen gegenüber dem herkömmlichen Restrukturierungsverfahren besteht darin, dass eine öffentliche Bekanntmachung in der Ediktsdatei – nicht aber in der Insolvenzdatei – erfolgt, die Vollstreckungssperre alle Gläubiger umfassen kann und öffentlich bekannt zu machen ist und die Gläubiger auf Antrag des Schuldners zur Anmeldung ihrer Forderungen aufzufordern sind.* Das Verfahren ist damit einem Insolvenzverfahren sehr ähnlich, auch wenn nach den Erläuterungen der Eindruck eines Insolvenzverfahrens ausdrücklich vermieden werden soll. Voraussetzung ist ein Antrag des Schuldners bereits vor Einleitung des Restrukturierungsverfahrens. Das Verfahren unterliegt dem Anwendungsbereich der EuInsVO 2015 und wird in den AnhangA aufzunehmen sein.*

3..
Zusammenfassung

Durch die präventive Restrukturierung könnte ein erheblicher Prozentsatz von Unternehmen saniert und Arbeitsplätze bewahrt werden. Gerade im Kontext mit der aktuellen Covid-19-Wirtschaftskrise bietet das neue Restrukturierungsverfahren eine zusätzliche Chance für viele Unternehmen, einen Weg aus der Krise zu finden. Allerdings sieht dieses Verfahren sehr große Einleitungshürden vor. Die entsprechenden Konzepte und Pläne können nur von ExpertInnen erstellt werden. Dies ist mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Daher ist zu befürchten, dass die Zahl der tatsächlich eröffneten Verfahren nicht all zu hoch sein wird und die in der Insolvenzordnung vorgesehenen Verfahren der Regelfall bleiben werden.

Die Durchsetzung von offenen AN-Forderungen kann durch ein Restrukturierungsverfahren zeitlich erheblich verzögert werden. Obwohl offene Forderungen der AN im Rahmen des Restrukturierungsplans weder gekürzt noch gestundet werden können und auch eine allfällige Vollstreckungssperre für AN-Forderungen nicht gilt, bewirkt die damit verbundene Insolvenzsperre eine erhebliche Verschlechterung der Rechtsposition der AN. Ist die Exekution nicht erfolgreich, können die offenen Forderungen mangels Insolvenztatbestand nicht gegenüber dem IEF geltend gemacht werden. Für die davon betroffenen AN kann dies existenzbedrohend sein. 431