166Kündigung in Tranchen – Umgehung des Frühwarnsystems nach dem AMFG bewirkt Unwirksamkeit der Kündigung
Kündigung in Tranchen – Umgehung des Frühwarnsystems nach dem AMFG bewirkt Unwirksamkeit der Kündigung
Um ihr Unternehmen zu restrukturieren und Personal abzubauen, kündigte die Bekl mit Schreiben vom 30.9.2019 die Dienstverhältnisse von zehn, davon sieben über 50-jährigen MitarbeiterInnen zum 31.3.2020 auf. Nachdem neun MitarbeiterInnen Klagen dagegen erhoben hatten, entschied sie, die Kündigungen für dieselben Personen, ua die Kl, möglichst zeitnah neuerlich auszusprechen, um keine Stichtagsverschiebungen bei den Kündigungsterminen herbeizuführen. Mit Schreiben vom 36729.10.2019, 15.11.2019 und 23.12.2019 kündigte sie jeweils drei der Dienstverhältnisse erneut auf. Ihre Absicht war, zur Vermeidung des Frühwarnsystems die Schwellenwerte nicht zu überschreiten, um den Ruf des Unternehmens bei LieferantInnen, KundInnen und PartnerInnen nicht unnötig zu gefährden und insofern einen Schaden zu vermeiden. Das Erfordernis der Personalfreisetzungsmaßnahmen bestand nach ihrer Ansicht weiter.
Dem Begehren der Kl, die Kündigung ihres Dienstverhältnisses mangels Meldung gem § 45a Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) für unwirksam zu erklären, wurde von den Vorinstanzen stattgegeben. Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
Gem § 45a Abs 1 Z 4 AMFG haben AG das Arbeitsmarktservice zu verständigen, wenn sie beabsichtigen, Arbeitsverhältnisse von mindestens fünf AN, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen aufzulösen. Die 30-tägige Frist des § 45a Abs 1 AMFG wandert kontinuierlich. AG können daher durch die zeitliche Streuung von Kündigungen das Erreichen des Schwellenwerts der genannten Bestimmung verhindern. Von einer zulässigen Streuung ist auszugehen, wenn die Streuung der Kündigungen über einen längeren als 30-tägigen Zeitraum schon in der ursprünglichen Absicht des/der AG zur Beendigung der Dienstverhältnisse lag, nicht aber, wenn sich die Kündigungserklärungen entgegen seiner/ihrer ursprünglichen Intention faktisch über einen längeren Zeitraum erstrecken, würde doch sonst der Zweck des Frühwarnsystems verfehlt, schon die Absicht eines/einer AG, innerhalb kurzer Zeit eine arbeitsmarktpolitisch relevante Zahl von AN freizusetzen, zum Anlass von Vorkehrungen zu nehmen.
Dem Argument der Bekl, dass sie bei den neuerlichen Kündigungen gerade nicht beabsichtigt habe, innerhalb von 30 Tagen eine die Schwellenwerte erreichende Anzahl von Arbeitsverhältnissen aufzulösen, hält der OGH entgegen:
Hier sollte der schon mit der ersten Kündigung angestrebte Personalabbau nach den Kündigungsanfechtungen jedenfalls mit demselben Personenkreis zum ursprünglichen Kündigungstermin vollzogen werden, weshalb die zweiten Kündigungen zeitnah so wiederholt werden sollten, dass dieses Ziel erreicht werden konnte. Die zweiten Kündigungen waren insofern aber nur vom Bestreben nach einer Korrektur der fehlerhaften ersten Kündigungen getragen, ohne dass sich am Willen der Bekl zur Auflösung der betroffenen Dienstverhältnisse zum selben Kündigungstermin etwas geändert hätte. Wenn die Vorinstanzen danach zwar formal getrennte Auflösungserklärungen, intentional aber eine einheitliche Auflösungsabsicht der Bekl sahen, die sie infolge der gescheiterten ersten Kündigungen in unterschiedlichen Kündigungstranchen verwirklichte, ist dies nicht weiter korrekturbedürftig.