168Anspruch auf vereinbarte Karenzabgeltung für Einhaltung der Konkurrenzklausel auch nach Arbeitnehmerkündigung
Anspruch auf vereinbarte Karenzabgeltung für Einhaltung der Konkurrenzklausel auch nach Arbeitnehmerkündigung
Ungeachtet dessen, dass eine Konkurrenzklausel im Falle einer AN-Kündigung grundsätzlich aufrecht bleibt, ohne dass es einer Erklärung des AG iSd § 37 Abs 2 AngG bedürfen würde, steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, auch für diesen Fall die Zahlung einer Abgeltung für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes zu vereinbaren. Dabei ist es der Disposition der Parteien anheimgestellt, in den nicht von § 37 AngG geregelten Fällen auch eine niedrigere Karenzabgeltung vorzusehen.
Der AN muss sich auf das, was ihm der AG für die Einhaltung der Konkurrenzabrede bezahlt, nicht anrechnen lassen, was er sich infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben verabsäumt hat. Eine analoge Anwendung des § 1155 ABGB kommt nicht in Betracht.
Der Kl war bei der Bekl von 1.8.2015 bis 30.4.2019 als Unternehmensberater im Angestelltenverhältnis beschäftigt, welches durch AN-Kündigung endete. Die Bekl hat ihren Sitz in Österreich und ist Teil einer Unternehmensgruppe, die in 50 Ländern im Bereich Unternehmensberatung tätig ist. Vor der Beschäftigung bei der Bekl war der Kl bereits einige Zeit als Unternehmensberater bei einer deutschen Schwestergesellschaft angestellt.
Der mit der Bekl abgeschlossene Arbeitsvertrag wurde nicht näher besprochen und enthielt Formulierungen, die dem Kl aus seiner früheren Angestelltentätigkeit bei der deutschen Schwestergesellschaft bekannt waren. Im Arbeitsvertrag zur Bekl fanden sich ua folgende Klauseln:
„13. Wettbewerbsverbot
Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die Zeit von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder mittelbar noch unmittelbar für ein Unternehmen tätig zu werden, das im Wettbewerb mit der Gesellschaft steht. […]
Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes erhält der Mitarbeiter eine monatliche Entschädigung in Höhe von 74 % der zuletzt gewährten Bezüge. Die Anrechnung anderweitigen Erwerbs richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. […]
18. Anwendbares Recht, Erfüllungsort
Dieser Vertrag unterliegt dem österreichischen Recht und dem anzuwendenden Kollektivvertrag.“
In seiner Klage brachte der Kl vor, für die Dauer eines Jahres an das Wettbewerbsverbot gebunden zu sein und Anspruch auf eine Entschädigung iHv 74 % der zuletzt gewährten Bezüge zu haben. Mit 1.5.2019 sei er zu einem Kunden der Bekl gewechselt, wodurch das Wettbewerbsverbot nicht verletzt worden sei. Eine anzuwendende Anrechnungsbestimmung existiere im österreichischen Recht nicht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kl habe das Wettbewerbsverbot nicht verletzt und nach der Vereinbarung Anspruch auf die begehrte Entschädigung, welche nicht an das Vorliegen einer DG-Kündigung geknüpft sei. Im Arbeitsver369trag werde hinsichtlich der Anrechnung auf das Gesetz verwiesen. Eine anzuwendende österreichische Anrechnungsbestimmung finde sich aber nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Parteien hätten zwar auch für den Fall einer DN-Kündigung eine freiwillige Karenzabgeltung vereinbart, bei der Auslegung dieser Vereinbarung sei aber auch die Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen. Wenn nach der österreichischen Rechtslage für den Fall einer DN-Kündigung keine Karenzabgeltung vorgesehen sei, könne den Parteien nicht ernsthaft unterstellt werden, mit der Vereinbarung eine vom Einkommen des AN völlig unabhängige Karenzabgeltung vorzusehen. Zudem deute das Wort „Entschädigung“ darauf hin, dass es auf die Einkommensminderung durch das Wettbewerbsverbot ankomme. Eine Einkommensminderung liege aber nicht vor, da der Kl bei seinem neuen AG sogar mehr verdiene.
Der OGH hielt die außerordentliche Revision des Kl für zulässig und auch berechtigt und stellte das klagsstattgebende erstinstanzliche Urteil wieder her.
„[…]
3. […] Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsverhältnis […] durch Arbeitnehmerkündigung geendet. Durch diese Art der Beendigung bleibt eine Konkurrenzklausel grundsätzlich aufrecht, ohne dass es einer Erklärung des Arbeitgebers im Sinn des § 37 Abs 2 AngG bedurft hätte. Dessen ungeachtet steht es den Parteien des Arbeitsvertrags frei, auch für diesen Fall die Zahlung einer Abgeltung für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots vorzusehen. Auch wenn eine Karenzabgeltung nicht generell, sondern nur im Zusammenhang mit § 37 Abs 2 Fall 2 AngG gewährt werden muss, können darüber hinaus freiwillige Abgeltungszahlungen vereinbart werden (Reissner in ZellKomm3 § 37 AngG Rz 24). Dabei ist es der Disposition der Parteien anheimgestellt, in den nicht von § 37 AngG geregelten Fällen eine (freiwillige und zusätzliche) auch niedrigere Karenzentschädigung vorzusehen (vgl 9 ObA 4/93).
Da die Vereinbarung zwischen den Parteien für die „Entschädigungszahlung“ gerade nicht auf eine besondere Beendigungsart abstellt, ist sie grundsätzlich für die Dauer des Wettbewerbsverbots auch in den nicht in § 37 Abs 2 AngG geregelten Fällen der Vertragsbeendigung zu leisten.
4. Der Dienstvertrag sieht vor, dass eine monatliche Entschädigung von 74 % der zuletzt gewährten Bezüge zu leisten ist. Zur Frage der Anrechnung eines anderweitigen Erwerbs wird auf die „gesetzlichen Bestimmungen“ verwiesen.
Im hier anzuwendenden österreichischen Recht ist im Zusammenhang mit der Konkurrenzklausel bzw dem Wettbewerbsverbot keine Anrechnung vorgesehen. Nach der Rechtsprechung zu § 37 Abs 2 AngG muss der Arbeitnehmer sich auf das, was ihm der Arbeitgeber für die Einhaltung der Konkurrenzabrede bezahlt, nicht anrechnen lassen, was er sich infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben verabsäumt hat. Eine analoge Anwendung des § 1155 ABGB kommt nicht in Betracht, da es sich um einen Anspruch auf Entschädigung für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt. Die Entschädigung soll dem Arbeitnehmer dafür gewährt werden, dass er an die Konkurrenzklausel gebunden ist und daher seine Arbeitskraft nur beschränkt verwerten kann (14 Ob 187/86).
5. Das Berufungsgericht leitet […] aus der Verwendung des Wortes „Entschädigung“ und der Übernahme dieser Klausel aus dem mit dem Kläger früher abgeschlossenen Dienstvertrag, der dem deutschen Recht unterlag, die Vereinbarung einer Anrechnung anderweitigen Verdienstes ab. […]
Allein aus dem Wort „Entschädigung“ lässt sich für die Anrechnung noch nichts gewinnen. Entschädigung wird, wie dargelegt, dafür geleistet, dass der Mitarbeiter das Wettbewerbsverbot einhält und damit seine Arbeitskraft nicht uneingeschränkt einsetzen kann. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer unter Beachtung eines Konkurrenzverbots einer Beschäftigung nachgeht, sagt nichts darüber aus, welchen (allenfalls höheren) Verdienst er ohne diese Beschränkung hätte erzielen können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die „Entschädigung“ nur 74 % der zuletzt gewährten Bezüge ausmacht, also einen allfälligen Verlust nicht 1:1 ausgleicht.
Ein Rückschluss vom Begriff „Entschädigung“ auf Zulässigkeit und Umfang einer Anrechnung ist aber auch nicht erforderlich, da diesbezüglich zwischen den Parteien eine ausdrückliche Regelung besteht, nämlich dahingehend, dass sich die Anrechnung nach den gesetzlichen Bestimmungen richtet.
Nun sieht das österreichische Recht im gegenständlichen Kontext keine Anrechnung vor. Da in dem von der österreichischen Beklagten formulierten Vertrag ausdrücklich die Anwendbarkeit österreichischen Rechts festgelegt wurde, musste ein redlicher Erklärungsempfänger diesen Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen, auch wenn die Formulierung der Klausel aus Arbeitsverträgen aus dem deutschen Rechtsbereich übernommen wurde, nicht so verstehen, dass damit auf deutsche Anrechnungsbestimmungen verwiesen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Anrechnung wie im Vertrag festgelegt nach den österreichischen gesetzlichen Regeln zu richten hat, dementsprechend keine Anrechnung zu erfolgen hat. […]“370
Gem § 37 Abs 2 AngG kann der AG die durch eine Konkurrenzklausel begründeten Rechte gegen den AN nicht geltend machen, wenn er das Arbeitsverhältnis selbst aufgelöst hat, es sei denn, der AN hat durch schuldhaftes Verhalten hiezu begründeten Anlass gegeben oder der AG hat bei der Auflösung erklärt, während der Dauer der Beschränkung dem AN das diesem zuletzt zukommende Entgelt zu leisten.
Die Vorwegnahme einer solchen Erklärung – etwa im Zuge der Vereinbarung der Konkurrenzklausel – wird als zulässig erachtet, da die Schutzfunktion der Bestimmung dadurch nicht beeinträchtigt wird (OGH 4 Ob 162/82 Arb 10.132; OGH 9 ObA 4/93 JBl 1993, 671; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 37 AngG Rz 23; Resch in Löschnigg, AngG10 § 37 Rz 28). Die Höhe dieser zumeist als Karenzabgeltung oder Karenzentschädigung bezeichneten Abgeltungszahlung bestimmt sich nach den Bruttoentgeltansprüchen des AN vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei eine Abgeltung in voller Höhe vorgesehen ist. Geringere Abgeltungszahlungen führen in den von § 37 Abs 2 AngG geregelten Fällen zur Rechtsunwirksamkeit der Konkurrenzklausel (OGH9 ObA 155/87
; OGH9 ObA 38/93 ARD 4506/15/93; aA Reissner in ZellKomm3 § 37 AngG Rz 28, der nur von der Teilnichtigkeit der zu geringen Abgeltungszusage ausgeht).Endet das Arbeitsverhältnis – wie im Sachverhalt der vorliegenden E – aber nicht durch AG-Kündigung, sondern durch AN-Kündigung, kann der AG sich grundsätzlich (es sei denn, er hat dem AN durch schuldhaftes Verhalten begründeten Anlass zur Kündigung gegeben) auf eine Konkurrenzklausel auch dann berufen, wenn er keine Erklärung zur Karenzabgeltung abgibt und auch vorab keine Karenzabgeltung mit dem AN vereinbart hat.
In der vorliegenden E festigt der OGH nun seine bislang dazu ergangene Rsp, dass Vorwegvereinbarungen von Abgeltungszahlungen, welche nicht nur auf bestimmte Beendigungsarten abstellen, auch im Falle einer nicht von § 37 Abs 2 AngG erfassten Beendigungsart einen Anspruch des AN auf diese Abgeltungszahlungen begründen. In der OGH-E 9 ObA 4/93 vom 24.2.1993 befand der neunte Senat über einen gleichgelagerten Sachverhalt, worin ebenfalls deutsche Wettbewerbsverbotsklauseln in den österreichischen Arbeitsvertrag übernommen wurden und eine von der Beendigungsart unabhängige Karenzabgeltung vorgesehen war. Der OGH sprach auch hier aus, dass es der Disposition der Vertragsparteien anheimgestellt ist, in den nicht von § 37 Abs 2 AngG geregelten Fällen freiwillige Karenzabgeltungen zu vereinbaren, welche auch unterhalb des darin vorgesehenen Entgeltniveaus liegen können.
Im Unterschied zur nun vorliegenden E ließ der OGH damals eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes zu, da der Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die iZm Wettbewerbsverboten vorgesehene Anrechnungsbestimmung des deutschen Handelsgesetzbuches (§ 74c dHGB) verwies, ausgehend davon, dass bei freiwilligen Karenzabgeltungen Anrechnungsmöglichkeiten grundsätzlich frei vereinbart werden können (so auchReissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 37 AngG Rz 30).
Im Arbeitsvertrag der vorliegenden E war demgegenüber nur allgemein geregelt, dass sich die Anrechnung nach den gesetzlichen Bestimmungen richte. Eine eigene Anrechnungsregelung oder ein Verweis auf die deutsche Anrechnungsbestimmung waren nicht vorgesehen. Der OGH wiederholt hier seine bisherige Rsp zu § 37 Abs 2 AngG, wonach im österreichischen Recht iZm Konkurrenzklauseln keine Anrechnung vorgesehen ist und insb eine analoge Anwendung des § 1155 ABGB nicht in Betracht kommt, da es sich bei der Karenzabgeltung nicht um einen Erfüllungsanspruch während des aufrechten Bestands eines Arbeitsverhältnisses, sondern um einen Entschädigungsanspruch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt (OGH14 Ob 187/86
Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, aus der Verwendung des Begriffs „Entschädigung“ und der Übernahme der Klausel aus dem deutschen Arbeitsvertrag sei auf die Vereinbarung einer Anrechnung anderweitigen Verdienstes zu schließen, teilt der OGH nicht und führt aus, dass die Entschädigung dafür geleistet wird, dass der AN das Wettbewerbsverbot einhält und damit seine Arbeitskraft nicht uneingeschränkt einsetzen kann. Aufgrund der arbeitsvertraglich festgelegten Anwendbarkeit österreichischen Rechts musste ein redlicher Erklärungsempfänger den Verweis, dass sich die Anrechnung nach den gesetzlichen Bestimmungen richte, auch nicht als einen Verweis auf die deutsche Anrechnungsbestimmung verstehen. Eine Anrechnung des vom AN anderweitig erzielten Verdienstes auf seinen Abgeltungsanspruch hatte daher nach Ansicht des OGH zu unterbleiben. 371