„Mobile“ Arbeit – eine arbeitsrechtliche Annäherung

ELIASFELTEN (LINZ)
Die Covid-19-Pandemie hat dazu geführt, dass eine Vielzahl an AN nicht mehr im Betrieb, sondern zu Hause ihre Arbeit verrichten. Bereits zuvor war allerdings in vielen Unternehmen ein Wandel in der Arbeitsorganisation wahrzunehmen: Es wird nicht mehr zwingend verlangt, dass die versprochenen Dienste immer vor Ort erbracht werden müssen, sondern es wird den AN freigestellt, selbst zu bestimmen, von wo aus sie arbeiten wollen. Moderne Technologien ermöglichen eine digitale Vernetzung ohne der Notwendigkeit physischer Präsenz im Betrieb. In der Praxis hat sich dafür der Begriff der „mobilen Arbeit“ durchgesetzt. Sie ist vermeintlich durch mehr Autonomie gekennzeichnet. Gleichzeitig entstehen aber auch neue Abhängigkeiten. Diese Wechselwirkung wirft eine Reihe von Rechtsfragen auf, zumal das geltende Recht „mobile Arbeit“ nur unzureichend darstellt.
  1. Einleitung

  2. „Mobile Arbeit“

    1. Das Phänomen

    2. Rechtliche Implikationen

  3. „Mobiles Arbeiten“ im geltenden Recht

    1. Das Homeoffice-Maßnahmenpaket 2021

    2. Kritik

  4. Fazit

1.
Einleitung

Die ältesten in Österreich noch heute in Geltung befindlichen arbeitsrechtlichen Vorschriften von praktischer Relevanz datieren aus dem Jahr 1859; also aus einer Zeit, zu der noch Kaiser Franz Jo seph I. herrschte.* In der Gewerbeordnung 1859 finden sich erstmals zwingende Gesetzesbestimmungen, die das Rechtsverhältnis zwischen dem selbständigen Gewerbetreibenden und dem sogenannten „gewerblichen Hilfspersonal“ zum Gegenstand haben.* Diese gehen von der Annahme aus, dass „Arbeiter ohne Unterschied des Alters und des Geschlechtes in gemeinschaftlichen Werkstätten zusammenwirken“.*

Dasselbe gilt für die III. Teilnovelle zum ABGB aus dem Jahr 1916.* Darin enthalten war zum ersten Mal die Anordnung, dass AG ihren AN gegenüber zur Fürsorge verpflichtet sind. § 1157 Abs 1 ABGB spricht in diesem Zusammenhang davon, dass AG bezüglich der von ihnen „beizustellenden oder beigestellten Räume und Gerätschaften“ Sorge zu tragen haben, dass Leben und Gesundheit der AN nicht beeinträchtigt werden. Ziel der Fürsorgepflicht ist es demnach, gerade jene Risiken zu adressieren, die sich aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken mehrerer Personen an einem vom Vertragspartner vorgegebenen Ort unter Verwendung vorgegebener Arbeitsmittel ergeben. Inzwischen regelt das ASchG sehr detailreich, welche Schutzpflichten des/der AG sich daraus konkret ergeben.

Auch im sogenannten „AchtstundentagsG“ aus dem Jahr 1918, das dem heutigen AZG als Vorbild diente, ist in § 1 zu lesen, dass in „fabriksmäßig betriebenen Gewerbeunternehmungen“ die tägliche Arbeitszeit nicht mehr als höchstens acht Stunden binnen 24 Stunden betragen darf.* Voraus setzung für die Geltung des Achtstundentages war somit die Beschäftigung in einer Gewerbeunternehmung des/der AG.

Dieses für Gewerbe- und Industrieunternehmen typische Zusammenwirken abhängiger LohnarbeiterInnen in einer Betriebsstätte des/der AG ist letztlich auch der Grund, weshalb den AN – ursprünglich mit dem BRG 1919, zuletzt mit dem ArbVG 1974 – die Möglichkeit eröffnet wurde, sich am Arbeitsplatz zu organisieren und Mitsprache in innerbetrieblichen Angelegenheiten einzufordern. Denn das Recht des/der Betriebsinhabers/in, über den Betrieb und die dort zum Einsatz kommenden Betriebsmittel zu verfügen, bleibt nicht ohne Konsequenzen für jene, die dort beschäftigt sind. Die Eingliederung in die betriebliche Organisation birgt die Gefahr, dass die darin Beschäftigten zum 159 bloßen Objekt unternehmerischer Entscheidungen werden. Durch die Bildung einer eigenen Interessenvertretung mit spezifischen Mitbestimmungs-, zum Teil sogar Vetorechten, soll genau dem entgegengewirkt und sichergestellt werden, dass die AN auch in einem arbeitsteiligen Organismus weiterhin als Subjekt von Recht wahrgenommen werden.*

Der bloße Umstand, dass sich der/die AN in eine von dem/der AG geschaffene Organisation begibt und dort unter Verwendung bereitgestellter Betriebsmittel die versprochenen Dienste leistet, schafft mit anderen Worten ein Abhängigkeitsverhältnis, das den Gesetzgeber dazu veranlasst hat, regulatorisch einzugreifen. Es kann den in Österreich in Geltung befindlichen arbeitsrechtlichen Gesetzen daher im Regelfall unterstellt werden, dass sie von der Prämisse ausgehen, dass AN ihre Dienste im Betrieb des/der AG oder zumindest an einem von diesem/r vorgegebenen Arbeitsplatz erbringen. Auch der OGH judiziert in stRsp, dass, soweit im Arbeitsvertrag nichts Gegenteiliges bestimmt ist, im Zweifelsfall davon auszugehen ist, dass der/die AN seine/ihre Dienste am Standort des Betriebes schuldet.*

Das ist noch heute für das Gros der AN in Österreich der Regelfall. Dennoch ist in den letzten Jahren ein gewisser Wandel in der Organisation von unselbständiger Arbeit festzustellen. Viele Unternehmen bestehen nicht mehr darauf, dass alle AN die versprochenen Dienste zu jeder Zeit „vor Ort“ bzw „im Betrieb“ leisten. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen durch die digitale Vernetzung ihrer Nutzer/innen ein arbeitsteiliges Zusammenwirken auch ohne deren physische Präsenz. Während der Covid-19-Pandemie war das sogar geboten. Die österreichischen Betriebe waren angehalten, wo immer möglich, das Arbeiten außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte zu erlauben. Dadurch sollten soziale Kontakte und damit potentielle Infektionsketten in den Betrieben weitgehend vermieden werden. Mangels Alternativen bedeutete das für viele, dass sie von zu Hause, sprich im Homeoffice, mittels digitaler Endgeräte arbeiteten.* Bereits vor der Covid-19-Pandemie war allerdings ein gewisser Trend wahrzunehmen, dass Unternehmen zunehmend dazu übergehen, AN eine flexiblere Arbeitsorganisation anzubieten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Im Kern geht es aber zumeist darum, den Arbeitsplatz für MitarbeiterInnen attraktiver zu gestalten, indem lästige Anfahrtswege wegfallen oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch mehr Selbstbestimmungsmöglichkeiten erleichtert wird* In der Praxis hat sich für solche alternative Arbeitsformen inzwischen der Sammelbegriff des „mobilen Arbeitens“ durchgesetzt.*

2.
„Mobile Arbeit“
2.1.
Das Phänomen

Mit „mobiler Arbeit“ ist dieses Phänomen freilich nur unzureichend, wenn nicht sogar irreführend beschrieben. Tatsächlich findet sich dieser Begriff auch nicht im geltenden Recht; im Gegensatz zu jenem des „mobilen AN“. Gem § 1 Abs 9 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) sind mobile AN Personen, die als „Fahrer oder als Begleitpersonal in der Personen- und Güterbeförderung tätig sind“ oder dort zumindest überwiegend zum Einsatz kommen. Auch das Unionsrecht kennt den Begriff des mobilen AN. So sind nach Art 20 der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG mobile AN, ebenso wie AN auf Offshore-Anlagen, von bestimmten Schutzvorschriften des europäischen Arbeitszeitrechts explizit ausgenommen.* Die Arbeitszeit-RL selbst konkretisiert zwar nicht näher, unter welchen Voraussetzungen AN als „mobil“ zu qualifizieren sind, aus der Mitteilung der Europäischen Kommission zur Auslegung derselben ergibt sich aber, dass auch hier AN gemeint sind, die ihre Dienste in Fortbewegungsmitteln, seien es Züge, Schiffe oder Flugzeuge, verrichten.* Gerade mobile AN müssen ihre Arbeit aber typischerweise „vor Ort“, nämlich im jeweiligen Fortbewegungsmittel, erbringen. Für sie ist geradezu charakteristisch, dass sie kaum bis gar nicht auf die Gestaltung ihres Arbeitsplatzes und die dort zum Einsatz kommenden Betriebsmittel Einfluss nehmen können.

Genau darum soll es aber bei „mobiler Arbeit“ gehen. „Mobil“ meint hier demnach weniger, dass der Arbeitsplatz ständig gewechselt wird oder sich gar bewegt. Das kann sein, muss aber nicht sein. AN, die im Homeoffice arbeiten, sind weder selbst besonders mobil noch ist ihr Arbeitsplatz mobil.*

Worum es vielmehr geht, ist, dass AN selbstbestimmt über den Arbeitsort und den konkreten Arbeitsplatz entscheiden können.* „Mobil“ ist also in dem Sinne zu verstehen, dass die Arbeit immer dort ist, wo auch der/die AN ist und nicht der/die AN dort zu sein hat, wo die Arbeit ist. Die Bandbreite kann dabei von einem fixen, selbstgewählten und selbstgestalteten Arbeitsplatz, wie es beim Homeoffice typischerweise der Fall ist, bis hin zu stetig wechselnden Arbeitsplätzen reichen, die aber uU selbst gar nicht gestaltbar sind, wie zB eine Sitzecke in einem Caféhaus oder ein Klapptisch in einem Zug. Der im englischsprachigen 160 Raum gebräuchliche Begriff des „remote work“ ist somit treffender, bringt er doch wenigstens zum Ausdruck, dass es um Arbeitsplätze fern des eigentlichen Betriebes geht.

In der Praxis ist diese Möglichkeit, fern vom eigentlichen Betrieb zu arbeiten, allerdings in aller Regel an den Einsatz moderner Kommunikationsund Informationstechnologien gebunden. Erst seitdem diese Technologien zunehmend „mobil“ werden – sprich ein Laptop oder gar ein Smartphone einem Stand-PC ebenbürtig ist –, ist auch „mobiles Arbeiten“ im Arbeitsalltag angekommen. „Mobiles Arbeiten“ geht also in aller Regel mit sogenannter „Telearbeit“ einher.* In den meisten Branchen ist das eine ohne das andere nicht denkbar.* Beim Begriff der „Telearbeit“ handelt es sich im Gegensatz zur „mobilen Arbeit“ um einen Rechtsbegriff, der sich sowohl im nationalen Recht als auch auf europäischer Ebene wiederfindet. In beiden Fällen ist für „Telearbeit“ neben der Verwendung von Informationstechnologien kennzeichnend, dass die versprochenen Dienste (auch) außerhalb der Betriebsstätte oder sonstiger Einrichtungen des/ der AG erbracht werden.*

2.2.
Rechtliche Implikationen

De facto ist es also die Verwendung moderner Technologien, die es dem/der AN ermöglicht, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, wo er/sie die versprochenen Dienste leistet. Damit ist zunächst einmal zweifelsfrei ein Zuwachs an individueller Autonomie gegenüber dem/der AG verbunden. Es fragt sich aber, ob diesem „Mehr“ an individueller Autonomie auch ein „Weniger“ an persönlicher Abhängigkeit gegenübersteht. Das könnte letztlich sogar zum Verlust des AN-Status führen.

Davon geht der österreichische Gesetzgeber freilich nicht aus, wie sich aus den wenigen bestehenden Regelungen zum dislozierten Arbeiten ergibt. So stellt § 2 Abs 2 AZG klar, dass Arbeitszeit auch dann vorliegt, wenn „ein im übrigen im Betrieb Beschäftigter in seiner eigenen Wohnung oder Werkstätte oder sonst außerhalb des Betriebes beschäftigt wird“. Für MitarbeiterInnen, die „ihren Arbeitsort weitgehend selbst bestimmen können oder ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben“, gelten ferner gem § 26 Abs 3 AZG vereinfachte Arbeitszeitaufzeichnungen: Es sind – was unionsrechtlich problematisch ist* – bloß die Zeitsalden zu erfassen. In beiden Fällen steht aber außer Frage, dass AN iSd § 1151 ABGB gemeint sind. Dasselbe gilt für die neue, mit 1.4.2021 in Kraft getretene Homeoffice-Regelung des § 2h AVRAG.*

Auch der OGH hat bereits klargestellt, dass Arbeiten, fern von der eigentlichen Betriebsstätte, nicht per se dazu führt, dass die AN-Eigenschaft verloren geht; weder jene nach § 1151 ABGB* noch jene gem § 36 Abs 1 ArbVG.* Letzteres ist insofern bemerkenswert, als das ArbVG gem § 34 die Existenz eines Betriebes voraussetzt. Entscheidend für den betriebsverfassungsrechtlichen AN-Begriff ist aber nicht die Beschäftigung im Betrieb selbst, sondern, wie bereits der Wortlaut des § 36 Abs 1 ArbVG zum Ausdruck bringt, bloß die Beschäftigung „im Rahmen eines Betriebes“. Das ist nicht örtlich zu verstehen.* Vielmehr kommt es auf das Ausmaß der Eingliederung in den Betrieb an.*

Deshalb ist nach der Judikatur des OGH zu prüfen, ob der/die betreffende AN, wenn er/sie nicht am Betriebsort tätig ist, „in einer so engen Beziehung zum Betrieb steht, daß er [sie] als dem Betrieb noch zugehörig betrachtet werden kann“ und somit noch „als Glied der betrieblichen Organisation“ zu qualifizieren ist.* Eine solche organisatorische Eingliederung kann bei dislozierten AN wiederum vor allem über den Einsatz moderner Kommunikations- und Informationstechnologien erfolgen.*

Zwar ermöglicht ihre Verwendung in der Regel überhaupt erst, dass AN disloziert arbeiten können, gleichzeitig versetzen sie aber den/die AG in die Lage, den Arbeitseinsatz des/der AN unabhängig vom Aufenthaltsort des/der AN zu steuern, die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeiter/innen zu koordinieren und das Arbeitsergebnis zu kontrollieren. Anders als im Betrieb selbst kann das selbst bei einer großen Anzahl von Mitarbeitern/ Mitarbeiterinnen gleichzeitig und zuweilen sogar in Echtzeit passieren.* Im Ergebnis kann also bei „remote work“ in seiner Erscheinungsform als „Telearbeit“ das Abhängigkeitsverhältnis von dem/ der AG sogar noch größer als bei einem klassischen Arbeitsverhältnis sein, bei dem die versprochenen Dienste vor Ort im Betrieb erbracht werden. Oder anders ausgedrückt: Dem „Mehr“ an Selbstbestimmung bezüglich des konkreten Arbeitsplatzes kann in der Praxis ein „Weniger“ an Selbstbestimmung bezüglich des konkreten Arbeitsablaufes gegenüberstehen. Es ist also keinesfalls gesichert, dass „remote work“ immer mehr Autonomie bietet.

Hinzu kommt, dass „remote work“ ungleich stärker mit der Privatsphäre des/der AN in Berührung kommt als ein rein betriebliches Arbeitsverhältnis. Abgesehen davon, dass bereits die Wahl des Arbeitsortes und dessen Ausgestaltung eine höchst persönliche Entscheidung ist, die Auskunft über individuelle Präferenzen geben kann, wird „remote work“ in der Praxis gerade deshalb gewählt, um 161 Arbeit und Privates besser koordinieren zu können. Eine strikte Trennung der beiden Sphären ist da nicht immer möglich und zuweilen auch gar nicht erwünscht. Gerade diese strikte Trennung ergibt sich beim „klassischen“ betrieblichen Arbeitsverhältnis aber nicht nur bereits aus dem örtlichen Auseinanderklaffen von Wohnsitz und Arbeitsplatz. Sie ist vor allem ein prioritäres Schutzziel des Arbeitsrechts, insb des Arbeitszeitschutzes. Die Verpflichtung zur Einhaltung von Ruhezeiten dient letztlich dem Zweck, sicherzustellen, dass diese Trennung aufrechterhalten bleibt. Welches Gewicht diesem Schutzzweck zukommt, zeigt sich daran, dass es sich beim Recht auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie dem Recht auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten um ein unionales Grundrecht handelt.* Aber auch der Schutz vor überbordenden Kontrollmaßnahmen durch Zustimmungsvorbehalte – sei es des BR (§ 96 Abs 1 Z 3 ArbVG), sei es des/der einzelnen AN (§ 10 AVRAG) – dient der Wahrung der Privatsphäre am Arbeitsplatz.

Man ist verleitet zu schlussfolgern, dass wenn der Gesetzgeber bereits beim betrieblichen Arbeitsverhältnis es als erforderlich ansieht, die Privatsphäre des/der AN gegenüber allzu invasiven Eingriffen des/der AG zu schützen, dies umso mehr für „remote work“ gelten muss. Allerdings gilt es zu bedenken, dass hier die Ausgangslage eben eine andere ist. Eine gewisse Vermengung von Dienstlichem und Privatem ist derartigen Modellen immanent und ist zumeist sogar der Grund, weshalb sich die Parteien überhaupt darauf verständigen, „mobil zu arbeiten“. Nicht zuletzt deshalb fördert sogar der europäische Gesetzgeber die Telearbeit als Instrument zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige, wie das aktuell mit der gleichnamigen RL 2019/1158 geschehen ist. Auf diese Weise soll unselbständig erwerbstätigen Eltern oder pflegenden Angehörigen die Möglichkeit geboten werden, ihre Arbeitspläne besser an ihre persönlichen Bedürfnisse und Präferenzen anzupassen.* Das derzeitige Arbeitszeitrecht, das gem § 2 Abs 2 AZG auch dann gilt, wenn AN in ihrer eigenen Wohnung oder Werkstätte oder sonst außerhalb des Betriebes beschäftigt werden, halten manche allerdings für zu starr dafür. Tatsächlich gibt es einzig bei der Verpflichtung zur Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen gem § 26 Abs 3 AZG eine explizite Erleichterung für AN, die „mobil arbeiten“. Koppelt man allerdings weitgehende Arbeitsplatzautonomie mit gleitender Arbeitszeit gem § 4b AZG lässt sich bereits de lege lata ein hohes Maß an individueller Flexibilität erzielen.* Das mag wiederum einigen zu viel an Freiheit sein. Es geht also letztlich darum, was man unter flexibler Arbeitszeit versteht und an wessen Bedürfnissen sich diese orientiert.

Zusammengefasst lässt sich demnach festhalten, dass die Besonderheit von „remote work“ weniger allein darin besteht, dass der/die AN autonom über seinen/ihren Arbeitsplatz bestimmen kann, sondern dass dieses Selbstbestimmungsrecht in aller Regel dazu führt, dass die – ansonsten ortsbedingte – klare Trennung zwischen Privatem und Dienstlichem aufgegeben wird. Letzteres wollte das Arbeitsrecht bisher freilich tunlichst vermeiden, jedenfalls wenn es um das klassische betriebliche Arbeitsverhältnis geht. Es stellt sich daher die Frage, ob das geltende Recht den veränderten Anforderungen des „mobilen Arbeitens“ überhaupt gerecht wird. Die Antwort darauf hängt nur vordergründig davon ab, wie starr oder wie flexibel der derzeitige Rechtsrahmen ist. Entscheidend ist vielmehr vor allem, ob und inwiefern den Besonderheiten des Technikeinsatzes Rechnung getragen wird. Denn „mobile Arbeit“ in seiner Erscheinungsform als Telearbeit hat in aller Regel zur Folge, dass der/die AG Zugriff zur Privatsphäre des/der AN bekommt. Es ist also gerade die Kombination von Technologieeinsatz und verstärktem Flexibilisierungsstreben, die neue Herausforderungen für die Rechtsordnung birgt.

3.
„Mobiles Arbeiten“ im geltenden Recht

Dass Gesetze aus dem ausgehenden 19. oder beginnenden 20. Jahrhundert diese nicht zu bewältigen vermögen, liegt auf der Hand. Auch die Kollektivverträge, die bisher die maßgebliche Rechtsquelle zur Regulierung der „Telearbeit“ waren, leisten hierzu nur einen geringen Beitrag, da sie entweder die inhaltliche Ausgestaltung der BV bzw Einzelvereinbarung übertragen* oder sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe von Gemeinplätzen beschränken.* Nicht zuletzt aus diesem Grund sind mit 1.4.2021 ein Bündel neuer, inhaltlich ganz unterschiedlicher Regelungen in Kraft getreten, die einen gemeinsamen Nenner aufweisen: nämlich das Arbeiten „in der Wohnung“. Damit meint der österreichische Gesetzgeber das Arbeiten im Homeoffice.

3.1.
Das Homeoffice-Maßnahmenpaket 2021

An dieser Legaldefinition des Begriffs „Homeoffice“ fällt auf, dass es nicht darum geht, dass die Dienste in der „eigenen Wohnung“ des/der AN erbracht werden.* Grundsätzlich kommt jede „Wohnung“ als Arbeitsort in Betracht. Vor diesem Hintergrund kann das Arbeiten im Homeoffice tatsächlich „mobile Arbeit“ sein, da der/die AN auch in unterschiedlichen „Wohnungen“ seine Dienste erbringen kann, solange es sich eben um eine „Wohnung“ handelt. Das ist letztlich eine Frage der konkreten Vereinbarung, wie § 2h Abs 2 AVRAG klarstellt. Dass die Vertragsparteien gar keine Festlegungen bezüglich des Arbeitsortes des/der AN machen, wird zwar in der Praxis eher die Ausnahme und nicht die Regel sein, § 2h Abs 1 AVRAG steht dem aber auch nicht entgegen. Im Kern ging es dem Gesetzgeber mit der gewählten Definition von „Homeoffice“ allerdings nicht darum, „Mobilität“ zu fördern, sondern um etwas anderes: Es sollte 162 klargestellt werden, dass die neuen gesetzlichen Regelungen nur dann zur Anwendung kommen, wenn die versprochenen Dienste in einem Wohnraum erbracht werden, der für private Zwecke und nicht für professionelle genutzt wird.* Das ergibt sich unzweifelhaft aus den Materialien, die explizit davon sprechen, dass § 2h AVRAG nicht auf Arbeitsplätze in einem Co-Working-Space zur Anwendung kommt.* Ein Arbeitsplatz in einem zu privaten Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus oder angemieteten Hotelzimmer kann aber natürlich ein Homeoffice iSd § 2h AVRAG sein, auch wenn es sich dabei nicht um eine „Wohnung“ im herkömmlichen Sinne handelt.*

Damit beziehen sich die neuen Regeln aber letztlich auf eine ganz spezifische Erscheinungsform des „remote work“, nämlich auf das Arbeiten im „Homeoffice“. „Mobiles Arbeiten“ als solches ist nicht Gegenstand dieses Gesetzespaketes. Das ist offenkundig eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, weshalb auch eine analoge Anwendung der Bestimmungen auf andere Erscheinungsformen dislozierten Arbeitens von der überwiegenden Lehre abgelehnt wird.* Inwieweit Kernaussagen des neuen Homeoffice-Maßnahmenpakets verallgemeinerungsfähig sind und als Auslegungshilfe dienen können, ist freilich für jede Norm und für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen.* Folglich kann das Homeoffice-Maßnahmenpaket durchaus auch auf andere Fälle „mobilen Arbeitens“ ausstrahlen. Klar ist aber, dass es dem Gesetzgeber nicht darum ging, einen generellen Rechtsrahmen für betriebsfernes Arbeiten zu schaffen. Auch wenn das Arbeiten im Homeoffice zweifellos in der Praxis die am häufigsten genutzte Variante „betriebsfernen“ Arbeitens ist und durch die Covid-19-Pandemie einen ungeahnten Bedeutungszuwachs erlangt hat, fragt man sich dennoch, weshalb der Gesetzgeber nicht die Gelegenheit genutzt hat, „remote work“ oder „mobiles Arbeiten“ als solches zu regeln.

Eine plausible und gut nachvollziehbare Erklärung wäre zweifellos, dass sich in privaten Wohnräumen die eingangs beschriebene Problematik der Abgrenzung von Privatem und Dienstlichem ungleich dringlicher stellt als in einem gewerblichen Co-Working-Space. Für den Fall des Arbeitens in einem Fortbewegungsmittel oder in einem Café ist das zwar schon nicht mehr ganz so eindeutig, dennoch machen spezifische Spielregeln für den Fall, dass Arbeitsleistungen in einem privaten KonKontext erbracht werden – und dafür steht das Arbeiten im Homeoffice exemplarisch –, zweifellos Sinn; handelt es sich doch dabei um den aus grundrechtlicher Sicht „heikelsten Fall“.*

3.2.
Kritik

Das Problem ist nur: Gerade darauf geht das Homeoffice-Maßnahmenpaket nicht ein.* Die einzige Bestimmung, die eine Antwort auf die Besonderheiten des Arbeitens im privaten Wohnraum gibt, ist § 2 Abs 4 DHG, der eine sinngemäße Anwendung der dort geregelten Haftungserleichterungen auch auf im gemeinsamen Haushalt des/der AN lebende Personen anordnet.* Tatsächlich betrifft ja die Vereinbarung des Homeoffice als Arbeitsort nicht nur den/ die AN selbst, sondern alle dort wohnhaften Personen. Für diese bildet der Homeoffice-Arbeitsplatz nämlich – unter der Prämisse, dass Arbeitsmittel des/der AG zum Einsatz kommen – eine potentielle Gefahrenquelle für Schäden am Eigentum des/der AG, der sie sich auf Grund des gemeinsamen Wohnsitzes nicht entziehen können und auf die sie keinerlei Einfluss haben. Dass in diesem Fall die Haftungserleichterungen des DHG auch für im gemeinsamen Haushalt lebende Personen gelten sollen, erscheint nur sachgemäß.*

Ansonsten sieht das Homeoffice-Maßnahmenpaket aber keinerlei Vorkehrungen vor, wie bei „remote work“ unter Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien eine an die persönlichen Bedürfnisse angepasste, flexible Arbeitsorganisation ermöglicht werden kann, ohne dass dies unweigerlich zu Lasten der Privatsphäre geht. Weder finden sich darin spezifische Regeln zum Datenschutz noch zum Persönlichkeits- oder AN-Schutz im Homeoffice. Lediglich § 4 Abs 10 ArbIG sieht in diesem Zusammenhang vor, dass die Organe der Arbeitsinspektion nicht berechtigt sind, zur Durchführung ihrer Aufgaben Wohnungen von AN im Homeoffice zu betreten. Damit soll nach den Materialien dem Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Unverletzlichkeit des Hausrechts, vor allem der mit dem/der AN im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, Rechnung getragen werden.* Dass aber auch AN über ein Grundrecht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen verfügen, bleibt unerwähnt. Zumindest stellen die Materialien klar, dass das Homeoffice als auswärtige Arbeitsstelle iSd § 2 Abs 3 ASchG zu qualifizieren ist, weshalb die meisten Bestimmungen des ASchG auch dort gelten sollen.*

Es fragt sich nur, wie die Einhaltung dieser Schutzvorschriften sichergestellt werden soll, wenn das eigentliche Organ, das mit dieser Aufgabe vom Gesetzgeber betraut wurde, nicht berechtigt ist, die auswärtige Arbeitsstätte zu betreten; und wohl selbst dann nicht, wenn dies der/die AN explizit gestattet oder sogar wünscht. Daran vermögen in Anbetracht der gewählten, apodiktischen Formulierung des § 4 Abs 10 ArbIG auch die Materialien nichts zu ändern, die den Anschein erwecken, es bestünde ein „freiwilliges Betretungsrecht“ auf Einladung des/der AN.* Ob freiwillig oder nicht, der Zutritt zum Homeoffice ist de lege lata nicht vom Gesetz gedeckt. De facto 163bleibt dann nur eine reine abstrakte „Papierkontrolle“. Ob damit noch den Anforderungen des Art 4 Abs 2 RL 89/391/EWG entsprochen wird, der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die Einhaltung der AN-Schutzbestimmungen über „angemessene Kontrolle“, aber vor allem auch „Überwachung“ sicherzustellen, wurde zu Recht bereits in Zweifel gezogen.* Das gilt nicht nur mit Blick auf den Ergonomieschutz im Homeoffice. Das ASchG verpflichtet den/die AG gem § 3 Abs 1 darüber hinaus explizit dazu, die erforderlichen Maßnahmen zu setzen, um die „Integrität und Würde“ des/der AN am Arbeitsplatz zu schützen. Das schließt unzweifelhaft auch den Schutz der Privatsphäre am Arbeitsplatz, zB vor verdeckten technischen Kontrollen im Homeoffice, mit ein.*

Dieser Schutz geht allerdings auf Grund der Anordnung des § 4 Abs 10 ArbIG nunmehr weitgehend ins Leere. Dieses Vakuum kann allenfalls der BR über sein Mitbestimmungsrecht gem § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG füllen. Das setzt freilich voraus, dass ein solcher existiert und dass sich dieser für mobile AN überhaupt „zuständig fühlt“. Sollte es keinen BR geben, verbleibt noch dem einzelnen/der einzelnen AN gem § 10 AVRAG das Recht, Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren, die Zustimmung zu verweigern. Eine echte Wahlmöglichkeit haben die AN in aller Regel jedoch nicht. Denn verweigert er/sie seine/ihre Zustimmung zur Kontrolle, wird das typischerweise zur Folge haben, dass nicht mehr „remote“ gearbeitet werden kann. Denselben Effekt hätte wohl auch ein Veto des BR. Für den/die AG ist damit nur wenig verloren – die versprochenen Dienste sind dann eben wieder vor Ort im Betrieb zu erbringen; für AN, die auf Grund ihrer persönlichen Situation auf Telearbeit außerhalb des Betriebs angewiesen sind, steht hingegen uU sehr viel auf dem Spiel. Das kann dazu führen, dass AN selbst invasive Kontrollen im Homeoffice billigen. Eine externe Instanz wäre somit ungleich besser in der Lage, einen adäquaten Schutz der Privatsphäre des/der AN zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund mutet es fast sarkastisch an, dass der Ausschluss der Arbeitsinspektorate aus dem Homeoffice gerade mit dem Schutz der Privatsphäre begründet wird. Im Übrigen würden auch in diesem Zusammenhang die moderne Technik neue Möglichkeiten schaffen, vor Ort zu kontrollieren, ohne selbst präsent sein zu müssen; diese Option nutzen ja auch die AG zuweilen. Auf diese Weise ließe sich uU sogar das zweifellos bestehende Spannungsverhältnis zwischen einem physischen Zutrittsrecht der Arbeitsinspektorate und dem Schutz des Hausrechts des/der AN bzw der Privatsphäre der Familienangehörigen auflösen. Eine zwangsweise Betretung des Homeoffice wäre in der Tat kritisch. Einfach die Kontrollmöglichkeiten vor Ort im Homeoffice ex lege auszuschließen, greift aber jedenfalls zu kurz und wird den bestehenden Herausforderungen in keiner Weise gerecht.

4.
Fazit

Dem Homeoffice-Maßnahmenpaket wurde zu Recht attestiert, kein großer Wurf* bzw (zu) wenig

substantiell zu sein.* Vieles, was eigentlich klärungsbedürftig gewesen wäre, blieb unangetastet; das, was man geregelt hat, war entweder ohnehin klar oder wirft neue Fragen auf.* Das größte Versäumnis besteht freilich darin, dass die Auswirkungen des Technikeinsatzes auf das Autonomie- und Abhängigkeitsgefüge zwischen AG und AN gänzlich ausgeblendet bleiben, obgleich in Materialien selbst explizit auf die technologische Weiterentwicklung im Bereich der Digitalisierung und ihren Einfluss auf die Arbeitswelt hingewiesen wird.* Die einzige Äußerung, welches das Gesetz dazu enthält, ist, dass – sollten AG und AN regelmäßiges Arbeiten im Homeoffice vereinbart haben – die „erforderlichen digitalen Arbeitsmittel“ von dem/der AG bereitzustellen sind. Abgesehen davon, dass man sich fragt, warum im Falle von Homeoffice nunmehr den/die AG eine (vorrangige) zwingende gesetzliche Verpflichtung treffen soll, die digitalen Arbeitsmittel in natura bereitzustellen, in allen anderen Fällen jedoch bloß ein aus § 1014 ABGB abgeleiteter, dispositiver Anspruch auf Kostenersatz besteht, so ist diese Frage noch das geringste Problem. Die eigentlichen Probleme beginnen vielmehr erst, sobald die entsprechende Entscheidung getroffen wurde. Von der Frage, ob eigene Arbeitsmittel oder jene des/der AG zum Einsatz kommen, hängt nämlich eine Vielzahl an Rechtsfragen ab: Inwieweit darf der/die AG die bereitgestellten digitalen Arbeitsmittel nutzen, um die Erfüllung der Dienstpflicht im Homeoffice zu kontrollieren? Rechtfertigt das zugegebenermaßen große Kontrollinteresse des/der AG bei dislozierten Arbeitsplätzen mehr an Überwachung als im Betrieb?* Wie können AN, die ihre eigenen digitalen Arbeitsmittel verwenden, den datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine rechtskonforme Datenverarbeitung im Homeoffice gerecht werden?* Und welche Kontrollbefugnisse oder gar -pflichten ergeben sich daraus wiederum für den/die AG als eigentliche/n „Verantwortliche/n“ der Datenverarbeitung?*

Das sind allesamt Fragen, die – einen politischen Willen vorausgesetzt – einer rechtlichen Klärung und Regulierung durch den Gesetzgeber bedürften, will man „mobiles Arbeiten“ tatsächlich als gleichberechtigtes Arbeitsmodell neben dem betrieblichen Arbeitsverhältnis etablieren. Letzteres scheint für Österreich freilich noch nicht hinlänglich geklärt zu sein. Anders lässt es sich nicht erklären, dass trotz einjähriger Vorlaufzeit mit dem Homeoffice-Maßnahmenpaket ein derart unambitioniertes Regelwerk vorgelegt wurde. Es ist daher zu hoffen, dass es sich dabei nicht um das Ende, sondern um den Anfangspunkt einer breit angelegten Diskussion über die Zukunft der Arbeit und ihren möglichen Organisationsformen handelt. 164