Arbeitsrechtliche Probleme des agilen Arbeitens
Arbeitsrechtliche Probleme des agilen Arbeitens
Einführung
Leitgedanken und Ausformungen agiler Konzepte
Selbstorganisierter Umgang mit Veränderungen als Kernidee
Scrum als Prototyp agiler Arbeitsmethoden
Chancen und Risiken für die Beschäftigten
Schutzdimension: Individualarbeitsrechtliche Fragen
Weisungsrecht
Arbeitszeitrecht
Arbeitsschutzrecht
Gestaltungsdimension: Kollektivarbeitsrechtliche Fragen
Beteiligungsrechte bei der Einführung agiler Arbeit
Beteiligungsrechte bei der Ausgestaltung agiler Arbeit
Delegation von Beteiligungsrechten auf agile Teams
Ausblick: Durch Agilität zu einem demokratischen Unternehmen?
„Agilität“* hat sich in den letzten Jahren zu einem Mantra entwickelt, wenn es um neue Arbeits- und Organisationsformen geht, mit denen Unternehmen die zunehmenden Dynamiken ihrer Umwelt bewältigen wollen.* Während agiles Arbeiten im Bereich der Softwareentwicklung schon seit einiger Zeit zum Standard gehört,* gewinnen agile Konzepte mittlerweile auch in traditionellen Produktionsund Dienstleistungsunternehmen zunehmend an Boden. Wesentlicher Treiber der Entwicklung ist die um sich greifende Einschätzung, dass herkömmliche Formen der Organisation betrieblicher Arbeit mit abgegrenzten Fachabteilungen („Silos“), festen Hierarchien und starren Berichtslinien dem sich immer schneller vollziehenden Wandel der Verhältnisse immer weniger gerecht werden. Auch wenn die Entwicklung gegenwärtig erst am Anfang zu stehen scheint,* spricht doch vieles dafür, dass die bisher zu beobachtenden Ansätze nur die Vorboten eines umfassenden Veränderungsprozesses sind,* der sich massiv auf die Arbeitsbedingungen zahlreicher Beschäftigter auswirken wird. Damit besteht ein hinreichender Anlass, sich mit diesem Phänomen auch aus einem arbeitsrechtlichen Blickwinkel auseinanderzusetzen.
Zum besseren Verständnis sollen im Folgenden zunächst die Eigenheiten agilen Arbeitens näher skizziert werden (sub 2). In einem weiteren Schritt 132 wird sodann verschiedenen hierdurch aufgeworfenen individualarbeitsrechtlichen Fragen nachgegangen (sub 3), während nachfolgend die Befugnisse, die das deutsche Betriebsverfassungsrecht dem BR zur Mitgestaltung agilen Arbeitens verleiht, in den Blick genommen werden sollen (sub 4), wobei es weniger um Detailaspekte* als vielmehr um die grundsätzliche Herangehensweise des deutschen Arbeitsrechts beim Umgang mit agilen Konzepten gehen soll. Abschließend sei ein Blick darauf gewagt, ob agiles Arbeiten einen Beitrag zur Leitidee des demokratischen Unternehmens leisten kann (sub 5).
Die Zusammenfassung von Beschäftigten zu Arbeitsgruppen, die ihre Arbeitsvorgänge selbst organisieren, ist beileibe keine neue Erscheinung, sondern unter dem Stichwort Gruppenarbeit in einer Reihe von Industriezweigen als eine Form dezentraler Steuerung schon seit Jahrzehnten geläufig.* Dennoch sollte agiles Arbeiten nicht lediglich als eine semantische Umformulierung bereits bekannter Formen der Organisation von Arbeit begriffen werden. Während die klassische teilautonome Arbeitsgruppe die einzelnen Arbeitsvorgänge zwar intern selbst organisiert, die zu erreichenden Arbeitsziele aber im Wesentlichen vorab definiert sind und vor allem weitgehend stabil bleiben, geht es bei agilen Arbeitskonzepten darum, dass die Beschäftigten auf organisationsexterne Veränderungen von Kundenpräferenzen und sonstigen Rahmenbedingungen flexibel reagieren und diese neuen Daten zeitnah organisationsintern in den Wertschöpfungsprozess integrieren. Agile Arbeitsstrukturen sind somit eine Antwort des Managements auf den Umstand, dass es in einer „VUCA-Welt“* immer weniger möglich ist, umfangreiche Projekte detailliert durchzuplanen und die zur Projektverwirklichung erforderlichen Schritte anschließend nur noch plangemäß abzuarbeiten. Stattdessen bedarf es, so der Kerngedanke, bei komplexen Produkten oder Dienstleistungen angesichts einer sich immer rasanter ändernden Umwelt einer Arbeitsorganisation, die äußere Impulse möglichst rasch identifiziert und in den Arbeitsprozess überführt.*
Auch wenn verschiedene Arbeitsmethoden als „agil“ bezeichnet werden, hat sich mit Scrum ein aus der Softwareentwicklung stammendes Rahmenwerk* in der betrieblichen Praxis eindeutig in den Vordergrund geschoben,* was nicht zuletzt auf der universellen Einsetzbarkeit dieses Konzepts beruhen dürfte. Der Grundansatz von Scrum besteht darin, dass ein interdisziplinär aus verschiedenen Fachabteilungen zusammengesetztes Team lediglich eine allgemeine Zielvorgabe iSd Verwirklichung einer Projektidee erhält und die zur Zielerreichung erforderlichen Arbeitsschritte anschließend eigenverantwortlich organisiert. Hierbei ist ein bestimmter Rahmen einzuhalten, der sich zum einen aus spezifischen Rollen für die Mitglieder eines Scrum-Teams sowie zum anderen aus einer zyklischen Strukturierung der Arbeitsabschnitte zusammensetzt.*
Im Hinblick auf die Rollenkonzepte tritt an die Stelle des klassischen Projektleiters, der ein Projekt detailliert plant und die Mitarbeiter entsprechend anweist, eine Aufteilung zwischen dem Product Owner, dem Kernteam (Entwicklungsteam) und dem Scrum Master. Der Product Owner repräsentiert die Kundenperspektive und ist letztlich für die Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Produkts bzw der Dienstleistung als Arbeitsziel verantwortlich. Dabei hat der Product Owner die gewünschten Funktionalitäten des jeweiligen Arbeitsergebnisses zu formulieren und gegebenenfalls zu priorisieren sowie insb spätere Modifikationen vor allem infolge geänderter Kundenwünsche in das Anforderungsprofil einzuarbeiten. Aufgabe des Kernteams ist es, für die ursprünglich definierten bzw im Nachhinein veränderten Funktionalitäten gebrauchsfähige Lösungen zu entwickeln, wobei die hierfür erforderlichen Arbeitsvorgänge von den Teammitgliedern eigenverantwortlich und weisungsfrei durchgeführt werden. Etwaige Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Teams über die Art und Weise der Aufgabenerledigung werden nicht hierarchisch qua Weisung aufgelöst, sondern sollen im Wege diskursiver Koordinierung geklärt werden.* Dem Scrum Master schließlich fällt die Aufgabe zu, auf die Einhaltung der Scrum-Regeln zu achten, bei etwaigen Konflikten zwischen den Mitgliedern des Kernteams moderierend einzugreifen sowie Störungen des Teams von außen (etwa durch zwischenzeitliche Anforderungen von Fachabteilungen) abzuwehren.
Hinsichtlich der Arbeitsstruktur wird die traditionelle „Wasserfallmethode“ im Rahmen von Scrum durch eine Reihe von kürzeren Zyklen von jeweils 2-4 Wochen („Sprint“) ersetzt. Innerhalb eines solchen Sprints sollen die Teammitglieder die vom Product Owner zu Beginn des jeweiligen Zyklus definierten Teilprojekte realisieren, während das Team an dessen Ende dem Product Owner das 133 Teilergebnis präsentiert und von ihm abnehmen lässt. Zudem findet am Ende eines Sprints gemeinsam mit dem Scrum Master eine Feedback-Runde statt, um auf eine kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit im Team hinzuwirken. Auch die Teamroutinen erfolgen nach einem kurzzyklischen Muster, indem sich die Mitglieder des Kernteams im Rahmen eines Daily Scrum wechselseitig informieren und für etwaige Probleme gemeinsame Lösungen entwickeln. Bei alledem zählt es zu den Grundgedanken von Scrum, dass die Teammitglieder während der gesamten Dauer eines Sprints die Hoheit über die konkrete Arbeitsplanung haben und sowohl die Reihenfolge der Arbeitsschritte als auch den Umfang der jeweiligen Arbeitspakete in voller Transparenz eigenverantwortlich festlegen.
Zu einer agilen Betriebsorganisation kommt es letztlich dann, wenn ein gesamter Betrieb an agilen Grundsätzen ausgerichtet werden soll. Dies erfolgt im Wesentlichen durch eine Skalierung von agilen Arbeitsmethoden, die dann nicht nur den direkten, sondern auch den indirekten Bereich erfassen. Dabei ist zuweilen auch von „Schwärmen“ die Rede, die an die Stelle hierarchischer Strukturen treten sollen und mit denen die „Schwarmintelligenz“ der AN für die Wertschöpfung nutzbar gemacht werden soll.
Bei alledem wird nicht selten betont, dass es nicht einfach nur um eine neuartige Organisationsstruktur geht, sondern dass agile Methoden auf das „richtige Mindset“ der Beschäftigten angewiesen sind,* ein schwer zu definierender Begriff, der sich auf die subjektive Anpassung des Individuums an eine immer volatilere Umwelt bezieht* und der in den Kontext der Subjektivierung von Arbeit als einer vielschichtigen Prozesskategorie gehört, in deren Zentrum der verstärkte betriebliche Zugriff auf die subjektiven Potenziale der Beschäftigten steht.*
Agile Konzepte bringen für die Beschäftigten Chancen mit sich, bergen aber auch Risiken. Zu den Chancen lassen sich zunächst die Autonomiegewinne als Folge der Möglichkeit zur Selbstorganisation der Arbeit rechnen. Zudem können durch kurzfristige und regelmäßige Feedbackschleifen schneller Erfolgserlebnisse eingefahren und etwaige Fehler bzw Holzwege frühzeitig korrigiert werden. Agile Arbeitsmethoden stellen allerdings erhebliche Anforderungen an die Fähigkeit der Beschäftigten zur Selbststeuerung ihrer Tätigkeit, mit denen das Risiko von Entgrenzung und Selbstausbeutung einhergeht, wobei diese Gefahr noch gesteigert wird, wenn AN nicht ausschließlich einem einzigen agilen Team angehören, sondern mit einem Teil ihrer Arbeitskapazität auch noch der jeweiligen Fachabteilung zugeordnet sind und deshalb unter Umständen divergierenden Anforderungen und Erwartungshaltungen unterliegen. Dazu können aufgrund der zumindest faktischen Gruppenverantwortung für die erzielten Arbeitsergebnisse erhebliche gruppeninterne Druckmechanismen treten, um den angestrebten Arbeitserfolg auch zu erreichen („peer pressure“).* Ferner sollte man nicht die Augen davor verschließen, dass es bei der Einführung agiler Arbeitsstrukturen aus Unternehmenssicht in erster Linie um Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Resilienz geht, nicht aber um die Verbesserung der Arbeitsqualität für die Beschäftigten. Kurz gesagt besteht das primäre Ziel agilen Arbeitens aus der Perspektive des AG in der Steigerung der Effizienz und nicht in der Emanzipation der AN.
Die Umsetzung agiler Arbeitskonzepte kann sehr heterogene Schutzbedarfe auslösen, zu deren Befriedigung das Individualarbeitsrecht berufen ist. Aus der Vielzahl der berührten Problemfelder (etwa auch Haftung, Bestandsschutz, AN-Überlassung sowie nicht zuletzt Beschäftigtendatenschutz) sollen im Folgenden drei Themen herausgegriffen werden, weil bei ihnen das Spannungsverhältnis von „klassischer Hierarchie“ und „agiler Anarchie“ besonders plastisch zum Vorschein tritt.
Bekanntlich unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis vom freien Dienstvertrag zumindest grundsätzlich durch die Existenz eines – im deutschen Recht ausdrücklich in § 106 GewO verankerten – Weisungsrechts des AG als klarster Ausdruck der persönlichen Abhängigkeit des AN (vgl § 611a Abs 1 BGB).* Auch wenn sich agiles Arbeiten seiner Grundidee nach gerade dadurch auszeichnet, dass der AG darauf „verzichtet“, sein fachliches Direktionsrecht auszuüben, wird dadurch der Status der Mitglieder eines agil arbeitenden Teams als AN selbstverständlich nicht berührt. So geht es bei dieser Art der Organisation von Arbeit lediglich um eine faktische Nichtausübung des Weisungsrechts, um die Potenziale agiler Arbeitsmethoden zu heben, während sich der AG weiterhin die rechtliche Befugnis vorbehält, bei Bedarf in die Projektarbeit steuernd einzugreifen.*
Praktisch wichtiger ist die Frage, ob der AG kraft seines Direktionsrechts agile Arbeitsformen anordnen kann. Da sich das fachliche Weisungsrecht auf die Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung bezieht, liegt es auf den 134 ersten Blick nahe, dass eine dahingehende Anordnung von der Direktionsbefugnis noch gedeckt ist. Allerdings findet das Weisungsrecht seine Grenze in den jeweiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Freilich wird es zumeist an hinreichend konkreten Abreden fehlen, sodass auf allgemeine Grundsätze zurückzugreifen ist. Daher kommt es darauf an, ob die alte und die neue Tätigkeit als gleichwertig anzusehen sind, was mithilfe von Entgeltgruppenschemata sowie letztlich anhand des vor dem Hintergrund des betrieblichen Umfeldes zu bestimmenden „Sozialbildes“* zu beurteilen ist. Wird bisherigen Vorgesetzten Führungsverantwortung entzogen und sollen diese künftig nur noch als Scrum Master und damit als eine Art Coach tätig werden, ist die Grenze des Weisungsrechts schnell erreicht.* Sollen umgekehrt AN in einem Team künftig agil arbeiten, kann als Leitlinie formuliert werden, dass dies nur solchen Beschäftigten zumutbar ist, denen angesichts von Vorbildung und bisheriger Funktion ein höheres Maß an Autonomie zugetraut werden kann, während dies nicht von denjenigen AN verlangt werden kann, die in hierarchischen Betriebsstrukturen „sozialisiert“ worden sind und die der Wegfall von klaren Vorgaben deshalb voraussichtlich überfordern würde.*
Weiter kann die Übernahme der besonderen Rolle eines Scrum Masters, für deren ordnungsgemäße Ausfüllung es einer speziellen Schulung bedarf, vorbehaltlich einer entsprechenden vertraglichen Abrede nicht qua Direktionsrecht vorgeschrieben werden, während die Rolle eines Product Owner bei solchen Beschäftigten gedeckt ist, die zuvor bereits als traditionelle Projektleiter tätig waren.
Jenseits dieser vergleichsweise groben Maßstäbe zeigt sich in der betrieblichen Praxis, dass agile Arbeitsformen nur dann erfolgreich implementiert werden können, wenn die Beschäftigten die damit verbundenen größeren Autonomiespielräume intrinsisch bejahen und nicht als oktroyiert empfinden sowie über die entsprechenden Kommunikationsfähigkeiten zur diskursiven Auflösung von Meinungsverschiedenheiten im Team verfügen. Vor diesem Hintergrund wird in Betriebsvereinbarungen zur agilen Arbeit regelmäßig auf die Freiwilligkeit der Umstellung auf agiles Arbeiten sowie auf die uneingeschränkte Möglichkeit zu einer Rückkehr in die „Linie“ Wert gelegt.
Agiles Arbeiten bedeutet Selbstorganisation der von einem Team zwecks Erreichung eines bestimmten Arbeitsziels zu erledigenden Arbeitsschritte und damit grundsätzlich auch eine Selbsteinteilung der Arbeitszeit durch die Teammitglieder. Damit entsteht das schon aus dem Konzept der Vertrauensarbeitszeit bekannte Problem, dass es zu einer Überschreitung der durch das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht gezogenen Grenzen insb durch die Nichteinhaltung von Pausenzeiten und Ruhezeiten kommen kann, um bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Arbeitsergebnisse vorweisen zu können, was wiederum zumindest auf längere Sicht gesundheitliche Risiken birgt.* Dabei steht es außer Zweifel, dass das Arbeitszeitrecht im Ausgangspunkt unabhängig vom vereinbarten Arbeitszeitmodell und damit insb auch für solche AN gilt, die sich über die Regulierungen „freiwillig“ hinwegsetzen, etwa um ein Projekt trotz unerwarteter Hindernisse noch termingerecht fertigstellen zu können („interessierte Selbstgefährdung“). Unbestritten ist auch, dass die Letztverantwortung für die Einhaltung des Arbeitszeitrechts beim AG als Inhaber der betrieblichen Organisationsbefugnis liegt und er diese Verantwortung nicht auf die Beschäftigten abwälzen kann, indem er nur noch Arbeitsziele und Endtermine vorgibt und im Übrigen auf eine Selbststeuerung der AN setzt.*
Der AG muss also mit anderen Worten zum einen für eine Arbeitsorganisation sorgen, die es den Beschäftigten ermöglicht, das Arbeitszeitrecht einzuhalten. Zum anderen hat der AG auch dessen tatsächliche Beachtung wirksam zu kontrollieren. Weiter ist die E des EuGH in der Rs CCOO in Erinnerung zu rufen. Danach ergibt sich aus der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG iVm Art 31 GRC sowie aus der Arbeitsschutzrahmen-RL 89/391/EG die Pflicht der Mitgliedstaaten, dem AG die Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems der Arbeitszeitmessung aufzuerlegen, damit die AN ihrerseits in die Lage versetzt werden, ihre arbeitszeitbezogenen Rechte geltend zu machen.*
Dies alles gilt auch dann, wenn der AG den Beschäftigten die Festlegung der konkreten Arbeitszeiten im Rahmen agiler Arbeitsstrukturen überlässt. Eine mitgliedstaatliche Befugnis zur Abweichung von verschiedenen Vorgaben des europäischen Arbeitszeitrechts lässt sich insb nicht auf Art 17 Abs 1 RL 2003/88/EG stützen, der dies ua für solche „autonomen Arbeitnehmer“ erlaubt, deren Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit von den AN selbst festgelegt werden kann. Zum einen greift diese Ausnahme von vornherein nur dann, wenn sich die Umstände, die eine Abweichung rechtfertigen, auf die gesamte Arbeitszeit beziehen, und dem AN tatsächlich die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Arbeitszeit zusteht,* was auf agile Arbeitsformen im Allgemeinen nicht zutrifft. Zum anderen wird man die Abweichungsbefugnis auf Beschäftigte in herausgehobenen Positionen zu beschränken haben, während die bloße Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit mit „einfachen“ Beschäftigten, denen es der AG schlicht freistellt, wie sie ihre Arbeitszeit einteilen, um bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein vorgegebenes Projekt zu realisieren, nicht genügen 135 kann.* Sollte es einmal zu einer Revision der Arbeitszeit-RL kommen, empfiehlt es sich rechtspolitisch, die begrenzte Reichweite der Abweichungsmöglichkeit nach Art 17 Abs 1 RL 2003/88/EG im Wortlaut der Bestimmung klarzustellen.
Soweit es um das sonstige Arbeitsschutzrecht außerhalb des Arbeitszeitrechts geht, ist im Zusammenhang mit agiler Arbeit der Schutz der Beschäftigten vor psychischen Beeinträchtigungen anzusprechen, zu denen es bei kontinuierlichen Überforderungen kommen kann. Insoweit sieht das deutsche Arbeitsschutzrecht seit 2013 ausdrücklich vor, dass der arbeitsschutzrechtliche Gesundheitsbegriff nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit umfasst (§ 4 Abs 1 Nr 1 ArbSchG) und sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf die psychischen Belastungen bei der Arbeit zu beziehen hat (§ 5 Abs 3 Nr 6 ArbSchG). Rechtstatsächlich besteht insoweit allerdings noch ein erheblicher Aufholbedarf, weil bei der Gefährdungsbeurteilung als zentrales Instrument eines systematischen betrieblichen Arbeitsschutzes* bislang immer noch vorwiegend „klassische“ physische Belastungen und nur zu einem deutlich geringeren Teil auch psychische Belastungen in den Blick genommen werden.*
Als Mechanismus zur Verstärkung des Schutzes vor psychischen Belastungen, die sich schlimmstenfalls zu psychischen Erkrankungen auswachsen können, kommt die Übertragung der auch in anderen Bereichen des Arbeitsschutzes praktizierten dreistufigen Regelungsarchitektur in Betracht:* Danach wären die abstrakten Vorgaben des ArbSchG durch eine – schon seit langem geforderte und als Entwurf auch bereits vorliegende, bislang aber nicht verwirklichte – Rechtsverordnung („Anti-Stress-Verordnung“)* normativ zu konkretisieren, woran sich dann eine nicht normative Konkretisierung durch technische Regeln iSv § 18 Abs 2 Nr 5 ArbSchG anschließen könnte, die von einem beim BMAS gebildeten Ausschuss ermittelt werden, um klarzustellen, wie die in der Rechtsverordnung gestellten Anforderungen vom AG erfüllt werden können.
Zwar führen die mit agiler Arbeit verbundenen Autonomiegewinne für sich genommen vielfach zu einer größeren Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten und wirken daher arbeitsbedingtem Stress entgegen. Die mit projektgebundener Wissensarbeit bei vielen AN um sich greifende Arbeitsintensivierung* kann diese Vorteile indes wieder zunichtemachen. Die Ausbreitung agiler Arbeitsstrukturen sollte daher durchaus zum Anlass genommen werden, das Thema der psychischen Belastungen durch die Organisation von Arbeitsprozessen (wieder) auf die Agenda zu setzen.
Agile Arbeitskonzepte bedürfen auf der betrieblichen Ebene der Gestaltung. Damit wird die Frage einer vornehmlich durch betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte gewährleisteten Mitgestaltung durch die AN-Seite virulent. Entsprechend der praktischen Relevanz soll im Folgenden zunächst die grundsätzliche Einflussnahme des BR im Hinblick auf die Einführung und Ausgestaltung agiler Arbeit im Vordergrund stehen sowie anschließend der Frage nachgegangen werden, ob es das Instrument der Delegation von Beteiligungsrechten auf Arbeitsgruppen unter dem Blickwinkel einer Stärkung direkter Partizipation verdient, aus seinem gegenwärtigen Schattendasein gezogen zu werden.
Das deutsche BetrVG sieht im Hinblick auf die Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung zwar Beteiligungsrechte des BR vor, deren Zweck nicht nur im Gesundheitsschutz liegt, sondern die auch auf eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit abzielen.* Allerdings besteht im Ausgangspunkt nach § 90 BetrVG lediglich ein Recht des BR auf eine – rechtzeitige – Unterrichtung und Beratung. Auch wenn man die Einführung agiler Konzepte unproblematisch den in § 90 Abs 1 Nr 3 und 4 BetrVG aufgelisteten Fallgruppen zuordnen kann, verschafft diese Vorschrift dem BR somit kein paritätisches Mitbestimmungsrecht, sodass seine Verhandlungsposition insoweit mehr von seiner faktischen Durchsetzungsmacht im Betrieb als von institutionellen Vorgaben determiniert wird. Vergleichbares gilt für den Wirtschaftsausschuss, der nach § 106 Abs 1 BetrVG in Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten AN zu bilden ist. Zwar lässt sich die Implementierung agiler Strukturen ebenfalls unter die Fallgruppen des § 106 Abs 3 Nr 5 und 9 BetrVG fassen, wobei das BAG immerhin zum Ausdruck gebracht hat, dass auch Pilotprojekte aufgrund ihrer Vorwirkungen bereits die Beteiligungsrechte auslösen können.* Auch insoweit verbleibt es aber lediglich bei einem Recht auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung und Beratung. Von den Rechtsfolgen her weiter geht das sogenannte „korrigierende Mitbestimmungsrecht“ 136 gem § 91 BetrVG, nach dem der BR Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder Ausgleich von besonderen Belastungen für die AN verlangen kann, zu denen es durch eine Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung kommt. Die weitere tatbestandliche Voraussetzung, nämlich ein offensichtlicher Widerspruch zu gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit, ist indes so hochgeschraubt, dass diese Vorschrift in der betrieblichen Praxis seit jeher weitgehend brachliegt.* Durch eine Absenkung der Anforderungen ließe sich dieser Regelung möglicherweise Leben einhauchen, wobei agile Arbeit für sich genommen freilich kaum als geeignete Begründung für eine entsprechende rechtspolitische Forderung taugt.
Eine deutlich stärkere Position kommt dem BR im Grundsatz dann zu, wenn die Einführung agiler Arbeits- und Organisationsformen als Betriebsänderung iSv § 111 BetrVG qualifiziert werden kann. In der Tat kann je nach Fallgestaltung eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation (§ 111 S 3 Nr 4 BetrVG) und/oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden (§ 111 S 3 Nr 5 BetrVG) vorliegen. Dabei fragt das BAG letztlich nach der Anzahl der betroffenen AN und orientiert sich an der für Massenentlassungen geltenden Zahlenstaffel des § 17 Abs 1 KSchG, um zu ermitteln, ob eine geplante Maßnahme grundlegenden Charakter hat.* Sofern agile Konzepte in einem größeren Betrieb nicht nur auf wenige Beschäftigte konzentriert werden, sondern eine breitflächige Umstellung erfolgen soll, wird diese Voraussetzung problemlos erfüllt sein. Die Rechtsfolge besteht zunächst wiederum in einem Unterrichtungs- und Beratungsrecht, wobei der BR nach § 111 S 2 BetrVG in Unternehmen mit mehr als 300 AN zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen kann, was in seiner praktischen Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Darüber hinaus kann der BR zwar keinen Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung selbst (vgl § 112 Abs 1 bis 3 BetrVG), wohl aber einen Sozialplan über einen Ausgleich oder eine Milderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge der geplanten Betriebsänderung erzwingen (vgl § 112 Abs 4 BetrVG). Allerdings schützen diese Regelungen lediglich die ökonomischen Interessen der AN. Wirtschaftliche Nachteile als Folge gerade einer agilen Transformation werden sich häufig aber nicht identifizieren lassen, sodass eine etwaige Sozialplanpflichtigkeit in diesen Fällen ins Leere greifen würde.
Praktisch bedeutsamer ist deshalb das Beteiligungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen gem § 99 BetrVG. Wenn AN aus einer Fachabteilung in ein agiles Team umgesetzt werden, dürfte darin regelmäßig eine Versetzung iSd Legaldefinition des § 95 Abs 3 BetrVG liegen. Dies gilt erst recht, wenn einem AN eine bestimmte Rolle (Product Owner und Scrum Master) zugewiesen werden soll, wobei insoweit strikt zwischen der arbeitsvertragsrechtlichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit zu unterscheiden ist. Außerdem kann die Übernahme einer solchen Rolle entsprechend dem jeweiligen Entgeltgruppenschema zu einer Umgruppierung in Gestalt einer Höhergruppierung führen, falls der betroffene Beschäftigte im Verhältnis zur bisherigen Tätigkeit hierdurch ein höheres Maß an Verantwortung trägt. Die rechtlichen Folgen sind allerdings begrenzt, weil der BR nach § 99 Abs 2 BetrVG seine Zustimmung zu der geplanten Maßnahme nur aus enumerativ aufgelisteten Gründen verweigern darf und die Umstellung auf agile Arbeitsstrukturen nicht leicht unter eine der Fallgruppen des § 99 Abs 2 BetrVG gefasst werden kann. Am ehesten noch dürfte § 99 Abs 2 Nr 4 BetrVG eingreifen, wenn dem betroffenen AN ein nicht gerechtfertigter Nachteil zugefügt wird, was der Fall sein kann, wenn die mit agiler Arbeit verbundene Anforderung der Selbstorganisation einen AN ersichtlich überfordern würde, wobei es freilich auch aus objektiver AG-Sicht wenig sinnvoll wäre, einen solchen Beschäftigten einem agilen Team zuzuordnen.
Im Hinblick auf Beteiligungsrechte bei der Ausgestaltung von agiler Arbeit kommen grundsätzlich große Teil des Katalogs der paritätischen Mitbestimmung nach § 87 Abs 1 BetrVG in Betracht. Insb schließt der bei der Betriebsverfassungsreform von 2001 neu eingeführte Tatbestand der Nr 13, der sich speziell auf Gruppenarbeit bezieht, es nicht aus, dass gegebenenfalls auch andere Mitbestimmungstatbestände anwendbar sind. Dabei gelten für die Mitbestimmung bei der Regulierung des Ordnungsverhaltens (im Gegensatz zum Arbeitsverhalten) der AN (Nr 1) sowie bei der Arbeitszeitregulierung (Nr 2) in den Fällen agiler Arbeit keine Besonderheiten, in denen der AG entsprechende Vorgaben macht. Soweit der AG den Mitgliedern agiler Teams die Befugnis zur Selbstorganisation insb in Gestalt von Zeitsouveränität überlassen hat, kann die Mitbestimmung mangels einer Maßnahme des AG dagegen insoweit zwar nicht mehr greifen. Um das Mitbestimmungsrecht nicht leerlaufen zu lassen, ist stattdessen aber die erstmalige Einführung eines entsprechenden Arbeitszeitkonzepts an die Beteiligung des BR zu binden, der hierdurch auf eine angemessene Rahmenregelung hinwirken kann, um etwa der Tendenz einer Selbstausbeutung der Beschäftigten entgegenzuwirken. Weiter kann ein Mitbestimmungsrecht für den Fall der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen bestehen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der AN zu überwachen (Nr 6). Dasselbe gilt im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz (Nr 7), wobei das Mitbestimmungsrecht insb auch die Ausfüllung der Pflicht zur arbeitsschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung 137 umfasst.* Zu nennen ist ferner das durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz im Jahr 2021 neu eingeführte Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird (Nr 14).*
Im Kontext agiler Arbeit praktisch am wichtigsten dürfte der soeben bereits erwähnte Tatbestand der Nr 13 sein, der dem BR ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Grundsätzen über die Durchführung von Gruppenarbeit verschafft. Dabei hat der Gesetzgeber Gruppenarbeit ausdrücklich definiert und sich an der seinerzeit geläufigen „teilautonomen Arbeitsgruppe“ als Arbeitsform etwa in der Automobilindustrie orientiert. Von den vier gesetzlichen Merkmalen bereitet letztlich nur die Anforderung, dass die der Gruppe von AN übertragene Gesamtaufgabe „im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs“ liegen muss, gewisse Schwierigkeiten. Tatsächlich gibt es Stimmen, die der Anwendung von Nr 13 auf agile Arbeit aus diesem Grund skeptisch gegenüberstehen.* Berücksichtigt man, dass der Mitbestimmungstatbestand den Gefahren der Selbstausbeutung und der Ausgrenzung leistungsschwächerer Beschäftigter begegnen soll,* ist aber jedenfalls dann, wenn es nicht nur um ein einzelnes agil arbeitendes Team außerhalb des eigentlichen Betriebszwecks geht, der Tatbestand der Nr 13 zu bejahen. Allerdings sollte nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung agiler Teams die Einbeziehung dieser Organisationsform in den Mitbestimmungstatbestand klargestellt werden.* Soweit es um die konkrete Reichweite der Mitbestimmung geht, steht im Wesentlichen nur fest, dass sich das Mitbestimmungsrecht nicht auf die Einführung oder Abschaffung, sondern lediglich auf die Durchführung von Gruppenarbeit und daher auch von agiler Arbeit bezieht. Im Übrigen ist im Schrifttum umstritten, welche Aspekte unter den Begriff der Durchführung zu fassen sind,* wobei bemerkenswerterweise in den letzten zwanzig Jahren keinerlei klärende Rsp ergangen ist, was darauf schließen lässt, dass dieser Tatbestand bisher nur eine geringe praktische Bedeutung erlangt hat. Immerhin könnte Nr 13 bei einer sich auf breiter Front vollziehenden Einführung agiler Arbeitsmethoden künftig als primärer Aufhänger dafür dienen, diese paritätisch mit auszugestalten.
Eine ebenfalls durch die Reform von 2001 eingeführte Möglichkeit besteht darin, dass der BR in Betrieben mit mehr als 100 AN bestimmte Beteiligungsrechte gem § 28a BetrVG auf eine Arbeitsgruppe überträgt, sofern diese Aufgaben mit den von der Gruppe zu erledigenden Tätigkeiten in einem Zusammenhang stehen. An diese Vorschrift waren seinerzeit nicht unerhebliche Erwartungen geknüpft worden, sollte es doch darum gehen, die unmittelbare Partizipation der AN zu stärken und für sachnahe Entscheidungen zu sorgen.*
Ob § 28a BetrVG in der betrieblichen Praxis in der Vergangenheit genutzt worden oder reines „dead letter law“* ist, lässt sich schwer einschätzen.* Für den Einsatz dieser Norm im Zusammenhang gerade mit agiler Arbeit liegen bislang keine empirischen Befunde vor, obwohl insoweit eine Renaissance der Regelung gefordert wird.* Die bekannt gewordenen Betriebsvereinbarungen zu agiler Arbeit betreffen die Ausgestaltung der Konzepte, nicht aber die Delegation von Beteiligungsrechten auf die agilen Teams selbst.
Die Bestimmung setzt im Ausgangspunkt voraus, dass es im Betrieb zur Bildung von Arbeitsgruppen gekommen ist, wozu man problemlos auch agile Teams zählen kann. Weiter bedarf es einer Rahmenvereinbarung mit dem AG über die grundsätzliche Möglichkeit der Übertragung entsprechender Aufgaben auf die Arbeitsgruppe, wobei diese Abrede von keiner Seite erzwungen werden, sondern nur als freiwillige BV abgeschlossen werden kann. Darüber hinaus muss der BR mit absoluter Mehrheit einen Übertragungsbeschluss fassen, der jederzeit mit derselben Mehrheit frei widerrufen werden kann, sodass der BR letztlich das Heft in der Hand behält, die Arbeitsgruppe also nur als „beliehener Mitbestimmungsträger“* fungiert. Als übertragbare Aufgaben werden regelmäßig Arbeitszeitfragen, Pausenregelungen und Urlaubsangelegenheiten genannt,* also solche Themen, bei denen der Arbeitsgruppe am ehesten eine gewisse Souveränität zusteht.
Der schon seit langem diskutierte Leitgedanke, durch eine Verstärkung der direkten Partizipation von Beschäftigten zu demokratischeren Strukturen in Unternehmen beizutragen,* ist durch den Aufschwung agiler Arbeitskonzepte neu belebt worden.* In der Tat kann man prima facie eine solche Verbindungslinie ziehen, weil ein Empowerment der einzelnen AN ihre Stellung im Unternehmen stärkt und agile Arbeitsformen wiederum zumin- 138 dest das Potenzial in sich bergen, dass es zu einem entsprechenden Empowerment kommt.* Allerdings sollte man neue Produktionskonzepte, die zu einem größeren Einfluss der Beschäftigten auf den unmittelbaren Arbeitsprozess führen, nicht voreilig mit einer demokratischen Verfasstheit des Unternehmens gleichsetzen, solange die Rahmenbedingungen der Produktion weiterhin fremdbestimmt sind. Darüber hinaus sollten verstärkte Handlungsbefugnisse der einzelnen AN, etwa Arbeitszeitsouveränität, nicht gegen institutionalisierte Beteiligungsrechte ausgespielt werden. Um nicht immer wieder aufs Neue zum Gegenstand individueller Aushandlungsprozesse zu werden, bedürfen informelle Modelle direkter Partizipation gerade umgekehrt der formellen Absicherung durch Kollektivvereinbarungen und institutionalisierte Rechte des BR, zumal in wirtschaftlichen Krisenzeiten eines Unternehmens erfahrungsgemäß rasch ein Rückfall in hierarchische Verhaltensmuster droht. Insoweit gilt letztlich auch bei einer noch so modernen Organisationsform wie dem agilen Arbeiten der althergebrachte Grundsatz, dass die Selbstbestimmung der Beschäftigten regelmäßig erst durch eine Mitbestimmung des BR ermöglicht wird.