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Zustimmung zur verschlechternden Versetzung nach § 101 ArbVG: Individuelle Interessen haben gegenüber Belegschaftsinteresse zurückzustehen

MARTINACHLESTIL

Im vorliegenden Fall führte die kl AG (ein österreichisches Flugunternehmen) eine Klage gegen den bekl BR auf Zustimmung zu Versetzungen. Von der Versetzung betroffen waren Mitarbeiter an den Bundesländer-Basen aufgrund deren gänzlicher Schließung.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Aufgrund betriebswirtschaftlich notwendiger Umstrukturierungsmaßnahmen hat die kl AG keinen Bedarf mehr an Bordpersonal mit Dienstantrittsorten außerhalb des Flughafens Wien und daher würde ein Einsatz der von der Versetzung betroffenen Mitarbeiter an den Bundesländer-Basen nicht nur die wirtschaftlichen Restrukturierungsmaßnahmen konterkarieren, sondern auch die Organisation des Bereitschaftsdienstes erheblich erschweren; zudem kämen die von der kl AG eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen auch der Belegschaft als Ganzes iSd Sicherung der Arbeitsplätze der Mitarbeiter zugute. Diese Beurteilung wurde in der außerordentlichen Revision vom bekl BR auch nicht in Frage gestellt. Er machte im Wesentlichen geltend, dass er eine konkrete Abwägung mit den persönlichen Interessen jedes einzelnen von der Versetzung betroffenen Mitarbeiters vermisse. Der OGH wies die außerordentliche Revision des bekl BR zurück:

Gem § 101 ArbVG ist die dauernde Einreihung eines AN auf einen anderen Arbeitsplatz dem BR unverzüglich mitzuteilen; auf Verlangen ist darüber zu beraten. Eine dauernde Einreihung liegt nicht vor, wenn sie für einen Zeitraum von voraussichtlich weniger als 13 Wochen erfolgt. Ist mit der Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden, so bedarf sie zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des BR. Erteilt der BR die Zustimmung nicht, so kann sie durch Urteil des Gerichts ersetzt werden. Das Gericht hat die Zustimmung zu erteilen, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt ist.

Nach der Rsp übt der BR bei Versetzungen, wie auch bei anderen Mitwirkungsrechten, ein Recht der (gesamten) Belegschaft aus. Der Normzweck des § 101 ArbVG besteht darin, den einzelnen AN wegen seiner Abhängigkeit vom Betriebsinhaber (AG) unter den Schutz der Betriebsvertretung zu 224stellen. Bei Ausübung seines Mitbestimmungsrechts hat der BR das Interesse der Belegschaft und nicht (nur) das Interesse des von der Versetzung betroffenen AN zu wahren. Auch nach der OGH-E vom 29.9.2009, 8 ObA 49/09b, hat der BR bei Ausübung seines Mitbestimmungsrechts im Zusammenhang mit Versetzungen zwar primär das Interesse der Belegschaft wahrzunehmen, aber bei dieser Beurteilung auch (subsidiär) auf die Interessen des betroffenen AN abzustellen. Die betriebsratsersetzende Zustimmung des Gerichts hat sich am Zweck der betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkung zu orientieren.

Die Versetzung ist dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Versetzung betriebsorganisatorisch notwendig ist und die Personenauswahl unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der in Frage kommenden AN richtig sowie im Hinblick auf das Verschlechterungsausmaß auch möglichst schonend getroffen wurde. Es ist somit eine Interessenabwägung unter entsprechender Würdigung insb auch der Belegschaftsinteressen durchzuführen.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass im Vergleich mit dem Belegschaftsinteresse die individuellen Interessen der 185 von der beabsichtigten Versetzung betroffenen AN (weniger als 5 % aller Mitarbeiter der kl AG) zurückzustehen haben, hielt der OGH für vertretbar. Die in der außerordentlichen Revision begehrte Einzelabwägung ist laut OGH ausgehend von den gewichtigen und dringlichen Interessen der kl AG an der betrieblichen Umstrukturierung und dem daraus resultierenden Gesamtinteresse der Belegschaft nicht vorzunehmen, zumal sämtliche Mitarbeiter an den Bundesländer-Basen außerhalb Wiens aufgrund deren gänzlicher Schließung von der Umstrukturierung betroffen sind.