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Klagsführung in zwei parallelen Verfahren bei Unklarheit über das Vorliegen eines Teilbetriebsübergangs

KLAUSBACHHOFER

Der Kl begehrt mit seiner Klage, die mit Schreiben der Bekl vom 6.8.2019 ausgesprochene Kündigung ihm gegenüber für rechtsunwirksam zu erklären. Er brachte im Wesentlichen wörtlich wie folgt vor:

Im März 2019 wurden die Mitarbeiter der beklagten Partei per Newsletter darüber informiert, dass eine strategische Neuausrichtung erfolge und die deutsche Post D*-Group und die Österreichische Post AG einen Vertrag zur weiteren Zusammenarbeit im und für den österreichischen Paketmarkt abschließen würden. Demzufolge wird die Österreichische Post AG Zustellpartner der Deutschen Post D*-Group in Österreich und übernimmt damit die Zustellung sämtlicher Import- und Domestik-Pakete. Im Zuge dieser Vereinbarung wurde auch der Großteil der logistischen Infrastruktur der beklagten Partei auf die Österreichische Post übertragen.

In diesem Newsletter und einer weiteren E-Mail der beklagten Partei vom 19.03.2019 an die Mitarbeiter der beklagten Partei wurde darauf verwiesen, dass für alle Mitarbeiter, welche in den operativen Einheiten dieser von der Österreichischen Post AG übernommenen Infrastruktur arbeiten, mit Wirkung des Stichtages des Überganges ein Teilbetriebsübergang gemäß § 3 AVRAG gelten würde.

Die beklagte Partei stellt sich auf den Standpunkt, dass in Ansehung des Klägers kein Betriebsübergang vorliege und hat daher gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in einem Schreiben vom 06.08.2019 ausgesprochen, welches der Kläger am 07.08.2019 erhalten hat. Darin wird das Arbeitsverhältnis zum 15.10.2019 aufgekündigt. Festgehalten wird, dass der Kläger auf den Standpunkt steht, dass er vom Betriebsübergang betroffen ist und daher in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Österreichischen Post AG steht. Diesbezüglich wird mit gesonderter Klage ein Feststellungsbegehren auf Bestand eines Arbeitsverhältnisses zur Österreichischen Post AG eingebracht. Eine von der Österreichische Post AG ausgesprochene Eventualentlassung wird in diesem parallelen Verfahren ebenso angefochten bzw. deren Rechtsunwirksamkeit unter Beweis gestellt.

Die gegenständliche Kündigungsanfechtung im Sinne des § 105 ArbVG erfolgt daher für den Fall, dass ein Betriebsübergang auf die ÖPAG nicht anzunehmen ist und im Verfahren gegen die ÖPAG auf das Feststellungsbegehren auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bzw. Eventualanfechtung der dort ausgesprochenen Entlassung abgewiesen werden sollte.

[...]“

Das Erstgericht gab der auf Rechtsunwirksamkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit gerichteten Klage statt.

Das Berufungsgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung aus Anlass der von der Bekl erhobenen Berufung die Klage zurück und erklärte das hierüber geführte Verfahren für nichtig. Aus den Worten „für den Fall … abgewiesen werden sollte“ in der Klage ergebe sich, dass die Klage eine bedingte Prozesshandlung darstelle, die hier aber, weil die Bedingung in keinem innerprozessualen Umstand oder Vorgang bestehe, unzulässig sei. 225Weil das in der Klage angesprochene Verfahren gegen die ÖPAG noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, könne auch keine Rede davon sein, dass die in der Klage genannte Bedingung zwischenzeitlich erfüllt sei. Damit mangle es an einer wirksamen Klage.

Der dagegen erhobene Rekurs des Kl wurde als zulässig erkannt, weil das Berufungsgericht die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. In einem solchen Fall ist gem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts zulässig.

Der OGH hielt den Rekurs aber auch als inhaltlich berechtigt und hielt fest, dass die Auslegung einer Prozesshandlung nach ihrem objektiven Erklärungswert erfolgt. Es kommt darauf an, wie sie unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der Prozess- und Aktenlage im Prozesshandlungszeitpunkt objektiv verstanden werden muss. Bei der Auslegung von Parteiprozesshandlungen nach deren objektivem Erklärungsgehalt ist jener Variante der Vorzug zu geben, die es erlaubt, eine prozessuale Willenserklärung als wirksame Prozesshandlung anzusehen.

Als auszulegende Parteiprozesshandlung war laut OGH hier die Klage anzusehen.

Weder an deren Beginn noch an deren Ende, wo der Kl die Fällung eines Urteils bestimmten Inhalts beantragt, wird vom Kl aber zum Ausdruck gebracht, dass er seine Klage nur unter einer bestimmten Bedingung erhebt. Die Passage, auf die sich das Berufungsgericht beruft, findet sich inmitten des Vorbringens des Kl. Ihre Situierung spricht gegen eine Deutung, dass die Klage prozessual unter der Bedingung stehen soll, dass die Klage des Kl in seinem Verfahren gegen die ÖPAG ohne Erfolg bleibt.

Aus dem Vorbringen des Kl ergibt sich die Darstellung einer gewissen Zwangslage. Der Kl gibt bekannt, dass sein Standpunkt eigentlich jener ist, dass der Betriebsübergang auch ihn erfasst und er somit bereits in einem Arbeitsverhältnis zur ÖPAG steht. Er teilt mit, dass die Bekl hingegen den Standpunkt vertritt, in Bezug auf ihn liege kein Betriebsübergang vor.

Bei Gesamtbetrachtung der Klageschrift ist der Vortrag des Kl, die gegenständliche Kündigungsanfechtung erfolge „für den Fall, dass ein Betriebsübergang … nicht anzunehmen ist und im Verfahren gegen die ÖPAG … abgewiesen werden sollte“, angesichts der drohenden Verfristung der Anfechtung der Kündigung, der bereits erläuterten Situierung des Satzes inmitten des Vorbringens und aufgrund der dargestellten Auslegungsregel dahin auszulegen, dass der Kl bloß zu erklären versucht, warum er aus einem einzigen Arbeitsverhältnis zwei potentielle AG als beklagte Parteien unter Zugrundelegung eines jeweils unterschiedlichen eigenen Prozessstandpunkts zur gleichen Zeit gerichtlich belangt. Das Vorbringen ist nicht dahin zu verstehen, dass die vorliegende Klage gegenüber jener im Verfahren gegen die ÖPAG subsidiär sei. Der Kl führt erkennbar – wohl aus advokatorischer Vorsicht – zwei Prozesse parallel. Die in Rede stehende Passage stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Bedingung dar.