101

Keine Verfristung des Kündigungsgrundes, wenn kurz vor Ausspruch der Kündigung neuerlich gravierende Kompetenzmängel fortgesetzt zutage treten

RICHARDHALWAX

Der Kl hat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Bekl wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG angefochten. Die Bekl brachte als Rechtfertigung in der Person des Kl gelegene Gründe vor. Der Kl habe wiederholt gravierende Kompetenzmängel an den Tag gelegt. Er hielt dem entgegen, dass dieser Kündigungsgrund bereits verfristet sei, weil die festgestellten qualitativ unbefriedigenden Arbeitsergebnisse des Kl der Bekl bereits längere Zeit vor dem Kündigungsausspruch bekannt gewesen und geduldet worden seien.

Die Vorinstanzen sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung des Kl dessen soziale Situation zwar erheblich beeinträchtigt hat, aber die Abwägung mit dem festgestellten personenbezogenen Kündigungsgrund der mangelnden fachlichen Eignung zu seinen Lasten ausschlägt und dem Anfechtungsbegehren entgegensteht. Die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes sei darüber hinaus nicht verfristet.

Dagegen erhob der Kl außerordentliche Revision, welche vom OGH zurückgewiesen wurde.

Der OGH postuliert nicht nur im Zusammenhang mit Entlassungen und mit der Kündigung von Vertragsbediensteten und AN in besonders kündigungsgeschützten Dienstverhältnissen, sondern auch für personenbezogene Kündigungsgründe nach § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG das Gebot der Unverzüglichkeit der Geltendmachung. Es liegt nämlich auf der Hand, dass ein widriger Umstand, den der AG ohne Konsequenzen hingenommen hat, nicht viel später bei der Abwägung gegen wesentliche Interessen des Gekündigten auf einmal größeres Gewicht erlangen kann als ihm ursprünglich vom AG selbst beigemessen wurde.

Nach dem hier festgestellten Sachverhalt ist das Berufungsgericht von dieser Rsp aber nicht abgewichen. Liegt nämlich ein fortgesetzter Kündigungs- oder Entlassungsgrund vor, bei dem das Ausmaß der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung mit der Dauer zunimmt, und hat sich daran bis zum Ausspruch der Kündigung trotz unmissverständlicher Hinweise auf die Notwendigkeit einer Verbesserung nichts geändert, geht das Beendigungsrecht nicht durch die Annahme eines schlüssigen Verzichts verloren.

Im vorliegenden Fall wurde mit dem Kl in einem Mitarbeitergespräch im Mai 2019 wegen der hervorgekommenen Probleme bei der Erledigung seiner Aufgaben zunächst eine Änderung seiner 227Tätigkeitsschwerpunkte vereinbart. „Im Sommer 2019“, also jedenfalls nach diesem Gespräch und kurz vor Ausspruch der Kündigung am 28.8.2019, kamen aber bei seiner Mitwirkung an der Veranstaltung „Financial Days“ neuerlich gravierende Kompetenzmängel zutage. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Mängel einerseits in einer Gesamtbetrachtung als Fortsetzung der bereits davor festgestellten Unzukömmlichkeiten zu würdigen waren, und andererseits ohne schädlichen Verzug durch die Kündigung geltend gemacht wurden, hält sich im Rahmen der stRsp.

Bei den hier wesentlichen Kündigungsgründen in der Person des Kl bedurfte es auch keiner weiteren Ermahnung.