104Keine Haftung der Betrieblichen Vorsorgekassen für Richtigkeit der Kontonachrichten bei Unterdeckung
Keine Haftung der Betrieblichen Vorsorgekassen für Richtigkeit der Kontonachrichten bei Unterdeckung
Die Bekl verwaltet als Betriebliche Vorsorgekasse die vom ehemaligen DG der Kl entrichteten Beiträge zum System der „Abfertigung-Neu“. Mit Schreiben vom 30.4.2019 informierte die Bekl die Kl über deren Guthaben aufgrund ihres Pensionsantritts zum Stichtag 31.3.2019. Aus Anlass eines Auszahlungsbegehrens teilte die Bekl der Kl jedoch mit, dass aufgrund einer Differenz zwischen den gemeldeten Lohnzetteln und den tatsächlich eingelangten Beiträgen nur ein um diese Differenz verminderter Betrag des Guthabens ausbezahlt werden könne. Die Kl begehrte diese Differenz, da die Bekl für die Richtigkeit des in der Kontonachricht zum Stichtag 31.3.2019 ausgewiesenen Guthabens hafte. Dieser Anspruch ergebe sich trotz Unterdeckung aus § 25 Abs 5 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) iVm § 27 Abs 8 BMSVG. Die Bekl beantragte die Abweisung der Klage. Sie sei nicht zur Zahlung einer Abfertigung für Beiträge verpflichtet, die niemals an sie überwiesen worden seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl nicht Folge. Sowohl bei der Abfertigungsanwartschaft als auch bei der Garantieleistung gelte das Zuflussprinzip. Die Bekl hafte für die Richtigkeit ihrer Kontonachrichten nur bis zur Summe jener Beiträge, die ihr vom Krankenversicherungsträger, dessen Aufgabe die Einhebung der Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse sei, tatsächlich zugeflossen seien. Der OGH wies die ordentliche Revision der Kl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück.
Nach § 25 Abs 5 BMSVG haftet die Betriebliche Vorsorgekasse für die Richtigkeit der Kontonachrichten auf der Grundlage der von den Sozialversicherungsträgern im Wege des Dachverbandes zur Verfügung gestellten Beitragsgrundlagenmeldungen im Ausmaß der gem § 27 Abs 8 BMSVG vom jeweiligen zuständigen Sozialversicherungsträger überwiesenen Beiträge. Nach § 27 Abs 8 BMSVG sind die jeweils zuständigen Träger der KV verpflichtet, die Beiträge nach den §§ 6 und 7 BMSVG an die Betriebliche Vorsorgekasse unabhängig davon, ob der/die AG die Beiträge ordnungsgemäß geleistet hat, zur Gänze entsprechend den monatlichen Beitragsgrundlagen gem § 34 Abs 2 ASVG abzuführen.
Bereits das Berufungsgericht hat hervorgehoben, dass die Einfügung der Wortfolge „im Ausmaß der gemäß § 27 Abs 8 vom jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger überwiesenen Beiträge“ in § 25 Abs 5 BMSVG durch die BMSVG-Novelle 2018, BGBl I 2017/107, die Haftung der Betriebliche Vorsorgekasse auf das Ausmaß der tatsächlich überwiesenen Beiträge beschränkt.
§ 27 Abs 8 BMSVG normiert eine Vorleistungspflicht zu Lasten der Krankenversicherungsträger. Die Kl erklärt nicht näher, inwiefern sich aus dieser ausschließlich die Krankenversicherungsträger verpflichtenden Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut eine – das Zuflussprinzip konterkarierende – Haftung der Bekl für ihr nicht überwiesene Beiträge ergeben soll. Im Wesentlichen konzentriert sich ihre Argumentation auf die Behauptung, die Bekl hätte die korrekten Zahlungen des Krankenversicherungsträgers an sie selbst entsprechend den Beitragsgrundlagenmeldungen überprüfen müssen, zumal die Bekl für die Veranlagung der Entgelte der AN eine Verwaltungsgebühr einbehalte. Ausgehend davon treffe die Bekl ein Organisationsverschulden, weil sie die Höhe der abgeführten Beträge trotz der dazu bestehenden Möglichkeit nicht jährlich überprüfe bzw überprüft habe, den AN aber dennoch Kontonachrichten übermittle, in denen unüberprüfte Beträge ausgewiesen seien. Bei einer Überprüfung hätte die Bekl erkennen müssen, dass die Österreichische Gesundheitskasse geringere Beträge zur Anweisung bringe, als in den Beitragsgrundlagen ausgewiesen sei. Die Nichtüberprüfung sei sittenwidrig und verstoße gegen Treu und Glauben, weil die Bekl einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, indem sie in den Kontonachrichten den Klagsbetrag als Anspruch der Kl angeführt habe, und sich nunmehr darauf berufe, weniger erlangt zu haben, ohne der Kl die Möglichkeit zu geben, noch innerhalb der Verjährungsfrist allfällige Ansprüche gegen den AG geltend zu machen. Daran änderten auch die Hinweise auf den Kontonachrichten nichts, dass die Bekl keine Möglichkeit habe, die Richtigkeit der Beitragsleistung zu überprüfen.
Mit diesen auf einen Schadenersatzanspruch abzielenden Ausführungen zeigt die Kl aber schon deshalb keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil sie einen Schaden nicht schlüssig zur Darstellung zu bringen vermag:
Wie das Berufungsgericht erkannt hat, stünde der Kl für den Fall, dass die behauptete Unterdeckung selbst auf unrichtige Beitragsgrundlagennachweise zurückzuführen wäre, von vornherein keine höhere Abfertigung zu. Da nicht feststeht, dass die Beitragsgrundlagennachweise korrekt waren und die Beiträge des DG nicht zur Gänze geleistet wurden, hat die Kl den Eintritt eines Schadens nicht bewiesen. Nach den Feststellungen bleibt nämlich auch die erste – mit keinem Schaden verbundene – Sachverhaltsvariante möglich. Ungeachtet dessen hat die Kl – wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt hat – für den zweiten denkbaren Fall kein Vorbringen zur Einbringlichkeit allfälliger nicht bezahlter Beiträge beim DG 229bei früherer Feststellung der Unterdeckung erstattet. Dies wäre aber Voraussetzung für einen insoweit auf eine Verschleierung der Unterdeckung gegründeten Schadenersatzanspruch gewesen. Einen anderen – nicht auf die höhere Abfertigung gerichteten – Vertrauensschaden hat die Kl nicht vorgetragen.
Aus diesem Grund kann die von der Kl in der Revision relevierte Frage, ob die Bekl eine Prüfpflicht verletzt hat bzw ob ihr ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten anzulasten ist, auf sich beruhen.