105Wie wird ein Vergütungsanspruch für eine Diensterfindung durchgesetzt?
Wie wird ein Vergütungsanspruch für eine Diensterfindung durchgesetzt?
Bei der Stufenklage handelt es sich um die Möglichkeit, eine Klage auf Leistung mit einer Klage gem Art XLII Abs 1 EGZPO zu verbinden, wobei die bestimmte Angabe der begehrten Leistung vorbehalten werden kann, bis die eidliche Angabe über das Vermögen gemacht worden ist. Bei einer Stufenklage ist zuerst das Verfahren über das Rechnungslegungsbegehren durchzuführen und darüber mit Teilurteil zu entscheiden; erst dann ist das Klagebegehren ausreichend bestimmt zu gestalten, so dass darüber (mit Endurteil) entschieden werden kann.
Die (gesonderten) Grundlagen des Zahlungsbegehrens sind in der ersten Phase des Stufenklageverfahrens grundsätzlich nicht zu prüfen. Allein durch die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage wird der Manifestationsanspruch inhaltlich nicht beschränkt bzw vom Bestehen des damit verbundenen Zahlungsbegehrens („dem Grunde nach“) abhängig gemacht. Die Berechtigung des Rechnungslegungsbegehrens richtet sich demnach nur nach seinem Inhalt.
Der Kl war von 1.1.2009 bis 31.5.2018 bei der Bekl bzw deren Rechtsvorgängerinnen angestellt und an einer Diensterfindung beteiligt. Er begehrt mit Stufenklage Rechnungslegung und Zahlung einer Diensterfindungsvergütung. Er habe Anspruch auf Rechnungslegung hinsichtlich der Umsätze aus Werkzeugen und Werkzeugsätzen, welche auf Basis des klagsgegenständlichen Patents erzeugt und verkauft worden seien.
Das Erstgericht gab der Kl teilweise statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge, hob das angefochtene Teilurteil in seinem klagsabweisenden Teil auf und verwies die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Den Rekurs an den OGH ließ das Berufungsgericht zu.
Der OGH erachtete den Rekurs zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig und auch für berechtigt, weil bereits eine abschließende Sachentscheidung möglich war.
„1. Bei der Stufenklage handelt es sich um die Möglichkeit, eine Klage auf Leistung mit einer Klage gemäß Art XLII Abs 1 EGZPO zu verbinden, wobei die bestimmte Angabe der begehrten Leistung vorbehalten werden kann, bis die eidliche Angabe über das Vermögen gemacht worden ist […]. Bei einer Stufenklage ist zuerst das Verfahren über das Rechnungslegungsbegehren durchzuführen und darüber mit Teilurteil zu entscheiden; erst dann ist das Klagebegehren ausreichend bestimmt zu gestalten, so dass darüber (mit Endurteil) entschieden werden kann […]. Das Anlassverfahren befindet sich in der ersten Phase zur Entscheidung über das Rechnungslegungsbegehren.
2.1 Nach § 8 Abs 1 PatG gebührt einem Dienstnehmer in jedem Fall für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung eine angemessene besondere Vergütung. […]
Die Erfindervergütungen werden in der Praxis je nach der Art der Erfindung in der Regel nach drei Methoden ermittelt, und zwar nach der „Lizenzanalogie“, nach dem erfassbaren betrieblichen Nutzen oder in Form der Schätzung […]. Bei der „Lizenzanalogie“ wird der Erfindungswert im Wege der Berücksichtigung jener Gegenleistung (Lizenzgebühr) ermittelt, die ein freier Erfinder für seine Erfindung bekäme. Es ist also ein für vergleichbare Fälle bei freien Erfindern branchenüblicher Lizenzsatz zu ermitteln. Diese Methode ist vor allem in Fällen geeignet, in denen mit der Erfindung ein Umsatz verbunden ist, der den Marktwert der Erfindung am zutreffendsten widerspiegelt (9 ObA 7/04a mwN). Aus dem Lizenzwert multipliziert mit der Bezugsgröße ergibt sich sodann der Erfindungswert […]. In diesem Zusammenhang stellt sich daher die – vom Berufungsgericht aufgeworfene – Frage nach der Bezugsgröße, also dem Umsatz, von welchem bei der Ermittlung des Erfindungswerts auszugehen ist […].230
Der „Anteilsfaktor“ („Reduktor“) wiederum berücksichtigt den Einfluss des Unternehmens am Zustandekommen der Erfindung […]. […] Der Anteilsfaktor ist vom Erfindungswert abzuziehen bzw, wenn er in Prozent angegeben ist, mit dem Erfindungswert zu multiplizieren […].
2.2 Diese – vom Berufungsgericht prinzipiell richtig dargestellte – Rechtslage betrifft jedoch das Zahlungsbegehren und damit erst die zweite Phase der Stufenklage. Der Oberste Gerichtshof hat (zu einem immaterialgüterrechtlichen Rechnungslegungsanspruch nach § 9 Abs 4 UWG iVm §§ 150, 151 PatG) klargestellt, dass die (gesonderten) Grundlagen des Zahlungsbegehrens in der ersten Phase des Stufenklageverfahrens grundsätzlich nicht zu prüfen sind. Allein durch die Geltendmachung des Rechnungslegungsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage wird der Manifestationsanspruch inhaltlich nicht beschränkt bzw vom Bestehen des damit verbundenen Zahlungsbegehrens („dem Grunde nach“) abhängig gemacht. Die Berechtigung des Rechnungslegungsbegehrens richtet sich demnach nur nach seinem Inhalt […].
Ausgangspunkt für die Beurteilung muss hier daher die vom Kläger begehrte Rechnungslegung und nicht der dem Kläger letztlich tatsächlich zustehende Vergütungsanspruch sein.
3. Nach § 151 PatG ist der „Verletzer“, also derjenige, der ein Patent unbefugt verwendet (siehe § 150 Abs 1 PatG), dem Verletzten zur Rechnungslegung und dazu verpflichtet, deren Richtigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen. Eine ausdrückliche Norm, die auch den Dienstgeber, dem von einem Dienstnehmer eine gemachte Erfindung überlassen wird, zur Rechnungslegung verpflichtet, fehlt im Gesetz. Nach der Rechtsprechung ist § 151 PatG aber nicht nur auf deliktische Ansprüche anzuwenden; vielmehr ist per analogiam – besonders nach Auflösung des Dienstverhältnisses – auch einem Dienstnehmer, der Anspruch auf eine Vergütung für eine Diensterfindung hat, sowohl der Anspruch auf Rechnungslegung als auch derjenige zuzuerkennen, die gelegte Rechnung durch Sachverständige prüfen zu lassen. Erst mit der Rechnungslegung wird dem Dienstnehmer die Möglichkeit eröffnet, seine Ansprüche dem Grund und der Höhe nach zu konkretisieren (9 ObA 7/11m mwN). Voraussetzung ist, dass dem Dienstnehmer im konkreten Fall ein Anspruch auf Vergütung grundsätzlich zusteht […]. Letzteres ist im Anlassfall nicht mehr strittig.
Inhalt und Umfang der Verpflichtung nach § 151 PatG richten sich nach dem Zweck der Rechnungslegung. Zweck der Rechnungslegung ist es, den jeweils Berechtigten in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu ermitteln, um sein Leistungsbegehren beziffern zu können. Um diesen Zweck der Rechnungslegung zu erreichen, darf der Umfang der Rechnungslegungspflicht nicht allzu sehr eingeschränkt werden; es muss nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Falls auf das Verkehrsübliche abgestellt werden […]. Um diesem Zweck zu genügen, gewährt die Rechtsprechung grundsätzlich Einsicht in die Wareneingangs- und Warenausgangsrechnungen, sofern einer derartigen Einsicht nicht besondere Geheimhaltungsinteressen des Rechnungspflichtigen entgegenstehen […]. Vom Anspruch auf Rechnungslegung hinsichtlich der durch die Erfindung gemachten Umsätze wird von der Lehre und Rechtsprechung auch bei einem Diensterfinder ausgegangen (9 ObA 7/11m mwN).
4.1 Der Kläger hat im zweiten Rechtsgang zum offenen Rechnungslegungsbegehren ergänzend unter anderem vorgebracht, dass „eine Ausmessung des Anspruchs nach § 8 PatG ohne Berücksichtigung der Rechnungen für die Werkzeuge, die hergestellt und verkauft worden seien, und der Nutzung des Patents nicht möglich“ sei, „da im Rahmen des sogenannten Anteilsfaktors die Erfindung beim Werkzeugumsatz selbst zu berücksichtigen“ sei. Die Erfindung habe zur Kaufentscheidung auch im Hinblick auf die Bewerbung durch die Beklagte wesentlich beigetragen bzw einen überproportionalen Anstoß gegeben. So habe die Beklagte Ersparnisse und sonstige Kundenvorteile für Werkzeuge mit eingebauter Flow.Control ausdrücklich beworben. Deshalb seien die Umsätze für Werkzeuge relevant, in denen die Erfindung eingebaut sei. […] Der bloße Werkzeugumsatz sei daher auf Basis eines Anteilsfaktors ebenfalls beim Anspruch des Klägers zu berücksichtigen.
4.2 Das Vorbringen des Klägers zielt auf die Behauptung ab, dass die Beklagte eine Umsatzsteigerung in Bezug auf das Werkzeug (Düse) erzielt habe, die „wesentlich und überproportional“ auf die Erfindung zurückzuführen sei. Das heißt, die Umsatzerhöhung soll nicht nur im – vermutlich höheren – Verkaufspreis für die mit der Erfindung ausgestatteten oder nachgerüsteten Werkzeuge liegen, sondern auch in einem Zuwachs von Kunden, die das Werkzeug der Beklagten ohne die Erfindung nicht gekauft hätten. Diese Behauptung lässt sich allein durch die Kaufpreise „für die erfindungsgemäßen Anteile von Werkzeugsätzen, die auf die Zusatzoption einer Flow.Control-Ausstattung entfallen“, über die die Beklagte nach dem bereits rechtskräftigen Teil des Ersturteils Rechnung zu legen hat, nicht darstellen.
Im Übrigen hat die Beklagte das Vorbringen des Klägers nur mit dem Hinweis bestritten, „es seien ausschließlich Kundenentscheidungen, sich für Werkzeug mit Flow.Control zu entscheiden“. Die wirtschaftlichen Überlegungen der Kunden könnten nicht Grundlage für die Bemessung einer Erfindungsvergütung sein. Soweit Werkzeuge mit Flow.Control-Funktion verkauft würden, sei der Aufpreis für die Flow.Control-Funktion auch entsprechend für diese Funktionalität ausgewiesen, sodass kein genereller Verkauf eines Flow.Control-Werkzeugs ohne entsprechenden Ausweis dieser Funktion erfolge.231
Damit setzt die Beklagte dem noch strittigen Rechnungslegungsbegehren allerdings nichts Stichhältiges entgegen:
Es liegt auf der Hand, dass für ein Produkt, das aufgrund der Erfindung nicht nur einen höheren Verkaufspreis bringt, sondern auch die Zahl der Kunden erhöht, auf dem freien Markt eine höhere Lizenzgebühr erzielbar ist. Dieser Umstand hat Einfluss auf den wirtschaftlichen Wert der Erfindung für das Unternehmen und damit in weiterer Folge auf die Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers. Zur Konkretisierung seines Anspruchs dem Grunde und der Höhe nach hat der Kläger daher einen entsprechenden Manifestationsanspruch. Diesem entgegenstehende besondere Geheimhaltungsinteressen hat die Beklagte gar nicht behauptet. An dem Ergebnis vermögen auch die von der Beklagten im Rekurs ins Treffen geführten erstgerichtlichen Feststellungen nichts zu ändern, wonach das Wesen der Erfindung in der Schubsteuerung (Flow.Control) liegt und der Umfang der Erfindung eine Zusatzoption ist. Diese Feststellungen enthalten – wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat – keine Aussage über die vom Kläger behauptete Umsatzsteigerung in Bezug auf das Werkzeug mit eingebauter Flow.Control. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts bedarf es – im derzeitigen Verfahrensstadium – aber auch keiner weiteren Feststellungen dazu, ob das Vorbringen des Klägers zur wirtschaftlichen Bedeutung der Erfindung für die Gesamtumsätze der Werkzeuge mit Flow.Control-Funktion zutrifft, wenn es gerade dieser Umstand ist, der durch die begehrte Rechnungslegung abgeklärt werden soll.
5. Im Rekursverfahren gegen berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse gilt das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) nicht, sodass der Oberste Gerichtshof an die Stelle des Aufhebungsbeschlusses auch auf Rekurs der beklagten Partei ein Urteil auf Klagestattgebung fällen kann […]. Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im gänzlich klagestattgebenden Sinn zu erkennen.“
In der Praxis kommt es immer wieder zu Situationen, in denen AN zumindest der Meinung sind, Ansprüche gegenüber ihrem AG zu haben, aber aufgrund fehlender Unterlagen nicht in der Lage sind, den Anspruch zu beziffern. Bei einer Leistungsklage muss aber grundsätzlich genau beziffert werden, über welchen Betrag das Gericht entscheiden soll. Mangels Kenntnis des genauen Betrages hätte der Kl immer das Risiko, zu viel oder zu wenig einzuklagen. Beides ist äußerst unbefriedigend. Wenn zu viel eingeklagt wird, kann dies dazu führen, dass man trotz allfälligem Prozessgewinn Kostenersatz an den unterlegenen Gegner leisten muss. Klagt man zu wenig ein, können weitere Teile des Anspruchs verjähren.
Im hier vom OGH zu entscheidenden Verfahren ist es um eine Vergütung für eine Diensterfindung des AN gegangen. Mangels Einblicks in die Buchhaltung des AG konnte der AN verständlicherweise nicht beurteilen, wieviel ihm an Vergütung zusteht. Ganz abgesehen davon, dass es auch bei Kenntnis aller notwendiger Zahlen immer noch schwierig ist und zumeist eines eigenen Sachverständigen bedarf, den zustehenden Anspruch ziffernmäßig zu bestimmen. Um diese schlussendliche Bezifferung ist es im konkreten Verfahren aber gerade nicht gegangen.
Notwendigerweise hat der AN das Mittel der Stufenklage gewählt. Die Stufenklage dient zur Lösung des oben beschriebenen Problems, dass ein Anspruch nicht exakt beziffert werden kann, weil Unterlagen nicht zur Verfügung stehen. Im durchzuführenden Verfahren gibt es zwei Phasen. In Phase eins geht es um die Herausgabe der für die Bezifferung des Anspruchs notwendigen Unterlagen. Über diese Phase wird durch Teilurteil entschieden. Erst in der zweiten Phase wird über den schlussendlich bezifferten Betrag entschieden.
Das Berufungsgericht hat einen Teil des geltend gemachten Anspruchs in die erste Instanz zurückverwiesen, weil es für die Beurteilung noch weitere Feststellungen haben wollte. Diese für notwendig erachteten Feststellungen betrafen aber die Berechnung des letztendlich zustehenden Vergütungsanspruchs.
Der OGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass in der ersten Phase des Verfahrens aufgrund einer Stufenklage nicht der schlussendlich zustehende Anspruch zu beurteilen ist, sondern nur der Rechnungslegungsanspruch. Dieser darf nicht allzu sehr eingeschränkt werden. Zweck der Rechnungslegung ist es nämlich, den jeweils Berechtigten in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Zahlungsansprüche gegen den Bekl zu ermitteln, um sein Leistungsbegehren beziffern zu können.
Daher gab er der Kl im vollen Umfang für die erste Phase statt.
Stufenklagen sind im Arbeitsrecht immer wieder notwendig, auch abseits von Vergütungsansprüchen aufgrund von Diensterfindungen. Beispielsweise kann die vorherige Rechnungslegung erforderlich sein, wenn ein AN Provisionen einklagen will. Aber auch für die gerichtliche Geltendmachung von Vergütungen für Überstunden kann es notwendig sein, zuerst die Arbeitszeitaufzeichnungen einzuklagen.
Ein besonders pikantes Detail an dieser Entscheidung ist, dass das Rechtsmittel, über welches der OGH zu entscheiden hatte, von der Bekl erhoben worden ist. Da im Rekursverfahren über Aufhebungsbeschlüsse des Berufungsgerichts das Verschlechterungsverbot nicht gilt, konnte der OGH der Klage stattgeben. 232