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Ablöse des Arbeitgebers als Schuldner einer Zusatzpension durch eine Unterstützungseinrichtung ist mittels Betriebsvereinbarung nicht möglich

MARTINACHLESTIL
§ 27 Abs 3 und 4 GSpG; § 7 und Art V BPG

Die Kl (ehemalige AN und nunmehr Pensionisten) sind zwischen 1946 und 1951 geboren. Sie begannen ihr Arbeitsverhältnis zur Bekl zwischen 1957 und 1975 und traten zwischen 2006 und 2013 ihre Pension an.

Im Unternehmen der Bekl wurde vom Vorstand sowie dem Zentralbetriebsrat (ZBR) und den örtlichen Betriebsräten eine BV (im Folgenden BV 1990) abgeschlossen, die auch für die Kl mit 1.1.1990 wirksam wurde. Deren Inhalt ist ua die Aufteilung der in § 27 Abs 3 Glücksspielgesetz (GSpG) definierten Cagnotte. Dabei handelt es sich um die „Hinterlegung von Zuwendungen der Spieler in besonderen, eigens dafür vorgesehenen Behältern in den Spielsälen“ und somit um „Trinkgelder“ der Casinobesucher für AN der Bekl. Gemäß Gesetzesauftrag in § 27 Abs 4 GSpG legt der für alle AN der Bekl geltende Rahmen-KollV für die AN der Spielbanken fest, dass die Aufteilung der Cagnotte unter die AN durch eine BV zu erfolgen hat. Bei der BV 1990 handelt es ich daher um eine zulässige, echte BV (siehe dazu OGH 30.6.2005, 8 ObA 13/05b).

Die BV 1990 gewährte außerdem allen AN der Bekl als betriebliche Sozialleistung eine – mit Rechtsanspruch gegen die Bekl ausgestattete – Zusatzpension. Unter bestimmten Voraussetzungen (Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens) behielt sich die Bekl vor, die von ihr zu gewährenden Pensionsanteile zu kürzen oder einzustellen.

Mit 1.1.2002 kam es zu folgender Änderung: Im „Nachtrag 15 der BV 1990“ wurde für eine bestimmte AN-Gruppe (der auch die Kl zugehörig sind) die „Übernahme der Zusatzpension“ vorge233sehen. Damit sollte die bisherige Zusatzpensionsregelung der Kl, die als direkte Leistungszusage mit Rechtsanspruch gegen die Bekl ausgestaltet war, „einvernehmlich beendet“ werden und es sollte diese Zusatzpension (mit Rechtsanspruch) nunmehr von der Unterstützungseinrichtung (ebenfalls in der BV 1990 geregelte Wohlfahrtseinrichtung für die AN im Ruhestand und deren Hinterbliebene) erbracht werden.

Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Bekl ihre Casinos zeitweise schließen. Im April 2020 beschlossen der ZBR und der Vorstand der Bekl, die Pensionskassenbeiträge und die Zusatzpensionen mit 1.7.2020 um 30 % zu kürzen, so auch die Zusatzpensionen der Kl.

Kl begehren nun von der Bekl die Bezahlung der rückständigen Betriebspensionen sowie die in Zukunft fällig werdenden Pensionsbeträge. Sie stützen ihren Anspruch auf die BV 1990. Diese betriebliche Sozialleistung sei (als direkte Leistungszusage der Bekl) ein Anspruch gegen die Bekl; die Kürzung der Betriebspensionen der Pensionisten durch die Bekl sei unzulässig gewesen. Die Bekl beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst im Wesentlichen ein, dass sie als AG für die von den Kl geltend gemachten Ansprüche aus der BV nicht passiv klagslegitimiert sei; passiv legitimiert sei vielmehr die Unterstützungseinrichtung, die als Wohlfahrtseinrichtung gem § 93 ArbVG eine juristische Person (Betriebsratsfonds) sei und vom ZBR verwaltet werde.

Das Erstgericht gab der Bekl recht und wies das Klagebegehren ab, die Kl könnten ihren Anspruch aus der (nach § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG zulässigen) BV nur gegen die Unterstützungseinrichtung als juristische Person geltend machen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge und hob die angefochtene Entscheidung mit der Begründung auf, dass es sich bei der Unterstützungseinrichtung mangels Alleinbestimmungsrecht der Belegschaft um keine betriebseigene Wohlfahrtseinrichtung nach § 93 ArbVG handle und somit nur die Bekl als Anspruchsverpflichtete in Betracht komme. Der Rekurs an den OGH wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil es von der in 8 ObA 13/05b vorgenommenen Qualifikation der Unterstützungseinrichtung (als ZBR-Fonds) abgewichen sei.

Nach dem OGH ist der Rekurs der Bekl zulässig, aber nicht berechtigt; die Bekl ist für die gegen sie erhobenen Begehren der Kl aus folgenden Gründen passiv legitimiert:

Ansprüche aus der Zusatzpension können nur dann gegen die Unterstützungseinrichtung geltend gemacht werden, wenn die Betriebsvereinbarungsparteien die von der Bekl gegenüber den Kl in der BV 1990 vom 1.1.1990 abgegebene direkte Leistungszusage rechtswirksam durch den „Nachtrag 15 der BV 1990“ auf die Unterstützungseinrichtung als nunmehr Leistungsverpflichtete übertragen konnten. Dies ist unter Bedachtnahme auf die hier anwendbaren Bestimmungen des Betriebspensionsgesetzes (BPG) aber nicht der Fall.

Das BPG trat mit 1.7.1990 in Kraft. Damit gelangt das BPG auf Leistungszusagen, die nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurden, uneingeschränkt zur Anwendung. Auf Leistungszusagen, die – wie hier – vor Inkrafttreten des BPG gemacht wurden, ist dieses Gesetz nur hinsichtlich der nach seinem Inkrafttreten erworbenen Anwartschaften anzuwenden, wobei für die Erfüllung der Wartezeit und des Fünfjahreszeitraums auch Anwartschaftszeiten zählen, die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes liegen (Art V Abs 3 Satz 1 und 2 BPG). Das BPG ist daher auf die Zusatzpension aus der BV 1990 als rechtsverbindliche direkte Leistungszulage der Bekl hinsichtlich sämtlicher nach dem 1.7.1990 erworbenen Anwartschaften anzuwenden.

Im Zeitpunkt der hier auch für die Kl relevanten Änderungen durch den „Nachtrag 15 der BV 1990“ mit 1.1.2002, hatten diese zufolge der Erfüllung der gesetzlichen Wartezeit (§ 7 Abs 1 BPG iVm Art V Abs 3 BPG) bereits unverfallbare Anwartschaftszeiten erworben. Für die Frage der Rechtswirksamkeit der „Übernahme der Zusatzpension“ durch die Unterstützungseinrichtung sind daher die – nach § 19 BPG zwingenden – Bestimmungen des BPG zu berücksichtigen.

Der Eingriff in ein auf der Grundlage des § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG durch BV geregeltes Pensionssystem durch Abschluss einer neuen BV ist bezüglich der noch aktiven AN nach den allgemeinen Derogationsgrundsätzen an sich möglich. Beruhte die direkte Leistungszusage wie im vorliegenden Fall auf einer BV, dann könnten Betriebsinhaber und BR diese uno actu, etwa im Zuge der Übertragung der Anwartschaften in eine Pensionskasse, beseitigen, wenn dem Sachlichkeitsgebot entsprochen wird. Die vollständige Übertragung des Deckungserfordernisses würde bewirken, dass die bestehende Pensionszusage in ihrer Gesamtheit aus dem Geltungsbereich der Regelungen des BPG für direkte Leistungszusagen ausscheidet und nunmehr dem Regime der Pensionskassenzusage untersteht. Dies kann nur gelingen, wenn die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung der direkten Leistungszusage beseitigt werden, der AG muss demnach von der direkten Leistungszusage „entpflichtet“ werden, wobei die Art der Entpflichtung davon abhängt, auf welchen rechtlichen Grundlagen die direkte Leistungszusage beruhte.

Beim hier vorliegenden Fall handelte es sich in Bezug auf die Kl jedoch um keine Übertragung bzw „Übernahme“ der direkten Leistungszusage in ein Pensionskassenmodell (oder der Übertra234gung des Unverfallbarkeitsbetrags in eine direkte Leistungszusage eines neuen AG), sondern es sollte durch die Änderung mit dem „Nachtrag 15 der BV 1990“ für eine bestimmte AN-Gruppe (der auch die Kl angehören) zu einer „einvernehmlichen Beendigung der Zusatzpensionsregelung“ kommen und die Kl sollten in Hinkunft die Zusatzpension von einem neuen Schuldner, nämlich der Unterstützungseinrichtung, erhalten. Eine Rechtsgrundlage für ein derartiges Vorgehen sehen die zwingenden Bestimmungen des BPG jedoch nicht vor und dass die Kl diesem „Schuldnerwechsel“ einzelvertraglich zugestimmt hätten, behauptet die Bekl nicht. Die Übertragung der von der Bekl in der BV 1990 gewährten Zusatzpension auf die Unterstützungseinrichtung war daher schon aus diesem Grund rechtsunwirksam. Da sich die Bekl dadurch somit von ihrer direkten Leistungszulage gegenüber den Kl nicht befreien („entpflichten“) konnte, ist sie für die klagsgegenständlichen Ansprüche (nach wie vor) passiv klagslegitimiert.